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Anke D. verlässt die Piratenpartei

Anke D. ist aus der Piratenpartei ausgetreten.

Obwohl ich schon seit einiger Zeit kein Pirat mehr bin, fühle ich mich der Piratenpartei immerhin noch so nahe, dass ich ihren Blogpost dazu nicht unkommentiert stehen lassen möchte.

Dieser Blogpost handelt davon, wie die Übernahme der Piratenpartei durch eine Gruppe linksextremer, teils gewaltbereiter, vielfach anti-demokratischer und teils anti-deutscher Möchtegern-Polit-Avantgardisten letztlich gescheitert ist, versucht aber diese erfolgreiche Abwehr des linksradikalen Übernahme-Versuchs durch die Piratenpartei als gaaaanz falsch darzustellen.

Der erste fettüberschriebene Absatz des Artikels handelt vom sogenannten Orga-Streik.
Bei diesem zeigten sich größere Teile der ehrenamtlich für die Partei arbeitenden Funktionsträger nicht bereit zu helfen, (durch Tricks auf aussichtsreichen Listenplätzen platzierte) Linksradikale im Namen der Piratenpartei in das EU-Parlament zu hieven.
Der Widerstand der Basismitglieder, gerade das Fehlen von „Obrikeitshörigkeit“ in den Maschinenräumen der Partei bremste die Radikalen, die sich durch allerlei Tricks und Schwächen der Piraten-Basisdemokratie im Bundesvorstand installiert hatten, empfindlich aus.
Nur Julia Reda konnte als linksfeministisches U-Boot ((meine Meinung)) über die Piraten-Liste ins EU-Parlament einziehen. Weitere LinksextremistInnen blieben *leider* ohne Pfründe. Das war natürlich ein Schlag ins Gesicht der politischen Anliegen der linksradikalen Trittbrettfahrer. Aber vollkommen gerechtfertigt.

Zum Absatz, „Wo ist das Visionäre, Progressive, Mutige, das Neue und das Andere geblieben?“:

In diesem Abschnitt versucht Anke D. sich und die Linksextremisten als visionär, mutig, neu und progressiv zu „framen“, und ihre Gegner in der Piratenpartei als ängstlich, „konservativ“ und obrigkeitshörig erscheinen zu lassen. Obwohl wir ja gerade gelernt haben, dass Piraten sich nicht einmal ihrem Bundesvorstand unterwerfen.

Und progressiv heißt im Wortsinn fortschrittlich, und das, was die sogenannten „Progressiven“ in der Piratenpartei wollten, war das Gegenteil von Fortschritt. Manipulierbare Computer-Wahlen sind kein Fortschritt im Vergleich mit funktionierenden Urnen-Wahlen, überkomplexe Dauer-eVoting-Systeme sind kein Fortschritt im Vergleich mit funktionierender Präsenz-Demokratie, und Veränderungen, die es notwendig machen, zivilisatorisch hinter die Errungenschaften der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zurückzugehen, kann man ebenfalls nicht als Fortschritt ausgeben. Nur im linksextremistischen Umfeld ist es anscheinend weiterhin möglich, jeden Unsinn als „progressiv“ zu verkaufen, solange dieser nur irgendwie einen radikalen Bruch mit dem Status Quo bedeutet. Erstmal alles kaputtmachen, dann sehen wir weiter, das scheint das Motto des „intellektuellen“ deutschen Linksextremismus zu sein.

Dass die sogenannten „Progressiven“ irgendwelchen echten Fortschritt gebracht hätten oder hätten bringen können ist eine unwahre Behauptung, eine Erzählung, die das völlige Versagen der Progressiven umdeuten soll in eine Geschichte des Scheiterns strahlender Fortschrittsbringer an den tumben kleinkarierten Idioten, die nicht erkennen wollten oder konnte, was für große Lichter ihnen helfen wollten, eine strahlenden Zukunft zu erlangen.
Aber die Piratenpartei hat sicher nie kleinkarierte Idioten angezogen, entsprechend unglaubwürdig ist diese linksradikale Folklore von den tollen Progressiven, die an den kleinkarierten Stammtisch-Piraten gescheitert sein sollen. Über ebenso idealistische wie dysfunktionale Konzepte für Pseudo-Fortschritt sind die sogenannten „Progressiven“ nie hinaus gekommen. Das, gepaart mit ihrem Versuch, die Partei massiv nach links zu schieben, ist der Grund, warum sich die Linksradikalen in der Piratenpartei nicht durchsetzen konnten.

Wenn eine Truppe eroberungswütiger Linksextremer eine Partei umkrempeln und manipulierbares e-Voting zur Norm erklären will, dann ist Festhalten am Bewährten auch nicht Zeichen von Angst oder Obrigkeitshörigkeit, sondern von Konservatismus im besten Sinne und Beweis von Haltung und Rückgrat. Soviel zu der Legende, an der Strickaktivistin Anke D. in diesem Abschnitt strickt. (Wortwitz)

Zum nächsten Absatz, „Ich habe nichts mehr verloren in einer Partei, deren ’sozialliberale‘ Mitglieder mehrheitlich die Zusammenhänge in einer digitalen Gesellschaft nicht verstanden haben (…)“:
Dieser Abschnitt zeigt: Die Linksradikalen, die die Piratenpartei heimgesucht haben, glauben anscheinend wirklich, die Zusammenhänge der (digitalen) Gesellschaft verstanden zu haben & mdash; im Gegensatz zu allen anderen. Sie sind Erleuchtete, die die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben glauben.

Hat man sowas vielleicht schon mal gehört? Die Idee, mit einer universellen Theorie alles Menschliche und Politische erklären zu können, und dann durch eine ganz neue, radikale Politik, ein neu zu schaffendes politisches Gesellschafts-System nichts weniger als alles verändern zu können? Ja, und das ist auch überhaupt nichts Neues. Sondern typisch für die radikale deutsche ideologische Linke. Der Kommunismus zum Beispiel ist Produkt dieses linken Denkens, dieses Glaubens daran, alles am besten verstanden zu haben und auf jeden Fall sofort und radikal handeln zu müssen.
Die eigene Ideologie durch radikale Maßnahmen durchdrücken zu wollen war immer schon typisches Kennzeichen totalitärer Bewegungen, ebenso der zur Durchsetzung dieser schönen neuen Welt gegen den Widerstand der Andersdenkenden notwendige, und darum trotz des zivilisatorischen Rückschritts als „progressiv“ dargestellte „kurzzeitige“ Rückfall in vordemokratische Barbarei und Gewaltherrschaft.

Wer von so einer ideologisch motivierten, technokratisch organisierten, radikalen Veränderung träumt, der sollte sich eingestehen: Er träumt von nichts weniger als einer „Kulturrevolution 2.0“.

Ich bin froh, dass diese nach dem Austritt der meisten Linksbizarren aus der Piratenpartei jetzt zumindest nicht mehr von dieser Partei ausgehen wird und hoffe, dass die linksextremen Rollkommandos sich der Partei „Die Linke“ ebenfalls die Zähne ausbeißen werden. Möglicherweise wird’s ja nochmal was mit den Piraten, wenn sie jetzt wirklich sozialliberal werden sollten.
Zu hoffen wäre es.

Ach ja: Es folgen in dem Artikel noch mehrere Absätze, die recht geschickt gemacht sind und eine Art Selbstvergewisserung und Solidarisierung mit Anke D.s Peer Group darzustellen scheinen.
Alle anderen Piraten Nazis, Maskus, doof und ungerecht, undankbar, dumm, Hetzer. Aber „wir“ bleiben aufrecht und kämpfen weiter! Hoch die internationale Solidarität! (Oder so)

Dieses Herumhacken auf der Piratenpartei, kombiniert mit der Selbstinszenierung als Opfer, kombiniert mit dem Fehlen jeglicher Selbstkritik, lässt den Abschnitt klingen wie eine Rechtfertigung irgendeiner gescheiterten linken Terrorzelle. „Wir haben ja das beste gewollt, aber der dumme Pöbel wollte nicht mitmachen, weil unsere bösen Feinde… bla bla bla…“

Aber man darf nicht vergessen, dass Anke D. der Piratenpartei freiwillig beigetreten ist, dass die Piratenpartei schon seit jeher „postgender“ war, dass die Linksradikalen selbst durch ihre Aktionen wie das Aufhängen von Antifa-Fahnen, durch ihren Versuch Listenplätze zu erobern, durch ihre Verachtung für die FDGO etc. das Klima in der Piratenpartei erst so vergiftet haben, dass Linksextreme schließlich ausgebuht und weggemobbt worden sind. Weil diese Linksextremen vorher selbst überaus aggressiv versucht haben, Andersdenkende mundtot zu machen und webzumobben und der Partei ihren genderfeministischen Stempel aufzudrücken, weil diese auch laut gejubelt haben, wenn ihnen das mal gelungen ist, gibt es zu der Story, wie die arme Anke D. in der Piratenpartei schließlich auf verlorenem Posten stand, auch eine Kehrseite, und die sollte man nicht vergessen, bevor man am Ende noch alles für bare Münze nimmt, das die Ex-McKinsey-Beraterin und Lobbyistin Frau D. so alles ganz offen und ehrlich erzählt.

Freies Mandat und Vollprogramm

Menschen wählen Parteien, weil sie sich von diesen Parteien eine bestimmte Politik erhoffen.
Welche Politik dies ist, wird durch das Parteiprogramm der Partei bestimmt.

Nun sind die Piraten eine Partei, die für das „Freie Mandat“ eintritt, also dafür, dass Abgeordnete nur ihrem Gewissen verpflichtet sein sollen.
Das bedeutet: Abgeordnete sollten sich nicht der Parteimeinung bzw. der Fraktionsdisziplin unterwerfen, sondern ihren eigenen Kopf haben.

Das Problem daran ist, dass die Wähler sich auf deutsch gesagt verarscht fühlen (werden), wenn Abgeordnete einer Partei, die sie gewählt haben, nicht so stimmen, wie es im Wahlkampf versprochen wurde.

Je mehr also im Wahlkampf an Positionierung versprochen wurde, desto wahrscheinlicher ist es also für eine Partei, die für das „Freie Mandat“ eintritt, dass ihre Abgeordneten gegen das eigene Parteiprogramm stimmen.
Das bedeutet: Je umfangreicher das Parteiprogramm ist, desto häufiger wird es in den eigenen Fraktionen Stimmen gegen die Programmposition geben, desto häufiger werden Wähler enttäuscht sein, desto stärker leidet die Glaubwürdigkeit der Partei.

Und darum sind Vollprogramm und „Freies Mandat“ in der Praxis unvereinbar.

Die Piratenpartei muss sich darum entscheiden: Entweder ein schlankes Programm, dass sich auf die Kernthemen konzentriert und ansonsten bei anderen Themen die Abgeordneten frei entscheiden lässt, oder ein Vollprogramm und dazu eine eiserne Fraktionsdisziplin wie bei den Altparteien.

Ich bin für ein kompaktes Programm mit Kernthemen und das Freie Mandat. Das Vollprogramm, der Versuch, auf allen Politikfeldern alles abzudecken, ist ein Irrweg, ein Holzweg, auf den uns die Altparteien und die mit diesen verbundenen Journalisten locken wollen.
Wir müssen den Mut haben zu sagen, dass wir unseren Abgeordneten bei allen Themen, die wir nicht in unserem Programm abdecken, die freie Wahl lassen werden, wie sie stimmen. Wir müssen den Mut zur programmatischen Lücken haben und darauf vertrauen, dass unsere Themen genug Menschen bewegen können, um politisch erfolgreich zu sein. Ein Vollprogramm würde bedeuten, auf fast allen Politikfeldern personell und von der Kompetenz her unterlegen zu sein. Gewählt werden werden wir aber nur, wenn wir Menschen überzeugen. Und das können wir nur, wenn wir nur zu den Schlachten antreten, wo wir überzeugen und gewinnen können, also in den Politikfeldern, wo wir überlegen Kompetenz haben. Darum ist die Kombination Kernthemen und freies Mandat für mich für die Piratenpartei „alternativlos“.

Recht auf Wahlfreiheit bei „Clouds“, und mehr.

Ich hatte kürzlich das zweifelhafte Vergnügen, Windows 8.1 auf einem Ultrabook in Betrieb zu nehmen.
Nur mit etwas Mühe konnte ich das Anlegen eines Microsoft-Kontos vorerst verhindern, doch bei der Inbetriebnahme von Skype ließ es sich dann nicht mehr vermeiden.
Und nur mit Mühe und Not konnte ich das Gerät davon überzeugen, dass ich nicht meine gesamten persönlichen Dokumente in die Microsoft-Cloud hochladen und meinen Suchverlauf Microsoft für Werbe- und Optimierungszwecke zur Verfgügung stellen will.

Das gleiche Problem hat man mit den meisten Mobiltelefonen: Es werden nicht-entfernbare Applikationen mitgeliefert, und jeder Hersteller versucht, die Kunden auf seine Angebote zu lotsen.
Der Kunde soll abhängig gemacht werden von irgendwelchen Cloud-Speichern und Internet-basierten Anmelde-Verfahren, angeblich im Namen der Sicherheit.

Aber ich habe keine Lust, meine Geräte nur nutzen zu können, wenn ich Online bin, oder nur mit einem Konto von Firma X, oder nur wenn ich Zugriff auf die Cloud von Firma Y habe.
Kluge Menschen wissen: Es gibt keine „Cloud“, es gibt nur die Computer anderer Leute. Und meine Daten lasse ich ungern bei anderen Leuten liegen, ich habe sie lieber bei mir.

Und ich möchte auch in Zukunft die Möglichkeit haben, das so zu halten.
Wir brauchen daher meiner Meinung nach endlich ein verbrieftes Recht, auf eigenen Geräten eigene Software zu installieren. Dass man einen Bootloader freischalten darf oder dass man auf seinem PC ein nicht-signiertes OS laufen lassen kann darf kein Gefallen sein, den Hersteller Nutzern tun, es muss ein Recht sein, dass Bürger haben.
Und es muss auch ein Recht darauf geben, Online-Authentifizierungsmechanismen abzuschalten, und Cloud-Speicher-Anbieter frei zu wählen. Dass Anbieter durch technische Maßnahmen Nutzer in ihr jeweiliges „Ökosystem“ einsperren wollen ist nicht hinnehmbar. Was ist schon das „Bundling“ von Windows mit dem Internet-Explorer, das einst verboten wurde, gegen die Verschmelzung von Betriebssystem, „App-Store“, Cloud-Anbieter, Musikdienst, Medienbibliothek etc.?
Hier drohen Nutzerinteressen und Wettbewerb unter die Räder zu kommen, weil niemand die Regeln des Marktes so anpasst, dass Kundeninteressen tatsächlich gehört werden. Im Moment kümmert sich niemand bei den Unternehmen um die Kundeninteressen, da die Annahme ist, dass man jetzt Marktanteile erobern muss um keine Chancen zu verpassen; und die Kunden haben ja sowieso keine große Wahl…

Hier ist meiner Meinung nach die Politik gefragt, das Abstecken von Claims zu verhindern, und Nutzerrechte zu verteidigen, beziehungsweise die Entmündigung von Nutzern und das Abgreifen von deren Daten zu verhindern. Und das wäre vielleicht auch ein Programmpunkt für die Piratenpartei – die Verteidigung der Menschen gegen die Hilf- und „Alternativlosigkeit“ schon beim Einrichten eines Computers, wo man heuten nur die Möglichkeit hat, sich den irren Regeln von Konzernen zu unterwerfen, oder das Gerät zurückzugeben.

Basis Entscheid Online

Eine Freundin hatte mich gefragt, ob ich ggf. etwas beitragen könnte zum „Basisentscheid Online“.
Das ist schon ziemlich lange her. Ich habe aber immerhin oft darüber nachgedacht, wie man das Problem des Basisentscheids bezüglich der Freiheit, der Gleichheit und der Geheimhaltung der Wahl irgendwie lösen könnte. Das hier ist das Ergebnis.

Bei einer Wahl hat man verschiedene Probleme: Erstens das Problem, dass die Wahl gleich sein soll. Das heißt, jeder hat eine Stimme, und es wird sichergestellt, dass Stimmen weder unterschlagen werden noch zusätzliche Stimmen „erfunden“ werden. Bei der Urnenwahl geht das über das Wählerverzeichnis, mit dessen Hilfe und mit Hilfe der Wahlbenachrichtigung oder des Personalausweises jeder Wahlberechtigte identifiziert bzw. authentifiziert wird.

Beim Einwerfen der Stimme in die Urne wird der gefaltete Wahlzettel „anonymisiert“. Dadurch wird die Freiheit der Wahl sichergestellt.

Dass die Urne nicht irgendwie manipuliert ist wird sichergestellt, indem vorher Wahlhelfer von verschiedenen Interessengruppen die Urne überprüfen. Außerdem wird durch die Verteilung der Wahl auf zig Wahlbezirke eine Wahlmanipulation erschwert, weil eine effiziente Wahlmanipulation eine ziemlich groß angelegte Verschwörung benötigen würde. Denn wer nicht alle Bezirke manipulieren kann, muss in den wenigen kontrollierten Bezirken stark manipulieren, um in Bezug auf das Gesamtergebnis einen Effekt zu erzielen; weil auch die Einzelergebnisse der Bezirke veröffentlicht werden, fällt die Manipulation im Allgemeinen auf.

Das schöne an der Urnenwahl ist, dass relativ transparent und nachvollziehbar ist, dass diese Mechanismen funktionieren.

Bei Brief- oder Computerwahl gibt es diese Transparenz nicht, eher einen „Single Point of Failure“, eine einzige Stelle, an der ggf. intransparent alles manipuliert werden kann, nämlich der eine Server oder der eine Briefkasten; und darum sollte man mit solchen Verfahren prinzipiell keine Wahlen veranstalten.

Wie könnte man also unter diesen Umständen doch noch einen Basis-Entscheid, ggf. online, hinbekommen?

Klar, eine Möglichkeit ist es, nur offene oder namentliche Wahlen verteilt bzw. online durchzuführen, dann treten die ganzen Probleme einer geheimen Wahl nicht auf.

Aber wenn man auch geheime Wahlen durchführen will, erscheint es mir von entscheidender Bedeutung zu sein, die Dezentralität beizubehalten, also zu verhindern, dass es einen oder wenige Punkte gibt, wo eine Manipulation erfolgen kann, und sicherzustellen, dass die Auswertung der Stimmen durch bekannte Personen verschiedener Lager gemeinsam durchgeführt werden muss.

Das hieße dann also: Mehrere Wahl-Server mit unabhängig installierter Software, die mehrere Leute geprüft haben, mehrere Briefkästen, die während der gesamten Wahlperiode von mehreren Leuten bewacht werden, etc..

Das wiederum bedeutet einen eher hohen personellen und zeitlichen Aufwand, und dann stellt sich die Frage, ob ein auf diese Weise durchgeführter Basisentscheid, Online oder per Brief oder sonstwie, überhaupt noch einen Vorteil hat gegenüber z.B. einem „verteilten Bundesparteitag“.

Jetzt, nach reiflicher Überlegung, denke ich, dass ein verteilter Bundesparteitag, wo dann verschiedene lokale, gemischte Wahlkommissionen die jeweiligen Stimmen auswerten, in dessen Rahmen dann verschiedene Basisentscheide veranstaltet werden könnten, die realistischere Alternative darstellt.

Netzneutralität oder: Die Piratenpartei als Marktwirtschaft-für-Verbraucher-Partei

Wie viele Menschen in diesem Land wohne ich in einem Gebiet mit semi-prekärer Internet-Versorgung.
Ich habe die Wahl zwischen einem ziemliche störungsanfälligen DSL 6000 (mehr gibt die Teilnehmeranschlussleistung nicht her), und Internet über KabelBW.

KabelBW hat ein attraktives Angebot. Aber was mich stört, sind die „Besonderen Geschäftsbedingungen Internet und Telefonie“.

Ganz kurz: Im Abschnitt über die genutzte Hardware, A:4 C, wird verboten, über das Internet andere Voice-Over-IP-Telefonie-Dienste zu nutzen als den von KabelBW angebotene. Im Abschnitt über Telefonie, C:2.3 & 2.6, wird verboten, über die Telefonleitung ins Internet zu gehen.

Das bedeutet: Obwohl technisch gesehen heute beide Dienste, Telefonie und Internet-Zugang, über das Internet funktionieren, wird mit juristischen Mitteln die traditionelle Trennung der Dienste „aufrechterhalten“. Der Netzbetreiber profitiert davon, dass er beide Dienste über das selbe Medium abwicklen kann, aber der Kunde soll weiter für beides getrennt zahlen.

Diese juristische und technische „Verkrüppelung“ von Internet-Zugängen mit dem Ziel, den Kunden doppelt zahlen zu lassen, ist natürlich eine Sauerei, und auch nur möglich, weil sich sämtliche Telekommunikationsanbieter zu einem Kartell zusammengeschlossen haben mit dem Ziel, die sogenannte „Netzneutralität“ abzuschaffen und die Verbraucher abzuzocken.

Netzneutralität bedeutet nämlich, dass ein Internet-Zugang nicht ein gefilterter, eingeschränkter Internet-Zugang ist, wo der Anbieter bestimmte Inhalte filtern oder verzögern kann, sondern dass ein Internet-Zugang tatsächlich ein unbeschränkter Zugang zum Internet ist, wo der Kunde sich seinen Internet-Telefonie-Anbieter unabhängig vom Internet-Zugangs-Anbieter aussuchen kann und wo Filme von Netflix genau so schnell geladen werden wie die von Entertain.

Netzneutralität bedeutet, dass der Kunde einen uneingeschränkten Zugang zum IP-Netz bekommt, ohne irgendwelche technischen oder juristischen Sperren, die ihn dazu verurteilen nur das mitgelieferte Netzabschlussgerät zu benutzen, keine „fremden“ Voice-over-IP-Dienste zu nutzen, oder irgendetwas zu tun oder nicht zu tun, was man mit einem IP-Zugang so tun kann.

Ich sehe hier eine Chance für die Piratenpartei, sich als die Partei zu positionieren, die Marktwirtschaft aus Verbraucherperspektive denkt. Marktwirtschaft bedeutet, dass sich die Anbieter anstrengen müssen, den Verbrauchern das beste Angebot zu machen. Die Spielregeln der Marktwirtschaft müssen dementsprechend von der Politik so gestaltet werden, dass die Anbieter die Möglichkeiten der Verbraucher nicht mit technischen und juristischen Tricks einschränken können.
Ohne Steuerung durch die Politik ist „der Markt“ nur ein Regelkreis, der sich in irgendeinem beliebig blödsinnigen Zustand stabilisiert. Damit „der Markt“ dazu führt, dass sich etwas zum Positiven hin verändert, müssen die (hauptsächlich in rechtlichen Regelungen bestehenden) Rahmenbedingungen hin und wieder entsprechend geändert werden.

Wir brauchen die Netzneutralität, die nichts anderes ist als eine weitere bzw. erneute Deregulierung auf dem Telekommunikationsmarkt, und wir brauchen generell eine pragmatische Anpassung des Rechts an die Realität, damit Deutschland nicht weiter das Land bleibt, in dem die weltweit meisten Youtube-Videos gesperrt sind und sogar die Live-Übertragung des 70-jährigen Jahrestages der Auschwitz-Befreieung gesperrt war (!).

Es gäbe vieles, was die Bundesregierung mit geringen Mitteln in Gang bringen könnte, wenn sie nur wollte. Dinge, die die Menschen wollen, zum Beispiel sicherere IT-Systeme, wirklich abhörsichere Telefone, sicher verschlüsselte EMails, und zwar für alle, kostenlos.

Das sind Punkte, die wir Piraten 2017 auf unsere Fahnen schreiben sollten, Dinge, die zu unseren Kernthemen gehören.
Andere Sachen, die auch wichtig sind, aber auch innerparteilich zu kontrovers und zu bunt gemischt, um sie im Wahlkampf vermitteln und kommunizieren zu können, sollten wir bis 2018 zurückstellen.

Ein Hoch auf die „progressive“ Plattform

Also, ganz ehrlich: Ich finde die Gründung der progressiven Plattform weiterhin super.

Endlich haben die linksextremen Piraten eine Gruppe, wo sie sich hin „auslagern“ können.
Manche lassen ihre Namen auf der Website der Plattform veröffentlichen, das ist super, denn so bekommen wir liberalen Piraten die Namen für mögliche Partei-Auschluss-Verfahren auf dem Silbertablett serviert.

Oder ist für einen Parteiausschluss mehr notwendig als die Ablehnung des Rechtsstaats und Gegnerschaft zu Grundrechten, die in den ersten 20 Paragraphen des Grundgesetzes kodifiziert sind? Stichwort Ablehnung des Rechts auf Eigentum, das Ziel der „Überwindung der Demokratie“?

Ich hoffe, dass die Plattform bis zum BPT142 ihr bisher lächerliches „Mission Statement“ konkretisiert, so dass das dann ggf. neu gewählte BSG gleich alle Mitglieder der Plattform auf einmal vor die Tür setzen kann, wegen Engagements in einer Organisation, die sich gegen die satzungsgemäßen Ziele der Piratenpartei und gegen die FDGO richtet.

Denn nachdem anscheinend „Bürgen“ notwendig sind, um Mitglied der Plattform zu werden, und quasi jedes Mitglied der Plattform die Aufnahme eines weiteren Mitglieds per „Veto“ blockieren kann, kann man sowieso kaum noch leugnen, wes Geistes Kind die Plattform-„Piraten“ sind.
Wenn Hörensagen, basierend auf Schnüffelei in der Vergangenheit von irgendwem, und ein auf der Interpretation dieses Hörensagens basierendes „Veto“, also quasi Willkür, über die Aufnahme von Neumitgliedern der Plattform entscheidet, dann kann man wohl mit Fug und Recht sagen, dass die „Plattform“ auch in der Praxis alle Werte ablehnt, die Grundlage von rechtsstaatlichem Handeln sind.

Gut an diesem Verfahren ist eigentlich nur, dass der Plattform mit jedem Veto ein neuer, enttäuschter Gegner erwächst, der die Plattform und ihr elitäres Alpha-Linken-Gehabe in Zukunft bekämpfen wird, und dass mit jedem Veto auch Spannungen zwischen den Veto-Gebern und den jeweiligen Bürgen auftreten werden, die durch das Veto düpiert werden, so dass die Plattform in kürzester Zeit innerlich völlig zerrissen sein wird.

Die Botschaft, dass am anarcho-syndikalistischen Wesen der Plattform die Welt genesen soll habe ich natürlich vernommen; aber wenn die Geburt dieser schönen neuen Welt von linksextremen Cliquen, die mit Tratsch, Schnüffelei und Ausgrenzung operieren, bewerkstelligt werden soll, kann ich auf diese neue Dystopie gern verzichten.

Wie man mit lauter lauten, testosteronstrotzenden „Alpha-Männchen“ im Plattform-ZK einen authentischen „FeminisMUSS“ leben will, frage ich mich natürlich auch.

Kein Lotse and Bord bei den Piraten oder: Die progressiven Depublizierer

Nur ein kurzer Rant: Das #Listengate rund um einige Piraten, die — nach eigenen Angaben aus Selbstverteidigung — gegen Piraten der sogenannten „peergroup“ ein Archiv mit Tweet-Screenshots gebastelt haben, erregt im Moment die Piraten-Gemüter.

Paradoxerweise erregen sich jetzt die linksextremen Piraten, ebenso wie „Datenschutz“-Piraten darüber, dass einmal öffentlich publizierte Daten sich nunmal nur mehr schwer zurücknehmen lassen. Obwohl es im Usenet und in Foren und bei Mailinglisten seit Ewigkeiten so ist, dass einmal geschriebene Beiträge möglicherweise für die Ewigkeit gespeichert bleiben.

Das eigentlich Schlimme am Listengate aber ist, dass sich hier offenbart, dass die Piraten selbst kein schlüssiges, einheitliches Konzept für eines ihrer angeblichen Kernthemen haben, nämlich das Urheberrecht und das Recht im Internet im allgemeinen.

Was die „Progressiven“ mit ihrem Wettern gegen das Screenshot-Archiv tun ist nicht anderes, als ein Recht für Urheber auf Depublikation zu fordern, wo man sonst vom Recht auf Privatkopie und Remix fabuliert. Je nach Gusto, politischer Richtung oder Tagesform sind Teile der Piraten für oder gegen Kopien (hier: von Tweets), für oder gegen Urheberrecht, für oder gegen Depublikation, für oder gegen Persönlichkeitsrechte, für oder gegen Recht der Öffentlichkeit auf Information oder Recht des Einzelnen auf „Vergessen“ von dessen Fehlern.

Die Position der linkextremen Piraten (Daten von NAZIS ((im Sinne der Linksextremen: Alle, die nicht auch linksextrem sind)) speichern und publizieren, Daten von „Progressiven“ schützen und depublizieren) ist dabei womöglich noch nicht einmal die am wenigsten nachvollziehbare.

Es ist eine bittere Wahrheit: Auch in Bezug auf die Kernthemen herrscht bei den Piraten heilloses Chaos, die Positionen reichen von Aluhut-Datenschutz-Paranoikern bis hin zur datenschutzkritischen Spackeria.

Ich denke, es ist angesichts der „normativen Macht des Faktischen“ nicht möglich, Depublikation als Option für den Umgang mit einmal veröffentlichten Daten zu denken. Das einzige, was möglicherweise denkbar und sinnvoll wäre ist, die Menschen durch entsprechende Gesetze und Regelungen stärker zu unterstützen Dienste pseudonym zu nutzen, damit Menschen sich im Internet einfacher hinter Pseudonymen verstecken können. Ein Recht auf pseudonyme Nutzung von Diensten und Tools für die einfache Erstellung pseudonymer eMail-Adressen wäre hier vielleicht ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn z.B. eMail-Provider die Pseudonymitäts-Funktion des „ePerso“ unterstützen müssten, damit sich jeder Bürger beliebig viele pseudonyme eMail-Accounts erstellen kann, auch wenn das natürlich nicht im Interesse der eMail-Provider liegt, die mit den Daten der Kunden handeln und diese mit Werbung zuschütten wollen.

Aber wie auch immer: Aktuell haben die Piraten hier gar keine erkennbare Position. Das ist peinlich.

Konfliktlinien in der Piratenpartei

Die unvergleichliche Esmeralda schreibt in einem versöhnlichen Beitrag, es gelten die Konfliktlinien in der Piratenpartei zu benennen.

Also gut ich greife mal drei raus und erkläre, warum hier argumentieren nicht helfen wird:

  1. Atomkraft

    Hier gibt es zwei Meinungen. Die eine Seite hält die Atomkraft für technisch nicht beherrschbar, und den möglichen Schaden, den man als Produkt von Schadenshöhe und Schadenswahrscheinlichkeit berechnen kann, als größer als den wahrscheinlichen Nutzen.
    Die andere Seite glaubt, durch technische Verbesserungen könne man die Atomkraft beherrschbar machen und das Problem des Atommülls beseitigen, z.B. mit Reaktoren der vierten Generation, die aus Barium, Thorium etc. wieder Kernbrennstoff erbrüten können.
    Hier gibt es keine Kompromissmöglichkeit; ob man der Technik vertraut oder das Risiko fürchtet ist am Ende eine Bauchentscheidung und Glaubensfrage.

  2. Frauenquote/Gender

    Die Frage, ob man eine Frauenquote braucht, hängt letztlich davon ab, wie man Gerechtigkeit definiert und welche Metrik man nutzt, um „Gerechtigkeit“ zu messen.
    Die Gegner von Frauenquoten argumentieren, Frauen hätten andere Interessen als Männer, und schon allein daraus erklärten sich große Teile der Ungleichverteilungen in bestimmten Berufsgruppen. Außerdem könne man von Ungleichverteilungen nicht auf Ungerechtigkeit schließen, und wenn man eine Art „Gesamt-Geschlechter-Vereilungs-Gerechtigkeit“ betrachten wolle, müsste man nicht nur die Berufsgruppen betrachten, wo viele Männer gut bezahlte Jobs haben (Aufsichtsräte) und wo viele Frauen schlecht bezahlte Jobs haben (Kassiererin), sondern auch die Berufsgruppen wo viele Frauen gut bezahlte Jobs haben (Ärztin, Richterin) und wo viele Männer schlecht bezahlt Jobs haben (Paketzusteller).
    Die Befürworter der Frauenquoten argumentieren, Frauen hätten durchschnittlich schlechter bezahlte Jobs als Männer, und hätten noch immer weniger Zugang zu guten Jobs. Diese (behauptete) Tatsache sei ein Beleg für die Ungleichbehandlung der Geschlechter, denn es gebe keine neurobiologischen oder andere Unterschiede zwischen Männern und Frauen, die sonst als Erklärung für diese Ungleichheit dienen könnten.
    Hier gibt es also zwei unterschiedliche Weltsichten entlang der Grenze von Differenz- und Gleichheitsfeminismus. Wenn Frauen und Männer gleich sind, dann kann man aus der gruppenweisen Ungleichverteilung auf eine Ungleichbehandlung und Ungerechtigkeit schließen, und von einer ungerechten Gesellschaft ausgehen, die Frauen benachteiligt. Wenn aber Frauen und Männer verschieden sind und/oder man an die Eigenverantwortlichkeit von Individuen glaubt, dann sind Ungleichverteilungen möglicherweise Folge geschlechtsspezifischer und/oder individueller Präferenzen und Frauen und Männer mit schlechten Jobs vielleicht einfach individuell selbst verantwortlich für ihre Berufswahl.
    Hier kann es keinen Kompromiss geben, weil die Meinungen auf verschiedenen Prämissen über die Beschaffenheit von Frauen und Männern und/oder über das Wesen von Eigenverantwortlichkeit beruhen. Libertäre werden nie auf die Idee kommen, Frauen wären für ihre Berufswahl nicht verantwortlich. Differenzfeministen werden immer behaupten, Frauen würde von Natur aus lieber soziale Berufe ergreifen oder die Familie über die Karriere stellen. Und Gleichheitsfeministinnen setzen die Gleichheit der Geschlechter einfach voraus, und schließen von dieser Basis aus gesehen logischerweise aus Ungleichverteilungen auf Ungerechtigkiet.

  3. SMV/Online-Wahl

    Die Befürworter von ständiger Mitgliederversammlung oder Online-Wahl sehen viele Vorteile in der Möglichkeit, Online zu wählen. Dieses Mittel, dass ständige basisdemokratische Abstimmungen ermöglicht sehen sie als revolutionäre Innovation, die wirkliche Demokratie („Herrschaft des Volkes“) wieder möglich macht. Dass dabei die Möglichkeit bestünde, Datenbanken über Wahlentscheidungen anzulegen, sehen sie als nicht kritisch, ebenso wenig, dass eine Online-Wahl nie gleichzeitig frei, geheim und gleich sein kann.
    Die Gegner von Online-Wahlen argumentieren, eine ständige Wahl würde zu einer Art Wahlverdrossenheit führen; dass jeder immer sofort allein abstimmen könne, verhindere möglicherweise eine Auseinandersetzung mit Gegenargumenten; und das Problem von Datenschutz bzw. Wahlmanipulation sei so schwerwiegend, dass es nicht hinnehmbar sei.
    Die verschiedenen Positionen basieren auch hier wieder auf verschiedenen Menschenbildern. Das eher positive Bild des Bürgers, der sich infomiert und gern an allen Entscheidungen teilnimmt oder seine Stimme kompetent delegiert herrscht auf Seite der Befürworter vor. Außerdem geht man hier anscheinend von redlichen und neutralen Wahlauswertern aus, so dass Manipulationen oder Indiskretionen, wie von den Gegnern befürchtet, auszuschließen seien.
    Auf Seiten der Gegner das eher negative Bild des Menschen als träges, fehlerhaftes, egoistisches Wesen, dass durch Verfahren und Prozesse dazu gebracht werden muss, sich zu informieren und zu wählen, und gehindert werden muss, zu betrügen oder Daten zu missbrauchen.
    Auch hier kann man durch Diskussionen nichts erreichen: Entweder man vertraut auf das Gute im Menschen und dessen Willen und Fähigkeit zu politischer Mitwirkung, und glaubt an einen Erfolg einer SMV ohne Pannen, Skandale, Missbrauch, oder man ist eher skeptisch bezüglich der Eigenschaften von Menschen und will daher lieber ein System, dass Missbrauch ausschließt und durch das Verfahren eine Auseinandersetzung mit dem Thema vor der Abstimmung erzwingt. Hier sind wieder unterschiedliche Welt- bzw. Menschenbilder und Prämissen Grundlage der Konflikte, die man durch Diskussion nicht ändern kann.

Glaskugel: Entwicklung der Progressiven Plattform

Konstruktive Vorschläge für die Verbesserung der Strukturen der Piratenpartei habe ich in diesem Blog schon gemacht. Darum möchte ich niemanden mit den immer gleichen Ideen langweilen und nehme ich mir heute heraus, einen bösen Blick in die Glaskugel zu werfen und die Entwicklung der Progressiven Plattform in den Jahren 2014 bis 2016 zu beschreiben.
Denn ich glaube, die Geschichte der K-Gruppen könnte sich bei der progressiven Plattform durchaus wiederholen, so vielfältig wie auch dort die Vorstellungen zu sein scheinen.

Auf jeden Fall möchte ich noch eine Trigger-Warnung aussprechen und jed_ixs abraten, dieses Posting zu lesen.


Juli 2014: Die Progressive Plattform (PP) wird gegründet. Parallel dazu gründet sich die „Antifaschistische Plattform“, weil die „Progressive Plattform“ ein „Club labernder, konfliktscheuer Weicheier“ sei und nicht aktivistisch und militant genug.

August 2014: Die Progressive Plattform spaltet sich; die „Feministische Progressive Plattform“ (FPP) wird gegründet. Das 100% weiblich besetzte ZK der FPP wirft dem quotierten Vorstand der PP vor, den Kampf gegen das Patriarchat nicht eifrig genug zu führen und mit der 50%-Quote einen Safe Space für verkappte Machos zu bieten.

September 2014: Die Progressive Plattform zerfällt in die „Anarcholibertäre Plattform“ (ALP), die alle Staaten abschaffen will, und die „Solidarische Internationale Plattform“ (SIP), die alle Staaten zu einem Staat zusammenfassen will. Während die SIP der ALP vorwirft, die Welt in ein Paradies der Neocons verwandeln zu wollen, bezichtig die ALP die SIP, eine weltweite sozialistische Diktatur anzustreben.

Oktober 2014: Die Feministische Progressive Plattform spaltet sich in die „Radikale Feministische Plattform“ (RFP), in der nur Menschen erwünscht sind, die sich nicht als Mann definieren, und die „Töchter Gaias“ (TG), bei der Diskussionen mit Sachargumenten verboten sind, weil Sachargumente ein Menschen von der Stimme ihres Herzens abkoppelndes Unterdrückungs-Instrument des Patriarchats sind. Die „Universelle Feministische Plattform“ (UFP) spaltet sich ebenfalls ab und beginnt einen monatelangen Richtungsstreit, was „Universell“ überhaupt bedeutet.

Januar 2015: Auf dem vor dem BPT15.1 stattfindenden „Progressiven Kongress“ (ProKon!) kommt es zu einem Eklat auf dem Podium, als der Dachverband der vereinten feministischen Plattformen (DvFP) der antifaschistischen und der anarcholibertären Plattform vorwerfen, dass diese die Aufnahme von Asylsuchenden und Flüchtlingen nicht davon abhängig machen wollen, dass die Aufzunehmenden einen Test bestehen, der sicherstellen soll, dass die Aufgenommenen nicht aus einer „Rape Culture“ kommen und eine Gefahr für Frauen darstellen. Die „Töchter Gaias“ plädieren daraufhin für eine Aufnahme nur von Frauen, die „Radikale Feministische Plattform“ unterstützt dies oder die Kastration „potenzieller Gefährder“. Das ZK der „Antifaschistischen Plattform“ ruft daraufhin dazu auf, die Mitglieder_ixs dieser rassistischen Nazi-Gruppen „ins Meer zu treiben, damit die mal sehen, wie das ist“.

März 2015: Die verbliebenen Mitglieder der „Solidarischen Internationalen Plattform“ benennen sich in „Liberale Progressive Internationale Plattform für Solidarität“ (LiProVIPS) um, um sich von den anderen Plattformen abzugrenzen.

Mai 2015: Die „Anarcholibertäre Plattform“ veröffentlicht einen Flyer, warum bewaffnete Bürger, Feuerwerk in Fußballstadien und Atomkraft die Welt sicherer machen, und warum die gesetzliche Krankenversicherung abgeschafft gehört.

Juli 2016: Auf dem BPT 16.1 wird die Mitgliedschaft in jeder der oben genannten Plattform für unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der Piratenpartei erklärt, und 1.500 Mitgliedern der Plattformen wird die Mitgliedschaft abgesprochen.
August 2016: Die „Plattformen“ gründen eine neue Partei, können sich aber auf keinen Namen einigen.

2017: Die Piratenpartei erhält bei den Bundestagswahlen 7%. Die Plattform-Partei wird wegen eines Finanzskandals, bei dem führende Piraten aus einem Stadtstaat Gelder veruntreut haben sollen, nicht zur Wahl zugelassen. Darüber kommt es zum Zerwürfnis. Vertreter der antifaschistischen Plattform fordern uneingeschränkte Solidarität mit dem verurteilten Schatzmeister. Kurz darauf zerfällt die Plattform-Partei wieder in Splittergruppen.

Gegen Günstlingswirtschaft und politische Inzucht: JuPis abkoppeln!

Für die, die es noch nicht wussten: Ich war mal Mitglied einer Altpartei. Ich bin ausgetreten, als mir bewusst wurde, dass man in Altparteien vor allem dann gewählt wird, wenn man außer Politik kein Leben mehr hat und vom 16ten Lebensjahr an bei den jungen (Sozialisten|Liberalen|Unionlern) genetzwerkt hat. Man muss sich da nur mal die Karrieren von Daniel Bahr, Philipp Mißfelder und Andrea Nahles und fast allen anderen „führenden“ oder medial zu „Hoffnungsträgern“ ernannten jungen MdBs und MdLs ansehen. Immer das gleiche Muster: Die Jugend für die Jugendorganisation geopfert, dann Studium, währenddessen Kofferträger eines MdB, dann ohne Berufs- oder Lebenserfahrung in den Bundestag. Keine sozialen oder ökonomischen Fähigkeiten, aber sich einbilden, über das Leben der Menschen bestimmen zu können, die im wirklichen Leben wirkliche Arbeit verrichten, wirkliche Probleme haben, mit echten Menschen umgehen müssen, etc..

Wer nicht zum Club der Karrieristen gehört, wer nicht frühzeitig Protegé/Kofferträger/Mitarbeiter eines MdBs oder MdLs wird, wer sich nicht hochdient, nicht am System der Günstlingswirtschaft teilnimmt, der hat bei den Altparteien kaum eine Chance.

Und nun sehe ich verwundert, dass es bei der Piratenpartei fast schon ähnlich zugeht. Menschen ohne erkennbare Fähigkeiten wie Julia Reda werden auf Platz 1 der Europa-Wahlliste und dann sogar ins EP gewählt, weil sie mal JuPi-Vorsitzende waren, wegen der Frauen- und Junge-Menschen-Quote, und weil sie ja verdiente Funktionäre einer Organisation waren, die eigentlich von der Partei „völlig unabhängig“ ist oder jedenfalls rechtlich sein soll.

Und MdLs und MdAs halten sich auch teilweise schon eine Entourage und züchten die erste Generation von Kofferträgern heran, so dass die Durchdringung der Piraten mit auf ökonomischer und politischer Abhängigkeit basierenden Seilschaften ihren Anfang nehmen wird.

Ich hoffe nicht, dass die Piraten eine Partei sein wollen, die sich eine Jugendorganisation hält, um linientreuen Parteinachwuchs heranzuzüchten — so wie andere Parteien.
Ich hoffe, die Piratenpartei will statt dessen eine Partei sein, die auf überzeugte erwachsene Mitglieder zählt und nicht auf eigens früh-indoktrinierte Parteinachwuchs-Zombies.

Darum wünsche ich mir, dass die Piratenpartei bald zwei Dinge tut:

1. Den JuPis den Status der Piraten-Jugendorganisation entziehen und in Zukunft keine Jugendorganisation anerkennen. Die Piraten brauchen keine Mitglieder, die keine normale Jugend hatten und ihre Sozialisation quasi exklusiv in einer politischen Filterblase erhalten haben. Auch dann nicht, wenn es eine „piratige“ Filterblase ist.

2. Einen Verhaltenscodex erlassen, der die partei-interne Günstlingswirtschaft und Patronage verhindert, indem er es verbietet, dass Mitarbeiter von MdA, MdL, MdB, MdEP und anderen Abgeordneten führende Mitglieder irgendwelcher politischen Jugendorganisationen sind. Mitarbeiter sollten entweder keiner Partei angehören oder zumindest keine führenden Positionen innerhalb der Piratenpartei oder einer parteinahen Organisation innehaben.

Wenn die Piratenpartei nicht genau so werden will wie alle anderen Parteien, dann müssen wir die partei-interne Vetternwirtschaft und die politische Inzucht durch Nachwuchsorganisations-Karrieristen aufhalten. Das klingt jetzt vielleicht übertrieben dramatisch, aber wer Augen hat um zu sehen sieht doch, wie sich auch bei den Piraten schon Anfänge dieses System ausbreiten, dass bisher noch jede Partei unterwandert und zu einer quasi geschlossenen, vom normalen Bürger abgeriegelten Gesellschaft gemacht hat.