Archiv für den Monat: September 2016

Durch’s Patriarchat zum Alkoholismus oder: Die toughe Frau als trügerisches Ideal des Feminismus

Auf Zeit Campus ist ein Artikel erschienen, der aus dem Englischen übersetzt ist und in dem sich eine Alkoholikerin über die angebliche Ungerechtigkeit der Welt speziell gegenüber Frauen aufregt.

Aber es stimmt einfach gar nichts an dem Artikel.
– Der 23%-Gender-Pay gab existiert nicht. Der sogenannte bereinigte Gender-Pay-Gap liegt bei 0 bis 6%.
– Es gab kein tausendjähriges Patriarchat. Vielmehr waren Frauen und Männer viele Jahrhunderte lang quasi Leibeigene von feudalen Herrschern und mussten sämtlich die ganze Zeit hart arbeiten, um mehr schlecht als recht zu überleben.
– Es ist nicht so, dass speziell Frauen dazu gedrängt werden, sich mit Alkohol zu betäuben. Vielmehr gibt es wesentlich mehr männliche als weibliche Alkoholiker

Und dann ist da noch der Abschnitt, wo die nicht ganz so toughe Karrierefrau sich darüber aufregt, im Beruf einem Klima aus Mikroaggressionen(!), ständigen Unterbrechungen und „Mainsplaining“ ausgesetzt zu sein. Tatsache ist doch, dass — wenn man mal annimmt, es gäbe dieses „typisch männliche“ verbale Sich-Gegenseitig-Überbieten-Wollen namens „Mansplaining“ wirklich — auch und vor allem Männer diesem ausgesetzt sind. Und denen macht es anscheinend wenig aus.

Ist also die „toughe Frau“, die mit Männern zusammenarbeitet, nur ein trügerisches Ideal des Feminismus? Werden Frauen in der weiblich beherrschten Bildungswelt möglicherweise trotz aller Gender-Erziehungs-Bestrebungen so „weiblich“ erzogen, dass sie im Berufsleben dann nicht die „toughen Frauen“ sein können, die sie, auch wieder nach Darstellung des Gender-Feminismus, doch gefälligst sein zu wollen haben?

Oder ist dieses männliche Kommunikationsverhalten Ausdruck der „toxic masculinity“, und müsste den Männern aberzogen werden?

Und falls das ginge: Wäre es tatsächlich für alle besser, wenn Männer nicht versuchen würden, immer nochmal klüger und besser und eloquenter zu sein als alle anderen?
Letzten Endes ist diese Kultur des Sich-gegenseitig-verbal-Überbietens die Keimzelle der parlamentarischen Demokratie, und diese gehört zu den besten Erfindungen der Menschheit. Rede-Runden hingegen, in denen jeder gleichberechtigt beliebigen Unsinn erzählen darf und alle sich gegenseitig lieb haben und ausreden lassen sind höchstens Grundlage dysfunktionaler Studenten-WGs oder hoffnungslos ineffizienter politischer Splittergruppen.
Ich denke, wo die Alkoholikerin im Artikel Mikroaggressionen, Unterbrechungen und Mansplaining sieht, läuft wahrscheinlich einfach nur ein ganz normaler Wettbewerb, mit dem sie einfach nicht umgehen kann.

Ganz besonders natürlich nicht, nachdem sie das Verhalten ihrer Kollegen mit den Mitteln des Feminismus analysiert, kategorisiert und pathologisiert hat und in Folge dessen nicht mehr in der Lage ist, adäquat zu reagieren, mitzuspielen und möglicherweise zu gewinnen.

Denn wer durch Kenntnis der „feministischen Toolbox“ zur Erklärung der Welt seine Kollegen nur noch mikroaggressive Monster und Agenten eines spukhaften Patriarchats sehen kann, der wird natürlich nicht mehr mit diesen klarkommen. Möglicherweise ist also gerade der Feminismus eine toxische Ideologie, die zu kennen bzw. zu internalisieren Frauen nachhaltig verunmöglicht, in einer gemischt-geschlechtlichen Umgebung (beruflich) erfolgreich zu sein.

Merkel agiert und regiert nicht. Sie reagiert.

Eines muss man Angela Merkel lassen: Sie kann Fehler eingestehen. Zum Beispiel den Fehler zu versuchen, die südlichen europäischen Länder mit Hilfe der Asyl-Abkommen Dublin II/III allein die Last der Flüchtlinge aus Afrika tragen zu lassen.
Aber wenn man schon dabei ist Fehler einzugestehen, dann sollte man auch eingestehen, dass die Aufgabe von Dublin II/III und der ruckartige Versuch, durch die Grenzöffnung nach dem ewigen Aussitzen der Situation eine europäische Solidarität in der Flüchtlingskrise zu erzwingen, nicht die Lösung, sondern ein weiterer Fehler war.

Angela Merkel regiert schon seit 2005. Der sogenannte „arabische Frühling“ war im Jahr 2011. Die Flüchtlingskrise begann 2015. Als Regierungschefin des Landes, das mittlerweile allgemein als europäischer Hegemon gilt, gibt es für sie keine Ausreden für ihr universelles Versagen. Angela Merkel agiert und regiert nicht, sie reagiert nur. Und zwar langsam. Sie verkauft das als „besonnene Politik“, und die Medien kaufen es ihr tatsächlich ab.

Tatsächlich besteht ihre Politik aus mangelnder langfristiger Planung und einem Mangel an Visionen. Merkel gestaltet keine Politik, sie lässt Dinge wie die Euro-Krise, die Ukraine-Krise, die Flüchtlings-Krise und die Türkei-Krise geschehen und versucht dann, ihr Aussitzen der Situation als besondere Form einer ruhigen, weiblichen, diplomatischen Politik zu labeln.

Dabei kann niemand glauben, die Bundesregierung hätte von all diesen Dingen im Vorhinein nichts gewusst und sei jeweils überrascht worden. Tatsächlich muss sie von vielem gewusst haben, aber wusste nichts dagegen zu unternehmen.

Das Schlimmste aber ist, dass Merkel in einer Welt von Putins, Erdogans und Trumps mit ihrem lahmen, drögen, defensiven und schwächlichen Politikstil nicht mehr zeitgemäß erscheint. Zu groß geratene aggressive Kinder schaffen Fakten, aber Mutti verteilt keine Watschen, sondern Kekse, setzt keine Grenzen, sondern lässt alle gewähren.

Ich denke, wir können uns das nicht länger leisten. Immer nur kraftlose, nichtssagende Statements aufzusagen reicht nicht mehr. Deutschland und Europa brauchen eine Führungsfigur, und Angela Merkel ist als gesamteuropäische Integrationsfigur verbrannt.