Archiv für den Monat: Mai 2013

Piratinnenkon: Das System „Genderfeminismus“ in Aktion

Also zuerst mal: Wie war’s denn so auf der Piratinnenkon? Das kann man nachlesen, in den Blogposts von „Mandelbrötchen“ (Tag1, Tag2), dem Bericht von Emmanuelle und Nicole, dem Bericht von Hadmut Danisch, dem Bericht von Cornelia, dem Bericht von Salomon (c) Zotter-Fairlag und dem Bericht von Tina.
Update 2 ((Update 1 ist weiter unten eingeflossen)): Und dann noch ein Bericht von Emmanuelle.
Die Meinungen gehen teilweise extrem auseinander, aber ich denke die Berichte ergeben alle zusammen ein gutes Gesamtbild.

Warum ich, der ich nicht da war, überhaupt einen Beitrag über die Piratinnenkon schreibe?
Weil es bisher keinen Artikel gibt der die Piratinnenkon analysiert und kritisch hinterfragt. Es gibt lobende Beiträge, es gibt verdammende Beiträge, aber eine Antwort auf die Frage ob die Piratinnenkon ein Vorbild für zukünftige Veranstaltungen der Piratenpartei zum Thema Gleichberechtigung ist oder ob das Thema in Zukunft ganz anders angegangen werden soll geben diese Beiträge nicht. Darum möchte ich die Piratinnenkon möglichst sachlich besprechen. Zentrales Thema bei der Piratinnenkon waren „Gender“ und „Feminismus“ (laut Einladung (finale Version)).

Die meisten von uns beschäftigen sich ja nicht unbedingt mit feministischen Strömungen. Darum möchte ich ganz kurz eine grobe Klassifikation des Feminismus vornehmen. Da gibt es einerseits die „Differenzfeministen“, die an einen biologischen Unterschied zwischen Frauen und Männern glauben, andererseits die „Gleichheitsfeministen“, die die Unterschiede zwischen den Geschlechtern bzw. Geschlechterrollen (auch soziales Geschlecht, Gender genannt) für rein sozial konstruiert halten. Die theoretischen Grundlagen beider Strömungen sind somit unvereinbar. Historisch gesehen teilt man die verschiedenen Phasen der Frauenbewegung in „Wellen“, wobei man extrem vereinfachend sagen kann dass die erste Welle grundlegende Bürgerrechte für Frauen erkämpft hat (Wahlrecht; Recht auf Eigentum), die zweite Welle weitere Rechte (Recht auf Verhütung/Abtreibung, weitergehende Gleichstellung vor dem Gesetz, Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt). Im Moment läuft quasi die dritte Welle.

Da die Piratinnenkon in der Beschreibung, im Konzept und in der Einladung oft das Wort „Gender“ benutzt liegt nahe dass es eine „genderfeministische“ Veranstaltung gewesen ist. Der Genderfeminismus, eine Variante des Gleichheitsfeminismus, ist – als gleichheitsfeministische Variante wenig überraschend – eine feministische Strömung die daran glaubt, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechterrollen (soziales Geschlecht, „Gender“) nur ein Konstrukt sei, also anerzogen bzw. erlernt.

Die These dass die Rollen- und Präferenzunterschiede anerzogen seien hat unzweifelhaft die Sozialwissenschaften und die Psychologie weitergebracht. Allerdings hat sich dabei gezeigt, dass ein Teil der Rollen- und Präferenzunterschiede doch biologisch determiniert ist, und dass die „Genderwissenschaftler“, die an der These festhalten dass die Geschlechterrollen nur soziales Konstrukt seien, falsch liegen.

Das Video von Harald Eia, The gender equality paradox zeigt das relativ plakativ. Zahlreiche Ergebnisse von Forschern auf der ganzen Welt belegen zudem, dass es angeborenes typisch weibliches und typisch männliches Verhalten gibt, und dass die jeweiligen Verhaltenspräferenzen von Menschen ganz wesentlich durch verschiedene medizinisch-biologische Faktoren wie die Gene, die Methylisierung von Gensequenzen, den Hormonspiegel des Säuglings während der Schwangerschaft sowie (damit zusammenhängend) die Gonadenentwicklung und -aktivität geprägt werden. Natürlich gibt es Überschneidungen, aber im Durchschnitt sind die Präferenz- und Verhaltens-Unterschiede zwischen den biologischen Geschlechtern recht eindeutig.

Warum ich das ausführe? Weil durch die Abweichung der theoretischen Grundlagen des Gleichheitsfeminismus vom aktuellen Kenntnisstand von Wissenschaft und Forschung massive Probleme induziert werden.
Die Ziele des Genderfeminismus sind zwar gut und richtig (Mehr Gleichstellung von Frauen auch im Berufsleben etc.), aber durch die Abweichung der theoretischen Grundlagen von der Realität weicht auch die Beurteilung der aktuellen Situation signifikant von einer objektiven Beurteilung ab, und in Folge dessen entwickelt der Genderfeminismus völlig falsche Handlungsansätze um die Situation zu ändern.

Wozu das führt und warum der Genderfeminismus darum keine Variante sein kann die die Piratenpartei unterstützt, werde ich am Beispiel der Piratinnenkon zeigen.
Zuerst aber müssen wir uns kurz mit den drei Thesen des Genderfeminismus beschäftigen, die die theoretische Grundlage der Weltsicht des Genderfeminismus bilden:

Diese lauten: ((Siehe auch „A blank slate“ von Steven Pinker)) (übersetzt aus dem Englischen ((The first is that the differences between men and women have nothing to do with biology but are socially constructed in their entirety. The second is that humans possess a single social motive – power – and that social life can be understood only in terms of how it is exercised. The third is that human interactions arise not from the motives of people dealing with each other as individuals but from the motives of groups dealing with other groups – in this case, the male gender dominating the female gender.)) ):

  1. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen haben nichts mit Biologie zu tun sondern sind sämtlich sozial konstruiert.
  2. Menschen besitzen eine einzige soziale Motivation, nämlich Macht(streben). Das soziale Leben kann allein unter dem Gesichtspunkt verstanden werden auf welche Weise diese Macht eingesetzt wird.
  3. Zwischenmenschliche Handlungen basieren nicht auf der Grundlage der Motive von Einzelpersonen, sondern auf den Motiven von Gruppen, in diesem Fall der Gruppe der Männer die die Gruppe der Frauen beherrscht.

Auf diesen Thesen (die leider allesamt falsch sind, siehe oben, siehe unten) basieren auch die Ideen des Genderfeminismus zur Befreiuung von Frauen und Männern vom „sozialen Konstrukt“ Geschlecht (These 1), vom einzigen Motivationsfaktor Macht (These 2) und von der Vorherrschaft der Männer (These 3), die, da sie auf falschen Thesen aufbauen, leider auch entsprechend wenig Sinn ergeben.
Mit diesem „Vorwissen“ lässt sich die Piratinnenkon als genderfeministische Veranstaltung erkennen, da man die „Logik“ des Genderfeminismus (d.h. die Logik innerhalb des auf den (axiomatischen) drei Thesen basierenden Kalküls, bzw. die Logik innerhalb des geschlossenen Weltbilds des Genderfeminismus) in den Geschehnissen bei/auf der Piratinnenkon in Aktion erkennen kann. Im folgenden Text werde ich an verschiedenen Stellen aufzeigen, dass bestimmtes Verhalten auf der Piratinnenkon mit der Anwendung einer auf den drei Thesen basierenden Logik erklärbar ist, und damit meine These untermauern, dass die Piratinnenkon eine genderfeministische Veranstaltung war.

Nun aber erstmal zu ein paar Kritikpunkten an der Piratinnenkon im allgemeinen:

Die Veranstaltung war eine Veranstaltung der Piratenpartei. Über diese heißt es in §1, Absatz 1 der Bundessatzung:

Sie vereinigt Piraten ohne Unterschied der Staatsangehörigkeit, des Standes, der Herkunft, der ethnischen Zugehörigkeit, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung und des Bekenntnisses, die beim Aufbau und Ausbau eines demokratischen Rechtsstaates und einer modernen freiheitlichen Gesellschaftsordnung geprägt vom Geiste sozialer Gerechtigkeit mitwirken wollen.

Die erste Version der Einladung ((aus der History des Wikis der Piratenpartei gelöscht. War wohl doch irgendwem peinlich. Transparenz kann ja auch belastend sein.)) hingegen machte Geschlecht und sexuelle Orientierung zu Einschlusskriterien, Zitat: An Tag 1 sind alle Frauen, Queermenschen und Feministen eingeladen, sich einzubringen.
Des weiteren bedeutet „Aufbau und Ausbau eines demokratischem Rechtsstaats“ im allgemeinen auch, dass die Partei selbst intern demokratisch und nach rechtsstaatlichen Prinzipien vorgeht. Demokratisch bedeutet insbesondere, dass eine demokratische Partei auf ihren Veranstaltungen politische Positionen demokratisch erarbeitet, und nicht vorschreibt. Die Piratinnenkon-Veranstalterinnen wollten aber eine bestimmte politische Position – nämlich ihre Variante von Feminismus – nur für heterosexuelle Männer zur Voraussetzung der Teilnahme machen, was zweifach gegen die Satzung verstoßen hat. Nur nach heftigen Protesten wurde zurückgerudert, und Regeln und Einladung wurden einigermaßen satzungskonform geändert. Die innere Einstellung der Veranstalterinnen aber ist durch die ersten Versionen von Einladung und Regeln ganz gut zum Ausdruck gekommen, und hat sich auch nach der Änderung von Einladung und Regeln nicht wesentlich geändert, wie sich auch im Verlauf der Konferenz gezeigt hat.

Mit Hilfe der restriktiven Regeln (Erste Version der Konferenz-Regeln), die zwar später umformuliert, praktisch aber wohl im Sinne der Erstversion angewandt wurden, wurden konträre Meinungen unterdrückt und „unerwünschte“ Personen ausgeschlossen und der Verlauf der Veranstaltung so gelenkt, dass bezüglich des Ziels der Konferenz die Themen Feminismus und Gender in der Piratenpartei zu fördern alles in die „richtige Richtung“ lief. Durch diese Lenkung war die Konferenz aber alles andere als ergebnisoffen, und hat daher mit innerparteilicher Meinungsbildung und Demokratie leider gar nicht viel zu tun gehabt. Es ist schade dass der Anschein entstanden ist der Bundesvorstand der Piratenpartei würde per Finanzierung Vertreter bestimmter kontroverser Strömungen in der Partei unterstützen und fördern und damit versuchen die Piratenpartei politisch in eine bestimmte, meiner Meinung nach radikale Richtung zu treiben. Insgesamt hat die Veranstaltung zur Unzeit weitere Gräben in der Piratenpartei aufgerissen und damit Aufmerksamkeit und Zeit von wichtigen Kernthemen der Partei abgezogen. Das ist im Wahljahr zumindest taktisch unklug.

An dieser Stelle können wir schon einmal eine Feststellung treffen: Die Variante von Feminismus auf der die Piratinnenkon basierte hat dazu geführt, dass das Publikum – je nach Version der Einladung mehr oder weniger offen – nach Geschlecht, sexueller Orientierung und politischer Meinung selektiert wurde – oder zumindest werden sollte – und dass merkwürdige Regeln in Kraft gesetzt wurden um die Debatte in eine bestimmte Richtung lenken zu können. Wie konnte es in einer demokratischen Partei die sich *eigentlich* Bürger- und Freiheitsrechte auf die Fahne geschrieben hat soweit kommen?

Hier drängt sich die Logik des Genderfeminismus als Erklärung geradezu auf. Also: Die Männer (allgemein, aber auch in der Piratenpartei) müssen von ihrer „fehlerhaften sozialen Programmierung“ namens „männliches Rollenverhalten“ (These 1) befreit werden. Dabei würden die Männer, die aufgrund ihrer Gruppenmotivation (These 3) programmiert sind Frauen zu beherrschen und dazu Macht einzusetzen (These 2) natürlich nur stören. Um die Männer daran zu hindern ihre eigene Befreiung von ihrer Rolle durch wohlmeinende Genderfeministinnen zu behindern ist es natürlich logisch Männer auszuschließen. Zumindest die armen, desorientierten, da nicht-genderfeministischen Männer die in der falschen Überzeugung leben es gäbe biologische Faktoren für ihr männliches Verhalten (These 1) und die sich einbilden sie handelten nicht nur aus einer Gruppen-Machtmotivation zur Unterdrückung der Frauen heraus (Thesen 2, 3).
Aus genderfeministischer Sicht ist der Ausschluss von „falsch programmierten“ (d.h. nicht genderfeministischen) Männern natürlich nur vorrübergehend und wird, nach dem Sieg des Genderfeminismus bzw. der De-Programmierung aller Männer nicht weiter notwendig sein. Das bedeutet dass der sexistische Ausschluss „falsch programmierter“ Männer nur aus der Sicht „falsch programmierter“ Männer falsch und sexistisch ist. Deren Meinung aber kann und darf man natürlich als GenderfeministIn nicht respektieren, denn diese sind ja falsch programmiert. Genderfeministische Männer hingegen sind richtig programmiert und außerdem der Beweis dafür dass der Genderfeminismus funktioniert und dürfen deswegen natürlich teilnehmen.

Die Thesen des Genderfeminismus erklären also sehr gut warum die ersten Versionen der Einladung und der Regeln so ausgefallen sind wie sie ausgefallen sind. Darum nehme ich diese ersten Versionen als starkes Indiz dass die Organisatorinnen – zumindest zum Großteil – an die drei Thesen des Genderfeminismus glauben und diese als Grundlage ihrer politischen Ideen verwenden. Und das ist ein Problem, denn eine politische Theorie die auf unsinnigen Thesen aufbaut kann natürlich auch zu beliebig unsinnigen politischen Ideen führen. Die diskriminierende Auswahl des Zielpublikums der Piratinnenkon mit Hilfe der Kategorien „sexuelle Orientierung“, „politische Überzeugung“ und „Geschlecht“ ist ein Beispiel dafür wohin eine Logik führen kann die auf falschen Axiomen basiert.

An dieser Stelle möchte ich kurz auf die zweite und dritte These des Genderfeminismus eingehen. Ist die einzige menschliche Motivation wirklich „Macht“ (These 2)? Meine Erfahrung sagt dass Menschen häufig auch aus Angst, Liebe oder Hass Dinge tun die ihnen absolut keinen Machtzuwachs bringen, zum Beispiel Versicherungen kaufen, sich zum Deppen machen oder Straftaten begehen, um mal die plakativsten Gegenbeispiele zu nennen. Die Idee dass Menschen allein aus einer Machtmotivation heraus handeln ist genau so simplifizierend wie die neoliberal-libertäre Idee dass Menschen sich in Modellen des Wirtschaftslebens als „homo oeconomicus“ modellieren lassen, also als eine Person die allein vom Gewinnstreben motiviert ist.

Auch für die dritte These, die eine „Gruppenmotivation“ der Männer behauptet die dazu führt dass diese als Gruppe die Gruppe der Frauen „beherrschen“ will gibt es keine Beweise. Jedenfalls konnte bisher niemand eine globale Synchronisierung der Männer belegen. Da man biologische Faktoren als Grund für das männliche Handeln (z.B. einen Trieb zur Frauenunterdrückung) ausgeschlossen hat, bleibt als einzig mögliche Begründung nur eine Tradierung der Frauenunterdrückung durch die „männlich geprägte Kultur“. Somit kann man die Entstehung des „Patriarchats“ in eine nicht zu untersuchende, vorgeschichtliche Zeit verschieben. Diese Hypothese zur Entstehung des Patriarchats ist extrem schwach, denn sie ist relativ offensichtlich auf Basis der anderen Thesen herbeikonstruiert. Weil es keine biologischen Unterschiede gibt und weil man die Zustände heute als „Männer-Herrschaft“ sieht und weil man „Macht“ als Hauptmotivation des Menschen sieht und weil man heute keinerlei globale Verschwörung der Männer beobachten kann *müssen* die Männer in ferner Vergangenheit die Macht übernommen und kulturell tradiert haben. Es ist schlicht die einzige Erklärung für die genderfeministische Sicht der heutigen Gesellschaft, die unter Berücksichtigung der These 1 einigermaßen plausibel ist. Darum *muss* man die Entstehung des Patriarchats sogar in die Vergangenheit verschieben, weil sonst auf den ersten Blick sichtbar wäre, dass man weder das Fortbestehen noch die Entstehung des Patriarchats plausibel erklären kann.
Was man übrigens dennoch nicht kann. Denn die „Entstehung der Patriarchats in ferner Vergangenheit“ erklärt nicht wie sich die angebliche „Kultur der Frauenunterdrückung“ in einer Zeit über die Kontinente verteilter und nicht miteinander in Kontakt stehender Kleingruppen global durchsetzen konnte. Gegen den Widerstand von ca. 50% der Bevölkerung. Und es erklärt auch nicht wie die Männer es schaffen die Tradierung dieser Kultur der Frauenunterdrückung durchzusetzen obwohl 95% der Kindererziehung von Frauen gemacht wird, und obwohl es durchaus auch „genus-freie“ Sprachen gibt. Ohne biologische Faktoren erklärt sich auch nicht wie die männliche Gruppenmotivation zur Frauenbeherrschung individuelle Motive überlagen sollte. Und schließlich und endlich widerspicht die These 3 sogar der Erreichbarkeit des Ziels des Genderfeminismus die Männer von dieser Gruppenmotivation zu befreien, denn wenn es nicht möglich ist die Motivation einzelner Männer zu ändern, dann könnte diese Änderung nur durch ein „globales Umschalten der Gruppenmotivation“ erfolgen, was schon als Idee endgültig absurd ist.

Jetzt aber wieder zur Piratinnenkon. Dort wurde durch eher restriktive Regeln eine Reglementierung der Kommunikation vorgenommen mit dem vorgeblichen Ziel eine (Zitat) „angenehme, konstruktive Gesprächskultur“ zu erreichen. Gerüchteweise in Anlehnung an die „Gewaltfreie Kommunikation“.

Natürlich ist es schön eine angenehme und konstruktive Gesprächskultur zu haben, aber dafür hätte man meiner Meinung nach besser beliebige Debating-Regeln gewählt, anstatt einen Regelsatz der eigentlich für den Zweck der Mediation erfunden wurde.
Regel Vier der (endgültigen) Regeln lautet z.B. „Wir stellen Fragen und hören aufmerksam zu ohne zu beurteilen oder zu diskutieren.“. Das bedeutet also dass die Regeln zwar angenehme Gespräche erlauben, aber im Endeffekt jede Debatte verbieten. Denn beurteilen und diskutieren ist verboten.
Da stellt sich für mich schon die Frage wie eine Veranstaltung die Diskussionen verbietet zur politischen Willensbildung beitragen soll. Wie ohne Diskussion das Ziel der Konferenz erreicht werden sollte (Zitat): „Ziel der Konferenz ist es, einen parteiinternen Klärungsprozess voranzutreiben, eine klarere Positionierung innerhalb der Partei zu erreichen und darauf aufbauend deutlicher nach außen zu wirken.“

Und da beginnt es interessant zu werden, denn auf der Piratinnenkon, so hat es allen Berichten nach den Anschein, wurden die Regeln tatsächlich vor allem eingesetzt um die Kontrolle über den Bezugsrahmen (Frame) der Diskussion zu behalten und Gegenmeinungen von möglicherweise nicht genderfeministischen Piraten zu unterdrücken.

Ich vermute dass die restriktiven Reglen auch das politisch-genderfeministische Ziel hatten durch eine „Normierung“ der Kommunikation auf eine einzige zulässige Form der Kommunikation die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu egalisieren und damit einen Beitrag zur Überwindung des „sozialen Konstrukts Geschlecht“ zu leisten.
Dass man als „Normkommunikation“ eine auf Konfliktfreiheit getrimmte Kommuniktationsvariante gewählt hat könnte der Versuch sein speziell „männliche“ Kommunikationsformen zu unterdrücken und dadurch die Macht der Männer zu brechen (These 2, 3).
Natürlich hätte man genau so gut eine konfliktreichere Kommunikationsform wählen können, denn das Geschlecht ist nur ein soziales Konstrukt und darum müsste es genau so gut möglich sein Frauen direkte, offene Kommunikation beizubringen; das wiederum nährt meinen Verdacht dass durch die Regeln primär Kontrolle über die (Nicht-)Diskussion erreicht werden sollte.

Allerdings gehört es in feministischen Kreisen anscheinend zum guten Ton psychisch eher labile Personen einzubinden, weswegen „safe spaces“ bereitgehalten werden. Auch das könnte also ein Grund sein warum der Versuch unternommen wurde Konflikte gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Wie auch immer: Der Genderfeminismus und seine Begleiteffekte sind eine gute Erklärung für die diskurs-unterbindenden Kommunikationsregeln.

Die aber dennoch auf einer politischen Veranstaltung meiner Überzeugung nach nicht hätten angewandt werden dürfen.

Erstens natürlich weil es absurd ist auf einer politischen Veranstaltung Regeln zu haben die es ermöglichen Leute wegen Diskutierens rauszuwerfen (Regel 4 & 10).
Dann, weil die damit beabsichtigte und umgesetzte Unterdrückung von abweichenden Meinungen oder generell Widerspruch/Konfrontation den sowieso bestehenden negativen Effekt von „Groupthink“ potenziert und damit zu schlechteren Gruppen-Entscheidungen führt, also das Debatten-Ergebnis verschlechtert.

Vor allem aber weil diese vordergründig besonders sanfte, konfliktfreie Reglementierung von Kommunikation selbst eine Form der Steuerung und Kontrolle der diesem Regelwerk unterworfenen Personen darstellt. Das stellt meiner Meinung nach einen Missbrauch der Idee der gewaltfreien Kommunikation dar, die, wenn ich das richtig verstanden habe, eben keine sophistisch-manipulative rhethorische Technik sein soll um eine Diskussion für sich zu entscheiden oder zu lenken.
Das Kommunikations-Regelwerk der Piratinnenkon selbst war aber eine Form von Machtausübung. Der soziale- und Gruppendruck der alle dazu bringen soll sich den in diesem Regelwerk verankerten Verhaltensnormen zu unterwerfen und nur innerhalb des vom Regelnwerk gesetzten Bezugs (Frames) zu diskutieren ist nur eine andere, subtilere Form von Gewalt, der die Individuen mit „Worten wie Watte in Harmonie ein[…]schweißt“ (Grönemeyer). Doch die Tatsache dass Kommunikation auch immer mit Macht zu tun hat – wenn man Kommunikation als „verbale Machtprojektion“ sieht – wird dadurch nicht negiert. Die Macht wird nur verlagert; durchsetzungsstarke Individuen werden durch die Regeln und Strukturen in ihrer Möglichkeit zur Machtausübung beschränkt, aber die Macht wird dadurch nicht etwa gerechter verteilt, nein: Die gesamte Macht fließt in die Hände derjenigen die die Regeln definieren und derjenigen die die Regeln durchsetzen.
Diese Machtkonzentration in den Händen einer Macht-Elite ist jedoch – so leid es mir tut – das Gegenteil von Demokratie und Emanzipation und birgt ein hohes Potential von Machtmissbrauch, vor allem wenn die Mächtigen und die Exekutive in keiner Weise demokratisch legitimiert sind oder abgewählt werden können, wie bei der Piratinnenkon der Fall, und wenn sie einer Ideologie wie dem Genderfeminismus anhängen.

Dass tatsächlich Machtmissbrauch stattgefunden hat lässt sich z.B. daran ablesen ein Pirat wegen einer vergleichsweise harmlosen Meinungsäußerung von der Veranstaltung ausgeschlossen wurde, während mehreren Berichten zufolge aggressiv auftretende, die Zeit überziehende, wertend agierende Piratinnen nicht herausgeworfen wurden. Und der Pirat Alexander M. (wohl ein „Buddy“ der Orga?) durfte in diesem Tweet pöbeln ((persönlich finde ich dass unspezifische Drohungen gegen unbestimmte Personen auf Twitter nicht justiziabel sein sollten… aber nach genderfeministischer Lesung müsste dieser Tweet mit den darin zum Ausdruck kommenden männlichen Dominanz-Strategien eine Todsünde sein)) ohne das irgendetwas passiert wäre, im Gegenteil, er wurde nachher von einer Organisatorin nochmal extra gelobt für die konstruktive Mitarbeit.

Es scheint also so als ob die Kommunikationsregeln der Piratinnenkon dortselbst eher selektiv zur Anwendung gebracht worden wären: Frauen und „Allies“ durften Regeln anscheinend sanktionsfrei übertreten (möglicherweise weil der genderfeministische Zweck die Mittel heiligt?), Gegner bzw. Männer wurden hingegen mundtot gemacht und nötigenfalls rausgeworfen.

Das sind meiner Meinung nach recht klare Anzeichen von Sexismus und Machtmissbrauch. So etwas sollte es auf einer Veranstaltung der Piratenpartei eigentlich nicht geben. Schon gar nicht auf einer Konferenz die der Bundesvorstand finanziert damit sie Positionen zu Gleichberechtigung etc. erarbeitet.

Die „Auslagerung“ der potentiellen Gewaltätigkeit an den Dienstleister Staat beim Rausschmiss eines „Querulanten“ von der „Privatparty“ nach der Piratinnenkon war übrigens meiner Meinung nach keine überzeugende Demonstration von Gewaltfreiheit, eher wohl ein Eingeständnis dass man Gewalt für eine Lösung hält solange diese die „richtigen Leute“ trifft. Vielleicht hätte man auch durch Mediation eine Lösung können die allen ohne Gesichtsverlust ermöglicht hätte den Konflikt – der ja, das muss man im Hinterkopf behalten, nur darin bestand dass jemand etwas gesagt hat was andere nicht hören wollten – aufzulösen.

Ich finde es vor allem auch traurig dass Einladungen für die Konferenz-Party vom „politischen Wohlverhalten“ während des offiziellen Teils der Parteiveranstaltung abhängig gemacht worden sein sollen. Ich habe noch von keiner anderen Partei oder Jugendorganisation einer Partei gehört dass auf einer Veranstaltung nicht ausnahmslos jeder zur Abendveranstaltung eingeladen gewesen wäre. Die Existenz einer „Türpolitik“ auf der Piratinnenkon-Privatparty ist damit für mich in meiner „Karriere“ als politisch engagierter Mensch ein absoluter Tiefpunkt.

Diese ganzen Geschehnisse, die Anti-Diskurs-Regeln, deren Handling, der Ausschluss bzw. Rausschmiss von der „Privat-„Party sind für mich völlig unverständlich bzw. sind nur als Phänomene des Wirkens von Genderfeministinnen erklärbar in deren geschlossenem Weltbild dieses Vorgehen „gut und richtig“ ist.

Aber nochmal: Die drei Thesen des Genderfeminismus sind Unsinn. Auf einer politischen Veranstaltung keine Debatte zuzulassen ist Unsinn. Teilnehmer nach Geschlecht, politischer Überzeugung und sexueller Orientierung auszuwählen ist Unsinn. Und wenn dieses Vorgehen gemäß Genderfeminismus zwingend und alternativlos ist, dann ist auch der Genderfeminismus Unsinn bzw. eine Ideologie, die aufgrund unzutreffender Thesen einen nicht zutreffend erfassten Ist-Zustand der Gesellschaft mit untauglichen, undemokratischen, diskriminierenden Mitteln in einen unerreichbaren Soll-Zustand transformieren will.

Dass wir anscheinend in der Piratenpartei, das hat meiner Meinung nach die Piratinnenkon eindeutig gezeigt, einen genderfeministischen Flügel haben ist daher ein echtes Problem.
Denn es wird keine Einigung zwischen Genderfeministinnen und Nicht-Genderfeministen geben. Wer an den Genderfeminismus glaubt ist mit seinen letzten Endes extremistischen, anti-demokratischen, totalitären, sexistischen und verfassungsfeindlichen Ideen nicht integrierbar in eine freiheitlich-demokratische Partei wie die Piratenpartei.

Denn die Piratenpartei ist – für mich jedenfalls – eine Partei die sich für die Werte unserer Verfassung, nämlich Gleichberechtigung, individuelle Freiheit und freie Entfaltung der Persönlichkeit einsetzt und nicht für Gleichschaltung, Gruppendruck und Gängelung im Namen einer schlecht konstruierten Einheitsgeschlechts-Ideologie wie die GenderfeministInnen.

Darum glaube ich nicht dass irgendwer in der Piratenpartei Interesse daran hat dass genderfeministische U-Boote in dieser Partei noch mehr Einfluss, Ämter und Positionen bekommen – Genderfeministen natürlich ausgenommen. Ich glaube daher dass wir in Zukunft darauf achten müssen dass ideologisch verblendete GenderfeministInnen in dieser Partei keine Mandate, Ämter und Posten mehr bekommen, damit sie unsere Partei nicht noch weiter runterziehen können.

Dann bleibt die Piratenpartei hoffentlich eine Partei für Eichhörnchen, Frauen und Männer die sich für individuelle Chancengerechtigkeit für alle Menschen einsetzen statt für die Durchsetzung einer Ideologie die, für Kernies, „defective by design“ ist.

Tja und wenn ich jetzt völlig falsch liegen sollte und das alles ganz anders war auf der Piratinnenkon, dann ist dieser Beitrag vielleicht nur ein Beleg der katastrophalen Außenwirkung der Aktionen der Piraten-Feministinnen und ein Beleg des Eindrucks den man als Außenstehender vom Feminismus in der Piratenpartei bekommt wenn man sich einmal zwei Wochen intensiv damit beschäftigt.

Er wirkt verkopft, lebensfern, männerfeindlich ((Laut Konzept, Tag 1, Punkt 7 sind Männerrechtler alle Feinde)), praxisuntauglich, inkonsequent, totalitär und in Folge dessen, weil das alles mit Rationalität und logischem Denken meiner Meinung nach nichts mehr zu tun hat, psychotisch. Man bekommt den Eindruck dass er auf der unsinnigen vielfach widerlegten genderfeministischen Theorie aufbaut.
Das ist übrigens nicht als Angriff aufzufassen, sondern als Schilderung meines Empfindens. Um gewaltfrei kommunizierte Antworten wird gebeten. Im Zweifel bitte die Ergebnisse der Piratinnenkon nicht vergessen und nicht provozieren lassen. Und danke für’s lesen.


Update 1: Nachdem ich den Artikel veröffentlicht hatte habe ich erstmals das komplette Video der Fishbowl-Diskussion gesehen. Am Anfang hat es in mir Zweifel hervorgerufen ob es richtig war die Piratinnenkon aufgrund der „Aktenlage“ zu einer quasi totalitären und anti-demokratischen Veranstaltung zu erklären. Aber dann hat das Video mich doch selbst wieder überzeugt, dass das richtig war. Denn die Aufnahme zeigt das Fehlen jeglicher Diskussion bei der Fishbowl-„Diskussion“ und bestätigt damit dass am ersten Tag der Piratinnenkon viel stattgefunden haben mag, aber nicht die behauptete „Klärung nach innen“.
Denn wo von vorneherein nur ein ausgesuchtes Publikum eingeladen ist, dem zudem nicht erlaubt ist zu diskutieren, kann man gar nichts klären. Auch nicht mit jeder Menge Prozess-Foo und Zuckerguss drumherum.
Das Video zeigt auch die Existenz einer speziellen Form von Sprachmanipulation, wenn nämlich ständig von der „Fishbowl-Diskussion“ geredet wird, in Wirklichkeit aber gar keine Diskussion stattfinden darf.
In der „Fishbowl-Diskussion“ genannten Reihe von Monologen äußern sich eher jede Menge Menschen was sie selbst schon falsch gemacht haben und äußern ihre guten Absichten in der Zukunft fairer und besser und konfliktfreier agieren zu wollen, und auch auf Gegner einzugehen etc. pp.. Das erinnert schon an Gebet, Fürbitte oder meinetwegen „Auditing“, Gruppentherapie und Seelenstriptease; dieser Eindruck klingt auch in den oben verlinkten Berichten einiger Teilnehmer in ähnlicher Form an.
Und tragikomischerweise erweisen sich alle diese Absichtserklärungen ab 1:05:35, bei Auftritt von Dennis P., als reine Lippenbekenntnisse, denn plötzlich ist „auf Gegner eingehen“, „Meinung respektieren“ oder „Andersartigkeit akzeptieren“ gar nicht mehr Thema. Statt dessen wird der gute Mann später rausgeworfen. Und das obwohl er sich sichtlich bemüht sich „korrekt“ auszudrücken und sich sogar mehrfach entschuldigt für seine Unfähigkeit statt Feststellungen „Gefühle“ und „Meinungen“ zu äußern. Bei seinem Auftritt hatte ich persönlich auch das Gefühl dass für ihn die Atmosphäre eher feindlich als gewaltfrei ist, darauf deutet die enorme Menge von „irgendwie“s und anderen Füllwörtern hin die er verwendet.
Von irgendwelchen Versuchen der Mediation und respektvollen Verstehens ist nichts bekannt, und der eigentlich recht kluge Beitrag bei 1:26:53, der berühmte Satz von Voltaire über die freie Meinungsäußerung, wird bei der Abmoderation nur mit einem verächtlich klingenden „Ähh, ja“ und einem ansatzweisen Lachen „gewürdigt“.
Und daher bestätigt mich das Video; wo Diskussionen auf einer Veranstaltung einer Partei nicht erlaubt sind und die geäußerten Meinungen uniform und teilweise nur Lippenbekenntnisse, da muss man Totalitarismus vermuten. Wenn von Diskussionen und Klärung die Rede ist wo weder Diskussion noch Klärung stattfinden hat das mit Demokratie nichts mehr zu tun.