Archiv für den Monat: Dezember 2019

#Omagate / #Umweltsau-Lied – haben „rechte Multiplikatoren“ die Empörung angeheizt?

Der WDR hat einen Kinderchor ein Lied singen lassen, in dem eine Oma allerlei asoziales und umweltschädliches Verhalten an den Tag legte.

Das hat auf Twitter für Empörung gesorgt. Nun ist der Kampf um die Deutungshoheit entbrannt, wie und warum es zu dieser Empörung gekommen ist.
Die These einiger eher linker Journalisten ist dabei, „rechte Multiplikatoren“ hätten die Empörung angeheizt.

Doch kein Multiplikator kann aus dem Nichts Empörung erzeugen; daher ist es in Bezug auf die inhaltliche Beurteilung des „Umweltsau“-Liedes völlig irrelevant, welche Multiplikatoren dazu beigetragen haben, dass das Lied bekannt geworden ist.

Die Frage danach, wer das Lied bekannt gemacht hat, beziehungsweise das Herausstellen, dies seien „rechte Multiplikatoren“ gewesen, ist darum meiner Meinung nach nur ein Versuch, durch Diskreditierung der angeblichen Verbreiter als „Rechte“ davon abzulenken, dass der Inhalt des Liedes anscheinend von vielen Menschen als ebenso grob unzutreffend wie beleidigend wahrgenommen worden ist.

Oft wird davon geredet, das Schmählied auf angeblich umweltzerstörende Alte sei satirisch gemeint gewesen. Doch richtet sich diese angebliche Satire gegen eine Gruppe, die zumeist eher umweltfreundlich unterwegs ist; viel Bus fährt oder zu Fuß geht. Wenig wegwirft. Selten fliegt, selten Weltreisen macht, selten Auto fährt. Somit ist die Darstellung einer überzeichnet umweltfeindlichen Oma eben keine absurde Übertreibung typischen Alten-Verhaltens, sondern eine übertriebene, absurde Falschdarstellung, und damit eher Schmähung als Satire.

Rassismus-Definitionen und Rassismus gegen Weiße oder Männer

Rassismus gegen Weiße gibt es nicht – hört man hin und wieder von PoC-Aktivist_*Innen.

Wie kommen die darauf? Nun, was Rassismus ist, hängt letztlich von der Definition ab.
Relativ klar ist, dass für Rassismus mehrere Dinge zusammenkommen müssen. Davon sind meiner Ansicht nach zwei auch eher unstrittig:

Erstens, die Einteilung von Menschen in bestimmte Gruppen, wobei als Kriterium für die Kategorisierung unveränderbare und von den Betroffenen nicht zu verantwortende Eigenschaften (z.B. Hautfarbe, Geschlecht, sexuelle Orientierung) herangezogen werden.

Zweitens, eine ablehnende Einstellung gegenüber einer so bestimmten Gruppe, bzw. Ressentiments oder die Unterstellung, die Gruppe sei aus irgendeinem Grund schlecht bzw. schlechter als andere Gruppen (z.B. dumm, faul, gewalttätig)

Nach diesen zwei Punkten könnte es also auch Rassismus gegen Männer geben, oder gegen Weiße.

Darum haben PoC- bzw. PoMo-Aktivisten als zusätzliches Kriterium erfunden, dass — drittens — Rassismus sogenannte „privilegierte Gruppen“ nicht betreffen kann. Rassismus gebe es nur gegenüber Benachteiligten.

Die Idee dahinter ist vielleicht, dass Widerstand gegen Rassismus nicht auch als Rassismus gelten können soll(?).

Nun ist es aber so, dass faktisch nicht alle Weißen oder alle Männer privilegiert sind. Wie privilegiert ist denn der weiße Straßenpenner gegenüber einer gebildeten PoC-Studentin aus der Mittelschicht? Überhaupt nicht. Es ist wohl eher umgekehrt so, dass die Gruppe der gebildete PoC-Student_*Innen aus der Mittelschicht eindeutig privilegierter ist als die Gruppe der Straßenpenner.

Das ist natürlich ein gefährlicher Fakt, denn wenn privilegierte Gruppen gemäß Punkt drei der Rassismus-Definition von Rassismus nicht betroffen sein können, dann könnten Straßenpenner PoCs rassistisch beleidigen, ohne dass das als Rassismus gelten könnte, und man hätte sich mit dieser Ergänzung der Definition um diesen dritten Punkt nicht geholfen, sondern geschadet.

Also behaupten die Verfechter der Idee, Rassismus sei nur von Privilegierten gegen Unterdrückte möglich, einfach hilfsweise, männlich und weiß zu sein allein sei bereits ein so großes Privileg, dass Weiße oder Männer nie in der „Opferhierarchie“ unterhalb von PoCs oder Frauen stehen könnten. Und ergänzen damit ihre Rassismus-Definition um eine vierte Bedingung.

Und das ist das Problem, denn damit verlässt die Argumentation den Bereich des Logischen und Nachvollziehbaren, und begibt sich in den Bereich des Dogmatischen.

Denn die Behauptung, Weiße oder Männer seien immer privilegiert, lässt sich leicht anhand von Beispielen für einzelne Paare von nicht-privilegierten Weißen/Männern und privilegierten PoCs/Frauen widerlegen. Die Behauptung ist also objektiv nicht allgemeingültig.

Dagegen können die Verfechter der „Rassismus gegen Weiße/Männer gibt es nicht“-Theorie dann nur noch argumentieren, im Schnitt seien Weiße oder Männer aber privilegierter als Schwarze oder Frauen.

Doch wie nennt man es, wenn eine Person nicht individuell beurteilt wird, sondern aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe, in die sie aufgrund von unveränderbaren persönlichen Merkmalen hineinkategorisiert wird? Nun, das ist zumindest eine auf Vorurteilen basierende Beurteilung.
Wenn diese Beurteilung ungerecht ist und den Betroffenen schlechter stellt, dann ist das ein Fall gruppenbasierter Menschenfeindlichkeit, bzw. Rassismus im Sinne der „zweiteiligen“ Rassismus-Definition.
Und auch Rassismus im Sinne der Rassismus-Definition mit der Einschränkung, nur „Nicht-Privilegierte“ könnten von Rassismus betroffen sein, wenn hier ein Straßenpenner von einer Mittelschicht-PoC beurteilt wird.
Und die vierte Nebenbedingung ist einfach nur ein sophistischer Trick. In einer Rassismus-Definition Rassismus mit Hilfe einer rassistischen Nebenbedingung so zu definieren, dass auch diese rassistische Nebenbedingung nicht mehr rassistisch ist, bedeutet, die Beurteilung dieser Definition der Logik zu entziehen und gegen Kritik zu immunisieren, indem die Definition durch ein vermeintliches Axiom gestützt wird, das aber nur ein ideologisch motiviertes Dogma ist.

In Diskussionen um die verquere Rassismus-Definition dieser „Antirassisten“ sollte man daher immer an dem Punkt ansetzen, dass die Setzung, Weiße und Männer seien stets privilegiert, eine unzulässige Pauschalisierung darstellt, die einfach nicht wahr ist, und dass die Beurteilung von Menschen aufgrund der Kategorisierung in eine Gruppe gemäß unveränderlichen Eigenschaften auf den gleichen Mechanismen basiert wie Rassismus. Individuen aus dieser Gruppe, auf die das Vorurteil (privilegiert!) nicht zutrifft, auf Basis der Gruppenzugehörigkeit Eigenschaften zuzuschreiben, die sie nicht haben, ist ungerecht und falsch und sogar rassistisch, weil wir die willkürliche Setzung, z.B. Weiße und Männer seien immer privilegiert, nicht gelten lassen können, da sie objektiv nicht zutrifft.

Nicht zuletzt ist bereits die dritte Bedingung (auf nach den ersten beiden Bedingungen basierendes Handeln sei nur dann rassistisch zu nennen, wenn zusätzlich der Handelnde gegenüber dem Betroffenen privilegiert ist) willkürlich und verstößt gegen das Prinzip, dass Regeln konsistent auf jedermann angewendet werden können sollten, und eben nicht abhängig von Kriterien, die Rassismus zu Grunde liegen, also der Einteilung von Menschen in Gruppen nach unveränderlichen Merkmalen, unterschiedliche Regeln angewendet werden sollten. Also ganz stumpf gesagt sollte jemand, der nicht will, dass man ihm irgendwelche Vorurteile vor den Latz knallt, alle Schwarzen könnten ja ganz toll tanzen und so, auch niemandem sagen, er sei sicher total privilegiert und würde von der Bundesagentur nie sanktioniert, weil er ein Weißer sei.

Darum würde ich Rassismus nur mit den ersten beiden Bedingungen definieren. Rassismus ist auf unveränderlichen persönlichen Gruppen-Merkmalen basierende (Vor|Ver)-Urteilung bzw. Menschenfeindlichkeit. Egal wer betroffen ist. Oder anders gesagt: Natürlich können auch PoCs, Queers oder sonstige „Randgruppenangehörige“ rassistische Arschlöcher sein, gegenüber allen anderen Menschen. Denn alle Menschen sind potenziell zumindest charakterlich gleich gut oder gleich schlecht. Etwas anderes zu behaupten ist Rassismus.