Archiv für den Monat: Dezember 2014

„Gender-Sexualkunde“

Ein kleiner Sturm der Entrüstung fegt über die Republik ob angeblich verwirrender, Kinder schädigender Ansätze für den Sexualkundeunterricht. Medien berichteten, z.B. FAZ, Spiegel, taz.

Mir tun jetzt weniger die Kinder leid, die sich nötigenfalls dem Unterricht werden entziehen können, indem sie einfach behaupten, sich belästigt zu fühlen; wer würde in dieser Situation als Lehrer seine Karriere auf’s Spiel setzen wollen, um einen Schüler zur Teilnahme am Sexualkundeunterricht zu zwingen?
Verlierer werden im Zweifel die Lehrer sein, die die staatlich verordnete Verletzung schülerischer Schamgrenzen durchsetzen sollen.

Ich finde es im Prinzip durchaus gut, dass der Staat dafür sorgt, dass Kinder ein vielfältiges und realitätsnahes Bild der Gesellschaft vermittelt bekommen, in der sie leben werden, auch wenn im Elternhaus ggf. eher intellektuelle Armut und Abschottung herrschen. Keinesfalls würde ich Eltern ein Recht zusprechen wollen, ihr Kind aufgrund ihres Glaubens von allem fernzuhalten.

Aber ich denke nicht, dass man dabei von Hölzchen auf Stöckchen kommen und Kinder mit am Ende doch eher seltenen sexualpsychologischen Störungen und Paraphilien konfrontieren muss. In einem Land, in dem es immerhin fast 1% Teenager-Schwangerschaften gibt ((wobei auch 18- und 19-jährige gezählt werden, die IMHO natürlich tun und lassen können, was sie wollen)) sollten vielleicht die „Basics“ der Sexualkunde in den Mittelpunkt gestellt werden, anstatt Aufklärung bis über die Grenzen zur Psychopathologie hinaus zu betreiben.

Klar, es besteht die Möglichkeit, dass die Kinder via Internet auf die Existenz möglicherweise verstörender sexueller Vorlieben aufmerksam werden könnten (Regel 34!), ohne dass die Schule sie darauf angemessen vorbereiten konnte.
Aber ob Sexuelles, über biologische Grundlagen hinaus, überhaupt in den Zuständigkeitsbereich von Schule fällt, und ob die Reaktion auf eine mögliche nicht-pädagogische Konfrontation von Kindern mit verstörenden Inhalten sein muss, dass die Schule Kinder nun zuerst mit verstörenden sexuellen Inhalten konfrontieren soll, darf bezweifelt werden.

Am Ende ist Sexualität etwas sehr privates, auch und gerade bei Jugendlichen, und ich bezweifle, dass der Bildungsauftrag der Schule sich bis in diesen Kernbereich der Privatsphäre von Jugendlichen hinein erstrecken darf. Mal sehen, wann der oder die erste klagt; warum schließlich sollten Menschen sich zu Äußerungen zu sexuellen Themen, oder auch „nur“ zum Herumhantieren mit Dildos nötigen lassen müssen, nur weil irgendeine Schulbehörde meint, dies sei gut für sie? Gerade bei Unterrichtsformen, wo Schüler quasi zur Mitwirkung gedrängt werden, habe ich Bauchschmerzen, ob Schüler da nicht mit (Gruppen-)Druck in Situationen gebracht werden, in die man Schüler nicht bringen dürfen sollte.

Dass Jugendliche davon profitieren könnten, über verschiedene Neigungen aufgeklärt zu sein, für den Fall, dass sie selbst davon betroffen sein sollten, möchte ich nicht als Argument gelten lassen; denn wer eine Suchmaschine bedienen kann, wird innerhalb kürzester Zeit herausfinden können, dass er mit seiner Neigung – welcher auch immer – nicht allein ist.

Und dass sich ggf. durch diese schulische Information Toleranz in diesen Dingen herbeierziehen ließe… halte ich für genau so wahrscheinlich, wie die Idee, dass der Deutschunterricht in der Schule in jungen Menschen die Liebe zur deutschen Literatur wecken könnte.

Schließlich und endlich ist der „fächerübergreifende“ Sexualkundeunterricht neuer Art auch wieder nur ein weiterer Schritt, die bereits heillos überfrachteten Lehrpläne weiter zu überladen und noch un-umsetzbarer zu machen. Der fächerübergreifende Sexualkunde-Unterricht wird deswegen wohl an den meisten Schulen, auch und gerade weil die meisten Eltern wohl nicht begeistert sein werden, als erstes hinten runterfallen.

Zusammengefasst glaube ich, die Schule überzieht ihren Erziehungsauftrag ((den strenggenommen die Eltern haben, und nicht der Staat)) mit einem „erweiterten Sexualkundeunterricht“, der — fände er nicht in der Schule statt — wohl fast überall als sexuelle Belästigung und Grenzüberschreitung gewertet werden würde.

Ehegattensplitting abschaffen!!!1!!1

Die Forderungen nach einer Abschaffung des Ehegattensplittings regen mich immer ein wenig auf.

Und zwar, weil die meisten, die das fordern, gar nicht wissen, warum es das Ehegattensplitting gibt.

Also für Euch: Das Ehegattensplitting ist der (Über-)Ausgleich dafür, dass verheiratete Paare gemeinsam veranlagt werden, und darum stärker in die Steuerprogression kommen.

Beispiel: Tom und Laura verdienen jeweils 40.000€/Jahr brutto.
Wenn Tom und Laura nicht verheiratet sind bzw. „einzeln veranlagt“ werden, zahlen beide auf die ersten ca. 8.000€ keine Steuern, darüber steigt der Steuersatz mit dem Einkommen an, so dass für 40.000€ ca. 22,5% Steuern fällig werden. So zahlen Tom und Laura jeweils ca. 9.000€ Steuern, zusammen sind das ca. 18.000€ Steuern.

Wenn Tom und Laura verheiratet sind, werden sie gemeinsam veranlagt, haben also 80.000€ Einkommen, dafür wäre dann (ohne Splitting, wie Einzelveranlagung) wegen der Progression ein Steuersatz von 32% fällig, das wären dann 25.600€, also 7.600€ mehr als bei Einzelveranlagung.

Und um diesen Nachteil auszugleichen, gibt es das Ehegattensplitting; es wird dabei so getan, als wäre das Einkommen auf beide Partner gleichverteilt – dann kommen natürlich wieder 18.000€ Steuern heraus.

Den Splitting-Vorteil gibt es nur, wenn beide Partner ungleich viel verdienen. Wenn also Tom 20.000€ verdient, und Laura 60.000, dann müsste Tom bei Einzelveranlagung ca. 13% Steuern zahlen (2.600€), und Laura müsste 16.800€ zahlen, zusammen also 19.400€. Durch das Ehegattensplitting (es wird so getan, als verdienten beide 40.000, und müssten 2 mal 9.000€ Steuern zahlen) sparen Tom und Laura also 1.400€.

Wenn Laura CEO ist und 2 Mio. € im Jahr verdient und Tom gar nichts, sparen Tom und Laura dennoch maximal ca. 17.300€, weil der größte Teil von Lauras und Toms gemeinsamem Millioneneinkommen sowieso mit dem Höchststeuersatz besteuert wird. Der Vorteil beim Ehegattensplitting ergibt sich also durch die rechnerisch geringere Steuerprogression für die unter dem Spitzensteuersatz liegenden Anteile des in zwei gleiche Einkommen aufgeteilte Gesamteinkommens, im Vergleich mit den tatsächlich unter dem Spitzensteuersatz liegenden Einzeleinkommen.
Von Lauras 2 Mio. € würden bei Einzelveranlagung nur die ersten 200.000€ nicht maximal besteuert, die restlichen 1,8 Mio.€ aber schon. Aber da so getan wird, als würde Tom (ebenso wie Laura) 1 Mio. € verdienen, fallen für Tom weitere 200.000€ nicht unter den Spitzensteuersatz. Maximal besteuert werden dann nur noch 1,6 Mio. €. Und aus dieser Verschiebung von Einkommensanteilen in den nicht maximal besteuerten Bereich der Progression ergibt sich der Splittingvorteil.

Das kann man jetzt ungerecht finden; es gibt aber auch Argumente für das Splitting. Verheiratet zu sein hat ja nicht nur Vorteile, sondern bringt auch gewisse Pflichten mit sich.

Wie auch immer; wenn man gegen das Ehegattensplitting ist sollte man nicht die Abschaffung des Splittings fordern, sondern die Wiedereinführung der getrennten Veranlagung fordern, oder die Abschaffung der Steuerprogression, weil das Ehegattensplitting ein sinnvoller Mechanismus dafür ist, die Nachteile der gemeinsamen Veranlagung in Verbindung mit der Steuerprogression zu kompensieren.

Pegida, Lebenslügen und die Mediendemokratie

Die ARD hatte neulich eine Woche der Toleranz ausgerufen. Alles war auch irgendwie super im Staate Deutschland und wir fühlten uns alle sehr vorbildlich und weltoffen, bis dann plötzlich Pegida auf der Matte stand. Grund genug für mich, einen länger rumliegenden Artikelentwurf zu beenden:

Toleranz funktioniert als Dogma oder Maxime nicht besonders gut, denn zumindest Toleranz gegenüber Intoleranz kann es nicht geben, soll die Toleranz obsiegen, und daher ist es mit der Toleranz wie mit allen anderen Dingen: Ob Toleranz Sinn ergibt, kommt auf den Kontext an. Toleranz darf nicht laissez-faire sein, sondern muss eine gesellschaftlich befriedende Wirkung haben; das ist jedenfalls mein Verständnis von der „richtigen“ Toleranz.

Allerdings ist es mit der Toleranz in Deutschland meiner Meinung nach nicht weit her. Zumindest nicht so weit, wie Politiker es gern behauptet haben, in Sonntagsreden über das Einwanderungsland Deutschland.

Als Wulff „Der Islam gehört zu Deutschland“ gesagt hat war das meiner Ansicht nach ein Höhepunkt konservativer Pseudo-Toleranz, ein kalkulierter, von einem Ghostwriter ausgedachter Satz, der dann doch etwas zu dick aufgetragen war, so dass das konservative Lager seinem eigenen „ersten Bürger“ nicht mehr so richtig folgen wollte.
Und zu dick aufgetragen mit der behaupteten Toleranz wir meiner Meinung nach nicht nur bei den „Rechten“.

Auch die „linke Toleranz“ ist meiner Ansicht nach kaum vorhanden. Klar, auf Toleranz und Weltoffenheit glaubt man links der Mitte eine Art Monopol zu haben, aber Kopftücher und Schächten sieht man als Linker natürlich auch ungern, und es wäre auch schön, wenn „Zugereiste“ am Veggie-Day kein Fleisch essen, Öko-Strom kaufen, und ihre Rollenbilder gendergerecht transformieren würden. Heißt also: Die Neuankömmlinge sollen sich gefälligst integrieren. Und Integrieren ist wiederum nur ein Euphemismus ist für das, was man rechts der Mitte als „sich der deutschen Leitkultur anpassen“ bezeichnen würde. Nur darf man das böse Wort Leitkultur unter Linken natürlich nicht sagen!

Aber eine Vorstellung von einer am Ende doch überlegenen, fortschrittlichen deutschen sozialen humanistischen pluralistischen und feministischen Leitkultur, die der konservativen Vorstellung so einer Leitkultur sehr ähnlich ist, existiert natürlich auch auf Seite der Linken, was auch von den ganz ganz linken „Antideutschen“ immer so schön kritisiert wird. Aber das eine Leitkultur-Idee auf linker Seite existiert, wird natürlich verleugnet, schon allein, weil man dann auf der rechten Vorstellung einer Leitkultur herumhacken kann, obwohl das am Ende ebenso durchschaubar wie lächerlich ist. Die linke „Toleranz“ ist also ein rein taktisches Manöver, um „links-sein“ als „irgendwie weniger spießig als konservativ“ zu re-framen.

Auch die Medien haben IMHO ein taktisches Verhältnis zu Weltoffenheit und Toleranz. Mal schüren sie Angst vor Fremden, mal berichten sie besorgt über die Fremdenfeinlichkeit. Mal geben sie sich staatstragend, mal denken sie an Auflage, Verbreitung, Einschaltquoten und Klickzahlen.

Will heißen: Die Medien verhalten sich völlig irrational und pendeln zwischen eitler Selbstinszenierung als Musterdemokraten und reinem Streben nach Marktanteilen.

Ich halte fest – ohne jetzt eine Idee zu haben, wie man alles besser machen könnte, sorry – dass sich sowohl die Medien als auch die Politik, Rechte und Linke und Liberale, Lebenslügen mit sich herumschleppen und diese aggressiv verteidigen, und dass in dieser Kultur des Gegeneinander keine konstruktive Debatte in Gang kommen kann.

Fragen, Probleme, Erwartungshaltungen, Prämissen, nichts kommt in unserer Gesellschaft mehr offen auf den Tisch, weil es einfach keine Diskussionskultur gibt, die zulassen würde, bestimmte Dinge mal grundsätzlich zu klären. Bundestagsdebatten gibt es nicht mehr, nur noch runterleiern von Reden, die für eventuell zuhörende Fernsehzuschauer geschrieben sind, und nicht für den politischen Gegner, denn die Mehrheiten sind ja dank „Frationszwängen“ eh klar und das ganze Gerede im Bundestag ist nur noch Show.

Aber es gäbe eben Dinge, die mal debattiert und geklärt gehören würden.
Zum Beispiel, ob es nicht insgeheim doch eine (Leit-)Kultur gibt, oder Grundwerte, die wir durchsetzen wollen, und wenn ja, wie die aussieht, was diese Grundwerte sein sollen.

Vielleicht könnte man sich ja auf bestimmte Dinge einigen, wie die Ablehnung von Todesstrafe, Folter und Angriffskrieg, möglicherweise auch noch Religionsfreiheit, Selbstimmung und Sozialstaat, Recht auf Abtreibung für Frauen und Recht auf körperliche Unversehrtheit sogar für kleine Jungen mit religiösen Eltern vielleicht, und vielleicht viel später dann noch auf Netzneutralität und Datenschutz. Da hätte man dann ein paar Sachen zusammen, bestimmt auch mit vielen „linken“ Positionen dabei, und die könnte man dann doch als eine Art kulturellen Grundkonsens bezeichnen, den dann auch Linke nicht ausländerfeindlich finden müssten.

Aber dieses blöde mit-dem-Finger-auf-andere-zeigen und Beleidigungen raushauen müsste halt vorher aufhören. Vielleicht würde es reichen, wenn im öffentlich-rechtlichen Rundfunk tatsächlich Debatten gezeigt würden, und nicht immer nur 60-Minuten-„Talks“ mit den immer gleichen Akteuren, die gar keine Lösungen erarbeiten wollen, sondern nur ihre immer gleichen „Gegner“ schlechtaussehen lassen.

Gender Studies oder: Die Kaiserin hat keine Kleider

Die Ergebnisse der Genderforschung! Ich habe versucht, sie zu finden. Irgendwo müssen sie ja sein, da die Gender-Studies in Deutschland schon seit Jahren bis Jahrzehnten mit großem Aufwand forschen, an — je nachdem, welcher Quelle man glauben mag — bis zu 250 Lehrstühlen und Instituten.

Aber: Es ist tatsächlich ziemlich schwierig Ergebnisse zu finden, die öffentlich verfügbar und/oder auffindbar sind. Viele Publikationen gibt es nur als Titel, oder sie sind in Intranets versteckt, die aus dem Internet nicht zugreifbar sind.

Wenn überhaupt irgendwelche Inhalte verfügbar sind, dann meist nur kurze Abstracts z.B. von Bachelorarbeiten, wie hier, bei der RWTH Aachen.

Werte Leser, schmeißen Sie ruhig mal selbst die Suchmaschine an: Es gibt Publikationen, Schriftreihen, Forschungsvorhaben, Kolloquien, Netzwerke, Pressemitteilungen, aber kaum Arbeiten, die man wirklich ansehen und nachlesen kann.

Und wenn man tatsächlich Ergebnisse, bzw. eher Werke, Schriftstücke von Mitarbeitern der Gender-Studies findet, stellt man fest: Quasi alle arbeiten sich sehr bemüht, aber letztlich erfolglos am Versuch ab, Belege für die Richtigkeit der ((von anderen Wissenschaften zum Großteil widerlegten)) gender-feministischen Idee zu konstruieren, das Geschlechterrollenverhalten sei ausschließlich sozial kostruiert. Und sind, weil sie auf einer widerlegten Prämisse aufbauend einen Zirkelschluss zu deren Beweis versuchen, nicht nur wissenschaftlich, sondern in jeder Hinsicht sinn- und wertlos.

An dieser Stelle wollte ich eigentlich eine Abschlussarbeit einer Studentin analysieren und aufzeigen, warum sie wertlos ist, habe mich aber dagegen entschieden; denn ich möchte nicht auf irgendwelchen kleinen Lichtern herumhacken, die unter dem Einfluss von „Gender-Autoritäten“ stehend irgendwelche Dinge geschrieben haben, an die sie vielleicht selbst noch nicht einmal wirklich glaubten, die sie vielleicht nur schrieben, um ihren Abschluss zu bekommen.

Statt dessen möchte ich kurz aus einem Text einer Gender-Professorin ((deren Namen ich hier nicht nochmal extra nenne, weil es nicht um die Person geht)) zitieren, der als Veröffentlichung im Forschungs-Magazin der Universität Oldenburg „Einblicke“ legitimerweise als Beispiel für Werke der Gender-Studies angeführt werden dürfte.

In diesem Text schreibt die Frau Professorin über die Gender Studies:

In der Geschlechterforschung ist das interdisziplinäre, Fachgrenzen durchschreitende und verflüssigende Bearbeiten von Forschungsfragen die grundlegende Methode bereits seit den Anfängen der Frauenforschung.
Gleichzeitig kommt der Genderforschung in den einzelnen Disziplinen eine fachspezifische Aufgabe zu: Es geht um die kritische Auseinandersetzung mit disziplinärem Wissen und darin eingeschriebenen männlich zentrierten wissenschaftlichen Praxen und Diskursen, um die inhaltliche und methodologische Differenzierung und Transformation durch Ergebnisse der Genderforschung.

Ich frage mich, was das bedeuten soll. Was soll Fachgrenzen durchschreitendes, verflüssigendes Bearbeiten von Forschungsfragen sein? Bedeutet das tatsächlich etwas? Oder ist das nur Phrasenbrei, der Dynamik, Interdisziplinarität, und emsige Tätigkeit suggerieren soll?
Mal ganz ernsthaft – es gibt in der Forschung überhaupt keine festen Fachgrenzen, niemand braucht deshalb die Hilfe der Gender-Studies um nicht-existierenden Grenzen zu „durchschreiten“. Und unter einer Verflüssigung von Fragen bei deren Bearbeitung kann ich mir nur vorstellen, dass die Bedeutung der ursprünglichen Frage nach stundenlanger Besprechung unter Nutzung des Vokabulars der Gender-Studies quasi völlig zerläuft. Beides ergibt überhaupt keinen Sinn.

Und was sollen die in disziplinärem Wissen eingeschriebenene männlich zentrierten Praxen und Diskurse sein, mal ganz abgesehen davon, dass Männlichkeit laut Genderforschung nur ein Konstrukt ist? Können Praxen und Diskurse geschlechtlich gefärbt sein? Und kann man in Wissen Praxen und Diskurse „einschreiben“? Ist es nicht eher so, dass Wissen Ergebnis von Diskursen sein kann, und Wissen sich in Form von Praxen (bzw. Praktiken) anwesen lässt, aber Praktiken, die Umsetzungen von Wissen sind, per se erstmal überhaupt nichts mit Geschlechtlichkeit zu tun haben? Das es in disziplinärem Wissen eingeschriebenene männlich zentrierten Praxen und Diskurse gebe, ist erst einmal nur eine sehr kompliziert formulierte, und überaus fragwürdige Behauptung. Und darum ist es auch sehr fragwürdig, ob die Genderforschung, die sich ja um die kritische Auseinandersetzung mit dem Gegenstand dieser Behauptung drehen soll, sich überhaupt mit irgendetwas Sinnvollem auseinandersetzt, oder sich doch nur um sich selbst dreht.

Wie soll man sich, um auf den Textabschnitt zurückzukommen, die inhaltliche und methodologische Differenzierung und Transformation durch Ergebnisse der Genderfoschung zum Beispiel im Bereich der Materialwissenschaften, der Medizin, der Betriebswirtschaft, der Astronomie, oder meinetwegen der Theologie oder Theaterwissenschaft vorstellen?

Was könnte inhaltliche und methodologische Differenzierung und Transformation bedeuten, in einem beliebigen Zusammenhang?
Und warum muss, falls dies tatsächlich irgendetwas Sinnvolles bedeuten sollte, dies in einem überkomplexen Satz ausgedrückt werden, der sich niemandem erschließt?
Welche Methodologie ist hier überhaupt gemeint? Möglicherweise die Methode des interdisziplinäre(n), Fachgrenzen durchschreitende(n) und verflüssigende(n) Bearbeiten(s) von Forschungsfragen? Und welche Ergebnisse der Genderforschung könnten zu was für einer Differenzierung und Transformation genau führen? Irgendwelche Beispiele? Gern auch in den Kommentaren?

Mal ganz unter uns: Wie weit weg von der Realität muss eine angeblich wissenschaftliche Disziplin sein, die sich angeblich „interdisziplinäres Arbeiten“ auf die Fahnen geschrieben hat, wenn sie durch ihre völlig verschwurbelte, angebliche Fach-Sprache ((sofern es überhaupt eine Fachsprache ist, und nicht nur fortgeschrittenes pseudowissenschaftliches Nebelkerzenwerfen)) jegliche Verständigung über ihre eigene Disziplin hinaus von vorne herein absolut(!) unmöglich macht?

Wo ist das kleine Kind, das sagt, dass die Kaiserin nackt ist, dass die ganze Veranstaltung eine riesige, absurde Verarsche ist, wenn man es mal braucht?

Warum liest man in genderwissenschaftlichen Publikationen am Ende eigentlicht immer, dass weiter versucht werde, irgendwelche genderwissenschaftlichen Theorien, Konzepte, Ansätze oder Paradigmen produktiv zu machen, aber eigentlich nie, dass es irgendwo gelungen sei?

Warum liest man in genderwissenschaftlichen Publikationen so häufig, dass „Gruppen an Themen arbeiten“, und so selten von Ergebnissen — wenn nicht deshalb, weil das beste mögliche Ergebnis in den Genderwissenschaften zu sein scheint, dass man die Gründe für das Nicht-Erreichen des eigentlichen Ziels strukturiert darstellen konnte?

Es scheint wirklich so zu sein, dass die Genderwissenschaft in Bezug auf relevante Ergebnisse, die irgendwie, irgendwo, irgenwann irgendwen weitergebracht hätten, relativ blank da steht. Nicht nur, wenn man betrachtet, wie viele Menschen mit wievielen finanziellen Mitteln in wievielen Jahren quasi überhaupt nichts erreicht haben.

Es sieht wirklich so aus, als ob die „Gender-Studies“ eine Disziplin seien, die dringend mal bezüglich ihrer Wirksamkeit und Mittelverwendung überprüft werden sollte.

In Zeiten, in denen viele Geisteswissenschaften darben, die vielleicht im Vergleich mit den „Gender-Studies“ nicht so hip und politisch gehypt sind, aber tatsächlich Ergebnisse abliefern (zum Beispiel die Philologie), sollte man kritisch hinterfragen, ob es wirklich sinnvoll ist Mittel für eine Disziplin auszugeben, die nichts als pseudowissenschaftlichen, wirren Wortbrei produziert.

Das alternative Genderfeminismus 101 – Teil 3: Der heilige Gral Frauenquote

Nachdem ich mich in den ersten beiden Teilen doch etwas ausführlich darüber geäußert habe, wie der Genderfeminismus meiner Beobachtung nach „tickt“ bzw. als in sich geschlossenes Welterklärungsmodell und Ideologie funktioniert (wer die ersten beiden Teile nicht gelesen hat, braucht hier gar nicht weiterzulesen) kann ich jetzt endlich zur Frauenquote kommen.

Denn die Frauenquote ist der heilige Gral des Genderfeminismus. Wir erinnern uns kurz: Die erste These des Genderfeminismus ist, dass die Geschlechterunterschiede, also „Gender“, vom „Patriarchat“ antrainiert und aufgezwungen sind; und die zweite These lautet, dass die „Frauenrolle“ die bei weitem weniger günstige Rolle ist, dass also, ganz direkt gesagt, Frauen generell die Arschkarte gezogen haben.

Und wegen der (vom vermeintlich existierenden, omnipotenten Patriarchat verursachten) unglaublich subtilen, permanent und unterbewusst ablaufenden Konditionierung in diese Rollen hinein können sich die Menschen ((die nicht erleuchtet oder erweckt sind bzw. „die rote Pille genommen“ haben, wie die GenderfeminstInnen)) nicht einmal dagegen wehren. Und darum ist die einzige Möglichkeit, diesen (in der Vorstellung der GenderfeministInnen) Teufelskreis zu durchbrechen, die Aufhebung, Egalisierung, Zerschlagung der Geschlechterrollen. Und die einzige Möglichkeit (und ausgehend von den Dogmen ist das absolut logisch), das zu erreichen, ist, alle Unterschiede zwischen den Geschlechtern aufzuheben. Und das wiederum geht nur, wenn Frauen und Männer wirklich die gleichen Sachen machen, und niemand mehr einen Unterschied erkennen kann, und somit auch die spukhafte Konditionierung von Menschen in „Frauen“ und „Männer“ nicht mehr stattfinden kann. Und das geht nur mit einer absoluten Gleichverteilung von Frauen und Männern, überall, mit einer Quote von 50:50. Und darum ist die Frauenquote in genderfeministischer Sicht die einzige Möglichkeit, „das Patriarchat“ zu stoppen und die Frauen von ihrer jahrtausendelangen Knechtschaft zu befreien, und muss darum das ultimative Ziel aller Genderfeministinnen sein.

Der Genderfeminismus hat natürlich auch Argumente, warum er dann nicht auch schon mal 50% Kanalreinigerinnen oder 50% Paketbotinnen fordert. Denn laut Dogma Nr. 2 sind ja Frauen schlimmstens benachteiligt. Also muss alles verhindert werden, was zu einer weiteren Verschlechterung der vermeintlich sowieso desolaten Gesamtposition von Frauen führt. Darum ist das oft kritisierte Rosinenpicken von GenderfeministInnen aus Sicht dieser zwar auch Rosinenpicken, aber absolut gerechtfertigt durch die unvorstellbare Benachteiligung von Frauen, die nur halt außer den GenderfeministInnen niemand wahrhaben will. Und darum ist die Tatsache, dass auch viele Männer Scheiß-Jobs haben für Genderfeministinnen auch kein Argument. Denn laut Dogma 2 geht es allen Frauen schlecht, egal wie schlecht es manchen Männern geht.

Irgendwann später, wenn dank Frauenquoten die Frauen endlich die Nachteile ausgeglichen hätten, würden die Genderfeministinnen vielleicht theoretisch auch eine 50%-Kanalarbeiterinnen-Quote fordern wollen um die Tradierung der Geschlechterrollen endgültig zu verhindern. Aber dieser Zeitpunkt wird nie kommen, weil das zweite Dogma des Genderfeminismus vorschreibt, dass Frauen benachteiligt sind, und darum keine Genderfeministin existieren kann, die erkennt, dass Frauen nicht mehr benachteiligt sind. Nicht zuletzt, weil dieser Zeitpunkt in den Gesellschaften, wo es überhaupt Genderfeminismus gibt, bereits da gewesen ist.

Was macht nun den Genderfeminismus so wirkmächtig? Ich denke, es ist erstmal die eigene, Ideologie-induzierte Überzeugtheit. Diese hilft, junge, unerfahrene, unsichere Menschen von der eigenen Ideologie zu überzeugen und für deren Zwecke einzuspannen.
Hilfreich ist auch die Ablehnung aller Gegenargumente. Denn auf diese Weise sind Kritiker und Skeptiker des Genderfeminismus immer im Nachteil. Sie werden immer versuchen, irgendwie auf den Genderfeminismus einzugehen, seine Argumente zu verstehen, zu reden, Kompromisse zu finden — aber der Genderfeminismus macht keine Kompromisse, erkennt keine Argumente an, und geht auf niemand „Unwissenden“ ein. Tief von der eigenen „Erzählung“ überzeugt kämpfen die AnhängerInnen des Genderfeminismus verbissen gegen das Phantom „Patriarchat“ und seine tausenden und abertausenden Mikro-Manifestationen im Alltag, und sie weichen natürlich nirgendwo einen Fuß breit zurück.

Nehmen wir als Beispiel die neueren Erkenntnisse über die epigenetische Weitergabe von Charaktereigenschaften, oder die soziale Tradierung von Werkzeuggebrauch und Konformitätsdruck bei Vögeln. Diese wissenschaftlichen Erkenntisse wird der Genderfeminismus möglicherweise anerkennen, weil sich diese in die genderfeministische Legende von der Existenz des Patriarchats einbauen und diese damit „wissenschaftlicher“ erscheinen lassen. Wäre es nicht möglich, dass die Geschlechterrollen irgendwie teilweise epigenetisch aufgeprägt werden? Wäre es nicht möglich, dass Konformitätsdruck Menschen die Rollen annehmen lässt, die „das Patriarchat“ für sie vorsieht? ((Es gibt Erkenntnisse, dass man auch mit Konformitätsdruck aus Jungen keine Mädchen machen kann, und vice versa. Und eine epigenetische Aufprägung einer Geschlechterrolle sollte bei einem Gen-Mix von 50:50 schon theoretisch unmöglich sein.)) Auch wenn das (siehe Fußnote) natürlich Quatsch ist, wird das fast niemand ohne gründliche Überlegung sofort zurückweisen können oder wollen, weil er es erst gründlich würde überdenken wollen; GenderfeministInnen hingegen werden schon die Idee, es könnte am Ende doch auch biologische Geschlechterunterschiede geben, immer, sofort und heftig zurückweisen. Also sind die GenderfeministInnen in jeder Diskussion erstmal im Vorteil; nicht weil sie Recht hätten, sondern weil sie nicht zweifeln und immer mit vollem Einsatz in die Diskussion gehen, und auch vor unterirdischen ad-hominem-Attacken nicht zurückschrecken, mit Masku-Nazi- und Kackscheiße-Geschrei, Strohmann-Argumentation und der ganzen Palette aggressiver Rabulistik.
Denn nach genderfeministischer Logik handeln sie ja in einem Zustand permanenter Notwehr gegen Patriarchat und „Rape-Culture“. Und auf (vermeintlich) privilegierte — und darum als Nutznießer des Unterdrückungssystems sowieso nicht zum kritischen Hinterfragen dieses Systems bereite — Männer braucht eine Genderfeministin im weltanschaulichen Kampfeinsatz natürlich keine Rücksicht zu nehmen – ebenso wie auf vermeintlich gehirngewaschene Sklavinnen des Patriarchats, also nicht-genderfeministische Frauen.

Aber es gibt auch etwas Hoffnung. Manchmal zum Beispiel bekommen Genderfeministinnen Kinder, und müssen erleben, dass ihre ganze Ideologie von der Konditionierung der Geschlechterrollen ganz offensichtlicher Unsinn ist, wenn nämlich ihr sorgsam in geschlechtsneutralem Leinen-Grau gewandetes und mit ausgewähltem genderneutralen Spielzeug ausgestattetes sowie von allen äußeren Einflüssen abgeschirmtes Kind dennoch aus sich selbst heraus schon nach wenigen Lebenswochen eine eindeutige Geschlechter-Rolle entwickelt.

Und schließlich und endlich muss sich niemand wirklich vor dem Genderfeminismus fürchten. Die Erzählung von der Existenz eines „Patriarchats“, die auch wegen der vom Genderfeminismus erkämpften Bevorteilung von Frauen immer irrealer wird, muss ständig wiederholt werden, um überhaupt von irgendwem geglaubt zu werden. Und wenn etwas sicher ist, dann, dass Ideologien meist Halbwertszeiten von höchstens ein oder zwei Generationen haben. Auch wenn der Höhepunkt der Beeinflussung der Gesellschaft durch den Genderfeminismus (nennen wir ihn „peak gender“…) noch nicht erreicht sein mag — der Untergang dieser auf tönernen Füßen bzw. sinnfreien Dogmen basierenden Ideologie ist sicher.
Und bis dahin werden Männer und Frauen weiter tun, was Frauen und Männer tun wollen, und alle Quoten und „Umerziehungsmaßnahmen“ werden daran nichts ändern, weil die neurobiologisch bedingten und seit Jahrmillionen veranlagten Geschlechterunterschiede bestehen bleiben werden.
Was auch schön daran zu sehen ist, dass sogar die Wahrscheinlichkeit, dass überzeugte GenderfeministInnen Ingenieurwissenschaften studieren, wie sie es predigen, quasi Null ist.
Gegner des Genderfeminismus können also entweder das Popcorn auspacken und — notfalls aus sicherer Entfernung — abwarten, oder aber dafür kämpfen, dass die Geschichte des Genderfeminismus eine eher kurze Episode in den Geschichtsbüchern bleibt.

Die USA: Rechts- oder Folterstaat?

Die Veröffentlichung des (gekürzten) CIA-Folterberichts ist für mich einer der glanzvolleren Momente der Obama-Administration. Was hatte man sich nicht alles von Obama versprochen, wie wenig ist — außer Obama-Care vielleicht — bisher passiert. Guantanamo ist noch immer nicht geschlossen, weil man anscheinend beim Loswerden von angeblichen Terroristen weniger resolut ist als beim Einsammeln. Wer in der ganzen Welt Leute kidnappen kann, der sollte doch eigentlich keine Probleme haben, die Leute wieder da hinzubringen, wo man sie hergenommen hat…

Was über die CIA-Foltermethoden jetzt ans Licht gekommen ist, ist natürlich wenig schön, aber dass die US-Regierung jetzt die relative Größe gefunden hat, diese Verfehlungen einzugestehen — auch wenn man sich nicht entschuldigt hat — stimmt einigermaßen hoffungsvoll, dass die USA nicht ganz so korrupt, und moralisch abgewirtschaftet sind wie befürchtet.
Schön wäre auch, wenn sich die USA tatsächlich als Rechtsstaat mit Gewaltenteilung, Check & Balances etc. erweisen würden, wo Verantwortliche für Verbrechen wie Folter tatsächlich zur Verantwortung gezogen werden. Wo „justice for all“ nicht nur eine Floskel ist, ebenso wie das präsidiale Motto „e pluribus unum“.
Denn einen Folter-Staat mit einer defekten Gewaltenteilung möchte niemand in der freien ((möglicherweise wären hier mittlerweile Gänsefüßchen angebracht)) Welt als sogenannte Führungsmacht haben.

Das alternative Genderfeminismus 101 – Teil 2: Der Genderfeminismus und die „Verschwörung des Patriarchats“

Im ersten Teil des alternativen Genderfeminismus 101 habe ich erläutert, dass die Grundlage des Genderfeminismus das Dogma bzw. die Annahme ist, dass das Verhalten von Menschen nicht durch das biologische Geschlecht vorgegeben oder maßgeblich geprägt wird.
Darum deutet der Genderfeminismus die Tatsache, dass überhaupt so etwas wie „Gender“, also geschlechtsspezifisches Rollenverhalten beobachtbar ist, als einen Beweis für eine Beeinflussung der Menschen durch ihre Umwelt, die erst zur Ausbildung von geschlechtsspezifischem Verhalten führt.

Der Genderfeminismus muss zum Beweis dieses Erklärungsmodells für die Geschlechterunterschiede darum einen Mechanismus aufzeigen, der die gleichen Effekte zeigt wie die tatsächliche pränatal erfolgende Prägung der Geschlechterunterschiede, aber nichts mit Biologie zu tun hat.
Und ähnlich wie die Kreationisten als Antithese zur Evolutionstheorie das „Erklärungsmodell“ des „intelligent design“ erdacht haben, mit einem Schöpfer, der vor einigen tausend Jahren die ganze Erde inklusive aller dann nur scheinbar Millionen Jahre alten biologischen und geologischen und astronomischen Fakten geschaffen hat ((aber irgendwie vergessen hat, die Ausgänge unserer Nebenhöhlen dem aufrechten Gang anzupassen – von wegen „intelligent design“!)), haben die GenderfeministInnen das „Patriarchat“ erdacht, das die Geschlechterunterschiede vor tausenden von Jahren irgendwie geschaffen hat, und das den Menschen die Geschlechterrollen irgendwie so lang und intensiv antrainiert hat, dass sie sich durch sogenannte soziale Tradierung nun von selbst von Generation zu Generation weitervererben.

Man muss sich diese soziale Tradierung anscheinend als Auswirkung einer Ansammlung extrem kraftvoller Meme vorstellen. Allein das Vor- bzw. Erleben der Geschlechterrollen soll laut Genderfeminismus eine so starke, unterbewusst konditionierende Wirkung haben, dass dadurch die Geschlechterrollen übernommen und weitertradiert werden. Es ist natürlich absurd, dass dieser Mechanismus schon bei Kleinstkindern wirken soll, die sich teilweise ihres Geschlechts überhaupt nicht bewusst sind; und wie gesagt haben Versuche längst gezeigt, dass die Geschlechterunterschiede schon bei Neugeborenen ausgeprägt sind und daher nicht „sozial konditioniert“ sein können. Aber mit solchen Argumenten erreicht mant Genderfeministen grundsätzlich nicht, denn sie bestehen auf ihren Dogmen.

Dieses zu den offensichtlichsten Fakten geschickt parallel konstruierte Erklärungmodell für die Geschlechterunterschiede ist meiner Ansicht nach ebenso abenteuerlich wie hochgradig unwissenschaftlich, aber es hat für den Genderfeminismus verschiedene attraktive Aspekte: Erstens kann das Modell nicht widerlegt werden, weil die Fakten, die das Modell widerlegen, nämlich die Existenz der neurobiologischen Prägung der Geschlechterunterschiede, per Dogma ignoriert werden; weswegen es sich im übrigens bei diesem Modell nicht um eine Theorie, sondern um eine Ideologie handelt.
Zweitens handelt es sich um ein Modell, das die komplexe Materie der auf Biochemie und Neurobiologie basierenden psychosozialen Geschlechterunterschiede durch den einfach Mechanismus von Vorleben – Nachahmen ersetzt und damit eine einfache Erklärung für einen komplexen, anscheinend von manchen als dunkle Bedrohung empfundenen Zusammenhang bietet. Drittens bietet das Modell einen Ausweg aus der als unerträglich empfundenen Situation an, in der sich die GenderfeministInnen wähnen (die Herrschaft des Patriarchats). Denn den Mechanismus von Vorleben-Nachahmen könnte man unterbrechen. Auf neurobiologischen Fakten basierende Geschlechterunterschiede würden hingegen bedeuten, dass der Kampf gegen diese absolut aussichtslos wäre.

Wie das Patriarchat entstanden sein soll, wie die Geschlechterrollen initial antrainiert worden sein sollen, entzieht sich (leider!) jeglicher Klärung, da die Entstehung „des Patriarchats“ in einer nicht einmal grob eingegrenzten vorgeschichtlichen Zeit stattgefunden haben soll. Außerdem ignoriert man das Problem des „Tradierungsbeginns“ großzügig, weil man sich aufgrund des hartnäckigen Weiterbestehens der Geschlechterunterschiede sicher wähnt, die „soziale Tradierung“ müsse existieren und darum auch irgendwann begonnen worden sein.
Wenn man tatsächlich nachforschte, wie ein Patriarchat entstanden sein sollte, würde man irgendwann auf die sicher nicht sozial tradierten, biologischen Geschlechterunterschiede bei Primaten und Halbaffen und allerlei weitere Erklärungsprobleme stoßen – und das möchte man natürlich nicht. Darum tut man es den Kreationisten gleich, behauptet, dass vor tausenden Jahren irgendwie irgendwas enstanden sei, und glaubt fortan fest an diese Legende, weil sie ja wegen des Gleichheits-Dogmas wahr sein muss.

Doch bevor ich später dazu komme, warum die Frauenquote für Genderfeministinnen der heilige Gral zur Überwindung des Patriarchats ist, möchte ich noch einmal auf die zweite Annahme des Genderfeminismus eingehen, nämlich auf die Überzeugung, Frauen bekämen eine Rolle aufgezwungen und diese sei geschaffen, Frauen zu benachteiligen und zu unterdrücken. Warum glauben Menschen so etwas, obwohl Frauen heute tatsächlich alles werden können, gleiche Rechte besitzen, die Mehrheit der Wähler stellen, Kanzlerin sind, et cetera?

Kurz gesagt: Ich kann mir das nicht erklären und ich denke, die meisten Menschen auch nicht. Ich vermute aber, dass das Modell einer Frauen und andere Minderheiten unterdrückenden, feindlichen Umwelt für Individuen attraktiv ist, die individuelle, negative, als demütigend empfundene Erfahrungen nicht verarbeiten konnten. Ich vermute, es ist psychisch sehr entlastend, wenn eine schlimme Erfahrung plötzlich durch die feindliche Umwelt, bzw. „das Patriarchat“ erklärt werden kann, und nicht mehr als Folge eines unglücklichen Zufalls oder individueller Unfähigkeit eingeordnet werden muss. Denn der Glaube, die Quelle des Unglück identifiziert zu haben vermittelt ein Gefühl von Kontrolle; keinen Grund für das eigene Schicksal erkennen zu können würde bedeuten, auch dem Eintritt eines weiteren Unglücks hilfslos und ohne es voraussehen zu können ausgeliefert zu sein. Sich selbst die Schuld für das eigene Unglück geben zu müssen wäre für manche sogar noch belastender.

Aber was die weibliche Rolle und deren angeblich unterdrückerischen Charakter angeht: für den größten Teil der Vergangenheit ist die Quellenlage zur Stellung der Frau (im Alltag) eher dürftig. Dennoch glaubt der Genderfeminismus daran, dass sich aus einer vermeintlichen, aber für den größten Teil der Vergangenheit nicht belegbaren Historie der Unterdrückung der Frau die notwendige Existenz des (fiktiven) Unterdrückungssystems namens „Patriarchat“ ableiten lasse. Tatsächlich als „ungerecht“ belegen lässt sich aber nur wenig, zum Beispiel, dass zwischen 1848 und 1918 Männer zum Teil bereits wählen dürften, als Frauen das noch nicht durften, wobei das Wahlrecht allerdings häufig nur ein „Drei-Klassen-Wahlrecht“ und jedenfalls nicht mit dem heutigen allgemeinen und gleichen Wahlrecht identisch war. Davor waren eigentlich alle Menschen weitgehend rechtlos der Willkür der jeweils Herrschenden ausgesetzt, Gewaltenteilung und Rechtsstaat waren unbekannt; in Hexen-Prozessen wurden zwar weniger Männer verfolgt als Frauen, dafür aber in Ketzereiprozessen mehr. Wer im Alltag welche Entscheidungs- und Entwicklungsmöglichkeiten gehabt haben mag wissen wir nicht, schriftliche Aufzeichnungen über das Leben einfacher Leute gibt es kaum, oder sie wurden zumindest nicht mit dem Ziel geschrieben, der Nachwelt soziologische Forschung zu ermöglichen. Es gibt allerdings auch aus allen Zeiten Überlieferungen über Herrscherinnen, was für mich bedeutet, dass wie auch heute schon in der Vergangenheit individuelle Fähigkeiten, Charisma, Familie bzw. persönliches Netzwerk wichtiger für die jeweilige Stellung in der Gesellschaft gewesen sind als das Geschlecht.

Ich jedenfalls glaube nicht, dass Frauen in früheren Zeiten grundsätzlich unterdrückt oder an der Entfaltung ihrer Fähigkeiten gehindert worden sein können. Denn in diesen Zeiten hätte man es sich meiner Ansicht nach nicht leisten können, Fähigkeiten ungenutzt zu lassen oder die Leistungsfähigkeit von Mitgliedern der eigenen Gruppe wegen Nichtigkeiten zu gefährden. Gesellschaftssysteme, die Frauen sinnlos unterdrückt oder geschädigt und deren Möglichkeiten ungenutzt gelassen hätten, wären immer von liberaleren und darum leistungsfähigeren Gesellschaften verdrängt worden. Man sieht ja auch heute, wie Länder, in denen das Potenzial von Frauen am wenigsten genutzt wird und in denen blödsinnige religiöse Regeln die Gesellschaft lähmen, wirtschaftlich und kulturell kein Bein auf den Boden bekommen, sofern sie nicht zufällig von der Substanz ihres Rohstoffreichtums zehren können. Und ich sehe keinen Grund, warum in der Vergangenheit irre, frauenunterdrückende Gesellschaftssysteme im Kampf der Kulturen besser hätten dastehen sollen. Darum ist die Legende über die Entstehung des Patriarchats meiner Meinung nach genau das: Nämlich eine Legende, und noch dazu eine überaus unrealistisch konstruierte. Die dennoch geglaubt wird, meiner Meinung nach allerdings nur von Menschen, die sowieso nur nach weiterer Bestätigung ihrer bereits vorgefassten Meinung suchen.

Aber wie dem auch sei: Trotz der vielen offensichtlichen Brüche zwischen dem genderfeministischem Welt-Modell und der Realität gibt es den Genderfeminismus. Wegen des Dogmas der Geschlechtergleichheit werden die Geschlechterunterschiede von dessen AnhängerInnen als Ergebnis von Manipulation interpretiert. Als Erklärungsmodell für die Geschlechterunterschiede wird die Aufzwingung dieser Rollen durch ein nebulöses „Patriarchat“ konstruiert, das wegen des Dogmas der Frauenbenachteiligung außerdem misogyn sein muss. Zum Glück für den Genderfeminismus ist es unmöglich, die Nicht-Existenz von etwas zu beweisen, so dass die These von der Existenz des Patriarchats nicht widerlegt werden kann.
Allerdings ist es ebenso unmöglich, ein nicht vorhandenes Patriarchat bei nicht stattfindenden misogynen Handlungen zu erwischen. Das sorgt bei Genderfeministinnen natürlich für kognitive Dissonanzen, die aufgelöst werden müssen. Und zwar anscheinend, indem die misogynen Handlungen ebenfalls konstruiert werden.

Jede Geste, jede Handlung, jeder Satz, alles kann, muss geradezu eine Unterdrückungs- und Konditionierungshandlung des Patriarchats sein. Denn dass die soziale Konditionierung und die Tradierung der Geschlechterrollen, deren Existenz der Genderfeminismus vorraussetzt, stattfinden, wird durch die Dogmen verausgesetzt. Also ist es nur logisch, dass diese Konditionierung immer und überall stattfindet – wie sonst sollte es möglich sein, dass die Geschlechterrollen sich so hartnäckig halten, auch gerade in besonders patriarchalen Gesellschaften, wo die Kindererziehung fast ausschließlich in Hand von Frauen liegt, die doch eigentlich Widerstand gegen ihre Unterdrückung leisten und ihre Kinder nicht patriarchal erziehen sollten?

Und deshalb glauben Genderfeministinnen in den USA auch daran, dass „Microaggressions“vom Patriarchat gezielt gegen Frauen gerichtet werden, um diese klein zu halten etc. pp.; wobei „Microaggressions“ an sich ganz offensichtlich keine völlig abwegige Theorie sind, aber eigentlich jeden treffen können, der in einer Gruppe als „Minderheit“ gesehen wird, was natürlich auch Männer sein könnten oder generell irgendwelche Menschen.
Aber da laut genderfeministischem Dogma die Frauen unterdrückt sein müssen, müssen sich natürlich auch „Microaggressions“ vor allem gegen Frauen richten. Obwohl auch Männer durchaus häufig Opfer aller denkbarer Formen von Gewalt werden.

Hier möchte ich kurz darauf eingehen, dass der Genderfeminismus einen weiteren Belohnungs-Aspekt für seine AnhängerInnen bereithält, nämlich die Selbstwahrnehmung, zu einer kleinen Elite Auserwählter zu gehören, die allein in der Lage ist, das wahre Wesen des Patriarchats und dessen Wirkmechanismen zu erkennen.
Ähnlich wie in „Matrix“ oder „Sie leben!“ sind diese GenderfeministInnen in ihrer Selbstwahrnehmung im Gegensatz zum Großteil der Bevölkerung in der Lage, zu erkennen, wie die Welt „wirklich funktioniert“. Während der Großteil der Menschen wie Schafe den kaum bemerkbaren Einflüsterungen des Patriarchats folgt und quasi per Gehirnwäsche in die Geschlechterrollen gedrängt wird [wobei die nicht-genderfeministischen Frauen zu hilflosen Marionetten und Sklavinnen des Patriarchats werden und dies in einem Zustand totaler Verblendung oftmals auch noch verteidigen!], können die HeldInnen des Genderfeminismus durch ihr Spezialwissen das unterschwellige Wirken der sozialen Konditionierung erkennen, so wie „Neo“ in „Matrix“ am Ende die Strukturen der Matrix hinter dem „Schleier der scheinbaren Realität“ erkennen kann — aus ihrer Sicht.
Auch das feministische Streben nach mehr „Awareness“ für alle möglichen Formen von Benachteiligung kann man meiner Meinung nach gut in den Kontext der Suche nach immer weiteren Manifestationen der unterschwelligen patriarchalen Gewaltherrschaft einordnen.

Doch so verlockend es auch sein mag zu den Wenigen zu gehören, die „die Welt tatsächlich so sehen, wie sie ist“ – auf Dauer ist es wohl schwer erträglich, in einer subjektiv dystopischen Welt gegen eine Übermacht vermeintlich gehirngewaschener Leute anzukämpfen, und bei jeder vermeintlichen Steigerung der eigenen „Awareness“ stets immer nur noch mehr Unterdrückung und Ungerechtigkeit zu finden.
Wenn man sich mal in die Rolle einer wirklich überzeugten Genderfeministin hereindenkt, die vielleicht auch noch daran glaubt, in einer „Rape Culture“ zu leben, tun mir diese Menschen wirklich leid.
Menschen, die aus irgendeinem Grund ein selbstbestimmtes, glückliches Leben eingetauscht haben gegen ein Leben in Angst vor einer imaginären, unsichtbaren, universellen Terrorherrschaft.

Der Genderfeminismus bietet also seinen AnhängerInnen einfache, scheinbar logische Erklärungen für die von ihnen subjektiv wahrgenommenen Ungerechtigkeiten.
Die Legende vom Patriarchat, die scheinbar aufgezwungenen Geschlechterrollen, die „einleuchtenden“ Dogmen – all das kann Menschen, die gerade auf der Suche nach Erklärungen oder Lösungen für die eigenen Probleme, in die Fänge des Genderfeminismus geraten lassen.
Erstmal angekommen in diesem geschlossenen Glaubenssystem, umgeben von anderen GenderfeministInnen, wird es zunehmend schwerer, sich aus dieser Ideologie wieder zu lösen, obwohl der Glaube an die Herrschaft des Patriarchats extrem unangenehm sein muss.

Der Genderfeminismus ist damit eine Art Sekte für, wenn wir es mal nett ausdrücken wollen, vorwiegend weibliche Menschen auf der Sinnsuche, bzw. weniger nett eine Verschwörungsideologie für völlig aus der Bahn geratene. Ideologie, weil er auf Dogmen aufgebaut ist, die nicht in Zweifel gezogen werden dürfen. Verschwörungsideologie, weil eine imaginäre dunkle Macht namens Patriarchat als Quelle einer angeblichen Verschwörung gegen alle Frauen vermutet wird, deren Existenz nicht bewiesen werden kann, von deren Existenz die AnhängerInnen aber fest überzeugt sind.

Glücklicherweise, und damit möchte ich diesen Artikel schließen, sind natürlich die allermeisten Menschen keine GenderfeministInnen, und auch die allermeisten FeminstInnen ((und nach der Definition des Differenz-Feminismus ist eigentlich jeder von uns, der kein Verfassungsfeind ist, Feminist)) nicht. Nur wenige Menschen können sich selbst so weit von der Realität lösen und sind gleichzeitig so intelligent, dass sie ein ebenso widersprüchliches wie komplexes Glaubenssystem wie den Genderfeminismus als „wahr“ annehmen können.

Gerade bei den „AnführerInnen“ des Genderfeminismus bin ich mir nicht einmal sicher, ob sie wirklich an ihre eigene Lehre glauben, oder ob sie lediglich die Vorteile genießen wollen die es mit sich bringt, AnführerIn zu sein, auf eine kleine Armee fanatischer Anhängerinnen zurückgreifen zu können, Aufmerksamkeit zu genießen und ggf. Frauenförderungsstöpfe plündern zu können.

Denn man sollte auch nicht vergessen, dass der Genderfeminismus Methoden des Poststrukturalismus anzuwenden versucht, der die Idee beinhaltet, über Sprache Einfluss auf die Wahrnehmung zu nehmen (Profx, Anstreicha, etc.). Außerdem hat er Elemente der Denkschule der sogenannten Postmoderne, die nicht an eine objektive Wahrheit glaubt, sondern an ein Nebeneinander verschiedener möglicher Wahrnehmungen der Realität (Relativismus).
Das bedeutet, der ganze Genderfeminismus könnte im Prinzip — wenn wir unsererseits mal an eine Verschwörung glauben wollen — Teil eines Versuchs sein, vermittels einer „alternativen Erzählung“ eine andere Sichtweise auf die Realität zu schaffen, um diese irgenwann als vorherrschende Sichtweise zu etablieren.
Allerdings glaube ich keine Sekunde daran, dass der Genderfeminismus eine koordinierte Verschwörung zur Erprobung irgendwelcher geisteswissenschaftlicher Theorien aus den 1960er Jahren sein könnte. Ich glaube eher, dass einige von Postmoderne und Poststrukturalismus beeinflusste Menschen Versatzstücke dieser Theorien bzw. Denkschulen zu einer Art von „Frankensteins Monster“ der Geisteswissenshaft zusammengesetzt haben, mit dem Erfolg, dass jetzt tatsächlich zumindest sie selbst an ihre konstruierte parallele Wirklichkeit mitsamt der „Erzählung“ vom Patriarchat glauben. So gesehen würden also der Relativismus und der Poststrukturalismus zumindest im Inneren der Filterblase der genderfeministischen SektiererInnen tagtäglich kleine Triumphe feiern. Leicht problematisch ist allerdings, dass die menschliche Schwäche, Überzeugte überzeugend zu finden, dem Genderfeminismus hin und wieder neue Anhänger zutreibt.

Vielleicht liege ich auch völlig daneben mit meiner Theorie über die „innere Logik“ des Genderfeminismus als Verschwörungsideologie.
Aber da diese Theorie so viel erklären würde was man an irrwitzigen Dingen von und über GenderfeministInnen hört, glaube ich das eigentlich nicht. Und mal angenommen, es wäre alles wahr, was fanatische GenderfeministInnen glauben, und das Patriarchat gäbe es wirklich — dann wäre ich ja auch nur ein Opfer der unsichtbaren Beeinflussung.

Im kommenden dritten Teil des Genderfeminismus 101 wird es dann darum gehen, warum die Quote der heilige Gral des Genderfeminismus ist.