Ein kleiner Sturm der Entrüstung fegt über die Republik ob angeblich verwirrender, Kinder schädigender Ansätze für den Sexualkundeunterricht. Medien berichteten, z.B. FAZ, Spiegel, taz.
Mir tun jetzt weniger die Kinder leid, die sich nötigenfalls dem Unterricht werden entziehen können, indem sie einfach behaupten, sich belästigt zu fühlen; wer würde in dieser Situation als Lehrer seine Karriere auf’s Spiel setzen wollen, um einen Schüler zur Teilnahme am Sexualkundeunterricht zu zwingen?
Verlierer werden im Zweifel die Lehrer sein, die die staatlich verordnete Verletzung schülerischer Schamgrenzen durchsetzen sollen.
Ich finde es im Prinzip durchaus gut, dass der Staat dafür sorgt, dass Kinder ein vielfältiges und realitätsnahes Bild der Gesellschaft vermittelt bekommen, in der sie leben werden, auch wenn im Elternhaus ggf. eher intellektuelle Armut und Abschottung herrschen. Keinesfalls würde ich Eltern ein Recht zusprechen wollen, ihr Kind aufgrund ihres Glaubens von allem fernzuhalten.
Aber ich denke nicht, dass man dabei von Hölzchen auf Stöckchen kommen und Kinder mit am Ende doch eher seltenen sexualpsychologischen Störungen und Paraphilien konfrontieren muss. In einem Land, in dem es immerhin fast 1% Teenager-Schwangerschaften gibt ((wobei auch 18- und 19-jährige gezählt werden, die IMHO natürlich tun und lassen können, was sie wollen)) sollten vielleicht die „Basics“ der Sexualkunde in den Mittelpunkt gestellt werden, anstatt Aufklärung bis über die Grenzen zur Psychopathologie hinaus zu betreiben.
Klar, es besteht die Möglichkeit, dass die Kinder via Internet auf die Existenz möglicherweise verstörender sexueller Vorlieben aufmerksam werden könnten (Regel 34!), ohne dass die Schule sie darauf angemessen vorbereiten konnte.
Aber ob Sexuelles, über biologische Grundlagen hinaus, überhaupt in den Zuständigkeitsbereich von Schule fällt, und ob die Reaktion auf eine mögliche nicht-pädagogische Konfrontation von Kindern mit verstörenden Inhalten sein muss, dass die Schule Kinder nun zuerst mit verstörenden sexuellen Inhalten konfrontieren soll, darf bezweifelt werden.
Am Ende ist Sexualität etwas sehr privates, auch und gerade bei Jugendlichen, und ich bezweifle, dass der Bildungsauftrag der Schule sich bis in diesen Kernbereich der Privatsphäre von Jugendlichen hinein erstrecken darf. Mal sehen, wann der oder die erste klagt; warum schließlich sollten Menschen sich zu Äußerungen zu sexuellen Themen, oder auch „nur“ zum Herumhantieren mit Dildos nötigen lassen müssen, nur weil irgendeine Schulbehörde meint, dies sei gut für sie? Gerade bei Unterrichtsformen, wo Schüler quasi zur Mitwirkung gedrängt werden, habe ich Bauchschmerzen, ob Schüler da nicht mit (Gruppen-)Druck in Situationen gebracht werden, in die man Schüler nicht bringen dürfen sollte.
Dass Jugendliche davon profitieren könnten, über verschiedene Neigungen aufgeklärt zu sein, für den Fall, dass sie selbst davon betroffen sein sollten, möchte ich nicht als Argument gelten lassen; denn wer eine Suchmaschine bedienen kann, wird innerhalb kürzester Zeit herausfinden können, dass er mit seiner Neigung – welcher auch immer – nicht allein ist.
Und dass sich ggf. durch diese schulische Information Toleranz in diesen Dingen herbeierziehen ließe… halte ich für genau so wahrscheinlich, wie die Idee, dass der Deutschunterricht in der Schule in jungen Menschen die Liebe zur deutschen Literatur wecken könnte.
Schließlich und endlich ist der „fächerübergreifende“ Sexualkundeunterricht neuer Art auch wieder nur ein weiterer Schritt, die bereits heillos überfrachteten Lehrpläne weiter zu überladen und noch un-umsetzbarer zu machen. Der fächerübergreifende Sexualkunde-Unterricht wird deswegen wohl an den meisten Schulen, auch und gerade weil die meisten Eltern wohl nicht begeistert sein werden, als erstes hinten runterfallen.
Zusammengefasst glaube ich, die Schule überzieht ihren Erziehungsauftrag ((den strenggenommen die Eltern haben, und nicht der Staat)) mit einem „erweiterten Sexualkundeunterricht“, der — fände er nicht in der Schule statt — wohl fast überall als sexuelle Belästigung und Grenzüberschreitung gewertet werden würde.
Ein Gedanke zu „„Gender-Sexualkunde““