Archiv für den Monat: September 2013

Jetzt ist die Zeit der Richtungsentscheidungen in der Piratenpartei

In der Piratenpartei müssen wir bald Richtungsentscheidungen treffen.
Viele wurden zu lange aufgeschoben.

Als da wären:

1. Basisdemokratie / SMV / Delegiertensystem

Dieser Punkt ist seit langem ein Streitpunkt. Wir werden uns hier auch nicht einigen können. Es gibt Argumente für alle Varianten, die von den jeweils Andersdenkenden für falsch gehalten werden. Das ist wahrscheinlich eine Frage der jeweiligen Weltsicht und Lebenserfahrung, denn aus den eigenen Annahmen über „das Wesen der Welt/des Menschen“ folgen jeweils andere „logische“ Argumentationen.

Darum plädiere ich dafür verschiedene Varianten jeweils zeitlich begrenzt auszuprobieren, vielleicht für jeweils ein Jahr; oder für zwei Jahre, aber in verschiedenen Landesverbänden, um das „Ausprobieren“ zu parallelisieren.

Ich glaube persönlich nicht an die SMV, denn mit Menschen wie mir würde sie wahrscheinlich nicht funktionieren. Permanente Abstimmungen wären für mich ein Stressfaktor. Ich will mich lieber regelmäßig en bloque um alles kümmern und nicht in Angst leben etwas wichtiges zu verpassen. So wie den Aushang über die Einspruchsfrist für die Planung von S21 o.ä. Aber viele setzen all ihre Hoffnung in die SMV. Also möchte ich ihnen die Chance geben durch ausprobieren selbst enttäuscht zu werden. Und mir natürlich die Chance überrascht zu werden dass die SMV doch funktioniert.

Ich denke viele Widerstände kommen von der Angst dass „Fakten geschaffen werden sollen“. Was ja der eine oder andere Pirat auch schon mal gefordert haben soll. Solche Ängste könnte man durch die zeitlich begrenzte probeweise Einführung von Dingen verhindern.

Ich glaube auch nicht an die Basisdemokratie, denn 2000 Leute diskutieren Themen nicht besser als 100 Leute, es erhöht sich nur der Kommunikations-Overhead auf ein nicht mehr tragbares Maß. Und wenn 2000 Leute zu einem Bundesparteitag kommen kann nicht einmal jeder einmal für drei Minuten reden. Auch nicht für eine Minute.

Die Einführung von „Leitanträgen“ zur Priorisierung „wichtiger“ Themen würde die Antragskommission zu einer Art allmächtigem Zentralkomitee der Partei machen. Das würde die Basisdemokratie faktisch vernichten und die Vetternwirtschaft, die es natürlich auch so bereits gibt, weiter verstärken.
Ein Delegiertensystem hingegen parallelisiert die Entscheidungsfindung, begrenzt den Kommunikationsoverhead, erhöht die Effizienz und steigert die Qualität der auf den höheren Ebenen eingespeisten Anträge und ist außerdem „proven in use“.

Aber wenn das jemand anders sieht: Auch hier könnte man ja zeitlich begrenzt verschiedene Varianten durchprobieren und später evaluieren was am besten geklappt hat.

2. Geschlechterpolitik

Ich glaube auch dass wir uns keinen Gefallen tun die Piraten zu „yet another Genderfeminismuspartei“ zu machen und Frauen-Pöstchen-Quoten einzuführen. Ich bin Differenzfeminist und glaube dass Frauen selbst am besten wissen was gut für sie ist. Ich glaube nicht an eine seit jahrtausenden anhaltende Männer-Weltverschwörung die Frauen ebenso versteckt wie effizient unterdrückt.
Die Nicht-Gleichverteilung von Frauen und Männern auf Berufe, Posten, Gruppen etc. ist in meiner Weltsicht eine Folge der Tatsache, dass Frauen und Männer verschieden sind und deshalb auch verschiedene Interessen, Präferenzen und Werte haben. Wenn Frauen seltener 80-Wochenstunden-Vorstandsjobs besetzen ist das für mich kein Beweis der Unterdrückung von Frauen, sondern eher Beweis klügerer Lebenszielsetzung von Frauen.

Die genderfeministische Idee, das Verhalten von Frauen und Männern angleichen zu wollen indem unter anderem Frauen konditioniert werden sollen „Werte“ anzunehmen die sonst nur neoliberale Turbokapitalisten_*Innen und auch immer weniger Männern für erstrebenswert halten (Spitzenpositionen erkämpfen, super viel Kohle verdienen, „Macht“ anhäufen) halte ich für geradezu absurd.

Nun, auch hier gehen die Meinungen wohl auseinander. Die einen sehen keine Probleme zwischen den Geschlechtern, die anderen sehen eine systematische Unterdrückung von Frauen. Die einen halten Männer und Frauen für biologisch determiniert unterschiedlich veranlagt und Geschlechterrollen für eine Folge davon, die anderen halten die Geschlechterrollen für anerzogene Hindernisse bei einer wirklich freien Entfaltung der Persönlichkeit von Frauen, aber auch Männern.
Wie auch immer. Wir müssen uns auch hier entscheiden welche Position unsere Partei hier nach außen einnehmen soll, oder ob sie das Thema einfach ausklammern soll. Wir müssen uns als Partei hier nicht von irgendeiner Seite vereinnahmen lassen, es sei denn wir halten das Thema wirklich für so relevant dass hier eine Positionierung notwendig ist.

3. Grundeinkommen und Lebensgemeinschaften

Die Idee, dass Menschen sich zu Lebensgemeinschaften mit anderen zusammenschließen und quasi Ehe-ähnliche gegenseitige Rechte und Pflichten bekommen können halte ich eigentlich für unkontrovers. Der Staat kann kein Interesse daran haben zu verhindern dass Menschen sich miteinander verbinden und somit den Staat ein Stück weit von manchen Problemen entlasten die schnell entstehen wenn Menschen einsam und allein in Probleme geraten.
Bezüglich des Grundeinkommens bin ich wieder skeptisch. Faktisch müssen wir – wenn wir die Menschenrechte achten – jedem Menschen ein Grundeinkommen zugestehen und Wohnung, Kleidung, Essen, kulturelle Teilhabe etc. sichern. Die Frage ist nur, wie man das gestaltet. Mit einem Gängelungssystem, dass Menschen in Maßnahmen und zu sinnlosen Bewerbungen zwingt, oder mit einem „Macht-was-ihr-wollt-das-Geld-kommt-auf-jeden-Fall“-System wie dem BGE. Oder vielleicht mit etwas dazwischen. Wahrscheinlich müsste man das System eigentlich vom Charakter des jeweiligen Menschen abhängig machen; das aber kann der Gesetzgeber nicht, denn vor dem Gesetz muss jeder gleich sein. Auch hier würde ich dafür plädieren die Einführung eines BGE-System erst nur zeitlich begrenzt zu fordern. Erstens weil das weniger Widerstand hervorruft, zweitens weil wir wirklich nicht wissen können ob die von uns erhoffte aktivierende Wirkung eines BGE, das von Druck befreite Menschen motiviert mit ihrem eigenen Ding erfolgreich zu sein, eintreten wird oder ob doch die Mehrzahl der Menschen dem konservativen Menschenbild des Sozialschmarotzers entsprechen der seine Sozialknete vor der Glotze verzecht.

Wenn wir zu diesen Punkten Positionen haben, haben wir meiner Meinung nach viele Konflikte in der Partei entschärft. Dann haben wir wieder klar Schiff gemacht und sind bereit zum Ändern. Haben wieder einen Wertekompass. Können Kurs setzen zu neuen Ufern. Und dann ggf. die nautischen Metaphern über Bord werfen.

Was wir Piraten aus dem Ergebnis der Bundestagswahl 2013 lernen können

Machen wir uns nichts vor: Wir Piraten haben es verkackt.

FDP und Grüne haben zusammen über 12 Prozentpunkte Zustimmung verloren, und die Piraten haben von diesen Verlusten des – im weitesten Sinnen – liberalen, bürgerrechtspolitisch orientierten Lagers quasi nicht profitiert.
Nicht einmal die NSA-Affäre und unser engagierter Wahlkampf, der meiner Meinung nach trotz eher geringer finanzieller Möglichkeiten auf recht hohem Niveau stattgefunden hat, konnten verhindern dass die Piraten am Ende weniger als die Hälfte von 5% der Wählerstimmen auf sich vereinen konnten.

Eine der üblichen Reaktionen auf Wahlniederlagen ist das Wähler-Bashing: „Die Leute sind einfach zu doof für unsere total tolle und logische Politik – Mimimimi!“.
Aber das ist natürlich Bullshit. Wenn man ein – angenommenermaßen – überlegenes Produkt nicht los wird, dann liegt das am Marketing, nicht am Kunden.

Darum glaube ich: Wir Piraten haben uns von den etablierten Parteien und den Medien vorführen lassen.

Anstatt zu den Kernthemen zu stehen haben wir überstürzt versucht ein Vollprogramm zu verabschieden.
Dabei hätten wir sehr gut sagen können dass unsere Abgeordneten im Zweifel einfach den Vorschlägen der politischen Konkurrenz zustimmen würden die jeweils am vernünftigsten sind. Aber statt dessen sind wir über das Stöckchen gesprungen und haben versucht zu jedem Thema von Atomenergie bis Zweitwohnungssteuer eine Position zu finden. Mit dem „Erfolg“ das deswegen interne Grabenkämpfe ausgebrochen sind und der politische Gegner uns alle möglichen Dinge aus unserem Programm vorhalten konnte.

Das Vollprogramm hat auch zu einem logischen Bruch im Konzept der Piratenpartei geführt: Eine Partei die sich gegen den Fraktionszwang ausspricht kann nur bezüglich unstrittiger Kernthemen Wahlversprechen machen, weil nur bezüglich dieser Themen einigermaßen sicher ist dass alle Abgeordneten hier gemäß dem Wahlversprechen abstimmen würden.
Ohne einen Fraktionszwang der alle Abgeordneten zu einem einheitlichen Abstimmungsverhalten zwingt ist ein Wahlkampf mit einem Vollprogramm, das ja immer auch als Wahlversprechen aufgefasst wird, überhaupt nicht glaubwürdig.

Natürlich ist die Piratenpartei eine junge Partei die noch nicht wirklich zu sich selbst gefunden hat. Im Hype sind viele Leute eingetreten die sich von der Piratenpartei erhofft haben dort ihre Meinungen platzieren zu können die sie von anderen Parteien nicht richtig vertreten gesehen haben. Was ja auch legitim ist.
Und darum haben wir jetzt Schusswaffen-Freunde, Nuklearenergie-Befürworter, Gender-Fans, BGE-Gläubige und SMV-Vertreter in der Partei. Diese haben für jede Menge innere Unruhe und Außendarstellungsprobleme („Popcorn“) gesorgt, und unsere basisdemokratische Partei hat diese Probleme mangels innerer Geschlossenheit, Struktur und Führung nicht in den Griff bekommen.

Wir werden noch Jahre brauche um diese verschiedenen Themen intern auszudiskutieren.
Ich glaube aber dass wir aus der (auch näheren) Vergangenheit Folgendes lernen können:

1. Schlagkräftige Parteien nutzen die Effizienzvorteile eines hierarchischen Delegiertensystems. Dieses spart Kosten, schont menschliche Ressourcen und filtert auf Kreis-, Bezirks- und Landesebene Themen vor, so dass auf Bundesparteitagen effizient gearbeitet werden kann; basidemokratische Elemente müssen auf Mitgliederentscheide beschränkt bleiben, die eher die Ausnahme als die Regel sein sollten. Auch noch so politisch engagierte Menschen haben nur begrenzt Zeit und Lust sich in Themen einzuarbeiten. Daher sollten wir die Möglichkeiten der Parallelisierung und der Mehrstufigkeit nutzen die ein hierarchisches Delegiertensystem bietet.

2. Elektronische Wahlen, gesichert durch Krypto-Foo, sind wahrscheinlich manipulierbar und damit nicht demokratisch. Wenn wir uns auf Krypto-Foo verlassen das kaum jemand versteht und das vielleicht Hintertüren oder Schwächen hat wären Wahlmanipulationen Tür und Tor geöffnet. Die Old-School Papierwahl ist leider das einzige Verfahren das jeder versteht und nachvollziehen kann und wo es keinen „Single Point of Failure“ gibt wo ggf. eine Hacker-Attacke möglich ist.

3. Der Wähler interessiert sich für Gesundheit, Geld, gutes Leben. Das Motto „Freiheit statt Angst“ verfängt nicht bei denen die gar keine Angst haben vor informationstechnischer Ausspähung. Sondern eher vor Atomkraft, Islamisten und Altersarmut. Wir Piraten können als Kleinpartei keine Themen setzen. Wir müssen für die Probleme die in der Diskussion sind überzeugende Lösungen bieten oder taktisch die Klappe halten.

Es mag gut sein dass diese drei Punkte in der Piratenpartei keine Mehrheit finden würden. Das ist okay. Dann brauchen wir eben einen Fork.
Einen Fork möglicherweise, dessen Namen man nicht erst erklären muss (Damals, in Schweden… bla bla… ).
Einen Fork, der nicht der genderfeministischen Blödsinnsideologie anhängt die die offensichtlich vorhandenen biologisch-hormonellen, neurologischen und psychosozialen Unterschiede zwischen Männern und Frauen durch gesellschaftliche Umerziehung „wegkonditionieren“ zu können und zu müssen glaubt.
Einen sozial-liberalen Fork, der „den Markt“ nicht animistisch personifiziert und zum Heilsbringer verklärt, sondern „den Markt“ als Summe der Interaktionen von Marktteilnehmern innerhalb der gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen begreift. Rahmenbedingungen, die es stetig behutsam zu aktualisieren gilt um eine Regelungs-Wirkung zu entfalten die zu einer Maximierung des Gemeinwohls führt und nicht primär zur Maximierung des Gewinns von Spekulanten, Subventions-Betrügern und Spesenrittern.
Einen Fork, der nicht glaubt die Weisheit gepachtet zu haben sondern auch einsieht, dass manche Dinge nur durch „Ausprobieren“ geklärt werden können. Bedingungsloses Grundeinkommen, gut oder schlecht? Wollen Menschen arbeiten, oder sind Menschen faul und sitzen am liebsten stoned und kopulierend vor der Glotze? Vielleicht stimmt ja beides, möglicherweise liegt das ideale Sozialsystem irgendwo zwischen BGE und Hartz IV, probieren wir es aus, verabschieden wir zeitlich begrenzt gültige Gesetze!
Und natürlich einen Fork, der rechten und linken Ideologien keine Bühne bietet, wo keine prügelfreudigen Rote-Hilfe-Mitglieder im Parlamentsfernsehen herumpöbeln oder Ex-NPD-Mitglieder Kreisverbände übernehmen, wo keine Leute mit selbst-erfundenen Berufsbezeichnungen und Laberfach-Ausbildung sich selbst inszenieren, wo weder Gender-Konferenzen veranstaltet noch Prangerseiten eingerichtet oder Wortklauberei betrieben wird.

Wichtig ist, dass wir aufhören uns Illusionen zu machen. Politik ist ein schwieriges Geschäft. Die Welt hat nicht auf uns gewartet. Die Generationen vor uns waren nicht zu doof um auf die ganzen klugen Dinge zu kommen die wir uns ausgedacht haben, sondern manche Dinge funktionieren einfach nicht. Auch wenn wir es uns noch so sehr wünschen. Es ist Zeit, als Partei erwachsen zu werden.

Geschlossenes Weltbild auf der „Open Mind“ 13?

Ich bin 2011 auch deshalb in die Piratenpartei eingetreten weil ich mir von dieser Partei eine Überwindung des blödsinnigen Geschlechterkriegs versprochen habe. Ich dachte, in einer Hacker- und Grundrechte-Partei wäre kein Platz für Elfenbeinturm-Ideologien.
Die Idee von „Post-Gender“ fand und finde ich sehr attraktiv. Denn Individuen aufgrund von irgendwelchen unveränderbaren, angeborenen Merkmalen in Schubladen zu stecken kann nie dazu führen das Schubladendenken zu überwinden. Oder anders gesagt: Die Idee den Menschen beizubringen, zwischen Gruppen und Grüppchen genauestens zu differenzieren ((und alles zu sagen oder zu tun zu vermeiden was jemand möglicherweise nicht gut finden könnte)) („Awareness“?), mit dem Ziel, dass die Menschen erkennen sollen dass die gerade mühsam gelernten Unterschiede eigentlich völlig irrelevant sein sollten ist „broken by design“, absolut paradox.

Darum sehe ich den genderfeministischen Flügel der Piratenpartei sehr kritisch.
Denn der Genderfeminismus ist meiner Meinung nach ein Irrweg. Ich habe darüber schon an anderer Stelle genug geschrieben.

(Genderfeminismus-Einführung überspringen)
Die Kurzversion einer Erklärung des Genderfeminismus ist diese: An erster Stelle steht das Dogma dass Frauen und Männer gleich sind. Nicht nur gleichwertig, gleichgestellt, gleich befähigt, sondern: Gleich. ((Von kleinen physiologischen Abweichungen abgesehen. Die aber keine Bedeutung haben und kein Indiz dafür sein können dass Frauen und Männer sich aus biologischen Gründen auch neurologisch und psychosozial grundsätzlich unterscheiden.)) Darum ist der Genderfeminismus eine Variante des s.g. Gleichheitsfeminismus ((Im Gegensatz zum Differenzfeminismus, der die Geschlechter als unterschiedlich, aber gleichwertig versteht)). Nun verhalten sich Frauen und Männer aber offensichtlich nicht gleich. Und diese Unterschiede lassen sich zumindest zum Teil mit evolutionsbiologisch bedingten Verhaltens- und Fähigkeitsunterschieden, ausgelöst zum Beispiel durch unterschiedliche Hormonspiegel, erklären.

Laut genderfeministischem Gleichheits-Dogma darf es aber keine Geschlechterunterschiede geben, zumindest keine unabänderlichen, biologisch bedingten. Darum konstruiert der Genderfeminismus eine alternative Theorie zur Erklärung der offensichtlichen Geschlechterunterschiede.
Diese ist sehr geschickt gewählt, denn sie hält sich sehr nahe an der Realität: Sie bestreitet gar nicht dass es eine „Vererbung von Geschlechterunterschieden“ gibt.
Aber sie bestreitet die Existenz jeglicher biologischen Ursprünge von Geschlechterunterschieden und erklärt ausnahmslose alle Geschlechterunterschiede durch das Konstrukt einer „sozialen Vererbung“ bzw. „sozialen Tradierung der Geschlechterrollen“. Das bedeutet, dass die „Vererbung“ der Geschlechterrollen einfach damit erklärt wird dass Kinder ihre Eltern quasi 1:1 imitierten ((Das klingt wieder einigermaßen realistisch, aber so genau imitieren Kinder ihre Eltern nicht, dass die Ausbildung und Tradierung von Geschlechterrollen dadurch erklärt werden könnte)). Damit werden alle Geschlechtereigenschaften aus der Sphäre des zumindest teilweise biologisch bedingt Unänderbaren in die Sphäre des politisch-sozial-gesellschaftlich Veränderlichen versetzt. Es werden alle Geschlechterunterschiede zu reiner Tradition erklärt werden die man jederzeit abschaffen könne.
Um die Unterschiede des Geschlechter-Verhaltens zu beseitigen und die Geschlechterrollen abzuschaffen müsste es dann nur gelingen die soziale Tradierung der Geschlechterrollen zu durchbrechen.

Könnte man durch Quoten die unterschiedliche Rollenverteilung hinreichend lang durch eine Gleichverteilung zu ersetzen – glauben die Genderfeministen – würde das die Rollenunterschiede aufheben. Statt der Verschiedenartigkeit würde dann die Gleichartigkeit der Geschlechter weitertradiert. Dann wäre die Gleichheit der Geschlechter hergestellt, und alles wäre gut.

Die Theorie der von aller biologischen Bedingtheit losgelösten rein sozialen Tradierung der Geschlechterrollen ist meiner Meinung nach arg herbeikonstruiert, aber wenn man sich erst einmal darauf eingelassen hat anscheinend dennoch glaubhaft. ((Es ist ja auch eine verlockende, schmeichelhafte Vorstellung dass der Mensch als eine Art „Über-Tier“ eine neue Stufe der Existenz erreicht habe auf der er von jeglichem durch seine biologische Hardware induzierten geschlechtsspezifischen Verhalten unabhängig sei. Nur ist die Vorstellung doch eher naiv und selbstgefällig.))
Sie bildet für den Anhänger der Theorie ein geschlossenes System; durch selektive Wahrnehmung lassen sich zahlreiche „Beweise“ für die Richtigkeit der Theorie finden und Gegen-Indizien ausblenden. Ein Beispiel für eine ähnliche Theorie ist z.B. der Kreationismus, der die Entstehung der Arten durch Gottes Wirken erklärt, Gegenbeweise ignoriert, und schwierig erklärbare natürliche Phänomene als Beweise für die Richtigkeit des Kreationismus interpretiert. Das alles nach dem Motto „Wie unrealistisch ist es, dass aus Urschleim ein Känguru wird, ohne einen Schöpfer?“

Wie dem auch sei: Um einordnen zu können ob auch die „Open Mind 13“ wieder eine geschlossene Veranstaltung des genderfeministischen Flügels war habe ich mir den Vortrag mit anschließender Diskussion „Quote bringt nichts, diskriminiert, ist blöd“ von Laura Dornheim angesehen. In diesem erhebt sie durchaus selbstbewusst den Anspruch jedes(!) Argument gegen die Geschlechterquote widerlegen zu können.

Eigentlich wollte ich den gesamten Vortrag und die gesamte Diskussion besprechen, aber um den Aktualitätsbezug nicht völlig zu verlieren will ich hier vorerst nur auf ein paar Aspekte des Vortrags eingehen.

Mein Hauptkritikpunkt zum Vortrag selbst ist, dass dieser erhebliche Schwächen hatte. Die darin gelieferten Informationen konnten daher keine ausreichende Grundlage für eine sinnvolle Diskussion sein. Außerdem wurden die Fakten natürlich stets genderfeministisch gefärbt präsentiert.
Mein Hauptkritikpunkt bezüglich der „Diskussion“ nach dem Vortrag ist, dass diese darauf ausgelegt war eine wirkliche Debatte nicht zuzulassen. Das anscheinend weitgehend homogen genderfeministische Publikum fungierte nur als Stichwortgeber für akribisch vorbereitete Gegenargument-Monologe. Eine „Diskussion“ im eigentlichen Sinne fand überhaupt nicht statt.

Schwächen des Vortrags

Eine wesentliche Schwäche des Vortrags besteht darin, dass immer über „Quote“ geredet wird, aber häufig unklar ist um welche Art von Quote es gerade geht. Zwar entwickelt die Referentin auf Folie 3 ((meine Zählung)), ab 0:01:49 ((h:mm:ss)) ein Instrumentarium um Quoten kategorisieren zu können; dieses ist aber mangelhaft und wird kaum verwendet. Das wiederum ist hinderlich bei der Bewertung welche Argumente jeweils valide Argumente für oder gegen eine bestimmte Art von Quote sein können.
Ein Beispiel: Gegen eine Geschlechter-Quote in Höhe des Anteils von Geschlecht X an der fachlich qualifizierten Belegschaft +/- 10% lässt sich eher wenig sagen, aber gegen eine starre 50%-Frauen-Quote im Bereich Notfallmedizin, bei der nötigenfalls Notarztstellen unbesetzt bleiben müssen wenn keine Frau den Job machen möchte, könnte man bestimmt einige sinnvolle Argumente finden.
In Frau Dornheims Instrumentarium fehlt allerdings das wichtige Kriterium der Priorisierung der Ziele „Besetzung von Stellen“ (d.h. dass die Stelle überhaupt besetzt, also die Arbeitsleistung der Gesamtbelegschaft erhöht wird), „Qualifizierte Besetzung von Stellen“ (d.h. dass die durchschnittliche Qualifikation der Belegschaft maximiert wird) und „Besetzung von Stellen mit Geschlecht XY/Frauen“ (d.h. dass die Quote von Geschlecht XY erreicht wird).
Da dieses Kriterium fehlt ist sie auch nicht in der Lage die von ihr mehrfach zitierte „Wünsch-Dir-Was-Quote“ in irgendeiner sinnvollen Weise zu konkretisieren, so dass jede Aussage die sie in Bezug auf diese trifft völlig wage bleibt.
Eines erreicht sie immerhin durch die Nicht-Anwendung ihres mangelhaften Instrumentariums: Es fällt nicht so auf dass die einzige Form der Quote die in Europa tatsächlich mehrheitsfähig ist (Folie 14, 0:20:00) wahrscheinlich genau die von ihr so verachtete „Wünsch-Dir-Was-Quote“ ist, bei der die Quote erst zur Anwendung kommt wenn die Besetzung einer Stelle mit zwei gleich qualifizierten Bewerbern verschiedenen Geschlechts möglich wäre.

Schwächen der „Diskussion“

Die Art und weise wie der genderfeministische Flügel der Piratenpartei sich dem Anschein nach politische Meinungsbildung bzw. -entwicklung vorstellt finde ich immer wieder befremdlich. Auf der Piratinnenkon war anscheinend schon jede abweichende Meinungsäußerung verboten. Dieses Muster der Diskurs-Vermeidung scheint sich auch auf der „Open Mind“ fortgesetzt zu haben.
Das Format der „Diskussion“ im Anschluss an den Vortrag ist maximal debattenvermeidend: Der Gast darf, nachdem der Ordnungsdienst ihm das Mikro gereicht hat, ein Argument nennen, dann äußert Frau Dornheim vorbereitete „Gegenargumente“, dann gilt das Argument als widerlegt. Der Gast, dem der Ordnungsdienst das Mikro schon wieder weggenommen hat, kann und darf nichts mehr entgegnen. Dabei wäre das häufig dringend notwendig gewesen um darauf hinzuweisen dass Frau Dornheim überhaupt nicht auf das Argument eingegangen war.

Dass niemand auf die Ausführungen von Frau Dornheim etwas erwidern darf fällt anscheinend auch dem Publikum auf, das anscheinend etwas unruhig wird. So unruhig, dass sich bei 0:44:18 eine Ordnerin genötigt fühlt zu erklären, dass es eine „ErstrednerInnen-Quote“ gebe. Darum könne es etwas dauern, bis man noch einmal an der Reihe sei. Da im Endeffekt bis zum Ende der „Diskussion“ quasi niemand ein zweites Mal sprechen darf kann ich mir diesbezüglich vorstellen dass sich einige im Publikum am Ende ziemlich verarscht vorgekommen sein müssen.
Denn „ErstrednerInnen-Quote“ hört sich natürlich erstmal nach einer fairen Regelung für eine Diskussionsveranstaltung an. Doch da diese Regel das Entstehen einer Diskussion unter den gegebenen Umständen (Zeitlimit, viele ZuhörerInnen) de facto verunmöglicht muss man leider davon ausgehen dass diese Regelung vorsätzlich eingeführt wurde um genau das zu erreichen. Es wäre natürlich auch möglich dass die OrganisatorInnen der OM13 einfach nicht in der Lage waren eine wirkliche Diskussion zu planen. Dass sie nicht daran gedacht haben dass „Diskussion“ Schlagabtausch in Dialogform beinhalten muss. Dass bei einer Veranstaltung mit zeitlichem Limit keine Diskussion entstehen kann wenn jeder im Publikum „auch mal was sagen“ darf. Es könnte also wenig sorgfältige Planung der Grund für diese Nicht-Debatte sein, denn man soll nicht mit Bösartigkeit zu erklären versuchen was auch durch mangelnde Fähigkeit erklärt werden kann. Dennoch fällt es natürlich nach der Piratinnenkon mit ihren Diskussions-Unterdrückungs-Regeln zunehmend schwer zu glauben dass die Verhinderung einer wirklichen Diskussion bei diesem genderfeministischen Vortrag ein Zufall gewesen sein soll.

Der erste Gast

Der erste Gast stellt sich und Frau Dornheim zum Beispiel ab 0:22:58 die Frage wie man das Instrument „Quote“ überhaupt zielgerichtet nur an den wirklich notwendigen und gerechtfertigten Stellen einsetzen kann. Er mutmaßt, dass es vielleicht faktisch unmöglich sei ein Gesetz so zu formulieren dass es sowohl praktisch akzeptiert wird, als auch juristisch nicht angreifbar ist.
Frau Dornheim antwortet darauf mit mehreren Äußerungen, die auf die etwas unglückliche Metapher, in die der junge Mann seine Fragestellung gekleidet hat, einzugehen scheinen. Bei genauer Betrachtung aber haben ihre Einlassungen überhaupt nichts mit der Fragestellung zu tun.
Er sagt, zusammengefasst: Die Tatsache, dass manche Menschen depressiv sind (dass es in manchen Bereichen unterrepräsentierte Geschlechter gibt), kann kein Grund sein allen Psychopharmaka zu verschreiben (ist kein Grund überall eine Quote einzuführen). Man braucht also eine individuelle Therapie (Quoten nur in manchen Bereichen). Da Gesetze aber eine gewisse Allgemeingültigkeit haben müssen ist es aber vielleicht praktisch und juristisch nicht möglich Quoten so gezielt einzusetzen wie es notwendig wäre.
Sie antwortet darauf, zusammengefasst: Man kann ja nicht den Patienten überlassen ob sie ihre Tabletten nehmen wollen, der Patient hat zu nehmen was verordnet ist. Im Rahmen der Metapher bedeutet das: Die Leute haben sich an die verordnete Quote zu halten.
Damit geht sie auf die eigentliche Frage gar nicht ein. Die lautet nämlich ob ein Gesetz nicht immer viel zu wenig zielgenau sein muss um wirklich nur da Quoten einzuführen wo man sie braucht.
Das bedeutet: Sie versteht die Frage überhaupt nicht und sagt einfach irgendwas. Dass der Fragesteller verwirrt ist ob der Nicht-Antwort die er erhalten hat sieht man im Video sehr schön: Er verharrt noch längere Zeit in einer Geste des Überlegens.
Und das ist nicht der einzige Fall wo man gerne noch eine Nachfrage gehört hätte bzw. wo Frau Dornheims „Widerlegung“ völlig am Thema vorbei geht.

Abwarten ist Unrecht: Strohmannargumente für die sofortige Zwangsquote

Ab 0:25:25 fragt ein junger Mann, ob es denn überhaupt möglich sei, Gerechtigkeit herbeizuzwingen; ob es nicht besser wäre wenn Frauenanteile langsam und organisch wüchsen; ob nicht eine Quote eher Widerstand und Ablehnung hervorruft und die Möglichkeit verbaut dass ein höherer Frauenanteil als positiv wahrgenommen und wirklich akzeptiert wird.
An dieser Stelle ist zu erwähnen dass er der einzige ist der mit Frau Dornheim in einen Dialog treten kann – allerdings nur weil sie ihm bei 0:26:10 ins Wort fällt, noch bevor der Ordnungsdienst ihm das Mikrofon weggenommen hat.
Nachdem der Gast dann doch noch hat zuende reden dürfen, versucht Frau Dornheim ab 0:26:50 als erstes den Gast davon zu überzeugen, er habe eigentlich das Argument bringen wollen „Wenn wir eine Quote einführen vernächlässigen wir den kulturellen Wandel“; aber leider will der Gast nicht ganz zustimmen.

Ab 0:27:15 versucht Frau Dornheim dann zu argumentieren. Leider greift Sie dabei das Argument des Gastes wieder nicht auf. Sie legt nicht dar warum eine schnelle Einführung einer starren Quote die Akzeptanz von mehr Frauen und generell von Quoten nicht ernsthaft gefährden könne. Statt dessen argumentiert Sie, höhere Frauenanteile auf sanftere Weise durchzusetzen dauere zu lange, und eine mit Zwang durchgesetzte Quote sei besser als Ungerechtigkeit.

Diese Argumentation ist meiner Meinung nach eine Variante der Strohfrau-Argumentation.
Auf das vom Gast entworfene Alternativ-Szenario einer langsamen Förderung eines größeren Frauenanteils wird gar nicht eingegangen. Statt auszuführen warum das Szenario des Gastes abzulehnen sei wird hier ein angeblich äquivalentes Szenario aufgebaut, das aus dem bewährten feministischen Feindbild der weißen gebildeten Mittelschicht-Männer besteht die prinzipiell Frauen ablehnen.
Dann wird gegen den so aufgebauten Strohmann argumentiert: Es sei besser mit Zwang eine Quote durchzusetzen, als die Ungerechtigkeit des geringen Frauenanteils zu akzeptieren.
Frau Dornheim redet also wieder komplett am Argument vorbei, denn das Szenario der dauerhaften Ungerechtigkeit der Besetzung von Stellen durch weiße gebildete Mittelschichtmänner hat sie selbst als Strohmann aufgebaut; der Gast hat nicht argumentiert dass Ungerechtigkeit dauerhaft bestehen solle, er hat lediglich angezweifelt dass eine schlagartig eingeführte Quote der beste Weg zur Beseitigung der Ungerechtigkeit sei. Und Frau Dornheim bringt kein einziges Argument um die Befürchtung zu entkräften eine solche schnelle Quoteneinführung würde vielelicht eher zu Widerstand und gesellschaftlicher Ablehnung von Quoten (und, wegen der Demokratie, zur Abschaffung von Quoten allgemein) führen als zu einem höheren Frauenanteil.

Einschub: Wann sind Argumente Meinungen?

An dieser Stelle möchte ich Bezug nehmen auf Folie 15, ab 0:21:15. Hier stellt Frau Dornheim eine interessante Kategorisierung von Argumenten vor; eine Kategorie sind z.B. „Argumente, die eigentlich nur Meinungen sind“.
Dass manchmal Argumente nur Meinungen sind, ist eine kluge Erkenntnis, nur leider nicht weit genug gedacht. Argumente sind in den allermeisten Fällen logisch und zwingend – in dem Bezugsrahmen, in dem der Argumentierende denkt. Argumentationen bauen häufig auf Prämissen darüber auf wie „die Welt“ oder „der Mensch“ sei, oder welche Werte wichtiger oder weniger wichtig sind als andere Werte. Das bedeutet: Menschen haben Ansichten, also Meinungen, welche Werte wie zu gewichten seien, welche Dinge wahr seien und welche nicht. Ihre Argumente bauen dann auf ihrer jeweiligen Weltsicht auf und sind im Rahmen dieser Weltsicht, ihres Denksystems, basierend auf ihren Prämissen also, absolut logisch.

Oder anders gesagt: Frau Dornheim hat dann absolut recht mit ihrer Quotenforderung, wenn man voraussetzt, dass die Einführung der Quote keine Ungerechtigkeit gegenüber Männern ist, sondern die Quote lediglich die ungerechtfertigte Bevorzugung wieder ausgleicht, durch die die „überschüssigen“ Männer ihre Position überhaupt erst bekommen haben. Diese Sicht kann man nur dann einnehmen wenn man voraussetzt, dass eine Geschlechter-Quote, die von einer 50:50-Quote abweicht, zwingend ungerecht sei. Diese Sicht kann man nur dann haben wenn man voraussetzt dass Frauen und Männer natürlicherweise zwingend gleiche Interessen hätten. Und diese Sicht wiederum kann man nur dann haben wenn man nicht an biologische bedingte Unterschiede zwischen Männern und Frauen glaubt.
Wenn man allerdings an biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen glaubt, dann ergibt sich daraus dass Männer und Frauen unterschiedliche Interessen haben könnten und wahrscheinlich auch haben. Das bedeutet, dass unterschiedliche Verteilungen von Frauen und Männern der Regelfall sein könnten und wahrscheinlich auch sind. Das bedeutet, dass eine hohe Männer-/Frauen-Quote in einem Bereich nicht zwingend ein Indiz für Ungerechtigkeit sein muss. Und das bedeutet, dass die Einführung einer Quote ein Unrecht gegenüber dem dann wegen der Quote und seines Geschlechts zu benachteiligenden Individuum sein könnte.

Das bedeutet: Argumente sind häufig innerhalb ihres Bezugsrahmens logisch und zwingend; doch die Prämissen auf deren Grundlage zwei Menschen diskutieren können unterschiedlich sein. Dann argumentieren sie zwangsläufig aneinander vorbei. Es ist dann sinnlos auf dem Level der sich aus den Grundlagen ableitenden Argumente zu diskutieren; was eigentlich diskutiert werden muss ist die Validität der jeweiligen Prämissen, also der Meinungen die diese Prämissen bilden.
Wenn man mal die verschiedenen Systeme ansieht die ich kurz angerissen habe, also das differenzfeministische System wo Unterschiede zwischen Frauen und Männern möglich sind, und das gleichheits- bzw. genderfeministische System wo Unterschiede zwischen Frauen und Männern ausgeschlossen sind, sieht man dass das gleichheits- bzw. genderfeministische System „klarer“ zu sein scheint. Wo man als Differenzfeminist nie genau sagen kann ob in bestimmter Hinsicht im allgemeinen oder im besonderen ein Unterschied zwischen Frauen und Männern bestehen könnte oder nicht kann man das als Genderfeminist immer kategorisch ausschließen. Vielleicht macht diese Einfachheit und scheinbare Klarheit den Reiz des Genderfeminismus aus. Einfache Antworten auf schwierige Fragen sind und waren immer schon Attribute von Ideologien die gerade für junge Menschen mit dem Drang die Welt zu verstehen attraktiv sind.

Zum Glück gibt es viele wissenschaftliche Hinweise darauf, dass die Prämisse des Genderfeminismus, dass Frauen und Männer absolut gleich sind und gleiche Interessen haben, nicht stimmt. Das bedeutet, dass der Genderfeminismus wahrscheinlich auf falschen Annahmen basiert, ebenso wie die daraus abgeleitete Quotenforderung.

Aber jetzt weiter in der Diskussion:

Einzelschicksale bei der FZS

Ein weiteres Beispiel für die Qualität der „Widerlegung“ von Quotenkritik findet sich bei 0:42:48. Dort darf ein anscheinend politisch tendenziell links engagierter junger Mann die Erfahrung machen was es heißt den Versuch zu unternehmen von einem individuellen Standpunkt zu argumentieren und nicht genderfeministisch korrekt aus Gruppensicht.
Er berichtet, dass wegen der starren 50:50-Quote nur zwei Personen in den Vorstand des Freien Zusammenschlusses der Studierendenschaften (FZS) gewählt wurden, obwohl es drei Kandidat_Innen gab. Er führt nicht genau aus wo er das Problem sieht. Sein Argument gegen die „starre Quote, bei der Quote wichtiger als als Besetzung von Posten“ scheint aber zu sein, dass der Ausschluss von Menschen aufgrund ihres Geschlechts sowohl menschlich als auch von der Effizienz des Gremiums her kontraproduktiv sei.
Frau Dornheim geht aber nicht auf das Argument ein sondern wischt es vom Tisch, mit folgenden „Argumenten“: Erstens sei dieses Beispiel ein Einzelfall („Individualbeispiel“); zweitens sei der FZS selbst schuld, da er nicht hinreichend um genug Frauen geworben habe.
Das „Einzelfall-Argument“ ist aber kein Argument, sondern eine Marginalisierungs- und Kleinrede-Strategie, nach dem Motto „Wo gehobelt wird fallen Späne“ ((Normalerweise wird den sogenannten Maskulisten vorgeworfen solche Strategien zu nutzen.)). Und das „Selbst Schuld-Argument“ ist der Versuch, die Schuld an der ungünstigen Situation allein auf die Personen zu schieben die die starre, kontraproduktive Quotenregelung anwenden mussten, und den Anteil der Quotenregelung und der Personen die diese Regelung beschlossen haben an der ungünstigen Situation kleinzureden ((Man beachte die Analogie dieser Rhetorik zur Täter-Opfer-Umkehr)). Aus genderfeministischer Sicht ist diese Nicht-Argumentation paradoxerweise absolut schlüssig. Denn da die Quotenregelung in dieser Sicht das einzige Mittel der Beseitigung der Konditionierung von Menschen auf sozial konstruierte, vom Patriarchat vorgegebene Rollen ist, kann diese Regelung gar nicht falsch oder zu hinterfragen sein. Sie ist also richtig[tm], darum müssen damit in Zusammenhang stehende negative Effekte auf andere Faktoren, hier z.B. unfähige und unwillige Menschen, vor allem aber Männer, zurückzuführen sein ((Der Sozialismus ist ja auch nur an den unwilligen Menschen gescheitert, wird erzählt…)). Und darum merkt Frau Dornheim auch nicht dass sie mit ihrer Antwort die von einer verfehlten Quotenregelung Betroffenen für deren negative Effekte verantwortlich macht und als zu unengagiert verhöhnt.

Zusammenfassung

Mir als Piraten ist es langsam peinlich dass der Bundesvorstand wieder eine Veranstaltung gesponsert hat bei der von der „Mitmachpartei“ Piratenpartei wieder wenig zu spüren war. Eine Veranstaltung, wo eine wirkliche kritisch-konstruktive Auseinandersetzung des Publikums mit den Darbietungen, so will ich die Vorträge mal nennen, wieder nicht gewollt war.
Unsere Partei ist nicht so reich dass sie Geld für sinnlose Schaufensterveranstaltungen ohne politischen Mehrwert ausgeben sollte.
Ich hoffe dass ein zukünftiger Bundesvorstand darauf achten wird dass Parteiveranstaltungen in Zukunft dazu dienen dort politische Fragen zielorientiert, aber ergebnisoffen zu diskutieren.