Geschlossenes Weltbild auf der „Open Mind“ 13?

Ich bin 2011 auch deshalb in die Piratenpartei eingetreten weil ich mir von dieser Partei eine Überwindung des blödsinnigen Geschlechterkriegs versprochen habe. Ich dachte, in einer Hacker- und Grundrechte-Partei wäre kein Platz für Elfenbeinturm-Ideologien.
Die Idee von „Post-Gender“ fand und finde ich sehr attraktiv. Denn Individuen aufgrund von irgendwelchen unveränderbaren, angeborenen Merkmalen in Schubladen zu stecken kann nie dazu führen das Schubladendenken zu überwinden. Oder anders gesagt: Die Idee den Menschen beizubringen, zwischen Gruppen und Grüppchen genauestens zu differenzieren ((und alles zu sagen oder zu tun zu vermeiden was jemand möglicherweise nicht gut finden könnte)) („Awareness“?), mit dem Ziel, dass die Menschen erkennen sollen dass die gerade mühsam gelernten Unterschiede eigentlich völlig irrelevant sein sollten ist „broken by design“, absolut paradox.

Darum sehe ich den genderfeministischen Flügel der Piratenpartei sehr kritisch.
Denn der Genderfeminismus ist meiner Meinung nach ein Irrweg. Ich habe darüber schon an anderer Stelle genug geschrieben.

(Genderfeminismus-Einführung überspringen)
Die Kurzversion einer Erklärung des Genderfeminismus ist diese: An erster Stelle steht das Dogma dass Frauen und Männer gleich sind. Nicht nur gleichwertig, gleichgestellt, gleich befähigt, sondern: Gleich. ((Von kleinen physiologischen Abweichungen abgesehen. Die aber keine Bedeutung haben und kein Indiz dafür sein können dass Frauen und Männer sich aus biologischen Gründen auch neurologisch und psychosozial grundsätzlich unterscheiden.)) Darum ist der Genderfeminismus eine Variante des s.g. Gleichheitsfeminismus ((Im Gegensatz zum Differenzfeminismus, der die Geschlechter als unterschiedlich, aber gleichwertig versteht)). Nun verhalten sich Frauen und Männer aber offensichtlich nicht gleich. Und diese Unterschiede lassen sich zumindest zum Teil mit evolutionsbiologisch bedingten Verhaltens- und Fähigkeitsunterschieden, ausgelöst zum Beispiel durch unterschiedliche Hormonspiegel, erklären.

Laut genderfeministischem Gleichheits-Dogma darf es aber keine Geschlechterunterschiede geben, zumindest keine unabänderlichen, biologisch bedingten. Darum konstruiert der Genderfeminismus eine alternative Theorie zur Erklärung der offensichtlichen Geschlechterunterschiede.
Diese ist sehr geschickt gewählt, denn sie hält sich sehr nahe an der Realität: Sie bestreitet gar nicht dass es eine „Vererbung von Geschlechterunterschieden“ gibt.
Aber sie bestreitet die Existenz jeglicher biologischen Ursprünge von Geschlechterunterschieden und erklärt ausnahmslose alle Geschlechterunterschiede durch das Konstrukt einer „sozialen Vererbung“ bzw. „sozialen Tradierung der Geschlechterrollen“. Das bedeutet, dass die „Vererbung“ der Geschlechterrollen einfach damit erklärt wird dass Kinder ihre Eltern quasi 1:1 imitierten ((Das klingt wieder einigermaßen realistisch, aber so genau imitieren Kinder ihre Eltern nicht, dass die Ausbildung und Tradierung von Geschlechterrollen dadurch erklärt werden könnte)). Damit werden alle Geschlechtereigenschaften aus der Sphäre des zumindest teilweise biologisch bedingt Unänderbaren in die Sphäre des politisch-sozial-gesellschaftlich Veränderlichen versetzt. Es werden alle Geschlechterunterschiede zu reiner Tradition erklärt werden die man jederzeit abschaffen könne.
Um die Unterschiede des Geschlechter-Verhaltens zu beseitigen und die Geschlechterrollen abzuschaffen müsste es dann nur gelingen die soziale Tradierung der Geschlechterrollen zu durchbrechen.

Könnte man durch Quoten die unterschiedliche Rollenverteilung hinreichend lang durch eine Gleichverteilung zu ersetzen – glauben die Genderfeministen – würde das die Rollenunterschiede aufheben. Statt der Verschiedenartigkeit würde dann die Gleichartigkeit der Geschlechter weitertradiert. Dann wäre die Gleichheit der Geschlechter hergestellt, und alles wäre gut.

Die Theorie der von aller biologischen Bedingtheit losgelösten rein sozialen Tradierung der Geschlechterrollen ist meiner Meinung nach arg herbeikonstruiert, aber wenn man sich erst einmal darauf eingelassen hat anscheinend dennoch glaubhaft. ((Es ist ja auch eine verlockende, schmeichelhafte Vorstellung dass der Mensch als eine Art „Über-Tier“ eine neue Stufe der Existenz erreicht habe auf der er von jeglichem durch seine biologische Hardware induzierten geschlechtsspezifischen Verhalten unabhängig sei. Nur ist die Vorstellung doch eher naiv und selbstgefällig.))
Sie bildet für den Anhänger der Theorie ein geschlossenes System; durch selektive Wahrnehmung lassen sich zahlreiche „Beweise“ für die Richtigkeit der Theorie finden und Gegen-Indizien ausblenden. Ein Beispiel für eine ähnliche Theorie ist z.B. der Kreationismus, der die Entstehung der Arten durch Gottes Wirken erklärt, Gegenbeweise ignoriert, und schwierig erklärbare natürliche Phänomene als Beweise für die Richtigkeit des Kreationismus interpretiert. Das alles nach dem Motto „Wie unrealistisch ist es, dass aus Urschleim ein Känguru wird, ohne einen Schöpfer?“

Wie dem auch sei: Um einordnen zu können ob auch die „Open Mind 13“ wieder eine geschlossene Veranstaltung des genderfeministischen Flügels war habe ich mir den Vortrag mit anschließender Diskussion „Quote bringt nichts, diskriminiert, ist blöd“ von Laura Dornheim angesehen. In diesem erhebt sie durchaus selbstbewusst den Anspruch jedes(!) Argument gegen die Geschlechterquote widerlegen zu können.

Eigentlich wollte ich den gesamten Vortrag und die gesamte Diskussion besprechen, aber um den Aktualitätsbezug nicht völlig zu verlieren will ich hier vorerst nur auf ein paar Aspekte des Vortrags eingehen.

Mein Hauptkritikpunkt zum Vortrag selbst ist, dass dieser erhebliche Schwächen hatte. Die darin gelieferten Informationen konnten daher keine ausreichende Grundlage für eine sinnvolle Diskussion sein. Außerdem wurden die Fakten natürlich stets genderfeministisch gefärbt präsentiert.
Mein Hauptkritikpunkt bezüglich der „Diskussion“ nach dem Vortrag ist, dass diese darauf ausgelegt war eine wirkliche Debatte nicht zuzulassen. Das anscheinend weitgehend homogen genderfeministische Publikum fungierte nur als Stichwortgeber für akribisch vorbereitete Gegenargument-Monologe. Eine „Diskussion“ im eigentlichen Sinne fand überhaupt nicht statt.

Schwächen des Vortrags

Eine wesentliche Schwäche des Vortrags besteht darin, dass immer über „Quote“ geredet wird, aber häufig unklar ist um welche Art von Quote es gerade geht. Zwar entwickelt die Referentin auf Folie 3 ((meine Zählung)), ab 0:01:49 ((h:mm:ss)) ein Instrumentarium um Quoten kategorisieren zu können; dieses ist aber mangelhaft und wird kaum verwendet. Das wiederum ist hinderlich bei der Bewertung welche Argumente jeweils valide Argumente für oder gegen eine bestimmte Art von Quote sein können.
Ein Beispiel: Gegen eine Geschlechter-Quote in Höhe des Anteils von Geschlecht X an der fachlich qualifizierten Belegschaft +/- 10% lässt sich eher wenig sagen, aber gegen eine starre 50%-Frauen-Quote im Bereich Notfallmedizin, bei der nötigenfalls Notarztstellen unbesetzt bleiben müssen wenn keine Frau den Job machen möchte, könnte man bestimmt einige sinnvolle Argumente finden.
In Frau Dornheims Instrumentarium fehlt allerdings das wichtige Kriterium der Priorisierung der Ziele „Besetzung von Stellen“ (d.h. dass die Stelle überhaupt besetzt, also die Arbeitsleistung der Gesamtbelegschaft erhöht wird), „Qualifizierte Besetzung von Stellen“ (d.h. dass die durchschnittliche Qualifikation der Belegschaft maximiert wird) und „Besetzung von Stellen mit Geschlecht XY/Frauen“ (d.h. dass die Quote von Geschlecht XY erreicht wird).
Da dieses Kriterium fehlt ist sie auch nicht in der Lage die von ihr mehrfach zitierte „Wünsch-Dir-Was-Quote“ in irgendeiner sinnvollen Weise zu konkretisieren, so dass jede Aussage die sie in Bezug auf diese trifft völlig wage bleibt.
Eines erreicht sie immerhin durch die Nicht-Anwendung ihres mangelhaften Instrumentariums: Es fällt nicht so auf dass die einzige Form der Quote die in Europa tatsächlich mehrheitsfähig ist (Folie 14, 0:20:00) wahrscheinlich genau die von ihr so verachtete „Wünsch-Dir-Was-Quote“ ist, bei der die Quote erst zur Anwendung kommt wenn die Besetzung einer Stelle mit zwei gleich qualifizierten Bewerbern verschiedenen Geschlechts möglich wäre.

Schwächen der „Diskussion“

Die Art und weise wie der genderfeministische Flügel der Piratenpartei sich dem Anschein nach politische Meinungsbildung bzw. -entwicklung vorstellt finde ich immer wieder befremdlich. Auf der Piratinnenkon war anscheinend schon jede abweichende Meinungsäußerung verboten. Dieses Muster der Diskurs-Vermeidung scheint sich auch auf der „Open Mind“ fortgesetzt zu haben.
Das Format der „Diskussion“ im Anschluss an den Vortrag ist maximal debattenvermeidend: Der Gast darf, nachdem der Ordnungsdienst ihm das Mikro gereicht hat, ein Argument nennen, dann äußert Frau Dornheim vorbereitete „Gegenargumente“, dann gilt das Argument als widerlegt. Der Gast, dem der Ordnungsdienst das Mikro schon wieder weggenommen hat, kann und darf nichts mehr entgegnen. Dabei wäre das häufig dringend notwendig gewesen um darauf hinzuweisen dass Frau Dornheim überhaupt nicht auf das Argument eingegangen war.

Dass niemand auf die Ausführungen von Frau Dornheim etwas erwidern darf fällt anscheinend auch dem Publikum auf, das anscheinend etwas unruhig wird. So unruhig, dass sich bei 0:44:18 eine Ordnerin genötigt fühlt zu erklären, dass es eine „ErstrednerInnen-Quote“ gebe. Darum könne es etwas dauern, bis man noch einmal an der Reihe sei. Da im Endeffekt bis zum Ende der „Diskussion“ quasi niemand ein zweites Mal sprechen darf kann ich mir diesbezüglich vorstellen dass sich einige im Publikum am Ende ziemlich verarscht vorgekommen sein müssen.
Denn „ErstrednerInnen-Quote“ hört sich natürlich erstmal nach einer fairen Regelung für eine Diskussionsveranstaltung an. Doch da diese Regel das Entstehen einer Diskussion unter den gegebenen Umständen (Zeitlimit, viele ZuhörerInnen) de facto verunmöglicht muss man leider davon ausgehen dass diese Regelung vorsätzlich eingeführt wurde um genau das zu erreichen. Es wäre natürlich auch möglich dass die OrganisatorInnen der OM13 einfach nicht in der Lage waren eine wirkliche Diskussion zu planen. Dass sie nicht daran gedacht haben dass „Diskussion“ Schlagabtausch in Dialogform beinhalten muss. Dass bei einer Veranstaltung mit zeitlichem Limit keine Diskussion entstehen kann wenn jeder im Publikum „auch mal was sagen“ darf. Es könnte also wenig sorgfältige Planung der Grund für diese Nicht-Debatte sein, denn man soll nicht mit Bösartigkeit zu erklären versuchen was auch durch mangelnde Fähigkeit erklärt werden kann. Dennoch fällt es natürlich nach der Piratinnenkon mit ihren Diskussions-Unterdrückungs-Regeln zunehmend schwer zu glauben dass die Verhinderung einer wirklichen Diskussion bei diesem genderfeministischen Vortrag ein Zufall gewesen sein soll.

Der erste Gast

Der erste Gast stellt sich und Frau Dornheim zum Beispiel ab 0:22:58 die Frage wie man das Instrument „Quote“ überhaupt zielgerichtet nur an den wirklich notwendigen und gerechtfertigten Stellen einsetzen kann. Er mutmaßt, dass es vielleicht faktisch unmöglich sei ein Gesetz so zu formulieren dass es sowohl praktisch akzeptiert wird, als auch juristisch nicht angreifbar ist.
Frau Dornheim antwortet darauf mit mehreren Äußerungen, die auf die etwas unglückliche Metapher, in die der junge Mann seine Fragestellung gekleidet hat, einzugehen scheinen. Bei genauer Betrachtung aber haben ihre Einlassungen überhaupt nichts mit der Fragestellung zu tun.
Er sagt, zusammengefasst: Die Tatsache, dass manche Menschen depressiv sind (dass es in manchen Bereichen unterrepräsentierte Geschlechter gibt), kann kein Grund sein allen Psychopharmaka zu verschreiben (ist kein Grund überall eine Quote einzuführen). Man braucht also eine individuelle Therapie (Quoten nur in manchen Bereichen). Da Gesetze aber eine gewisse Allgemeingültigkeit haben müssen ist es aber vielleicht praktisch und juristisch nicht möglich Quoten so gezielt einzusetzen wie es notwendig wäre.
Sie antwortet darauf, zusammengefasst: Man kann ja nicht den Patienten überlassen ob sie ihre Tabletten nehmen wollen, der Patient hat zu nehmen was verordnet ist. Im Rahmen der Metapher bedeutet das: Die Leute haben sich an die verordnete Quote zu halten.
Damit geht sie auf die eigentliche Frage gar nicht ein. Die lautet nämlich ob ein Gesetz nicht immer viel zu wenig zielgenau sein muss um wirklich nur da Quoten einzuführen wo man sie braucht.
Das bedeutet: Sie versteht die Frage überhaupt nicht und sagt einfach irgendwas. Dass der Fragesteller verwirrt ist ob der Nicht-Antwort die er erhalten hat sieht man im Video sehr schön: Er verharrt noch längere Zeit in einer Geste des Überlegens.
Und das ist nicht der einzige Fall wo man gerne noch eine Nachfrage gehört hätte bzw. wo Frau Dornheims „Widerlegung“ völlig am Thema vorbei geht.

Abwarten ist Unrecht: Strohmannargumente für die sofortige Zwangsquote

Ab 0:25:25 fragt ein junger Mann, ob es denn überhaupt möglich sei, Gerechtigkeit herbeizuzwingen; ob es nicht besser wäre wenn Frauenanteile langsam und organisch wüchsen; ob nicht eine Quote eher Widerstand und Ablehnung hervorruft und die Möglichkeit verbaut dass ein höherer Frauenanteil als positiv wahrgenommen und wirklich akzeptiert wird.
An dieser Stelle ist zu erwähnen dass er der einzige ist der mit Frau Dornheim in einen Dialog treten kann – allerdings nur weil sie ihm bei 0:26:10 ins Wort fällt, noch bevor der Ordnungsdienst ihm das Mikrofon weggenommen hat.
Nachdem der Gast dann doch noch hat zuende reden dürfen, versucht Frau Dornheim ab 0:26:50 als erstes den Gast davon zu überzeugen, er habe eigentlich das Argument bringen wollen „Wenn wir eine Quote einführen vernächlässigen wir den kulturellen Wandel“; aber leider will der Gast nicht ganz zustimmen.

Ab 0:27:15 versucht Frau Dornheim dann zu argumentieren. Leider greift Sie dabei das Argument des Gastes wieder nicht auf. Sie legt nicht dar warum eine schnelle Einführung einer starren Quote die Akzeptanz von mehr Frauen und generell von Quoten nicht ernsthaft gefährden könne. Statt dessen argumentiert Sie, höhere Frauenanteile auf sanftere Weise durchzusetzen dauere zu lange, und eine mit Zwang durchgesetzte Quote sei besser als Ungerechtigkeit.

Diese Argumentation ist meiner Meinung nach eine Variante der Strohfrau-Argumentation.
Auf das vom Gast entworfene Alternativ-Szenario einer langsamen Förderung eines größeren Frauenanteils wird gar nicht eingegangen. Statt auszuführen warum das Szenario des Gastes abzulehnen sei wird hier ein angeblich äquivalentes Szenario aufgebaut, das aus dem bewährten feministischen Feindbild der weißen gebildeten Mittelschicht-Männer besteht die prinzipiell Frauen ablehnen.
Dann wird gegen den so aufgebauten Strohmann argumentiert: Es sei besser mit Zwang eine Quote durchzusetzen, als die Ungerechtigkeit des geringen Frauenanteils zu akzeptieren.
Frau Dornheim redet also wieder komplett am Argument vorbei, denn das Szenario der dauerhaften Ungerechtigkeit der Besetzung von Stellen durch weiße gebildete Mittelschichtmänner hat sie selbst als Strohmann aufgebaut; der Gast hat nicht argumentiert dass Ungerechtigkeit dauerhaft bestehen solle, er hat lediglich angezweifelt dass eine schlagartig eingeführte Quote der beste Weg zur Beseitigung der Ungerechtigkeit sei. Und Frau Dornheim bringt kein einziges Argument um die Befürchtung zu entkräften eine solche schnelle Quoteneinführung würde vielelicht eher zu Widerstand und gesellschaftlicher Ablehnung von Quoten (und, wegen der Demokratie, zur Abschaffung von Quoten allgemein) führen als zu einem höheren Frauenanteil.

Einschub: Wann sind Argumente Meinungen?

An dieser Stelle möchte ich Bezug nehmen auf Folie 15, ab 0:21:15. Hier stellt Frau Dornheim eine interessante Kategorisierung von Argumenten vor; eine Kategorie sind z.B. „Argumente, die eigentlich nur Meinungen sind“.
Dass manchmal Argumente nur Meinungen sind, ist eine kluge Erkenntnis, nur leider nicht weit genug gedacht. Argumente sind in den allermeisten Fällen logisch und zwingend – in dem Bezugsrahmen, in dem der Argumentierende denkt. Argumentationen bauen häufig auf Prämissen darüber auf wie „die Welt“ oder „der Mensch“ sei, oder welche Werte wichtiger oder weniger wichtig sind als andere Werte. Das bedeutet: Menschen haben Ansichten, also Meinungen, welche Werte wie zu gewichten seien, welche Dinge wahr seien und welche nicht. Ihre Argumente bauen dann auf ihrer jeweiligen Weltsicht auf und sind im Rahmen dieser Weltsicht, ihres Denksystems, basierend auf ihren Prämissen also, absolut logisch.

Oder anders gesagt: Frau Dornheim hat dann absolut recht mit ihrer Quotenforderung, wenn man voraussetzt, dass die Einführung der Quote keine Ungerechtigkeit gegenüber Männern ist, sondern die Quote lediglich die ungerechtfertigte Bevorzugung wieder ausgleicht, durch die die „überschüssigen“ Männer ihre Position überhaupt erst bekommen haben. Diese Sicht kann man nur dann einnehmen wenn man voraussetzt, dass eine Geschlechter-Quote, die von einer 50:50-Quote abweicht, zwingend ungerecht sei. Diese Sicht kann man nur dann haben wenn man voraussetzt dass Frauen und Männer natürlicherweise zwingend gleiche Interessen hätten. Und diese Sicht wiederum kann man nur dann haben wenn man nicht an biologische bedingte Unterschiede zwischen Männern und Frauen glaubt.
Wenn man allerdings an biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen glaubt, dann ergibt sich daraus dass Männer und Frauen unterschiedliche Interessen haben könnten und wahrscheinlich auch haben. Das bedeutet, dass unterschiedliche Verteilungen von Frauen und Männern der Regelfall sein könnten und wahrscheinlich auch sind. Das bedeutet, dass eine hohe Männer-/Frauen-Quote in einem Bereich nicht zwingend ein Indiz für Ungerechtigkeit sein muss. Und das bedeutet, dass die Einführung einer Quote ein Unrecht gegenüber dem dann wegen der Quote und seines Geschlechts zu benachteiligenden Individuum sein könnte.

Das bedeutet: Argumente sind häufig innerhalb ihres Bezugsrahmens logisch und zwingend; doch die Prämissen auf deren Grundlage zwei Menschen diskutieren können unterschiedlich sein. Dann argumentieren sie zwangsläufig aneinander vorbei. Es ist dann sinnlos auf dem Level der sich aus den Grundlagen ableitenden Argumente zu diskutieren; was eigentlich diskutiert werden muss ist die Validität der jeweiligen Prämissen, also der Meinungen die diese Prämissen bilden.
Wenn man mal die verschiedenen Systeme ansieht die ich kurz angerissen habe, also das differenzfeministische System wo Unterschiede zwischen Frauen und Männern möglich sind, und das gleichheits- bzw. genderfeministische System wo Unterschiede zwischen Frauen und Männern ausgeschlossen sind, sieht man dass das gleichheits- bzw. genderfeministische System „klarer“ zu sein scheint. Wo man als Differenzfeminist nie genau sagen kann ob in bestimmter Hinsicht im allgemeinen oder im besonderen ein Unterschied zwischen Frauen und Männern bestehen könnte oder nicht kann man das als Genderfeminist immer kategorisch ausschließen. Vielleicht macht diese Einfachheit und scheinbare Klarheit den Reiz des Genderfeminismus aus. Einfache Antworten auf schwierige Fragen sind und waren immer schon Attribute von Ideologien die gerade für junge Menschen mit dem Drang die Welt zu verstehen attraktiv sind.

Zum Glück gibt es viele wissenschaftliche Hinweise darauf, dass die Prämisse des Genderfeminismus, dass Frauen und Männer absolut gleich sind und gleiche Interessen haben, nicht stimmt. Das bedeutet, dass der Genderfeminismus wahrscheinlich auf falschen Annahmen basiert, ebenso wie die daraus abgeleitete Quotenforderung.

Aber jetzt weiter in der Diskussion:

Einzelschicksale bei der FZS

Ein weiteres Beispiel für die Qualität der „Widerlegung“ von Quotenkritik findet sich bei 0:42:48. Dort darf ein anscheinend politisch tendenziell links engagierter junger Mann die Erfahrung machen was es heißt den Versuch zu unternehmen von einem individuellen Standpunkt zu argumentieren und nicht genderfeministisch korrekt aus Gruppensicht.
Er berichtet, dass wegen der starren 50:50-Quote nur zwei Personen in den Vorstand des Freien Zusammenschlusses der Studierendenschaften (FZS) gewählt wurden, obwohl es drei Kandidat_Innen gab. Er führt nicht genau aus wo er das Problem sieht. Sein Argument gegen die „starre Quote, bei der Quote wichtiger als als Besetzung von Posten“ scheint aber zu sein, dass der Ausschluss von Menschen aufgrund ihres Geschlechts sowohl menschlich als auch von der Effizienz des Gremiums her kontraproduktiv sei.
Frau Dornheim geht aber nicht auf das Argument ein sondern wischt es vom Tisch, mit folgenden „Argumenten“: Erstens sei dieses Beispiel ein Einzelfall („Individualbeispiel“); zweitens sei der FZS selbst schuld, da er nicht hinreichend um genug Frauen geworben habe.
Das „Einzelfall-Argument“ ist aber kein Argument, sondern eine Marginalisierungs- und Kleinrede-Strategie, nach dem Motto „Wo gehobelt wird fallen Späne“ ((Normalerweise wird den sogenannten Maskulisten vorgeworfen solche Strategien zu nutzen.)). Und das „Selbst Schuld-Argument“ ist der Versuch, die Schuld an der ungünstigen Situation allein auf die Personen zu schieben die die starre, kontraproduktive Quotenregelung anwenden mussten, und den Anteil der Quotenregelung und der Personen die diese Regelung beschlossen haben an der ungünstigen Situation kleinzureden ((Man beachte die Analogie dieser Rhetorik zur Täter-Opfer-Umkehr)). Aus genderfeministischer Sicht ist diese Nicht-Argumentation paradoxerweise absolut schlüssig. Denn da die Quotenregelung in dieser Sicht das einzige Mittel der Beseitigung der Konditionierung von Menschen auf sozial konstruierte, vom Patriarchat vorgegebene Rollen ist, kann diese Regelung gar nicht falsch oder zu hinterfragen sein. Sie ist also richtig[tm], darum müssen damit in Zusammenhang stehende negative Effekte auf andere Faktoren, hier z.B. unfähige und unwillige Menschen, vor allem aber Männer, zurückzuführen sein ((Der Sozialismus ist ja auch nur an den unwilligen Menschen gescheitert, wird erzählt…)). Und darum merkt Frau Dornheim auch nicht dass sie mit ihrer Antwort die von einer verfehlten Quotenregelung Betroffenen für deren negative Effekte verantwortlich macht und als zu unengagiert verhöhnt.

Zusammenfassung

Mir als Piraten ist es langsam peinlich dass der Bundesvorstand wieder eine Veranstaltung gesponsert hat bei der von der „Mitmachpartei“ Piratenpartei wieder wenig zu spüren war. Eine Veranstaltung, wo eine wirkliche kritisch-konstruktive Auseinandersetzung des Publikums mit den Darbietungen, so will ich die Vorträge mal nennen, wieder nicht gewollt war.
Unsere Partei ist nicht so reich dass sie Geld für sinnlose Schaufensterveranstaltungen ohne politischen Mehrwert ausgeben sollte.
Ich hoffe dass ein zukünftiger Bundesvorstand darauf achten wird dass Parteiveranstaltungen in Zukunft dazu dienen dort politische Fragen zielorientiert, aber ergebnisoffen zu diskutieren.