Archiv für den Monat: Februar 2014

#Spendengate, #Bombergate, #piraten, Feminismus und „Female Hypoagency“

Es ist gar nicht so lange her, dass ich das erste Mal von (der Theorie der) „Female Hypoagency“ (wörtlich „Weibliche Unter-Verantwortlichkeit“, sinngemäß wohl besser „Verneinung der weiblichen Befähigung zur Übernahme von Verantwortung“) gehört habe.

Diese Theorie besagt ganz grob gesagt, dass es eine gesellschaftliche Tendenz gibt, Frauen die Fähigkeit zur Übernahme von Verantwortung abzusprechen.
Das ist dann für Frauen negativ, wenn man Frauen aufgrund dieses Stereotyps bzw. Vorurteils die Fähigkeit abspricht, Verantwortung zu übernehmen, und sie in Folge dessen keine verantwortungsvollen Tätigkeiten übertragen bekommen.
Und es ist dann für Frauen positiv (im Sinne von positivem Sexismus), wenn Frauen aufgrund dessen zu Unrecht aus Verantwortung entlassen werden.

Es gibt meiner Meinung nach durchaus zahlreiche Indizien dafür, dass „Female Hypoagency“ tatsächlich existiert. Z.B. die Statistik über die Länge von Haftstrafen von Männern und Frauen für ähnliche Verbrechen. Generell die Tendenz, bei Frauen Ausreden und Rechtfertigungen für ihre Taten zu erfinden, während man Männer dafür verantwortlich macht ((möglicherweise liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte, denn möglicherweise ist auch der freie Wille nur Illusion…)).

Wie berichtet z.B. die Presse, wenn eine Frau sich und ihre Kinder tötet, und wie, wenn das ein Mann tut? Dem Mann unterstellt man oft egoistische Motive (z.B. Rache, verletzter Stolz – Eigenverantwortung); die Frau hingegen muss depressiv und verzweifelt gewesen sein (Krankheit, keine Verantwortung).

Warum können Männer in mittleren Positionen in Unternehmen nicht weiter aufsteigen, und warum können Frauen das nicht? Klar, bei Frauen gibt es die „gläserne Decke“ (keine Verantwortung), Männer sind einfach nicht gut genug (Eigenverantwortung), oder es gibt einfach keine freie Stelle.

Okay, das hört sich jetzt in den Ohren mancher vielleicht erstmal nach so plumper Masku-Scheiße an, aber wie lässt sich ohne Female Hypoagency erklären, warum bei #bombergate und #spendengate jeweils irgendwie alle schuld sein sollen, außer natürlich den Frauen, von denen eine im Fall #bombergate eine weniger überlegte Nackt-Protest-Aktion durchgezogen hat, und die andere im Fall #spendengate allem Anschein nach 4000€ beleglos hat verschwinden lassen? ((Ich wäre wirklich an einer rationalen Erklärung interessiert die besser ist als die „Female Hypoagency“-These.))

Beim #bombergate ist die Frau *irgendwie* nicht verantwortlich, die sich selbst schlecht vermummt selbst einen nicht-so-prallen Spruch auf die Brust gepinselt hat, wovon dann ein enger Freund und direkter Kontakt ein Foto gepostet hat, vermutlich auf ihren eigenen Wunsch hin.
Schuld sind stattdessen die CDU, die Medien und die innerparteilichen Gegner, was natürlich absurd ist, denn es waren ja enge Freunde die das Foto gemacht und an alle Welt gepostet haben und die Frau selbst, die die Aktion durchgeführt hat. Und natürlich ist auch sie selbst dafür verantwortlich, dass es das Vergleichsfoto gibt, mit dessen Hilfe sie identifiziert wurde.

Beim #spendengate erfindet jetzt ein taz-Blogger/Journalist eine von der Tendenz her entlastende Legende, die die Unfähigkeit einer Frau, über die Verwendung von 4000€ Rechenschaft abzulegen, der Tatsache zuschreibt sie sei, kurz gesagt, wohl dauerhaft gestresst gewesen.
Oder auch, anders zusammengefasst: Sein Bauchgefühl sage, es sei wohl zuviel verlangt von Menschen, die Ende 2012 öfter freiwillig bei Minustemperaturen an Pro-Flüchtlings-Demonstrationen teilgenommen haben, perfektes Handeln zu erwarten.
Frau #spendengate ((Ich nenne ja keine Namen)), deutsche Staatsbürgerin, der beim Flüchtlings-Protest ungefähr gar nichts passieren konnte und die hervorragend in der Berliner Antifa vernetzt ist und auch Freunde hat, die vom Staat recht gut bezahlt werden, soll nach dieser Legende wochen, monate- und jahrelang irgendwie nicht in der Lage gewesen sein das empfangene Geld bestimmungsgemäß auszugeben oder über die Verwendung in irgendeiner Form Rechenschaft abzulegen. Klingt komisch, ist aber das, was der gute taz-Blogger sich als „Erklärung“ zusammengereimt hat.

Aber mal von Anfang an: Anfang November 2012 erhielt Frau #spendengate 4000€, um damit eine Kamera zu kaufen und z.B. Thermo-Klamotten für die Flüchtlinge. ((Die Flüchtlinge sollten mit der Kleidung länger aushalten können und der Spender wollte Aufnahmen von der Demo im allgemeinen und im speziellen dem Einsatz seiner Spende im Internet veröffentlicht sehen, so jedenfalls die Recherchen des taz-Bloggers)) . Da sie eine engagierte Unterstützerin der Flüchtlinge war, war sie allerdings so damit beschäftigt rund um die Uhr die frierenden Flüchtlinge zu unterstützen, dass sie keine Thermo-Klamotten für die Flüchtlinge kaufen konnte, und keine Kamera. Darum mussten die Flüchtlinge leider weiter frieren. So jedenfalls lautet die Story die der taz-Blogger recherchiert haben will. Ergibt das irgendeinen Sinn? Nein. Denn es ist völliger Unsinn. Es gibt einfach keine sinnvolle Erklärung dafür dass sie das Geld nicht einfach sofort in den ersten Tagen nach Eingang der Spende bestimmungsgemäß verwendet hat. Wer twittern kann hätte auch im Online-Shop warme Klamotten bestellen können.

Im weiteren Verlauf beschwerte sich dann laut taz-Recherche-Blog der Spender gegen Ende November 2012 darüber, dass er nicht, wie gewünscht, eine Rückmeldung über die Verwendung des Geldes in Form entsprechender Aufnahmen erhalten habe. Nachdem es dann bis Februar 2014 keinen Nachweis über die Verwendung des Geldes gab taucht jetzt, Ende Februar 2014, die Geschichte auf, das Geld sei für einen Anwalt und ein Kinderfest verwendet worden. Allerdings ohne eine Anwalts-Rechnung oder eine Rechnung über irgendwas zu präsentieren.

Aber der taz-Blogger-Mann geht wohlwollend davon aus, dass Frau #spendergate, die immerhin dafür bekannt sein soll sich sehr zu engagieren, die ganze Sache einfach völlig verschusselt hat und sich dann nicht mehr aufraffen konnte das Problem aus der Welt zu schaffen.

Klar war es auch nicht sehr klug von dem Spender, einer anscheinend weniger organisierten Privatperson anonym 4000€ zuzuschicken, obwohl man durch eine offizielle Spende das Geld hätte verdoppeln und ihm eine Spendenquittung ausstellen können. Und klar ist es auch etwas Aufwand für Frau #spendengate, Belege zu sammeln und nicht zu verlieren und Rechenschaft abzulegen. Buchhaltung ist eben für die meisten eine lästige Pflicht.

Aber andererseits hat Frau #spendergate die 4000€ definitiv bekommen. Sie hat sie nicht bestimmungsgemäß verwendet und keine Rechenschaft abgelegt. Hier spielt es — lieber taz-Mann — auch keine Rolle, ob es kalt war und warum es ihr nicht möglich war zwei Stunden zu investieren um eine Kamera und warme Jacken zu kaufen und die Belege aufzuheben.

Anstatt Rechenschaft abzulegen und das vereinbarte Video von den Flüchtlingen mit warmen Sachen oder zumindest Quittungen über sinnvolle Ausgaben zur Unterstützung der Proteste abzuliefern hat sie lieber geleugnet, überhaupt Rechenschaft ablegen zu müssen, denn der Spender sei gar nicht der Spender, und diesen auch noch von ihrem Umfeld beschimpfen lassen, was definitiv eine ziemlich extreme Unverschämtheit und Unverfrorenheit darstellt.

Und nach dieser Serie von schweren persönlichen Verfehlungen von Frau #spendergate kommt dann der taz-Mann und sagt: Hey, es war aber doch kalt ((Das sie 4000€ für warme Sachen in der Tasche hatte lassen wir mal unter den Tisch fallen…)), und sie hatte so viel zu tun, und sie hat es doch sicher gut gemeint, und man kann kein perfektes Handeln erwarten von einer engagierten Aktivistin!
Nun ist aber „nicht perfektes Handeln“ etwas ganz anderes als erst gar nichts tun und dann „Leugnen, lügen, beschimpfen lassen“. Der Journalist bzw. Blogger verharmlost und beschwichtigt hier also ganz massiv, indem er das indiskutable Fehlverhalten von Frau #spendengate generös in „nicht perfektes Verhalten“ umdeutet mit dem Subtext, jeder hätte doch schon mal einen Kassenbon verloren oder vergessen einzukaufen, da könne man doch nicht so sein.

Und das steht dann in einem Beitrag in einem „Rechercheblog“, der so tut, als würde er versuchen objektiv zu sein. In Wirklichkeit aber nimmt er eine erwachsene, für sich selbst verantwortliche Frau nicht ernst, indem er fadenscheinige Ausflüchte erfindet, warum sie nicht in der Lage war eine größere Geldmenge wie versprochen für Flüchtlinge auszugeben. Rein zufällig übrigens eine junge, durchaus attraktive Frau.

Wie lässt sich das alles erklären, wenn nicht mit „female hypoagency“ bzw. der Annahme, dass einigermaßen attraktive junge Frauen einfach nicht schuld sein können und dürfen, woran auch immer?

Die beiden #gates zeigen meiner Meinung nach auch, dass die Theorie der „female hypoagency“ vielleicht absurderweise sogar die Realität ziemlich treffend abbildet: Denn ganz offensichtlich übernehmen junge Frauen tatsächlich sehr gern keine Verantwortung und lassen sich im Fall eigenen Versagens gern von ihren meist männlichen Hilfstruppen verteidigen. ((Gern auch mit massiver verbaler Gewalt, auch wenn man sonst von Safe-Spaces und gewaltfreier Kommunikation zu faseln beliebt)). Sonst hätten die beiden ja die Konsequenzen ihres jeweiligen Handelns getragen, wären zurückgetreten, hätten das Geld zurückgezahlt, oder sonst irgendetwas getan um die von ihnen verursachten Schäden an Vertrauen, Partei, Finanzmitteln etc. wieder gut zu machen.

Statt dessen lassen sie sich von anderen rausreden, von meist männlichen Verteidigern, denen keine noch so konstruierte Geschichte zu blöd zu sein scheint um die armen, schwachen, überforderten Frauen davor zu retten, für den Mist den sie gemacht haben selbst einstehen zu müssen.

Wenn überhaupt jemand schuld sein kann an den Dingen, die jüngere, attraktive Frauen verzapfen, dann sind es, glaubt man den eilfertigen Verteidigern, die Umstände. Man solle doch den Kontext beachten in dem die #Gate-Damen gehandelt hätten, wird gefordert. Dann erkläre sich alles.
Aber erstens ist das Bullshit, denn natürlich sind Frauen auch unter schwierigen Umständen nicht weniger verantwortlich für ihr Handeln, und anderes anzunehmen würde bedeuten, Frauen nicht zuzutrauen unter Druck richtig zu handeln. ((Und das wäre „sexistische Kackscheiße“, nicht wahr?))

Und zweitens interessiert in der Politik, bei Männern, der Kontext kein Schwein, und zwar zu recht. Brüderle kann nachts um eins noch so betrunken sein – interessiert keinen, es wird erwartet, dass er *immer* korrekt handelt.
Und auch ältere, nicht mehr so attraktive Frauen wie Alice Schwarzer können sich nicht so einfach aus allem rausreden, wenn sie Millionen in die Schweiz geschafft haben – die Mitleids-Tour mit der angeblich geplanten Flucht in die Schweiz hat ja nicht so gezogen.

Von daher sollen sich doch bitte alle, die sich jetzt irgendwelche Gründe ausgedacht haben warum zwei erwachsene Frauen nicht in der Lage sein sollen selbst Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen mal überlegen, wie sie dazu kommen diese Frauen mit ihrem wohlwollenden Sexismus zu überziehen, wenn nicht aus dem Grund, dass sie diese Frauen insgeheim als arme kleine niedliche verhuschte Mädchen sehen, die man unbedingt beschützen muss.

Wer wirklich daran interessiert ist Rollen-Stereotypen aufzubrechen, der sollte aufhören mit zweierlei Maß zu messen und auch Frauen jederzeit für ihr Handeln zur Verantwortung ziehen. Sonst werden Frauen – solange sie noch jung und beschützenswert aussehen – nicht lernen, was Verantwortung übernehmen bedeutet. Und dann werden Frauen auch weiterhin Probleme haben, Karriere zu machen, weil man ihnen dann – ironischerweise letzen Endes zu Recht – weiterhin nicht zutraut, Verantwortung zu übernehmen.

Update 1: Es ist ja auch nicht so, als wenn mir die beiden Damen nicht auch irgendwie leid täten. Ich kenne auch das Gefühl wenn einem bewusst wird, dass man gerade etwas getan hat was einem auf die Füße fallen könnte und wahrscheinlich auch wird. Dieser Schlag in den Magen, die Panik…; das wünsche ich niemandem.

Aber wir reden hier von Leuten, die für die Bundestags- und Europawahl kandidieren oder kandidiert haben, und die in den 20ern sind und nicht gerade erst 18 oder so.
Sprich: Diese Damen erheben einen Anspruch darauf, ernst genommen zu werden. Sie steigen in den Ring und wollen in der Königsklasse mitspielen. Sie wollen Verantwortung übernehmen und Einfluss ausüben. Wenn man das will muss man konsequenterweise auch damit rechnen mit den Maßstäben gemessen zu werden mit denen in dieser „Spielklasse“ eben gemessen wird. Und man muss die Regeln akzeptieren, die in dieser Spielklasse gelten, und die verzeihen weder unüberlegte Provokationen noch schlechten Umgang mit Geldmitteln.

Bombergate reframed!

Eine Piratin ((ich nenne hier absichtlich den Namen nicht, um einer künftigen bürgerlichen Existenz der Frau nicht im Wege zu stehen, sollte es diese Seite im Suchmaschinen-Index nach oben spülen)) hat eingestanden, oberkörperfrei mit der Aufschrift „Thank you Bomber Harris“ am Jahrestag der Bombardierung von Dresden posiert zu haben.

Die Aktion selbst fanden inner- und außerhalb der Piratenpartei viele Menschen geschmacklos bis menschenverachtend. Denn der Luftangriff auf Dresden gilt als ein Angriff mit — nicht nur im Verhältnis zur militärischen Bedeutung der Stadt — unnötig vielen zivilen Opfern, bei dem zudem besonders schrecklich wirkende Brandbomben eingesetzt wurden.

Jetzt sind interessante Beiträge zur Erklärung dieser Aktion erschienen:

Im Magazin Carta erläutert Daniel Schwerd, man müsse diese Aktion im Kontext antifaschistischer Bemühungen zur Abwehr von Versuchen von Neonazis sehen, Geschichtsklitterung und Revisionismus zu betreiben. Und auch Fabio Reinhard schreibt in einem Blog-Post, es sei bei dieser Aktion darum gegangen ein faschistisches Re-Framing des Dresdner Bombenangriffs zu verhindern.

Wenn man diese ganzen Beiträge liest kann man fast den Eindruck bekommen, dass die Bombergate-Piratin unverschuldet nach einer zumindest sehr gut gemeinten antifaschistischen Aktion ins Kreuzfeuer der bösen Medien und natürlich der Faschisten geraten sei.

Ich denke, hier muss man ein paar Dinge gerade ziehen:

Es ist richtig, dass Nazis schon seit längerer Zeit versuchen die Luftangriffe auf Dresden zum „Bomben-Holocaust“ umzudeuten und damit gleichzeitig erstens den Holocaust zu verharmlosen und zweitens den Bombenangriff auf Dresden als schlimmstmögliches Kriegsverbrechen zu überhöhen.
Gegen diese Umdeutung des Bombenangriffs etwas zu unternehmen ist natürlich absolut legitim.

Aber die Bombergate-Piratin hat hier völlig untaugliche Mittel angewandt. Denn man verhindert das rechte Re-Framing — dem die Taktik zugrunde liegt, immer nur ein wenig rechts neben der Wahrheit zu sein, so dass Menschen diese neue Version der Geschichte leicht annehmen können — natürlich nicht, indem man einen Bombenangriff, der mittlerweile als Kriegsverbrechen gesehen wird, als eine Art Segen darstellt, für den man dankbar sein müsse.
Ganz im Gegenteil: Man erscheint als pietätlos, Opfer verhöhnend und sinnlos provozierend, wie die Reaktionen der Öffentlichkeit gezeigt haben.
Denn die Sicht auf Krieg und Gewalt hat sich glücklicherweise in Deutschland in den letzten 100 Jahren gewandelt, und Angriffe auf die Zivilbevölkerung gelten mittlerweile als grausam, unnötig und kriminell. Und das ist durchaus gut, weil das eine humanistische, pazifistische und nicht-militaristische Sicht ist. Und dass sich diese Sicht verbreitet, ist bestimmt nicht im Sinne der Rechtsextremen, die doch sonst („Todesstrafe für Kinderschänder!“) bei ihren Framing-Versuchen stets versuchen, eine bejahende Einstellung zu Gewalt, Ausgrenzung etc. zu vermitteln.
Und darum war es kontraproduktiv mit dem Spruch „Thank you Bomber Harris“ dieses richtige, empathische Empfinden der Menschen ebenso anzugreifen wie die Neonazis, die damit getroffen werden sollten. Stattdessen hätte man gezielt gegen die Holocaust-Relativierung oder den Versuch der Erweckung nationalitischer bzw. anti-britischer Ressentiments vorzugehen versuchen sollen.

Dass es den Leuten hinter dieser Aktion anscheinend schwer fällt wirklich zu verstehen warum ihre Aktion scheitern konnte zeigt leider nur, dass sie sich in ihrer Filterbubble schon so weit von der Weltsicht durchschnittlicher Menschen entfernt haben, dass es Ihnen nicht mehr möglich war den Effekt dieser Aktion richtig einzuschätzen.
Und das bedeutet wiederum, dass die Bombergate-Piratin keine geeignete Person ist, um irgendwen im Europaparlament zu vertreten.

Denn wer in Europa Verantwortung übernehmen will, der sollte für das eigene Handeln Verantwortung übernehmen, und das tut sie nicht.

Die Argumentation dazu (aus ihrem Umfeld) lautet, zusammengefasst, ungefähr so: Hätte die Presse sie nicht auf unverantwortliche Weise enttarnt, wäre gar nichts passiert. Und da sie nun nur wegen dieser Enttarnung Angriffen ausgesetzt sei, könne sie nicht zurücktreten, weil sonst die Angreifer triumphieren würden, was nicht passieren dürfe, da unter diesen Nazis seien, und Nazis nicht gewinnen dürften.

Diese Argumentation ist … interessant. Allerdings kann man dem Berliner Kurier bestimmt nicht vorwerfen, dass es einem Journalisten gelungen ist die Bombergate-Piratin zu identifizieren, und dass man aufgrund ihrer Rolle als Europaparlaments-Kandidation darüber berichtet hat.
Auch die nicht unbedingt als rechtes Kampfblatt bekannte „taz“ hat sich entschieden, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hier schwerer wiegt als das Interesse der Piratin von den Auswirkungen der von ihr selbst gesuchten Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit verschont zu bleiben. Darum erscheint die daraufhin verbreitete Theorie gewagt, der Berliner Kurier sei eine Nazi-Postille die durch diese „Enttarnung“ anti-antifaschistische Tendenzen gezeigt habe.

Wie es jemand anderes so schön formuliert hat: Wir stellen uns schützend vor die Bombergate-Piratin, so wie jeder Bürger es verdient dass die Zivilgesellschaft und der Rechtsstaat sich schützend vor ihn stellen, wenn er für die Ausübung seine Meinungsfreiheit auf kriminelle Art und Weise angegangen und bedroht wird. Sogar dann, wenn er diesen Rechtsstaat und die Meinungsfreiheit insgeheim verachtet.
Aber wir stehen in Bezug auf diese Aktion nicht hinter ihr, und wir können auch nicht zulassen dass sie sich selbst aus jeglicher Verantwortung für ihr eigenes Handeln und dessen Folgen herauswinden will, indem sie die Geschehnisse so umdeutet, dass aus der erfahrenen Antifaschistin und geplant besonders provokant und öffentlichkeitswirksam auftretenden Verursacherin eines parteischädigenden Skandals ein Opfer von rechten Medien und Nazis wird.

Denn sie ist eine erwachsene Frau und erfahrene Antifaschistin der man durchaus zumuten kann, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.
Wir sollten hier nicht auf diese Ausreden, diesen Exploit hereinfallen der das Geschlechterstereotyp auszunutzen versucht, dass Frauen für „weniger zu Verantwortung befähigt“ gehalten werden. Würden man einem Mann so eine Aktion ebenso leicht verzeihen wie manche nun der Bombergate-Piratin alles verzeihen wollen? Ich denke nicht.


Update 1: Die Bombergate-Piratin hat sich mittlerweile entschuldigt bzw. eher gerechtfertigt. Leider ohne Konsequenzen zu ziehen und zurückzutreten, und leider, so meinen manche, mit einem Statement voller Lügen:
Die Nackte, der Knipser und die Lügen
Legendenbildung über den 12. und 13. Februar 2014

Schwarzers „Flucht in die Schweiz“

Frau Schwarzer!

Sie haben also in den 1980ern ein Konto in der Schweiz angelegt.
Weil Sie dachten, Sie müssten vielleicht aus Deutschland fliehen.
Ausgerechnet in die Schweiz.

Wo es in den 80ern in einigen Kantonen noch kein Frauenwahlrecht gab?