Der „Fall Relotius“ hat gezeigt: Der „Confirmation Bias“ betrifft auch die Guten, Redlichen und Wohlmeinenden. Was man auch schon aus dem Fall des UVA Rape Hoax hätte lernen können: „One must be most critical, in the best sense of that word, about what one is already inclined to believe.“ (Richard Bradley).
Tja. Relotius hat nun alle getäuscht. Er hat das geschrieben, was die Leute hören wollten, statt der Wahrheit.
Er hat die Wahrheit modifiziert, er hat Dinge übertrieben, übersteigert, eine alternative Realität erfunden, die seine Chefs und Leser besser fanden als die schnöde Realität, quasi eine „bessere Wahrheit“, wo sich alles so verhielt, wie man es sich wünschte, dass es sei.
Interessanterweise war das eine Welt, in der nicht alles besser war als in Wirklichkeit, sondern schlechter, dramatischer, schlimmer. Eine Art „Elends-Rassismus-Porn“, wo Trump-Wähler gegen Mexikaner hetzen, buchstäblich „hinter dem Wald“ wohnen, monatelang dieselben Gewaltfilme schauen und genau so ekelhaft, verabscheuenswürdig und dumm sind, wie es sich ein Spiegel-Leser, um sich selbst zu überhöhen in seiner Rechtschaffenheit, gerne vorstellt.
Als mir das klar geworden ist, musste ich spontan an die Gattung der „feministischen Hetzglosse“ denken. Sie nutzt die gleichen Mittel wie Relotius: Sie konstruiert eine andere Realität. Eine Realität wo Männer stets bevormundende, sexistisch pöbelnde, gewalttätige, Macht- missbrauchende Monster sind (oder Waschlappen, die zuschauen) und Frauen Opfer ständiger Bedrohung und Aggression.
Es sind literarisierte Phantasien von Sexismus, die nur die Fertigkeit der jeweiligen Autorin darstellen, wohlig-schauerliche Märchen über ein gar schreckliches, Frauen-terrorisierendes Patriarchat zu fabrizieren.
Natürlich haben diese Texte nicht den Anspruch, die Realität darzustellen. Aber ebenso natürlich ist der Sub-Text dieser Texte, dass es doch — zwinker, zwinker! — in Wirklichkeit zumindest fast genau so ist! Gefühlt zumindest. Die Texte reißen, so scheint die Intention zu sein, durch die Übertreibung der sexistischen Realität die Maske von deren hässlicher Fratze.
Die Existenz und Prävalenz dieser Textform (monatlich erscheinen dutzende dieser Texte in Zeit, SZ, Spiegel) ergibt nur einen Sinn, wenn es, wie bei Relotius, darum geht, den Lesern und Leserinnen etwas zu bieten, was sie lesen wollen, überzeichnete schlechte Nachrichten, die „larger than life“ sind; „Sexismus-Porn“, der die eigene Weltsicht bestätigt, statt zum Nachdenken anzuregen, dichotome Märchen als Ersatz für die viel ambivalentere Realität, wo alles nicht so schön schwarz und weiß ist und z.B. Sexismus eben nicht nur von einer Seite ausgeht.
Die wirkliche Realität ist die, wo angeblich seriöse Medien Autorinnen wie Margarete Stokowski monatliche Kolumnen zugestehen, um die Leserschaft mit ihren literarisierten Phantasien einer Frauen-hassenden Welt zu unterhalten und ihren feministischen Confirmation-Bias zu füttern.
Dabei sollte man sich klar machen: Was hier veröffentlicht wird sind Phantasien, die Männer verächtlich machen und Hass auf sie schüren, wie Relotius‘ Phantasien Südstaatler verächtlich gemacht und Hass gegen sie geschürt haben.
Möglicherweise sollte man jetzt, in der Stunde 0 nach Relotius, auch über diese Praxis einmal nachdenken.