Die ganzen Krisen – was denn jetzt?

Erinnert sich noch jemand an die Zeit vor der Flüchtlingskrise? Da war Finanzkrise.

Der Euro war in Gefahr, und damit ganz Europa, und unsere Wirtschaft, und unsere Ersparnisse, unsere Renten, unsere Zukunft! Wir mussten jede Menge Geld in Griechenland pumpen, zig Milliarden, und es war alles ganz dramatisch und existenziell.

Aber jetzt ist Flüchtlingskrise, und die Finanzkrise ist quasi out. Zwar können wir ein paar Millionen Flüchtlinge vielleicht noch günstiger durchfüttern als zig Millionen Griechen, aber dennoch ist jetzt die Flüchtlingskrise wichtiger.
Und da mache ich mir schon Sorgen, ob die Eurokrise sich jetzt in Luft auflöst, oder ob sie ungelöst bleibt und uns später, weil wir nur noch von Flüchtlingen reden, noch auf die Füße fällt.

Man hat uns jetzt auch wochenlang erzählt, Europa könne die Grenzen nicht dichtmachen, obwohl Ungarn und jetzt auch Slowenien das anscheined sehr wohl können, und auch die DDR das 1961 ziemlich fix und effizient für immerhin fast 40 Jahre sehr gut geschafft hat.

Frau Merkel hat hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland quasi eingeladen, weil man ja die Grenzen nicht dichtmachen könne. Aber dann hat sie mit Erdogan diskutiert, ob man nicht die Flüchtlinge doch in der Türkei behalten könnte, indem (ist klar!) die Türkei einfach die Grenzen dicht macht.
Anscheinend ist die Aufnahme in Europa doch nicht so alternativlos, wie es dargestellt worden ist. Anscheinend können auch außereuropäische Länder mit etwas finanzieller Unterstützung zu weit geringeren Kosten, als sie in der EU pro Flüchtling entstehen, noch weit mehr Flüchtlinge aufnehmen.
Die Asylrechtsverschärfung, die die Grünen jetzt mitgetragen haben, hätte man vor wenigen Wochen auch noch für eine Dystopie irrer Festung-Europa-Nazis gehalten, und — bämm — ist sie da.
Wie passt das alles zusammen mit der bisherigen grünen Rhetorik, wie passt die bisherige Offene-Grenzen-Rhetorik zu den laufenden Bemühungen, die Flüchtlinge doch in der Türkei festzusetzen? Irgendwie ja gar nicht.

Und noch was: Vor der Krise vor der Krise, da wollten wir diese Energiewende schaffen, um nicht weniger als den Planeten und alle 7 Milliarden Menschen darauf vor der Übersäuerung der Meere und dem Anstieg von deren Spiegel und sowie der weltweiten Temperaturen zu retten. ((Ich mag komplizierte Sätze))
War das jetzt vielleicht doch nicht so wichtig? Erhöhen wir die Energiestandards in Deutschland nur zum Spaß immer weiter? Machen wir jetzt für Flüchtlingswohnungen eine Ausnahme von den KfW-70-Standards, die für Neubauten sonst vorgeschrieben sind, und darf man sich dann ggf. als Bürger, der gezwungen wurde, zigtausende Euros in Wärmedämmung zu stecken, verarscht fühlen?

Sind Spar- und Austeritätspolitik, die man uns gepredigt hat, doch Unsinn, so dass wir jetzt doch auf Pump mal eben kurz die Flüchtlingskrise fast im Alleingang lösen können, in Deutschland?
Können wir vielleicht parallel die Welt, den Euro und Syrien retten? Tschaka! — Wir schaffen das?!?

Was ist übrigens mit den biometrischen Pässen, die wir angeblich brauchten, weil ja jeder idenitizierbar sein sollte, und wir die Schengen-Außengrenze sichern wollten. Darf man sich da verschaukelt fühlen angesichts der Tatsache, dass jetzt hunderttausende Leute unregistriert nach Europa reinkommen dürfen, wo vorher kein einziger Europäer ohne biometrischen Pass raus durfte? War die Terrorgefahr etc. doch nur Vorwand für die Etablierung des Überwachungsstaates?

Was ich mit diesem möglicherweise etwas wirr beginnenden Beitrag sagen will: Ich verstehe, wenn Menschen sich heute in Deutschland desorientiert und von der Politik verarscht fühlen. Ich bin auch verwirrt. Die Krisen stapeln sich, aber es gibt keine sichtbare oder glaubwürdige politische Führung. Alte Gewissheiten brechen weg, Europa scheint handlungsunfähig, Merkel handlungsunwillig oder zu zaudernd.
Die Politik agiert nicht mehr, sie reagiert nur noch, und noch bevor eine Krise gelöst ist, kommt bereits die nächste.

Wer nicht die Naivität oder das Gottvertrauen besitzt, einfach mal so abzuwarten, ob nicht doch alles gut wird und sich die verschiedenen Krisen nicht doch in Luft auflösen, mittelfristig, der muss eigentlich nervös werden und sich Sorgen machen.

Vielleicht könnte sich unsere Regierung mal zusammenraufen und sich für eine Lösung entscheiden, anstatt dass jede Fraktion ihr eigenes Süppchen kocht und zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt in eine Art Vorwahlkampf eintritt. Oder die Regierungsparteien sollten die Koalition beenden, damit diese traurige Veranstaltung, die uns auch wieder einmal die Vorratsdatenspeicherung einbracht hat, beendet wird.

Wenn die Regierung etwas Führung erkennen ließen, wenn sie irgendein Konzept zu haben schiene, wie man die verschiedenen Krisen in den Griff bekommen will, wären die „besorgten Bürger“ ((Das sind übrigens „Nazi-Anführungszeichen“, http://sciencefiles.org/2014/04/30/ironische-anfuhrungszeichen-distanzierungsmittel-der-feigen/ )) , und alle Bürger, die deretwegen oder aus anderen Gründen besorgt sind vielleicht wieder beruhigt.

Im Moment demonstriert die Regierung nur Handlungsunfähigkeit und Zerstrittenheit, es scheint, als ließe man sich sehenden Auges quasi auf ein soziales Menschen-Feldexperiment ein, an dem teilzunehmen man die eigene Bevölkerung ungefragt verurteilt. Ich kann verstehen, dass das viele nicht so klasse finden, und ich denke, es gibt auch andere Gründe als Rassismus, aus denen man gegen die Aufnahme zu viele Flüchtlinge sein kann. Zum Beispiel Egoismus, oder das Interesse an sozialem Frieden und Stabilität mit dem Ziel, die anderen Krisen besser bewältigen zu können.

Wenn Städte Eigentum von Bürgern beschlagnahmen müssen, um Flüchtlinge aufnehmen zu können, ist meiner Meinung nach die Aufnahmekapazität definitiv erschöpft.
Die verfassungsmäßigen Rechte von Bürgern z.B. auf Eigentum oder Unverletzlichkeit der Wohnung können wohl kaum mit der Begründung außer Kraft gesetzt werden, dass Nicht-Staatsbürger untergebracht werden sollen. Hier sehe ich auch einen Unterschied zur Unterbringung von Vertriebenen nach dem zweiten Weltkrieg: Da mussten Staatsbürger gerettet werden; heute geht es um die Unterbringung von Flüchtlingen, die Deutschland nach geltendem europäischen Recht gar nicht hätte aufnehmen müssen. Und die Regierung kann hoffentlich in einem Rechtsstaat nicht einfach beschließen, die Grundrechte ihrer Bürger auszusetzen, um ihr humanitäres Image zu pflegen.