In den sozialen Medien warnen gerade alle vor einem Rechtsruck. Tatsächlich ziehen jetzt schon Leute Parallelen zum dritten Reich und werden fast hysterisch, dass übermorgen die AfD-Sturmabteilung die Macht an sich reißt.
Aber: Das zweite Dritte Reich wird nicht kommen.
Klar, die Rechten freuen sich über das Umfragehoch der AfD. Aber dummerweise stimmt sicher niemand aus politischer Überzeugung für die AfD, nicht einmal die Leute aus der bürgerlichen Mitte, die in den Umfragen behaupten, AfD wählen zu wollen. Ich bin sicher, die meisten (Umfragen-)Wähler der AfD sind Protestwähler.
Welche Partei sollten denn Bürger (in Umfragen) auswählen, die keine Lust darauf haben, dass die Regierung (an Ihnen) ausprobiert, ob nach der auch in zweiter und dritter Generation schwierig verlaufenen Integration der Gastarbeiter die Integration von hunderttausenden Flüchtlingen diesmal schneller und besser gelingt.
Klar, es wird versprochen, viele gingen zurück in ihre Heimatländer, der normale Moslem sei allemal weniger streng religiös und weltanschaulich dadurch beeinträchtigt als ein Zwölf-Stämme-Evangelikaler, und nach kurzer Belehrung mit „Taschenkarte Respekt vor Frauen“ werde jeder Immigrant sofort zivilisatorisch ins 21te westeuropäische Jahrhundert katapultiert.
Nur glauben das viele Menschen nicht, und wollen bei einem Feldexperiment zur Klärung der Frage, ob sie nur blöde Vorurteile haben oder tatsächlich gerechtfertigte Bedenken, einfach nicht mitwirken ((diese Egoisten!)).
Und sie wollen der Regierung das signalisieren, indem sie zumindest in Umfragen für die bisher quasi einzige Partei stimmen, die die Politik der Kanzlern in dieser Sache deutlich ablehnt. Denn es gibt in der Mediendemokratie keine andere Möglichkeit, die Parteien davon zu überzeugen, ihre politischen Angebote zu modifizieren, als Ablehnung in Umfragen.
Das hat aber meiner Meinung nach mit einem richtigen Rechtsruck im Sinne von einer Veränderung der politischen Einstellungen vieler Menschen gar nichts zu tun. Die Hoffnungen der rechten Parteien, jetzt endlich eine breite gesellschaftliche Unterstützung zu erfahren, werden sich bald wieder zerschlagen, wenn nämlich etablierte Parteien, außer der CSU, sich als politische Alternative für diejenigen anbieten, die eine Beschränkung der Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern in Deutschland auf ein garantiert zu bewältigendes Maß einer Annäherung an praktische Belastungsgrenzen vorziehen würden.
Aber auch die Linken fühlen sich in der aktuellen Situation seltsamerweise bestärkt. Endlich ist diese rechte Gefahr da, vor der man immer gewarnt hat. Blöd nur, dass es irgendwie kaum jemand ernst nimmt, weil sich diese Warnungen schon abgenutzt haben, und weil, außer an den linken und rechten Rändern des politischen Spektrums natürlich, die daran glauben wollen, weil er so gut in ihre Erzählung passt, niemand wirklich an diesen Rechtsruck glaubt.
Die Antifa darf sich endlich im heroischen Kampf gegen Nazi-Horden wähnen und sich über die damit einhergehende empfundene Bedeutungsaufwertung als Speerspitze im Kampf gegen den Faschismus klammheimlich freuen; dabei bewiese der vermeintliche Rechtsruck mit einer Verdreifachung der rechtsradikalen Wählerschaft in kürzester Zeit doch eigentlich, dass die Antifa völlig ineffektiv ist in der Prävention einer braunen Gefahr, worüber man sich in diesem Lager eigentlich mal selbstkritische Gedanken machen sollte.
Wie auch immer. Ich bin sehr sicher, es wird sich zeigen, dass die Radikalisierung der Gesellschaft und der Rechtsruck, der in der veröffentlichten Meinung vorgeblich befürchtet, aber eigentlich eher herbeigeschrieben wird, nicht existieren. In ein paar Jahren wird man sich nicht mehr vorstellen können, was am Anfang des Jahres 2016 los war. In diesem Sinne: Keep calm and carry on.