Wut- und Angstbürger

In den Medien ist im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise häufig von „Wut- und Angstbürgern“ die Rede.
Auffällig daran ist, dass Wut und Angst pathologisierende Bezeichnungen sind. Angst ist irrational, Wut auch, bzw. zumindest negativ konnotiert. Angstbürger, so suggeriert der Ausdruck, sind nicht ernstzunehmende psychisch labile Menschen.

Problematisch finde ich vor allem, dass als Angst bezeichnet wird, was vielleicht eine begründete Furcht ist, zum Beispiel Furcht vor steigenden Mieten, Furcht vor sinkender Lebensqualität, vor steigenden Steuern?

Und vielleicht sind auch die Wut-Bürger eigentlich eher begründet verärgerte Bürger als dumm-wütende Hitzköpfe.
Vielleicht ärgert es die Bürger, dass der Staat plötzlich Geld in die Hand nimmt, als hätte die LINKE mit absoluter Mehrheit die Regierung übernommen, um die Flüchtlingskrise zu meistern, während vorher an allen Ecken und Enden immer nur gespart worden ist?
Kaputte Schulen, zu wenige Schulpsychologen, lange Wartezeiten auf Psychotherapie, Wohnungsmangel, das alles hatte bisher nie einen Politiker bewogen, hier tatsächlich mehr Geld auszugeben. Dass nun in der Flüchtlingskrise plötzlich für alles Geld da sein soll, was vorher unbezahlbar gewesen sein soll, das kann man meiner Meinung nach durchaus berechtigt ärgerlich finden.

Von „Wut-“ und „Angstbürgern“ zu sprechen bedeutet zu behaupten, dass es sich bei allen, die von der aktuellen Situation auch aus verschiedenen vernünftigen Gründen nicht begeistert sind, samt und sonders um pathologische Angsthasen, Dummköpfe, Nazis und Rassisten handele. Mit solchen Zuschreibungen wird man der Situation nicht gerecht und zeigt auch keinen Respekt für alle und keine Empathie mit allen, die berechtigte Bedenken haben und diese auch äußern.

Im Endeffekt sind „Wut-“ und „Angstbürger“ Bezeichnungen, die genau so pauschalisierend und dumm sind wie der Ausdruck „Lügenpresse“, und sollten darum nicht benutzt werden.

Ein Gedanke zu „Wut- und Angstbürger

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