Mangelnde politische Angebote sind Schuld am Aufstieg der AfD

Ein Gedanke hat mich seit längerer Zeit umgetrieben, und zwar: Welche Partei könnte man wählen, wenn man grundsätzlich eine offene und bunte Gesellschaft positiv und aktivierend-ideenfördernd, also im Endeffekt: gut findet, aber die Rate des Zustroms von Migranten für zu hoch hält, in Hinsicht auf eine gelingende Integration?

Ein paar Jahre vor 2015 war es meiner Kenntnis nach in Deutschland verbreitete Überzeugung, dass die „unerwartete“ Migration der Gastarbeiter Deutschland vor eine schwierige Aufgabe gestellt habe, die man gerade eben so nochmal bewältigt habe. Nun gelte es, durch ein Einwanderungsgesetz weitere Migration so zu gestalten, dass diese sowohl volkswirtschaftlich nützlich sei und die Migranten problemlos integriert werden könnten.
Also wenn ich mich richtig erinnere gab es einen Konsens, dass die Integrationsfähigkeit einer Gesellschaft begrenzt sei, und es darum eine Art optimale Migrationsrate gäbe, die jedenfalls unter der Bleibe-Rate der Gastarbeiter liege.

Und dann kam 2015 doch wieder eine unerwartete Migrationswelle, die nach vorheriger Ansicht, wie ideale Migration auszusehen habe, zu schnell zu viele Migranten gebracht hat.
Nun hätte es doch für Menschen, die die vor 2015 als vernünftig geltende Ansicht teilten, die Migration müsse z.B. nach „Nützlichkeitsgesichtspunkten“ gesteuert werden, eine demokratische Möglichkeit geben müssen, bei Wahlen der Ansicht Ausdruck zu verleihen, dass die EU ihre Grenzen robuster hätte schützen müssen. Dass Migranten und Flüchtlinge, die auch außerhalb der EU-Außengrenze bereits außerhalb der Einflusszone des sie verfolgenden Staates oder Konflikts waren, hätten abgewiesen werden können und müssen.

Und zwar aus der nicht Migrations- oder Ausländer-feindlich motivierten, sondern in einem gesunden Egoismus und Pragmatismus begründeten Überlegung heraus, dass der gesellschaftliche Frieden und eine optimale Integration bei hohen Migranten-Zahlen leiden könnten. Aus der Überlegung heraus, dass viele Menschen die Regeln des Zusammenlebens in Deutschland eben nicht täglich neu aushandeln wollen, sondern erwarten, dass die Migranten sich an unsere Gesetze und Bräuche anpassen. Aus der Überlegung heraus, dass kein Demokrat wollen kann, dass wir wieder hinter das bereits erreichte Niveau bei der Gleichberechtigung von Gruppen wie Frauen und Schwulen zurückfallen, wenn Migration aus rückständigen, archaischen Gesellschaften (sic!) ein Niveau erreicht, wo sich Parallelgesellschaften bilden können, so dass der Druck, sich anzupassen quasi Null wird.

Aber eine Partei, die 2015 gesagt hätte, sie wäre aus nachvollziehbaren, gesellschaftspolitischen, in gewisser Weise egoistischen, aber nicht völkisch-ausländerfeindlichen Gründen gegen die erhöhte Migration, hat es nicht gegeben, auch wenn die große Koalition heimlich, still und leise zahlreiche „unauffällige“ Maßnahmen ergriffen hat, Migranten in der Türkei oder Nordafrika zu stoppen, ohne sich die Hände allzu schmutzig zu machen.

Sprich: Union und SPD haben schmutzige Deals mit der Türkei und Libyen gemacht und gleichzeitig so getan, als wären sie Flüchtlings- und Migranten-freundlich, haben Rettungs-Missionen im Mittelmeer mal unterstützt und dann wieder eingestellt, und haben somit die Wähler über ihre wahren politischen Absichten im Unklaren gelassen, aus politischem Kalkül.

So konnte, wer gegen die zusätzliche Migration war, und dieser Meinung besonderen Nachdruck verleihen wollte, nur die AfD wählen. Und die Linke hat dann durch die sofortige Stigmatisierung jeder nicht-migrationsfreundlichen Position als „rechts“ und „Nazi“ dazu beigetragen, dass auch keine andere Partei eine Position eingenommen hat, die klar für eine Begrenzung und Steuerung der Migration gewesen wäre. Die Lindner-FDP hat es zaghaft versucht, aber wegen des linken Flügels der FDP auch nur mit gebremsten Elan.

Vielleicht liegt es auch einfach an der Trägheit der Politik, dass CDU oder FDP diese Position nicht eingenommen haben. Vielleicht hat die Union sogar gedacht, es sei doch ihr „Markenkern“, klammheimlich gegen Migration zu sein, und darum würden die Leute schon Union wählen, auch wenn man nicht laut erwähnte, dass die Regierung natürlich (wenn auch etwas spät und zaghaft) Maßnahmen gegen die Migration ergriffen hat.
Auch die CSU hat sich etwas migrationskritisch gegeben, und wurde daraufhin beschuldigt, „rechts zu blinken“.

Wie dem auch sei, ich bin weiterhin der Meinung, dass Deutschland eine Partei braucht, die offen eine vernünftige Migrationspolitik vertritt, zu der auch robuste Maßnahmen gehören müssen, ungewollte Migration zu verhindern oder rückabzuwickeln. Und zwar aus vernünftigen Gründen, nämlich gesellschaftlichem Frieden, Stabilität der Sozialsysteme, den Anforderungen unserer stark wissens-getriebenen Wirtschaft, etc., und nicht völkisch-nationalistischem Blut-und-Boden-Schmarrn.

Migration nach Europa ist keine Lösung für die Probleme in Afrika und im nahen Osten. Diese müssen durch Investitionsprogramme gelöst werden, die wirtschaftlichen Erfolg, Stabilität und Frieden bringen. Demokratische Staaten müssen durch Handelsprivilegien und ggf. militärische Unterstützung gefördert werden; theoretisch haben das die meisten Parteien ja auch schon erkannt.

Dennoch passiert dem Anschein nach eher wenig in diese Richtung, und keine Partei macht der AfD deren scheinbaren „Unique Selling Point“ streitig, nämlich gegen eine Migration zu sein, die man noch vor wenigen Jahren in migrationswissenchaftlichen Kreisen als zu hoch und zu schnell eingeschätzt hätte, um gut verkraftbar zu sein.

Leider haben linke Parteien ein Klima der Polarisierung geschaffen, in dem allein der Gedanke, es könne ein zuviel an Migration geben, schon als rechtsextrem und menschenfeindlich geframed wird.
Und die Existenz der AfD, kombiniert mit der eigenartigen Sichtweise, Zustimmung von der AfD zu erfahren sei schon Fraternisireung oder Kooperation mit der AfD, macht es zusätzlich schwer.

Denn heute ist jeder, der nicht absolut für jede Migration ist, gemäß linkem Narrativ Teil des „rechten Randes“. Ein Rand aber sollte nur wenige Prozentpunkte breit sein, sonst ist es kein Rand mehr, sondern schon der halbe Teller.
Und wenn sich dann keine Partei findet, die offen das politische Bedürfnis nach einer Begrenzung der Migration befriedigt ohne rechtsextrem zu sein (die SPD stand auch einmal dafür) — dann bekommen im Zweifel die Rechten Zulauf.

Darum muss dass dumme Gerede aufhören, wer gegen (übermäßige) Migation sei, sei ein Rechter, und wer entsprechende politische Angebote mache, fische am rechten Rand. Oder Parteien wie Union und FDP müssen aufhören, sich diesem Gerede zu beugen, und statt dessen eigene Narrative in die Debatte einbringen und durchsetzen.