Lob der Trolle!

Trolle sind böse, verbreiten Hate-Speech, sollten verboten werden!
So schallt es aus dem Blätterwald, vor allem dem virtuellen.
Aber wäre das wirklich gut?

Natürlich, es gibt bösartige Menschen, die andere nur nerven wollen; meist sind das fanatische Aktivisten. Aber das sind streng genommen keine Trolle.

Trolle sind die Kommentatoren, die das schreiben, was wir eigentlich nicht hören wollen, einfach nur, um zu sehen, was passiert. Sie sind umso nerviger, je besser sie es schaffen, kognitive Dissonanzen auszulösen und argumentative Schwachpunkte aufzudecken.
Tatsächliche Trolle wollen meist wirklich nur spielen. Sie können ihre mehr oder weniger gewitzten, abwegigen, naheliegenden oder weit her geholten Gedanken nicht zurückhalten und werfen sie uns vor die Füße um zu sehen, wie wir reagieren. Es ist wie ein Charaktertest, eine Frotzelei, nur nicht im täglichen Leben, sondern anonym im Internet. Darum können wir diese Konfrontation auch einfach ins Leere laufen lassen.

Ich finde deshalb, man sollte Trolle nicht (nur) als Bedrohung sehen. Trolle bieten die Chance zur Selbstreflektion. Warum fühle ich mich vom Troll provoziert? Welchen wunden Punkt hat der Troll erwischt? Was habe ich nicht bedacht oder falsch ausgedrückt? Wo liege ich vielleicht nicht ganz richtig? Oder sogar: Welche grundlegenden Annahmen habe ich getroffen, die mich einen Sachverhalt anders sehen lassen als der Troll? Wo gibt es vielleicht unvereinbare Unterschiede in der Weltsicht? Warum bin ich sicher, im Recht zu sein?

Nach der Hate-Speech-Polizei zu rufen, weil einem Dinge an den Kopf geworfen werden, die man nicht hören will, ist in den meisten Fällen kein Zeichen von Reife. Die meisten Trolle geben auf, wenn man nicht auf sie reagiert, denn sie leben von der Reaktion.
Ich denke, wir sollten auch einmal dankbar sein, dass es Trolle gibt, die unsere heile Welt täglich erneut versuchen einzureißen. Es sind unsere persönlichen, unbezahlten Hofnarren, die uns mehr oder weniger geistreich den Spiegel vorhalten. Die dümmeren, primitiveren, die uns nicht weiterbringen, können wir weblocken. Die gewitzteren sollen wir uns antun.