Fiktive Benachteiligung von Bundespräsidenten-Gattinnen mit Margarete S.

Ich bewundere ja Margarete Stokowski vom Spiegel.

Ganz besonders diese Woche bin ich erstaunt über ihre Fähigkeit, Strohmänner zu erschaffen, gegen die sie dann heldenmutig kämpfen kann.
Denn dieses Mal erfindet sie erst das Amt der „Bundespräsidenten-Gattin“, um dann dessen Abschaffung zu fordern, und zwar obwohl sie selbst weiß, dass es dieses gar nicht gibt…

Zugegebenermaßen ist es Tradition, das Gatten und Gattinnen wichtiger Personen sich manchmal für gemeinsame Auftritte mit diesen hergeben. Allerdings können diese das genau so gut auch sein lassen. Oder hat schon mal jemand Frau Putin gesehen?

Der Gatte der Kanzlerin hat es mühelos geschafft, diese angeblich in Stein gemeißelte Tradition zu unterlaufen, und so selten mit Frau Merkel aufzutreten, dass er gemeinhin als „Phantom der Oper“ bekannt ist — und jetzt wahrscheinlich fast niemandem sein Name einfällt.

Der Gatte der Kanzlerin hat sich entschieden, die Rolle des Kanzlerinnen-Gatten nicht zu spielen – und das klappt auch problemlos. Warum also sollte das Frau Büdenbender, der Frau von Frank-Walter EikonalSteinmeier, nicht auch möglich sein? Ist es nicht reichlich sexistisch anzunehmen, dass Frau Büdenbender das nicht kann, weil sie eine Frau ist?
Ist es überhaupt noch Feminismus im positiven Sinne, was Frau Stokowski da macht, oder nicht doch eher Misogynie und Reproduktion längst überwundener Geschlechterklischees, Frau Büdenbender zu unterstellen, fremdbestimmt in die Rolle der Bundespräsidentengattin hineinzurutschen?

Frau Büdenbender ist Richterin, und anscheinend gibt es rechtliche Bedenken, ob sich eine familiäre Verbindung mit dem Bundespräsidenten als verfassungsrechtliche Institution und die Unabhängigkeit der Justiz zusammenbringen lassen. Darum hat sich Frau Büdenbender entschieden, das Amt ruhen zu lassen. Sie hätte sicher auch den möglichen Interessenkonflikt gerichtlich klären lassen können, hat sich aber entschieden, diesen Weg nicht zu gehen.
Frau Stokowski phantasiert nun zusammen, dass hinter dieser Entscheidung des Ruhen-Lassens ihres Amtes in Wirklichkeit das böse Patriarchat ((die globale und völlig unsichtbare Verschwörung aller Männer gegne alle Frauen – Sie wissen schon!)) stecken müsse, denn dass eine Juristin ihr Amt aus juristischen Gründen ruhen lassen könnte klingt für sie anscheinend weniger absurd als die Idee der Existenz des Patriarchats.
Und anscheinend hat Frau Stokowski auch internalisiert, dass die tollste Beschäftigung der Welt für eine Frau die Erwerbsarbeit sein müsse, so wie es der NeoliberalismusFeminismus seit Jahrzehnten behauptet, und keinesfalls, mit Männern oder Kindern zusammen zu sein oder Dinge zu tun. Nur so lässt sich erklären, warum Frau Stokowski glaubt, Frau Büdenbender müsse die Entscheidung sehr schwer gefallen sein, ihr Amt ruhen zu lassen, und dahinter müsse irgendwie Zwang und das Patriarchat[tm] stecken. Als wenn es nicht auch eine schöne Sache sein könnte, eine Art fünfjähriges Sabbatical zu machen mit der Option, hin und wieder in der Rolle der Bundespräsidentinnengattin die wichtigsten Menschen der Republik zu treffen. Auf Kosten des Partners, der vom Staat einen Haufen Kohle und ein Schloss gestellt bekommt.

Frau Stokowski setzt auch voraus, dass wir Frau Büdenbender demnächst als Staffage auf Steinmeier-Photos sehen werden. Aber wir wissen das noch gar nicht. Wie sexistisch ist es eigentlich anzunehmen, dass Frau Büdenbender das tun wird, was Frau Stokowski glaubt, dass irgendwelche Stereotypen Frau Büdenbender vorschreiben? Und gehört nicht andererseits auch die Möglichkeit, sich genau nach Stereotyp zu verhalten, zu wahrer Entscheidungsfreiheit?

Dann stellt Frau Stokowski das Gedankenexperiment an, ob auch der Gatte einer Bundespräsidentin sich um wohltätige Zwecke kümmern würde etc. pp., sich also so verhalten würde, wie es dem Klischee und der Tradition entspräche. Und der Sinn dieser rhetorischen Frage ist anscheinend den Leser dazu zu bringen zu mutmaßen, dass ein Bundespräsidentinnen-Gatte eher wie ein Kanzlerinnen-Gatte sein eigenes Ding machen werde, wohingegen Frauen gezwungen seien (durch … DAS PATRIARCHAT!), als Dekoration an der Seite ihres Mannes zu wirken, Kleider zu tragen und zu winken, wohltätig zu sein und Schirmherrschaften für alles mögliche zu übernehmen.

Allerdings gibt es diese angebliche Geschlechter-Ungerechtigkeit gar nicht.
Denn wir kennen alle Prinz Philipp, der seit Jahrzehnten als Dekoration hinter der Queen herschlurft. Und vielleicht Henrik von Dänemark. Die die Rolle des Prinzgemahls mit Hingabe spielen, und zwar nicht nur für fünf Jahre. Aber keine Frau Stokowski kommt und vermutet, diese armen Männer würden in ihre Rolle gezwungen.
Zweifel an der Fähigkeit, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen, haben Feministinnen paradoxer- und sexistischerweise immer nur bei Frauen.

Das ganze Gejammere über die armen Frauen, die als hübsches Beiwerk ihren mächtigen Männern dienen müssen, während es anders herum sicher ganz anders wäre, ist also völliger Blödsinn. Fakt ist, unabhängig vom Geschlecht manche Menschen ihren Partner sichtbar und in der Rolle des Partners unterstützen, und manche eher im Hintergrund bleiben — was nicht heißt, dass sie von dort aus nicht auch unterstützen.

Warum sollte Frau Büdenbender nicht schaffen, was Angela Merkels Mann kann? Warum sollte Frau Büdenbender unglücklich damit sein damit, für fünf Jahre hin und wieder eine Rolle zu spielen, die Prinz Philipp seit 69 Jahren spielt?

Ich habe keine Ahnung, und Frau Stokowski natürlich auch nicht, denn sie weiß ja, dass sie ihren ganzen Artikel recht bemüht um das aktuelle Thema Bundespräsidentenwahl herumkonstruiert hat, und irgendwie etwas feministisch Verwertbares daran finden musste.
Aber ihr Geschäft ist es ja auch nicht, ausgewogene, gut recherchierte und sinnvolle Artikel zu schreiben, ihr Geschäft ist es, ständig neue feministische Aufreger-Kolumnen zu produzieren, was in einer Welt, in der faktisch Geschlechtergerechtigkeit herrscht, natürlich zunehmend größere Kreativität, Chuzpe und selektive Wahrnehmung erfordert.

Aber das kann sie: Ein Amt erfinden, eine Ungerechtigkeit erfinden, die Bekämpfung der fiktiven Ungerechtigkeit durch Abschaffung des fiktiven Amts fordern, dabei ein paar Frauen in ihrem Glauben bestätigen, dass die Welt ganz arg ungerecht ist, und dafür noch Geld vom Spiegel bekommen. Chapeau!