Mit Pathologisierung und Infantilisierung in die Medien- und Demokratiekrise

Heute hat der Blogger und Twitterer „Stefanolix“ dargelegt, dass die „Statistik“, aus der die EU und deutsche Ministerien und die Amadeu-Antonio-Stiftung Handlungsbedarft gegen „Hatespeech“ ableiten, die Bits nicht wert ist, in denen sie gespeichert ist.

Und wie reagieren die Damen und Herren Meinungs-Beeinflusser von der Stiftung darauf?

Wie folgt:

Anstatt entweder zuzugeben, dass Stefanolix recht hat, und die Statistik wertlos ist, oder die Statistik zu verteidigen, wird pseudo-pädagogisch bzw. -psychologisch festgestellt, dass Stefanolix anscheinend „mit der Statistik unzufrieden“ sei.

Das erinnert mich etwas an „aktives Zuhören“ aus irgendwelchen Pädagogik-Büchern.
Kann man einen Bürger weniger ernst nehmen? Ein Argument umzudeuten in ein „Gefühl von Unzufriedenheit“ ist eine Unverschämtheit.

Und ich glaube, das ist grundsätzlich ein Problem unserer Zeit und auch der Politik: Als kurzfristige Kommunikationsstrategie mag es funktionieren, Kritik durch rhetorische Tricks abzublocken und ihr auszuweichen, aber langfristig funktioniert es natürlich nicht, Kritiker zu pathologisieren („Wutbürger“, „Pack“, „Phobie“ …) oder zu infantilisieren.

Dass die Politik auf diese Weise kommuniziert und die Presse diese Kommunikationsstrategien von Parteien und Politikern mitträgt bzw. nicht kritisch(er) nachfragt, führt meiner Meinung zu der Medien- und Politikverdrossenheit unserer Zeit.

Auf diese Weise kann es nicht weiter gehen. Konkret, weil überhebliche Kommunikation irgendwelcher Stiftungen, die im Auftrag von Ministerien für Wohlverhalten der Bürger in sozialen Netzwerken sorgen sollen, die Menschen weiter gegen die Politik oder zumindest gegen die hier verantwortliche SPD aufbringen wird.
Abstrakt, weil im schlimmsten Fall sogar die Demokratie selbst beschädigt wird, wenn weiterhin quasi alle Ministerien, Politiker und Parteien solche Formen belehrend-ignoranter Diskursverweigerung praktizieren.

5 Gedanken zu „Mit Pathologisierung und Infantilisierung in die Medien- und Demokratiekrise

  1. Autor Beitragsautor

    Ich halte es für ein allgemeines Problem, dass es – man verzeihe den Neologismus – „Sponti-Spruchisierung“ der Politik gegeben hat.

    „Grün wirkt“ bedeutet eigentlich nichts, und auch Klassiker wie „Kein Mensch ist illegal“ ergeben eigentlich keinen Sinn, bzw. verkürzen sinnvolle Aussagen oder Forderungen wie „Jeder Mensch soll sich legal überall auf der Welt aufhalten dürfen“ auf triviale bzw. tautologische Parolen, die für sich sinnlos sind, aber scheinbar etwas Richtiges, was man sich eben dazu denken muss, fordern.

    Solche Sprüche funktionieren aber natürlich nur als Kampfschrei von Gleichmeinenden, und nicht in einer Debatte. Da wir in einer Phase der gesellschaftlichen Entwicklung sind, in der die Debatte wieder wichtiger wird, funkionieren diese Kommunikationsstragien nicht mehr. Denn nach einer Phase, in der die größten Streitpunkte die Energiewende und Hartz IV und die für Deutschland bisher doch recht unspektakulär verlaufende „Euro-Krise“ waren, gibt es wieder wirkliche Kontroversen. Hier müssten wieder Argumente ausgetauscht und präzise Debatten bis zum Schluss ausgefochten werden, aber die Parteien sind immer noch im seichten Gutwetter-Politik Marketing-Modus, und das öffentlich-rechtliche Fernsehen sorgt durch seine Talk-Formate auch dafür, dass eine sinnvolle Debatte nicht stattfinden kann…

  2. Günter Buchholz

    Das läuft doch in den Medien ständig so ab, z. B. in diesen sogenannten talk shows.
    Alles wird subjektiviert, damit es relativiert und entwertet werden kann. Und das geschieht, damit es bloß keine objektive, also überprüfbare Aussage gibt, schon gar nicht die, die herrschaftlicherseits unerwünscht ist. Die Moderatorinnen lernen gleichsam einen Spickzettel auswendig, auf dem steht,
    1. was gesagt werden soll, also die lenkende Botschaft,
    2. was keinesfalls gesagt werden darf (ggf. rhetorische Fouls anwenden),
    weil es der mehr oder minder gut versteckten Botschaft direkt widerspricht oder sonstwie nicht zu ihr paßt. Daraus ergibt sich das praktische Lavieren, also die Moderation, mit ihrem Schwerpunkt auf (2.).
    Die Sendung ist gelungen, wenn die mehr oder minder unterschwellige Botschaft vom breiten Publikum überwiegend geglaubt wird, zum Beispiel die, daß der Islam grundsätzlich etwas Gutes sei.

    Die Botschaft mag unwahr sein, aber durch stete Wiederholung wird sie zur Wahrheit „geadelt“.

    1. Autor Beitragsautor

      Schlimm finde ich auch, dass Journalisten häufig mit Suggestivfragen bzw. Präsuppositionen arbeiten. Der Interviewpartner soll nicht „sich äußern“, er soll äußern, was der Journalist hören will.

      Gerade vor dem Hintergrund von aggressivem Russia-Today-Pseudo-Journalismus ist es schmerzlich zu sehen, dass der deutsche Journalismus auch nicht mehr weit von solchen Methoden entfernt ist.

  3. Icke

    Jupp… die referenzierte Statistik fühlt sich nicht gut an… (um mal „deren“ Sprachgebrauch zu bemühen…)

  4. stefanolix

    Zuerst: Danke für den Artikel. Ich habe mich heute auch über die Antwort geärgert, aber ich habe erst einmal nicht mehr nachgehakt. Korrigieren muss ich: Die Kampagne wird von dem Verein NdM organisiert und der bekommt auch dafür Fördermittel vom BMFSFJ:

    http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/freiwilliges-engagement,did=226182.html

    Interessant zur Verteilung des Geldes ist diese Quelle, darin findet man eine Tabelle mit Empfängern:
    http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/079/1807941.pdf

    Die Sache hat eine menschliche und eine politische Seite. Mir gelingt es nicht immer, Hanlon’s Razor anzuwenden, aber hier könnte man auf Überlastung und/oder Inkompetenz im Bereich Soziale Medien plädieren. Nach meinem Eindruck fehlen dort Kompetenzen in Technik, Sozialen Medien, politischer Bildung und Kommunikation.

    Über die Hintergründe bei dem Verein NdM weiß ich nicht viel. Es wurde offenbar für diese Arbeit eine Stelle ausgeschrieben und dies ist noch nicht mal eine Vollzeitstelle. Zitate:

    – selbstständiges Arbeiten in einem sehr sehr netten kleinen Team
    – eine Teilzeitstelle 24 Std. / Woche mit flexibler Arbeitszeit in Berlin

    Hier ist die Ausschreibung:
    http://www.neuemedienmacher.de/wp-content/uploads/2016/01/Ausschreibung_New_Media.pdf

    Das klingt nicht gut. Auf der einen Seite sitzt man trocken und warm, auf der anderen Seite kann man damit aber je nach Steuerklasse auch keine großen Sprünge machen. Überstunden sind stark zu befürchten.

    An den Antworten des Accounts sieht man, dass da jemand nur sehr wenig Erfahrung hat und sich die Arbeit auch nicht wirklich organisieren kann. Statt eine FAQ zu schreiben und bei wiederholten Fragen auf Frage n oder m zu verweisen, werden bestimmte Antworten immer wieder kopiert oder fast mit den gleichen Worten wiederholt.

    Die Argumentationsversuche des Accounts tun beim Zusehen weh. Man hatte dort beim Thema Islam z. B. keine Ahnung, dass es negative Religionsfreiheit und aus der Meinungsfreiheit abgeleitet auch das Recht auf Religionskritik gibt. Kritik am Islam wird schnell mit »antimuslimischem Rassismus« in Verbindung gebracht.

    Sobald ein Thema etwas tiefer geht, wiegeln sie ab. Man sieht aber leider auch, dass sich Trolle auf den Account stürzen und dass es zum Teil zu Gehässigkeiten kommt. Ich möchte diese Arbeit nicht machen müssen.

    Die Webseite ist optisch zum Fremdschämen und scheint mir inhaltlich aus Versatzstücken der diversen links-aktivistischen Bewegungen zusammengesetzt zu sein. Man will sich das eigentlich gar nicht antun.

    Das war (ein wenig) die menschliche Seite. Die politische Seite muss man hart kritisieren. Für mich ist das von außen gesehen reine Klientelpolitik: einem politisch passenden Verein wird Geld zugewiesen. Ob die Ausschreibung besser gelaufen ist als in Erfurt (wo »Amadeu Antonio« einen Auftrag auf umstrittene Weise bekam) – ich weiß es nicht …

    Wie das Lastenheft aussah, weiß man auch nicht. Es kann sein, dass der Fehler schon im Auftrag steckt, es kann auch sein, dass die Ausführung dilettantisch war. Hier müsste eine freie Presse investigativ recherchieren. Das scheint mir aber unwahrscheinlich …

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