Menschen nutzen das Internet, und die Politik ist überrascht. Was der Pöbel früher am Stammtisch besprochen hat, bespricht er jetzt in sozialen Medien.
Was erregte und wenig reflektierte Menschen früher nur im Bekanntenkreis gesagt haben, schreiben sie heute auf Facebook.
Die ganze Welt zu erreichen schaffen heute nicht mehr nur einige auserwählte Journalisten, jeder Bürger kann mit dem richtigen Posting im richtigen Augenblick seine warhol’schen 15 Minuten Ruhm einstreichen.
Plötzlich verlieren Medien und Politik massiv an Vertrauen, weil offenbar wird, wie viele Fehler auch Journalisten und Politiker machen.
Und plötzlich will die Politik, wollen jedenfalls SPD-MinisterInnen gegen „Hatespeech“ im Internet vorgehen.
„Hatespeech“, das ist die wachsweiche Umschreibung von allem, was als bedrohlich und unangenehm empfunden werden könnte. Es mag gut gemeint sein, künftig gegen Pöbeleien und Shit-Storms vorgehen zu wollen — aber die Grenze zwischen Meinungsäußerung und justiziabler Beleidigung sollte man nicht so weit verschieben, dass bald jede sarkatische Äußerung strafbar wäre.
Aber um nicht gleich alles strafbar machen zu müssen gäbe es für die Damen und Herren Zensoren von der SPD und von der Amadeu-Antonio-Stiftung ja vielleicht noch die Möglichkeit, „Fehlverhalten im Netz“ ((das doch von den Volksparteien eher als kinderfreundliche Shopping-Mall mit Geldscheffel-Möglichkeit für Telekommunikations-Konzerne gedacht ist, statt als freies Medium mit anonymem Zugriff und Netzneutralität)) zur Ordnungswidrigkeit zu machen.
Wäre das juristisch denkbar? Oder muss dafür erst ein verfassungswidriges Gesetz her?
Wer von Denunzianten und politisch motivierten Stiftungen gemeldet wird, bekommt dann vielleicht in Zukunft Punkte bei der, sagen wird, „Kahane-Behörde“.
Wer zuviele Punkte hat, muss zur Umerziehungzum Idiotentest, und wer den nicht schafft, verliert dann seinen Internetführerschein.
Dann wird sein personenbezogener Internetzugang gesperrt (der eingeführt wird, damit anonyme Hetze im Netz unmöglich wird und die Netzüberwachung endlich funktioniert), und er kann in informationstechnischer Isolationshaft darüber nachdenken, ob er nicht besser schön die Klappe gehalten hätte.