Die Passiv-Feministin von NZZ Campus oder: Die eine Seite des feministischen Kommunikationsmodells

In der „NZZ Campus“ schreibt eine gewisse Vanessa S. in einem Artikel mit dem Titel „Nein ich fühle mich nicht gleichberechtigt.“, warum Feminismus weiter notwendig sei.

Und zwar braucht sie Feminismus, weil sie sich selbst hin und wieder sexistisch angegangen fühlt.
Zum Beispiel durch den Satz „Dein Chef kann sich glücklich schätzen, dass er mit so vielen jungen schönen Frauen zusammenarbeiten darf.“

Die Autorin fühlt sich durch diese Äußerung anscheinend irgendwie in die Gruppe der schönen jungen Frauen einbezogen, somit „auf ihr Aussehen reduziert“ und dadurch wiederum provoziert, und würde deshalb gerne verbal dagegen angehen.
Dieser Spruch ist natürlich ebenso flach wie unnötig und wenn überhaupt, dann ein eher ungeschicktes Kompliment. Da kann man sich natürlich durchaus angegriffen fühlen und sich die Mühe machen, zu protestieren. ((Auch wenn ich persönlich der Ansicht bin, dass das Zeitverschwendung ist.))
Aber — tragisch, tragisch — dann traut sich die gute Vanessa einfach nicht, wirklich etwas zu sagen. Und später dann regt sie sich über sich und ihren eigenen fehlenden Mut auf.
Und da wird ihr klar: Sie braucht Feminismus. Sie braucht Frauen und Männer, die sie bestärken, weiter dagegen zu kämpfen, dass Menschen wahrnehmen und unaufgefordert aussprechen, dass sie anscheinend eine junge attraktive Frau ist.

Problem ist nur, dass Vanessa S. gar nicht kämpft.

Wie soll wohl ihrer Meinung nach Feminismus funktionieren, wenn sie selbst sogar im Freundeskreis dabei versagt, Dinge anzusprechen und auszudiskutieren?
Was für ein Feminismus soll das sein, wo man selbst nichts tut, sondern passiv vom Feminismus anderer zu profitieren hofft? Wo Feminismus quasi konsumiert wird? Wo FeministInnen sich zwar gegenseitig ganz viel bestärken und Artikel schreiben, aber dann im Ernstfall kneifen?

Und dann diese Äußerungen, die die Autorin aufführt, die ihr Selbstbewusstsein angekratzt hätten:

– „Du schaust immer so böse.“
Ja. Was für eine enorm verunsichernde Äußerung, die man da anscheinend als junge Passiv-Feministin nur ganz schwer wegstecken kann. Da fällt mir echt nix zu ein.

– „Warum bist Du nicht geschminkt?“
Das ist eine Frage, die meiner Meinung nach quasi nur Frauen gestellt wird, die sonst oft geschminkt sind. Darauf könnte man zum Beispiel als junge, selbständige Frau antworten mit „Keine Zeit.“ oder „Geht Dich nichts an.“ oder „Das ist der Nude-Look.“ Aber man das anscheinend auch als sexistische Beleidigung sehen und deswegen im Nachhinein rumheulen. Wenn man eine verstörte Passiv-Feministin ist.

– (…)

– „Du hast deine Haare abgeschnitten? Du kannst in drei Monaten wieder kommen, wenn sie wieder lang sind.“

An dieser Stelle könnte man über das Vier-Seiten-Modell aus der Kommunikationspsychologie nachdenken.
Möglicherweise handelt es sich hier um den Aspekt „Selbstoffenbarung“: Der Sprecher möchte mitteilen, dass er lange Haare mag. Oder es ist „Appell“: Der Sprecher möchte, dass Vanessa S. ihre Haare wieder lang wachsen lässt.
Eine mögliche Sachebene kann ich hier tatsächlich eher nicht erkennen, am naheliegendsten ist die „Beziehungsebene“. Und hier würde ich darauf spekulieren, dass sich hinter dieser „fiesen Bemerkung“ ein sogenannten „Neg“ (PUA-Jargon) verbirgt. Anscheinend, da die gute Vanessa tödlich beleidigt ist, kein besonders geschickter, und durch die Formulierung auch ziemlich wenig Kompliment-artig; aber ich denke schon, dass man hier durchaus auch ein „Du hast schöne Haare – nur schade, dass sie jetzt so kurz sind.“ rauslesen kann, was als „Neg“ durchgehen sollte.
Aber als moderne Passiv-Feministin sieht Vanessa S. immer nur überall sexistische Angriffe.
Das feministische Kommunikationsmodell hat für Äußerungen von Männern anscheinend nur eine Seite.

Zugegeben, Sprüche von wegen kurze Haare oder nicht geschminkt muss man sich als Mann nicht anhören. Da wird eher nachgefragt, wenn man lange Haare hat oder geschminkt ist. Männer werden genau so nach ihrem Aussehen beurteilt, nur in mit anderen Maßstäben. Es gibt halt verschiedene Erwartungen an die verschiedenen Geschlechter. Und die an Männer sind nicht wirklich geringer oder „fairer“. So what?

Sicher brauchen wir einen stetigen Dialog zwischen den Geschlechtern, wie Frau S. am Ende so klug bemerkt, aber mit Feminismus-Konsumentinnen wie der Vanessa, die zwar am Ende ihres Artikels sagt, sie würde gern disktutieren wollen, am Anfang aber berichtet, dass sie es in der realen Alltagssituation nicht bringt, überhaupt etwas zu sagen, wird das natürlich nichts.

2 Gedanken zu „Die Passiv-Feministin von NZZ Campus oder: Die eine Seite des feministischen Kommunikationsmodells

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