Die ARD und Katja Sudings Beine

Die ARD entschuldigt sich in ihrem Blogeintrag „Katja Sudings Beine“ etwas halbherzig dafür, in der Tagesschau in einem Bericht einen Schwenk von Katja Sudings Pumps bis hinaus zu Katja Sudings gesicht gezeigt zu haben.
Obwohl die ARD-Tagesschau-Redaktion das Bildmaterial ausgewählt hat, und damit allein die Verantwortung für die Ausstrahlung trägt, wird im Rahmen der sogenannten „Entschuldigung“ die eigentliche Schuld auf den Kameramann geschoben, dem außerdem eine „Geisteshaltung vergangener Jahrzehnte“ unterstellt wird.

Ich fand es auch zuerst ganz richtig, dass die ARD sich für diese Bilder entschuldigt hat – aber mittlerweile habe ich meine Zweifel. Warum?

  1. Für mich bedeutet Feminismus vor allem, Frauen ((als voll gleichberechtigte und gleichbefähigte Menschen)) ernstzunehmen. Und das bedeutet in diesem Fall auch davon auszugehen, dass Frau Suding beim Griff in ihren Kleiderschrank als Medien-Profi und Liberale selbständig und eigenverantwortlich gehandelt und mögliche Aufnahmen ihrer Beine billigend in Kauf genommen hat, inklusive taxierender Blicke von Männern.
    Katja Suding ist eine Profi-Politikerin, und kein naives Dritte-Welle-Gender-Feminismus-Aufschrei-Mädchen, das erst ein voraussehbares Risiko eingeht und dann Opfer spielt und „Victim Blaming!“ schreit, wenn das Risiko eintritt.
    Dass die ARD sich als Beschützerin von Frau Suding vor (per Kameraführung simulierten) „taxierenden männlichen Blicken“ aufspielt ist nicht feministisch, sondern wohlmeinend paternalistisch. Denn Frau Suding ist selbständige PR- und Kommunikationsberaterin; dass der Bilder-Wächterrat der Tagesschau nun meint, einen Profi wie Frau Suding vor ungünstigen Aufnahmen beschützen zu müssen, bedeutet, Frauen nicht ernst zu nehmen und in die Rolle des zu schützenden dummen Huschelchens zu drängen, das sich allein nicht einmal richtig für einen öffentlichen Auftritt anziehen kann, bzw. nachher von der wohlmeinenden ARD-Tagesschau-Redaktion vor „ungünstigen“ Bildern geschützt werden muss. Wenn eine Frau und öffentliche Person sich bewusst und explizit durch spezifisch weibliche Kleidung als „attraktive Frau“ präsentiert, dann ist davon auszugehen, dass sie mit „männlichen Blicken“ auf sich rechnet und damit klarkommt.
    Denn es sollte jedem klar sein, dass Frau Suding in dieser Sache die Gewinnerin ist. Soviel PR für sie gab es selten, ihre Berechnung bei der Wahl ihres Outfits ist wahrscheinlich voll aufgegangen.
    Und darum ist der Beschützer-Impuls, aus dem heraus die ARD-Redaktion sich meint für diese Aufnahmen entschuldigen zu müssen, meiner Meinung nach im Kern selbst sexistisch. „Geschlechtergerechte Berichterstattung“ kann nicht bedeuten, Frauen bei deren Darstellung vorsichtiger zu behandeln als Männer.

  2. Schon aus Prinzip stört mich der Gedanke, dass ein „männlicher“ Blick im öffentlich-rechtlichen Rundfunk keinen Platz (mehr) haben soll. Ja, es ist richtig, Männer können sehen, und heterosexuelle Männer taxieren manchmal mit Blicken Frauen, und mögen wahrscheinlich den Anblick gepflegter, attraktiver Frauenbeine, und möglicherweise stört das auch einige Frauen; entweder, weil sie selbst oft „Opfer“ von Blicken werden oder, weil sie selbst nicht (mehr) so viel Aufmerksamkeit bekommen.

    Aber sind nicht die Hälfte der Gebührenzahler Männer? Sollte deshalb nicht der Geschlechtergerechtigkeit halber jede zweite Bildeinstellung einen männlichen Blick zeigen, oder jede zweite Tagesschau für Männer produziert werden? Wenn man schon das Fass „Geschlechtergerechte Bildführung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ aufmachen muss, dann sollte man schon auf beide Geschlechter Rücksicht nehmen. Und nicht nur auf irgendwelche Zuschauerinnen, die anscheinend wegen „männliche Blicke nachbildenden Kameraschwenks“ in die Schnappatmung übergehen.

  3. Für den Fall, dass die ARD mit der Säuberung ihres Programms von potenziell Frauen-abstoßenden Bildern ernst machen will, hoffe ich, dass dann auch die volkstümlichen Musiksendungen abgeschafft werden. Zumindest könnte man auf Aufnahmen von Frauen verzichten, die man in cis-hetero-Frauenrollen-zemetierende, sexistische und Männer-Blicke-auf-sekundäre-Geschlechtsmerkmale-fokussierende Kleidchen gesteckt hat, und die dann zu Playback herumhopsen müssen; schließlich sollte es, wenn es bei Nachrichtensendungen nur um die Nachrichten gehen soll, bei einer seriösen Musiksendung auch nur um die Musik gehen, und nicht um die Zurschaustellung der Künstler_*innen!

Hinweis für Menschen mit Asperger-Syndrom etc.: Bitte beachten Sie, dass dieser Beitrag stellenweise Ironie und Sarkasmus beinhaltet.

12 Gedanken zu „Die ARD und Katja Sudings Beine

  1. Pingback: Postschiffer, bemannte Raumfahrt und Kieser-Training - die Männer-Links von Weihnachten bis zum 15.1. | Männer unter sich

  2. male-box

    Was bitte heisst „taxierend“? Machen Frauen das anders? Da halte ich es lieber mit Birgit Kelle, die da meinte: „Wenn David Beckham in Unterwäsche auf einem Plakat zu sehen ist, gucken wir Frauen ja auch gerne hin…“. Danke für die Ehrlichkeit.

    Übrigens genießen es ja die Frauen, die sich in den Medien zeigen, dass man sie attraktiv findet und sie begehrt. So wäre ja jedem geholfen, nur: es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.

    Ich würde mich auch ungern mit konservativen Ansätzen wie „Aktion saubere Leinwand“ in Verbindung bringen lassen.

    mfG
    Martin

  3. male-box

    „Für mich bedeutet Feminismus vor allem, Frauen ernstzunehmen. “
    Sollte er das laut Anspruch, oder tut er das wirklich??

    Ich finde, er tut nichts dergleichen: Frauen werden als „naive Dummchen“ abgewertet (Opfer eben), die immer alles falsch machen. Aber Rettung ist nahe: die fem. Gurus und erklären Fr. Suder und allen anderen, wo es lang geht. Wenn die ARD ihr etwa Vorschriften macht, was sie anzuziehen hat (und darauf kommt es ja raus), ist das nicht sexistisch, sondern frauenfeindliche Fremdbestimmung. Korrekt wäre lediglich: die Zuschauer stellen das Fr. Suder natürlich frei, was sie anzieht (*ihre Sache), die ARD tut es uns aber gefälligst gleich, kurz: sie wird respektiert, wo sie hinkommt. Karen Straughan sagt, sie lehne Feminismus auch deshalb ab, weil Frauen ja erwachsene Menschen sind.

    Und das fehlt mir gerade bei den Feministen: wenn die mit „befreiter Frau“ soviel im Sinn haetten, wie sie immer vorgeben, würden sie nicht nur gewagte Kleidung respektieren, sondern auch:
    Striptease-Taenzerinnen
    Gogo-Girls
    Sexarbeiterinnen
    Dienstmaedchen
    Kindermaedchen
    ja, sogar Hausfrauen

    Ich lehne Sexismus ab, weil er letztlich körperfeindlich ist, weil erfüllte Beziehungen dadurch vereitelt werden. Deine Beschränkung von „Kurven i.d. Volksmusik“ teile ich indes nicht: Freiheit der Kunst kommt zuerst, da müssen selbst ernannte Moral-Apostel zurück stehen.

    mfG
    martin

    1. male-box

      Also: das mit dem „Moral-Apostel “ war zu deftig, bitte um Entschuldigung. Alles andere bleibt.
      mfG
      Martin

  4. john

    Bezeichnenderweise hatte die ARD in ihrer Entschuldigung kein Problem damit in die Sexismus-Kiste zu greifen und von einer “ Altherren „-Kamera-Einstellung zu schreiben.

  5. mitm

    Ich glaube nicht, daß das ein “männlicher Blick” auf Frau Suding war, sondern daß sich Frauen nicht weniger als Männer die Beine von Frau Suding ansehen. Schon alleine wegen der intrasexuellen Konkurrenz.

    Der Vorfall zeugt von einer extremen feministischen Schere im Kopf. Da ist etwas alle sehen es, aber man darf es nicht im Bild zeigen, weil sonst der feministische Shitstorm kommt.

    Schade, daß kein Mann in kurzer Hose auf der Bühne war. Dessen nackte Beine wären bestimmt auch gezeigt worden ;-)

  6. kardamom

    Wenn eine Frau und öffentliche Person sich bewusst und explizit durch spezifisch weibliche Kleidung als “attraktive Frau” präsentiert, …

    Meine Arbeitskollegin meinte schon vor einiger Zeit: „Lieber Kardamom, ich mach mich nicht für euch Männer schön, bevor ich in’s Büro gehe. Wenn ich nur mit Männern arbeiten würde, hätte ich viel weniger Aufwand. Nein, ich mach den ganzen „Beauty-Stress“ nur, um im täglichen Zickenkrieg die besseren Karten zu haben. Wenn du wüsstest, mit welchen Waffen sich Frauen gegenseitig niedermachen…“

    In diesem Sinne: Die Frage, für wen sich Frau Suding als attraktiv präsentiert, sollte nochmals überdacht werden…

    Und: Fragt doch mal die Frauen, die Ihr so kennt…

    1. Autor Beitragsautor

      Sollte das Leben von Frauen wirklich auf diese Art und Weise von Zickenkrieg und ich-hab-die-teureren-Klamotten-/Kosmetika-Kindergarten beherrscht werden? Ich hoffe nicht!

  7. Graublau

    „Für den Fall, dass die ARD mit der Säuberung ihres Programms von potenziell Frauen-abstoßenden Bildern ernst machen will, hoffe ich, dass dann auch die volkstümlichen Musiksendungen abgeschafft werden.“

    Ich nehme die Sünde auf mich, den Namen des Dämons ausgesprochen zu haben: Es ist damit zu rechnen, dass in der Sendung Frauen auftauchen, die „auch ein Dirndl gut ausfüllen können“.

    „Dass die ARD sich als Beschützerin von Frau Suding vor (per Kameraführung simulierten) “taxierenden männlichen Blicken” aufspielt ist nicht feministisch, sondern wohlmeinend paternalistisch. Denn Frau Suding ist selbständige PR- und Kommunikationsberaterin; dass der Bilder-Wächterrat der Tagesschau nun meint, einen Profi wie Frau Suding vor ungünstigen Aufnahmen beschützen zu müssen, bedeutet, Frauen nicht ernst zu nehmen und in die Rolle des zu schützenden dummen Huschelchens zu drängen, das sich allein nicht einmal richtig für einen öffentlichen Auftritt anziehen kann“

    Volltreffer! Das ist aus meiner Sicht ein interessantes Thema für 2015: Darauf hinweisen, dass die meisten „Beschützeraktionen“ in Wirklichkeit reaktionär sind, weil Frauen ungleich behandelt und nicht für voll genommen werden.

  8. tom174

    Katja Suding will ja gar nicht beschützt werden:t. „Jetzt weiß jeder, dass ich mit meinen sportlichen Beinen die Fünf-Prozent-Hürde mit Sicherheit überspringen werde, ganz locker“, „Jeder weiß aber auch, dass man mit schönen Beinen keine Wahlen gewinnt, sondern mit guter Politik, und die machen wir.“
    Ich finde die Reaktion von ihr absolut in Ordnung.

  9. Gereon

    … schaut doch einfach mal, wie oft im TV, egal ob Film, Werbung, Zwischenfilmchen, was auch immer, der Blick der Kamera zunächst auf die Schuhe/Füsse/Beine einer jeweilig ins Bild kommenden Frau gerichtet wird.
    Mich nervt es mittlerweile, weil fast jede Frau so Dominamässig/verführerisch ins Bild gebracht wird.
    Man kann eh im Fernsehen nichts mehr sehen , weil alles immer gendergerecht und feminismusgerecht manipuliert und zurechtgebogen wird. Die devote Haltung des Filmeschauenden mittels Dominaeinstellung der Kameraführung hat in der Vergangenheit auf jeden Fall immer das Wohlwollen der Feminismus und Genderwahnsinnigen gehabt. Wieso das jetzt nicht gilt, ist mir ein Rätsel.
    Für den armen Kameramann war das wahrscheinlich ein völlig normaler Reflex, den er 100tausendfach so schon tun musste.

  10. Seitenblick

    Na na na, wer wird denn so gemein sein, darauf hinzuweisen, wie reaktionär und paternalistisch hier wieder mal mit Frauenbeinen umgegangen wird.

    Aber zum Glück hat die Vergangenheit Hilfe parat:

    Im Viktorianischen „galten nackte Frauenbeine im richtigen Leben … als frivol. Die Damen mussten sich bis zum Knöchel hinab verhüllen. Selbst das Wort leg (Bein) sprachen Töchter aus gutem Hause möglichst nicht aus. Sie benutzten stattdessen das neutralere limb (Gliedmaß).“
    Q: http://www.zeit.de/2011/48/Stimmts-Tischbeine

    That’s the real backlash ;-).

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