Der Gleichheits- bzw. Gender-Feminismus basiert auf der Theorie, dass die Geschlechterrollen „sozial konstruiert“ sind, und Männern in Frauen *in Wirklichkeit* gleich sind. Bei Abwesenheit eines Rollen-Aufprägenden sozialen Umfelds — so die Theorie — würden Frauen und Männer sich genau gleich verhalten.
Ich bin allerdings skeptisch. Denn die Theorie hat eine große Schwäche. Ihr fehlt eine konsistente Erklärung, wie es zur sozialen Tradierung des Geschlechterrollenverhaltens gekommen sein soll.
Die Theorie hat keine Antwort auf die Frage, wie und wann und wo in der Evolution des Menschen die Umstellung vom Instinkt-Verhalten zu diesem „sozial konstruierten“ bzw. durch soziale Konditionierung aufgeprägten Verhalten stattgefunden haben soll.
Denn ohne Zweifel ((es sei denn, Gender-Feministen sind automatisch auch Kreationisten)) gibt es bei Tieren instinkt-basiertes Rollenverhalten. Sozial konstruiertes Rollenverhalten setzt hingegen zwei Dinge voraus, nämlich soziale Kommunikation und ausgeprägte Rollen, denn sonst kann das Rollenverhalten nicht „sozial tradiert“ werden.
Soziale Kommunikation deshalb, weil die Erwartungshaltung bezüglich des „richtigen“ Rollenverhaltens zur sozialen Tradierung eindeutig und intensiv vermittelt werden muss. Notwendig zur Vermittlung eines so komplexen Verhaltens sind Sprache, Mimik und Gestik und die vergleichsweise enorm lange Aufzucht- bzw. Erziehungszeit. Bei Tieren ist darum ein sozial tradiertes Verhalten schon theoretisch gar nicht möglich.
Und ausgeprägt, also deutlich unterschiedlich müssen die Rollen sein, weil sonst die „soziale Tradierung“ nicht funktioniert und die Rollen verloren gehen. Der Genderfeminismus setzt diese Möglichkeit der Unterbrechung der sozialen Tradierung explizit voraus. Denn auf dieser Möglichkeit basieren seine Versuche, die soziale Tradierung der Geschlechterrollen durch die Einebnung der Rollenunterschiede zu unterbrechen.
Wenn man also annimmt, dass „soziale Tradierung“ existiert, aber nur dann funktionieren kann, wenn ausgeprägte Rollenunterschiede existieren, folgt daraus, dass die soziale Tradierung des Rollenverhaltens zu einem Zeitpunkt in der Evolution eingesetzt haben muss, an dem es ein sehr ausgeprägtes Instinkt-basiertes Rollenverhalten gab.
Denn ohne dieses ausgeprägte Instinkt-basierte Rollenverhalten hätte die soziale Tradierung nicht beginnen können. Es sei denn, das sozial tradierte Rollenverhalten wäre schon auf einem sehr geringen Niveau von Geschlechterunterschieden stark selbstverstärkend. In dem Fall aber hätte der Genderfeminismus ein generelles Problem, denn dann wäre der Kampf gegen das Rollenverhalten aussichtslos, weil es sich selbst immer wieder aus dem Nichts aufbauen könnte.
Also müssen wir, um die Theorie der sozialen Tradierung von Rollenverhalten in Einklang mit der Tatsache zu bringen, dass bei Tieren das Rollenverhalten Instinkt-basiert ist, voraussetzen, dass beim Einsetzen der sozialen Tradierung des Rollenverhaltens eben dieses Rollenverhalten stark unterschiedlich ausgeprägt und Instinkt-basiert war.
Dann wiederum müsste es zwischen dem Zeitpunkt dieses Starts und heute einen Übergang vom Instinkt-basierten zum sozial konstruierten Rollenverhalten gegeben haben. Realistisch denkbar ist dabei nur ein langsamer Übergang, bei dem das Instinkt-basierte Verhalten langsam weggefallen ist, denn Instinkte verschwinden nicht über Nacht.
Nun ist es aber so, dass Instinkte extrem widerstandfähig sind gegen „wegfallen“. Der Fluchtinstinkt, Angst vor Spinnen oder Schlangen, das Risiko-Verhalten – unzählige typische menschliche psychische Schwächen – alles deutet darauf hin, dass Instinkte ((auch noch-so-blödsinnige)) sich ansammeln und sehr, sehr, sehr langlebig sind.
Dass es einen Übergang von einem Instinkt-basierten zu einem „sozial konstruierten“ Rollenverhalten gegeben hat ist also schon deshalb zweifelhaft, weil das Wegfallen von Instinkten, noch dazu in evolutionsbiologisch gesehen eher kurzer Zeit, so unrealistisch ist. Warum sollte auch ein Instinkt wegfallen, der durch die soziale Tradierung des Rollenverhaltens kontinuierlich gestärkt und bestätigt wird? Müsste sich dieser Instinkt nicht immer weiter ausprägen und sich neurobiologisch immer tiefer in der menschlichen Psyche verankern, anstatt abgeschwächt zu werden?
Aber mal angenommen, es gäbe diesen Übergang von instinktbasiertem zu sozial konstruierten Rollenverhalten tatsächlich, und das instinktive Rollenverhalten wäre wirklich auf dem Rückzug; woher wüsste man dann, dass dieser Übergang schon abgeschlossen ist? Oder dass er jemals abgeschlossen sein wird? Wie könnte man feststellen, dass das Instinkt-basierte Verhalten ausreichend abgebaut ist, so dass die Ideen des Gleichheits- bzw. Gender-Feminismus zur „Aberziehung“ der Geschlechterrollten realistischerweise umsetzbar sind?
Und widerlegen nicht zahlreiche Experimente mit Säuglingen und Neugeboreren, die bereits geschlechterspezifisches Verhalten zeigen, die These, dass die Instinkte keine Rolle mehr spielen?
Das sind alles Fragen, die ich gerne von Gleichheits-Gender-Feminismus-Expert_*innen beantwortet hätte. Vielleicht gibt es ja überzeugende Antworten. Aber ich habe noch keine gehört oder gelesen.
Bis dahin bleibe ich also Differenz-Feminist :-)
Denn ohne dieses ausgeprägte Instinkt-basierte Rollenverhalten hätte die soziale Tradierung nicht beginnen können.
Ich denke, das ist der Punkt, an dem Dir Gender-Feministinnen möglicherweise widersprechen würden. Zumindest die -äh- mythopoetische Strömung des Feminismus glaubt ja, daß die Menschheit bis vor wahlweise 2000, 6000 oder 8000 Jahren im friedlichen und harmonischen Ur-Matriarchat lebte, in dem es außer der Gebärfähigkeit keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern gab.
Damit wäre die Frage also nicht, wie geschlechtsspezifisches Verhalten von der Instinkt- zur sozialen Disposition gewechselt ist, sondern wie es aus der völlig egalitären Lebensweise überhaupt entstehen und sich in der Folge das böse Patriarchat weltweit verbreiten konnte.
Wenn wir morphogenetische Felder und steuernde Eingriffe durch Aliens ausschließen, kann es eigentlich nur so gewesen sein:
Eines Tages existierte in einem der ur-matriarchalisch lebenden Stämme ein Junge (Und es muß ein Junge gewesen sein!), der anders war. Vielleicht von Geburt an, vielleicht hatte er ein traumatisches Erlebnis, als er zusehen mußte, wie seine Mutter von einem wilden Tier gefressen wurde. Jedenfalls entwickelte er sich zu einem Soziopathen und begann, die Naivität -äh: Güte- seiner basisdemokratisch-konsensual lebenden Stammesgenoss)*_[-/Innen zu mißbrauchen und immer mehr Einfluß anzuhäufen, bis er eines Tages der uneingeschränkte Alleinherrscher geworden war.
Und weil er nun wahlweise ein frauenfeindlicher Unterdrücker war oder aufgrund seines Traumas an Verlustängsten litt, befahl er, daß fortan die Frauen nur noch Tätigkeiten innerhalb des Dorfes ausführen durften und, damit ihre lückenlose Unterdrückung/Sicherheit gewährleistet war, direkt vom Haushalt (Zelthalt?) des Vaters in den ihres exklusiven Sexualpartners (Ich habe vergessen, ob es im Ur-Matriarchat schon die mono- oder polygame Ehe gab, aber vermutlich wäre die zu unterdrückerisch gewesen.) übergeben wurden. Und so kam durch einen einzelnen bösen Mann das Patriarchat in die Welt.
Die nächste Frage wäre, wie es sich auf der ganzen Welt verbreiten konnte. Aber das ist eigentlich ganz einfach: Die Männer der benachbarten Stämme sahen die vielen Privilegien, die die Männer des patriarchalen Stammes plötzlich besaßen und waren neidisch auf die patriarchale Dividende, die diese neuerdings einfuhren. Also begannen sie auch, ihre Frauen zu unterdrücken, und infizierten so wiederum ihre Nachbarn, bis schließlich nur winzig kleine matriarchalische Nester übrigblieben.
(Höchst frauenfeindlich wäre es übrigens zu behaupten, die „patriarchale Dividende“ hätte schlicht den Effizienzvorteil einer arbeitsteiligen Gesellschaft dargestellt. Oder gar darauf hinzuweisen, daß es ja reiner Zufall war, daß der ursprüngliche Samen des Bösen ein Junge war, weil schließlich Frauen, Männer und sonstige doch eigentlich vollkommen gleich sind.)
Damit verschiebt sich die evolutionsbiologische Frage (aber immer dran denken, das Piratenweib hat uns mal erklärt: „Die Evolutionstheorie ist nur eine Theorie!“) dahin, wie sich der Mensch zur einzigen Spezies entwickeln konnte, die zwar einen körperlichen Geschlechtsdimorphismus besitzt, jedoch keinen im Verhalten, und welche Art von Selektionsdruck dazu geführt haben könnte. Aber hey, es gibt ja auch Schnabeltiere…
Himmel, ein Glück, daß heute der 1. April ist.
Bombe 20
Leider erklärt auch diese Ur-Matriarchat-Theorie nicht, wie der Mensch als einzige Spezies jedes Instinkt-Verhalten hätte verlieren sollen, was dann dieses vorübergehende Ur-Matriarchat ermöglicht hätte. Und dass es im Ur-Matriarchat jahrhundertelang keine machtgierigen Soziopath_*Innen gegeben haben soll… naja…
Ich interpretiere Deinen Beitrag dann mal in die Richtung, dass keine Blödsinnigkeit den Anhängern des Gender-/Gleichheits-Feminismus zu abwegig ist, um ihre Theorie vor einer Widerlegung zu retten.
Ja, ich sehe auch nicht, wie man zu einer rein sozialen Bestimmung kommen soll. Das erfordert einige sehr unwahrscheinliche evolutionäre Veränderungen, für die ich keinen evolutionären Vorteil sehe.
Ich habe hier mal eine Zusammenstellung gemacht, warum ich von einem hohen biologischen Anteil ausgehe:
http://allesevolution.wordpress.com/2013/05/08/ubersicht-biologische-begrundungen-zu-geschlechterunterschieden/