Archiv der Kategorie: Piratenpartei

Absurde Quotenanträge bei den Piraten

Der feministische Flügel der Piratenpartei schlägt mal wieder zu. In Form des SÄA017 fordert er die Einführung einer Quote:

§ $: Alle gewählten Gremien der Partei werden geschlechterparitätisch besetzt. Mindestens die Hälfte der Mitglieder soll aus Frauen oder Menschen, die sich selbst nicht als Mann identifizieren, bestehen. (…)

Dieser Antrag ist absurd, weil hier Menschen, die behaupten das (biol.) Geschlecht als Kategorie abschaffen zu wollen, das Geschlecht als Kategorie in einer Partei einführen wollen, die das Geschlecht bisher gar nicht erfasst.

Und der Antrag ist naiv, weil die anscheinend beabsichtigte Wirkung der Frauenförderung nicht erreicht werden wird. Denn wenn Mann sein Geschlecht selbst definieren kann, wird natürlich jeder sein Geschlecht jeweils so definieren wie es gerade günstig ist.

Das bedeutet, dass hier eine total zahnlose Regelung eingeführt werden soll die nur die Satzung der Partei aufbläht. Das bedeutet, dass künftig bei Listenaufstellungen jeder Mann und jede Frau nach dem (aktuellen) Geschlecht gefragt werden muss, was zeitraubend und lebensfern ist.

Möglicherweise haben die Antragssteller_*Innen ganz hehre und edle Motive diesen Antrag zu stellen, aber:

Es ist ein Widerspruch das biologische Geschlecht „weiblich“ fördern zu wollen, andererseits aber das biologische Geschlecht überwinden zu wollen.

Aus dieser logischen Inkosistenz hilft auch der Trick nicht heraus Menschen ihr Geschlecht selbst bestimmen zu lassen, zumal das anscheinend nur Männer dürfen.

Denn wenn man sich den Antrag genau durchliest wird die
Frauenquote durch „Frauen oder Menschen, die sich selbst nicht als Mann identifizieren, (…)“ erfüllt.
Das bedeutet, Frauen brauchen gar nicht nach ihrem Geschlecht gefragt zu werden. Sie zählen im Sinne der Quote immer als Frauen und werden damit auf ihr biologisches Geschlecht festgenagelt.
Nur Männer haben das Privileg sich auch als Frauen im Sinne der Quote identifizieren zu können.

Da frage ich mich schon langsam, ob die Antragssteller wirklich Genderfeminist_*Innen sind, oder ob das Patriarchat[tm] ihnen diesen absurden Antrag eingeflüstert hat.

Denn in diesem Antrag wird das biologische Geschlecht gleich mehrfach als feste, trennende Kategorie genutzt und damit die Unterscheidung zwischen (biol.) Männern und Frauen eher zementiert als aufgehoben.

Also bitte, liebe Piraten: Macht Euch nicht schon wieder zum Obst. Lehnt dieses tragikomische Machwerk von einem Antrag ab.

Beitzergate, Lampedusa und die Unfähigkeit der Piraten zur Realpolitik

Die Piraten verkacken es gerade mal wieder Big-Time.

Erstens, weil genderfeministische Vollpfosten jetzt anscheinend auch Markus Kompa als „rechts“ und „Maskuli(ni)st“ identifiziert haben, weil er es gewagt hat eine feministische SZ-Journalistin zu kritisieren. Nachdem ja erst neulich der Betreiber von Piratenstreaming hingeschmissen hatte wegen genderfeministischer Internet-Pranger-Betreiber.

Zweitens, weil bei den Piraten weiter niemand Realpolitik kann. Was hier heißen soll: Niemand scheint sich darum zu kümmern dass Politik reale, konkrete Probleme real existierender Menschen ansprechen muss, dass Politik nicht ohne Grund auch „die Kunst des Machbaren“ genannt worden ist, dass Politik auch unangenehme Kompromisse verlangt, und dass in der Politik oft dicke Bretter gebohrt werden müssen.

Beispiel Lampedusa: Wenn laut Umfragen 51% der Bevölkerung gegen zusätzliche Einwanderung sind, was macht man da? Klar, Wählerbashing betreiben und mal eben 51% der möglichen Wähler in die rechte Ecke stellen!
Die Ängste der Wähler vor irgendwelchen Problemen, die es durch Flüchtlinge geben könnte, nicht ernst zu nehmen und für schwachsinnig, rechts und rassistisch zu erklären ist unter dem Aspekt dass eine Partei am Ende von irgendwem gewählt werden muss mindestens genau so schwachsinnig.
Und zwar völlig unabhängig davon ob solche Ängste rational sind oder nicht, denn darauf kommt es schon per definitionem bei Ängsten überhaupt nicht an.
Man darf nicht vergessen dass die Wähler nichts von den Piraten wollen. Die Piraten wollen die Stimmen der Wähler.
Der Wähler will wissen wo für ihn der Vorteil liegt eine bestimmte Partei zu wählen. Und er will sicher sein dass es für ihn keine Nachteile gibt. Er hat keine Lust sich von einer Partei sagen zu lassen wie er zu denken hat. Die Grünen haben das bei der Bundestagswahl 2013 aus den Augen verloren und dafür eine heftige Klatsche kassiert.

Man muss als Partei taktisch klug sein und vermeiden Türen zuzuschlagen. Wenn Innenminister Friedrich besser Ängste vor Flüchtlingen schüren kann als man selbst begründen kann warum es gut und sinnvoll ist Flüchtlinge aufzunehmen, dann muss man im Zweifel zähneknirschend die Klappe halten um auch die Stimmen derjenigen mitnehmen zu können die man insgeheim für rassistische rechte Idioten hält. Denn es ist in diesem Fall kontraproduktiv einen Kampf zu führen den man nicht gewinnen, sondern in dem man nur in Schönheit sterben kann. Ziel einer Partei muss es sein die notwendigen Stimmen zu sammeln um ihre Inhalte durchsetzen zu können. Das muss Priorität haben. Die B-Note zählt nach der Wahl nicht mehr. ((Die CSU weiß das. Und hat damit Erfolg))
Dazu braucht es ein wenig mittelfristige strategische Intelligenz, und natürlich Parteidisziplin, beides Dinge die der Piratenpartei anscheinend völlig abgehen.

Man braucht (wenn überhaupt, siehe CDU/CSU) ein, zwei Themen um die Wähler für sich zu gewinnen (das wären z.B. Post-Gender und digitale Bürgerrechte gewesen), und im übrigen darf man die Wähler einfach nicht verschrecken. So einfach ist das, aber sogar diese trivialen Basics von parteipolitischem Handeln hat in der Piratenpartei anscheinend niemand verstanden.

Und darum werden jetzt reihenweise Positionen zu in der Gesellschaft umstrittenen Themen verabschiedet und öffentlich propgagiert, und mit jeder solchen Positionierung – die ja im Falle der Piratenpartei häufig damit einhergeht dass man zeitgleich verkündet dass jeder der diese Position nicht teilt rückständig, verblödet, unzurechnungsfähig und möglicherweise rechts ist – halbiert man die Menge der Menschen die sich hätten vorstellen können die Piraten zu wählen. Eigentlich ist es ein Wunder dass die Piraten überhaupt auf 2% gekommen sind.

Jetzt ist die Zeit der Richtungsentscheidungen in der Piratenpartei

In der Piratenpartei müssen wir bald Richtungsentscheidungen treffen.
Viele wurden zu lange aufgeschoben.

Als da wären:

1. Basisdemokratie / SMV / Delegiertensystem

Dieser Punkt ist seit langem ein Streitpunkt. Wir werden uns hier auch nicht einigen können. Es gibt Argumente für alle Varianten, die von den jeweils Andersdenkenden für falsch gehalten werden. Das ist wahrscheinlich eine Frage der jeweiligen Weltsicht und Lebenserfahrung, denn aus den eigenen Annahmen über „das Wesen der Welt/des Menschen“ folgen jeweils andere „logische“ Argumentationen.

Darum plädiere ich dafür verschiedene Varianten jeweils zeitlich begrenzt auszuprobieren, vielleicht für jeweils ein Jahr; oder für zwei Jahre, aber in verschiedenen Landesverbänden, um das „Ausprobieren“ zu parallelisieren.

Ich glaube persönlich nicht an die SMV, denn mit Menschen wie mir würde sie wahrscheinlich nicht funktionieren. Permanente Abstimmungen wären für mich ein Stressfaktor. Ich will mich lieber regelmäßig en bloque um alles kümmern und nicht in Angst leben etwas wichtiges zu verpassen. So wie den Aushang über die Einspruchsfrist für die Planung von S21 o.ä. Aber viele setzen all ihre Hoffnung in die SMV. Also möchte ich ihnen die Chance geben durch ausprobieren selbst enttäuscht zu werden. Und mir natürlich die Chance überrascht zu werden dass die SMV doch funktioniert.

Ich denke viele Widerstände kommen von der Angst dass „Fakten geschaffen werden sollen“. Was ja der eine oder andere Pirat auch schon mal gefordert haben soll. Solche Ängste könnte man durch die zeitlich begrenzte probeweise Einführung von Dingen verhindern.

Ich glaube auch nicht an die Basisdemokratie, denn 2000 Leute diskutieren Themen nicht besser als 100 Leute, es erhöht sich nur der Kommunikations-Overhead auf ein nicht mehr tragbares Maß. Und wenn 2000 Leute zu einem Bundesparteitag kommen kann nicht einmal jeder einmal für drei Minuten reden. Auch nicht für eine Minute.

Die Einführung von „Leitanträgen“ zur Priorisierung „wichtiger“ Themen würde die Antragskommission zu einer Art allmächtigem Zentralkomitee der Partei machen. Das würde die Basisdemokratie faktisch vernichten und die Vetternwirtschaft, die es natürlich auch so bereits gibt, weiter verstärken.
Ein Delegiertensystem hingegen parallelisiert die Entscheidungsfindung, begrenzt den Kommunikationsoverhead, erhöht die Effizienz und steigert die Qualität der auf den höheren Ebenen eingespeisten Anträge und ist außerdem „proven in use“.

Aber wenn das jemand anders sieht: Auch hier könnte man ja zeitlich begrenzt verschiedene Varianten durchprobieren und später evaluieren was am besten geklappt hat.

2. Geschlechterpolitik

Ich glaube auch dass wir uns keinen Gefallen tun die Piraten zu „yet another Genderfeminismuspartei“ zu machen und Frauen-Pöstchen-Quoten einzuführen. Ich bin Differenzfeminist und glaube dass Frauen selbst am besten wissen was gut für sie ist. Ich glaube nicht an eine seit jahrtausenden anhaltende Männer-Weltverschwörung die Frauen ebenso versteckt wie effizient unterdrückt.
Die Nicht-Gleichverteilung von Frauen und Männern auf Berufe, Posten, Gruppen etc. ist in meiner Weltsicht eine Folge der Tatsache, dass Frauen und Männer verschieden sind und deshalb auch verschiedene Interessen, Präferenzen und Werte haben. Wenn Frauen seltener 80-Wochenstunden-Vorstandsjobs besetzen ist das für mich kein Beweis der Unterdrückung von Frauen, sondern eher Beweis klügerer Lebenszielsetzung von Frauen.

Die genderfeministische Idee, das Verhalten von Frauen und Männern angleichen zu wollen indem unter anderem Frauen konditioniert werden sollen „Werte“ anzunehmen die sonst nur neoliberale Turbokapitalisten_*Innen und auch immer weniger Männern für erstrebenswert halten (Spitzenpositionen erkämpfen, super viel Kohle verdienen, „Macht“ anhäufen) halte ich für geradezu absurd.

Nun, auch hier gehen die Meinungen wohl auseinander. Die einen sehen keine Probleme zwischen den Geschlechtern, die anderen sehen eine systematische Unterdrückung von Frauen. Die einen halten Männer und Frauen für biologisch determiniert unterschiedlich veranlagt und Geschlechterrollen für eine Folge davon, die anderen halten die Geschlechterrollen für anerzogene Hindernisse bei einer wirklich freien Entfaltung der Persönlichkeit von Frauen, aber auch Männern.
Wie auch immer. Wir müssen uns auch hier entscheiden welche Position unsere Partei hier nach außen einnehmen soll, oder ob sie das Thema einfach ausklammern soll. Wir müssen uns als Partei hier nicht von irgendeiner Seite vereinnahmen lassen, es sei denn wir halten das Thema wirklich für so relevant dass hier eine Positionierung notwendig ist.

3. Grundeinkommen und Lebensgemeinschaften

Die Idee, dass Menschen sich zu Lebensgemeinschaften mit anderen zusammenschließen und quasi Ehe-ähnliche gegenseitige Rechte und Pflichten bekommen können halte ich eigentlich für unkontrovers. Der Staat kann kein Interesse daran haben zu verhindern dass Menschen sich miteinander verbinden und somit den Staat ein Stück weit von manchen Problemen entlasten die schnell entstehen wenn Menschen einsam und allein in Probleme geraten.
Bezüglich des Grundeinkommens bin ich wieder skeptisch. Faktisch müssen wir – wenn wir die Menschenrechte achten – jedem Menschen ein Grundeinkommen zugestehen und Wohnung, Kleidung, Essen, kulturelle Teilhabe etc. sichern. Die Frage ist nur, wie man das gestaltet. Mit einem Gängelungssystem, dass Menschen in Maßnahmen und zu sinnlosen Bewerbungen zwingt, oder mit einem „Macht-was-ihr-wollt-das-Geld-kommt-auf-jeden-Fall“-System wie dem BGE. Oder vielleicht mit etwas dazwischen. Wahrscheinlich müsste man das System eigentlich vom Charakter des jeweiligen Menschen abhängig machen; das aber kann der Gesetzgeber nicht, denn vor dem Gesetz muss jeder gleich sein. Auch hier würde ich dafür plädieren die Einführung eines BGE-System erst nur zeitlich begrenzt zu fordern. Erstens weil das weniger Widerstand hervorruft, zweitens weil wir wirklich nicht wissen können ob die von uns erhoffte aktivierende Wirkung eines BGE, das von Druck befreite Menschen motiviert mit ihrem eigenen Ding erfolgreich zu sein, eintreten wird oder ob doch die Mehrzahl der Menschen dem konservativen Menschenbild des Sozialschmarotzers entsprechen der seine Sozialknete vor der Glotze verzecht.

Wenn wir zu diesen Punkten Positionen haben, haben wir meiner Meinung nach viele Konflikte in der Partei entschärft. Dann haben wir wieder klar Schiff gemacht und sind bereit zum Ändern. Haben wieder einen Wertekompass. Können Kurs setzen zu neuen Ufern. Und dann ggf. die nautischen Metaphern über Bord werfen.

Was wir Piraten aus dem Ergebnis der Bundestagswahl 2013 lernen können

Machen wir uns nichts vor: Wir Piraten haben es verkackt.

FDP und Grüne haben zusammen über 12 Prozentpunkte Zustimmung verloren, und die Piraten haben von diesen Verlusten des – im weitesten Sinnen – liberalen, bürgerrechtspolitisch orientierten Lagers quasi nicht profitiert.
Nicht einmal die NSA-Affäre und unser engagierter Wahlkampf, der meiner Meinung nach trotz eher geringer finanzieller Möglichkeiten auf recht hohem Niveau stattgefunden hat, konnten verhindern dass die Piraten am Ende weniger als die Hälfte von 5% der Wählerstimmen auf sich vereinen konnten.

Eine der üblichen Reaktionen auf Wahlniederlagen ist das Wähler-Bashing: „Die Leute sind einfach zu doof für unsere total tolle und logische Politik – Mimimimi!“.
Aber das ist natürlich Bullshit. Wenn man ein – angenommenermaßen – überlegenes Produkt nicht los wird, dann liegt das am Marketing, nicht am Kunden.

Darum glaube ich: Wir Piraten haben uns von den etablierten Parteien und den Medien vorführen lassen.

Anstatt zu den Kernthemen zu stehen haben wir überstürzt versucht ein Vollprogramm zu verabschieden.
Dabei hätten wir sehr gut sagen können dass unsere Abgeordneten im Zweifel einfach den Vorschlägen der politischen Konkurrenz zustimmen würden die jeweils am vernünftigsten sind. Aber statt dessen sind wir über das Stöckchen gesprungen und haben versucht zu jedem Thema von Atomenergie bis Zweitwohnungssteuer eine Position zu finden. Mit dem „Erfolg“ das deswegen interne Grabenkämpfe ausgebrochen sind und der politische Gegner uns alle möglichen Dinge aus unserem Programm vorhalten konnte.

Das Vollprogramm hat auch zu einem logischen Bruch im Konzept der Piratenpartei geführt: Eine Partei die sich gegen den Fraktionszwang ausspricht kann nur bezüglich unstrittiger Kernthemen Wahlversprechen machen, weil nur bezüglich dieser Themen einigermaßen sicher ist dass alle Abgeordneten hier gemäß dem Wahlversprechen abstimmen würden.
Ohne einen Fraktionszwang der alle Abgeordneten zu einem einheitlichen Abstimmungsverhalten zwingt ist ein Wahlkampf mit einem Vollprogramm, das ja immer auch als Wahlversprechen aufgefasst wird, überhaupt nicht glaubwürdig.

Natürlich ist die Piratenpartei eine junge Partei die noch nicht wirklich zu sich selbst gefunden hat. Im Hype sind viele Leute eingetreten die sich von der Piratenpartei erhofft haben dort ihre Meinungen platzieren zu können die sie von anderen Parteien nicht richtig vertreten gesehen haben. Was ja auch legitim ist.
Und darum haben wir jetzt Schusswaffen-Freunde, Nuklearenergie-Befürworter, Gender-Fans, BGE-Gläubige und SMV-Vertreter in der Partei. Diese haben für jede Menge innere Unruhe und Außendarstellungsprobleme („Popcorn“) gesorgt, und unsere basisdemokratische Partei hat diese Probleme mangels innerer Geschlossenheit, Struktur und Führung nicht in den Griff bekommen.

Wir werden noch Jahre brauche um diese verschiedenen Themen intern auszudiskutieren.
Ich glaube aber dass wir aus der (auch näheren) Vergangenheit Folgendes lernen können:

1. Schlagkräftige Parteien nutzen die Effizienzvorteile eines hierarchischen Delegiertensystems. Dieses spart Kosten, schont menschliche Ressourcen und filtert auf Kreis-, Bezirks- und Landesebene Themen vor, so dass auf Bundesparteitagen effizient gearbeitet werden kann; basidemokratische Elemente müssen auf Mitgliederentscheide beschränkt bleiben, die eher die Ausnahme als die Regel sein sollten. Auch noch so politisch engagierte Menschen haben nur begrenzt Zeit und Lust sich in Themen einzuarbeiten. Daher sollten wir die Möglichkeiten der Parallelisierung und der Mehrstufigkeit nutzen die ein hierarchisches Delegiertensystem bietet.

2. Elektronische Wahlen, gesichert durch Krypto-Foo, sind wahrscheinlich manipulierbar und damit nicht demokratisch. Wenn wir uns auf Krypto-Foo verlassen das kaum jemand versteht und das vielleicht Hintertüren oder Schwächen hat wären Wahlmanipulationen Tür und Tor geöffnet. Die Old-School Papierwahl ist leider das einzige Verfahren das jeder versteht und nachvollziehen kann und wo es keinen „Single Point of Failure“ gibt wo ggf. eine Hacker-Attacke möglich ist.

3. Der Wähler interessiert sich für Gesundheit, Geld, gutes Leben. Das Motto „Freiheit statt Angst“ verfängt nicht bei denen die gar keine Angst haben vor informationstechnischer Ausspähung. Sondern eher vor Atomkraft, Islamisten und Altersarmut. Wir Piraten können als Kleinpartei keine Themen setzen. Wir müssen für die Probleme die in der Diskussion sind überzeugende Lösungen bieten oder taktisch die Klappe halten.

Es mag gut sein dass diese drei Punkte in der Piratenpartei keine Mehrheit finden würden. Das ist okay. Dann brauchen wir eben einen Fork.
Einen Fork möglicherweise, dessen Namen man nicht erst erklären muss (Damals, in Schweden… bla bla… ).
Einen Fork, der nicht der genderfeministischen Blödsinnsideologie anhängt die die offensichtlich vorhandenen biologisch-hormonellen, neurologischen und psychosozialen Unterschiede zwischen Männern und Frauen durch gesellschaftliche Umerziehung „wegkonditionieren“ zu können und zu müssen glaubt.
Einen sozial-liberalen Fork, der „den Markt“ nicht animistisch personifiziert und zum Heilsbringer verklärt, sondern „den Markt“ als Summe der Interaktionen von Marktteilnehmern innerhalb der gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen begreift. Rahmenbedingungen, die es stetig behutsam zu aktualisieren gilt um eine Regelungs-Wirkung zu entfalten die zu einer Maximierung des Gemeinwohls führt und nicht primär zur Maximierung des Gewinns von Spekulanten, Subventions-Betrügern und Spesenrittern.
Einen Fork, der nicht glaubt die Weisheit gepachtet zu haben sondern auch einsieht, dass manche Dinge nur durch „Ausprobieren“ geklärt werden können. Bedingungsloses Grundeinkommen, gut oder schlecht? Wollen Menschen arbeiten, oder sind Menschen faul und sitzen am liebsten stoned und kopulierend vor der Glotze? Vielleicht stimmt ja beides, möglicherweise liegt das ideale Sozialsystem irgendwo zwischen BGE und Hartz IV, probieren wir es aus, verabschieden wir zeitlich begrenzt gültige Gesetze!
Und natürlich einen Fork, der rechten und linken Ideologien keine Bühne bietet, wo keine prügelfreudigen Rote-Hilfe-Mitglieder im Parlamentsfernsehen herumpöbeln oder Ex-NPD-Mitglieder Kreisverbände übernehmen, wo keine Leute mit selbst-erfundenen Berufsbezeichnungen und Laberfach-Ausbildung sich selbst inszenieren, wo weder Gender-Konferenzen veranstaltet noch Prangerseiten eingerichtet oder Wortklauberei betrieben wird.

Wichtig ist, dass wir aufhören uns Illusionen zu machen. Politik ist ein schwieriges Geschäft. Die Welt hat nicht auf uns gewartet. Die Generationen vor uns waren nicht zu doof um auf die ganzen klugen Dinge zu kommen die wir uns ausgedacht haben, sondern manche Dinge funktionieren einfach nicht. Auch wenn wir es uns noch so sehr wünschen. Es ist Zeit, als Partei erwachsen zu werden.

Geschlossenes Weltbild auf der „Open Mind“ 13?

Ich bin 2011 auch deshalb in die Piratenpartei eingetreten weil ich mir von dieser Partei eine Überwindung des blödsinnigen Geschlechterkriegs versprochen habe. Ich dachte, in einer Hacker- und Grundrechte-Partei wäre kein Platz für Elfenbeinturm-Ideologien.
Die Idee von „Post-Gender“ fand und finde ich sehr attraktiv. Denn Individuen aufgrund von irgendwelchen unveränderbaren, angeborenen Merkmalen in Schubladen zu stecken kann nie dazu führen das Schubladendenken zu überwinden. Oder anders gesagt: Die Idee den Menschen beizubringen, zwischen Gruppen und Grüppchen genauestens zu differenzieren ((und alles zu sagen oder zu tun zu vermeiden was jemand möglicherweise nicht gut finden könnte)) („Awareness“?), mit dem Ziel, dass die Menschen erkennen sollen dass die gerade mühsam gelernten Unterschiede eigentlich völlig irrelevant sein sollten ist „broken by design“, absolut paradox.

Darum sehe ich den genderfeministischen Flügel der Piratenpartei sehr kritisch.
Denn der Genderfeminismus ist meiner Meinung nach ein Irrweg. Ich habe darüber schon an anderer Stelle genug geschrieben.

(Genderfeminismus-Einführung überspringen)
Die Kurzversion einer Erklärung des Genderfeminismus ist diese: An erster Stelle steht das Dogma dass Frauen und Männer gleich sind. Nicht nur gleichwertig, gleichgestellt, gleich befähigt, sondern: Gleich. ((Von kleinen physiologischen Abweichungen abgesehen. Die aber keine Bedeutung haben und kein Indiz dafür sein können dass Frauen und Männer sich aus biologischen Gründen auch neurologisch und psychosozial grundsätzlich unterscheiden.)) Darum ist der Genderfeminismus eine Variante des s.g. Gleichheitsfeminismus ((Im Gegensatz zum Differenzfeminismus, der die Geschlechter als unterschiedlich, aber gleichwertig versteht)). Nun verhalten sich Frauen und Männer aber offensichtlich nicht gleich. Und diese Unterschiede lassen sich zumindest zum Teil mit evolutionsbiologisch bedingten Verhaltens- und Fähigkeitsunterschieden, ausgelöst zum Beispiel durch unterschiedliche Hormonspiegel, erklären.

Laut genderfeministischem Gleichheits-Dogma darf es aber keine Geschlechterunterschiede geben, zumindest keine unabänderlichen, biologisch bedingten. Darum konstruiert der Genderfeminismus eine alternative Theorie zur Erklärung der offensichtlichen Geschlechterunterschiede.
Diese ist sehr geschickt gewählt, denn sie hält sich sehr nahe an der Realität: Sie bestreitet gar nicht dass es eine „Vererbung von Geschlechterunterschieden“ gibt.
Aber sie bestreitet die Existenz jeglicher biologischen Ursprünge von Geschlechterunterschieden und erklärt ausnahmslose alle Geschlechterunterschiede durch das Konstrukt einer „sozialen Vererbung“ bzw. „sozialen Tradierung der Geschlechterrollen“. Das bedeutet, dass die „Vererbung“ der Geschlechterrollen einfach damit erklärt wird dass Kinder ihre Eltern quasi 1:1 imitierten ((Das klingt wieder einigermaßen realistisch, aber so genau imitieren Kinder ihre Eltern nicht, dass die Ausbildung und Tradierung von Geschlechterrollen dadurch erklärt werden könnte)). Damit werden alle Geschlechtereigenschaften aus der Sphäre des zumindest teilweise biologisch bedingt Unänderbaren in die Sphäre des politisch-sozial-gesellschaftlich Veränderlichen versetzt. Es werden alle Geschlechterunterschiede zu reiner Tradition erklärt werden die man jederzeit abschaffen könne.
Um die Unterschiede des Geschlechter-Verhaltens zu beseitigen und die Geschlechterrollen abzuschaffen müsste es dann nur gelingen die soziale Tradierung der Geschlechterrollen zu durchbrechen.

Könnte man durch Quoten die unterschiedliche Rollenverteilung hinreichend lang durch eine Gleichverteilung zu ersetzen – glauben die Genderfeministen – würde das die Rollenunterschiede aufheben. Statt der Verschiedenartigkeit würde dann die Gleichartigkeit der Geschlechter weitertradiert. Dann wäre die Gleichheit der Geschlechter hergestellt, und alles wäre gut.

Die Theorie der von aller biologischen Bedingtheit losgelösten rein sozialen Tradierung der Geschlechterrollen ist meiner Meinung nach arg herbeikonstruiert, aber wenn man sich erst einmal darauf eingelassen hat anscheinend dennoch glaubhaft. ((Es ist ja auch eine verlockende, schmeichelhafte Vorstellung dass der Mensch als eine Art „Über-Tier“ eine neue Stufe der Existenz erreicht habe auf der er von jeglichem durch seine biologische Hardware induzierten geschlechtsspezifischen Verhalten unabhängig sei. Nur ist die Vorstellung doch eher naiv und selbstgefällig.))
Sie bildet für den Anhänger der Theorie ein geschlossenes System; durch selektive Wahrnehmung lassen sich zahlreiche „Beweise“ für die Richtigkeit der Theorie finden und Gegen-Indizien ausblenden. Ein Beispiel für eine ähnliche Theorie ist z.B. der Kreationismus, der die Entstehung der Arten durch Gottes Wirken erklärt, Gegenbeweise ignoriert, und schwierig erklärbare natürliche Phänomene als Beweise für die Richtigkeit des Kreationismus interpretiert. Das alles nach dem Motto „Wie unrealistisch ist es, dass aus Urschleim ein Känguru wird, ohne einen Schöpfer?“

Wie dem auch sei: Um einordnen zu können ob auch die „Open Mind 13“ wieder eine geschlossene Veranstaltung des genderfeministischen Flügels war habe ich mir den Vortrag mit anschließender Diskussion „Quote bringt nichts, diskriminiert, ist blöd“ von Laura Dornheim angesehen. In diesem erhebt sie durchaus selbstbewusst den Anspruch jedes(!) Argument gegen die Geschlechterquote widerlegen zu können.

Eigentlich wollte ich den gesamten Vortrag und die gesamte Diskussion besprechen, aber um den Aktualitätsbezug nicht völlig zu verlieren will ich hier vorerst nur auf ein paar Aspekte des Vortrags eingehen.

Mein Hauptkritikpunkt zum Vortrag selbst ist, dass dieser erhebliche Schwächen hatte. Die darin gelieferten Informationen konnten daher keine ausreichende Grundlage für eine sinnvolle Diskussion sein. Außerdem wurden die Fakten natürlich stets genderfeministisch gefärbt präsentiert.
Mein Hauptkritikpunkt bezüglich der „Diskussion“ nach dem Vortrag ist, dass diese darauf ausgelegt war eine wirkliche Debatte nicht zuzulassen. Das anscheinend weitgehend homogen genderfeministische Publikum fungierte nur als Stichwortgeber für akribisch vorbereitete Gegenargument-Monologe. Eine „Diskussion“ im eigentlichen Sinne fand überhaupt nicht statt.

Schwächen des Vortrags

Eine wesentliche Schwäche des Vortrags besteht darin, dass immer über „Quote“ geredet wird, aber häufig unklar ist um welche Art von Quote es gerade geht. Zwar entwickelt die Referentin auf Folie 3 ((meine Zählung)), ab 0:01:49 ((h:mm:ss)) ein Instrumentarium um Quoten kategorisieren zu können; dieses ist aber mangelhaft und wird kaum verwendet. Das wiederum ist hinderlich bei der Bewertung welche Argumente jeweils valide Argumente für oder gegen eine bestimmte Art von Quote sein können.
Ein Beispiel: Gegen eine Geschlechter-Quote in Höhe des Anteils von Geschlecht X an der fachlich qualifizierten Belegschaft +/- 10% lässt sich eher wenig sagen, aber gegen eine starre 50%-Frauen-Quote im Bereich Notfallmedizin, bei der nötigenfalls Notarztstellen unbesetzt bleiben müssen wenn keine Frau den Job machen möchte, könnte man bestimmt einige sinnvolle Argumente finden.
In Frau Dornheims Instrumentarium fehlt allerdings das wichtige Kriterium der Priorisierung der Ziele „Besetzung von Stellen“ (d.h. dass die Stelle überhaupt besetzt, also die Arbeitsleistung der Gesamtbelegschaft erhöht wird), „Qualifizierte Besetzung von Stellen“ (d.h. dass die durchschnittliche Qualifikation der Belegschaft maximiert wird) und „Besetzung von Stellen mit Geschlecht XY/Frauen“ (d.h. dass die Quote von Geschlecht XY erreicht wird).
Da dieses Kriterium fehlt ist sie auch nicht in der Lage die von ihr mehrfach zitierte „Wünsch-Dir-Was-Quote“ in irgendeiner sinnvollen Weise zu konkretisieren, so dass jede Aussage die sie in Bezug auf diese trifft völlig wage bleibt.
Eines erreicht sie immerhin durch die Nicht-Anwendung ihres mangelhaften Instrumentariums: Es fällt nicht so auf dass die einzige Form der Quote die in Europa tatsächlich mehrheitsfähig ist (Folie 14, 0:20:00) wahrscheinlich genau die von ihr so verachtete „Wünsch-Dir-Was-Quote“ ist, bei der die Quote erst zur Anwendung kommt wenn die Besetzung einer Stelle mit zwei gleich qualifizierten Bewerbern verschiedenen Geschlechts möglich wäre.

Schwächen der „Diskussion“

Die Art und weise wie der genderfeministische Flügel der Piratenpartei sich dem Anschein nach politische Meinungsbildung bzw. -entwicklung vorstellt finde ich immer wieder befremdlich. Auf der Piratinnenkon war anscheinend schon jede abweichende Meinungsäußerung verboten. Dieses Muster der Diskurs-Vermeidung scheint sich auch auf der „Open Mind“ fortgesetzt zu haben.
Das Format der „Diskussion“ im Anschluss an den Vortrag ist maximal debattenvermeidend: Der Gast darf, nachdem der Ordnungsdienst ihm das Mikro gereicht hat, ein Argument nennen, dann äußert Frau Dornheim vorbereitete „Gegenargumente“, dann gilt das Argument als widerlegt. Der Gast, dem der Ordnungsdienst das Mikro schon wieder weggenommen hat, kann und darf nichts mehr entgegnen. Dabei wäre das häufig dringend notwendig gewesen um darauf hinzuweisen dass Frau Dornheim überhaupt nicht auf das Argument eingegangen war.

Dass niemand auf die Ausführungen von Frau Dornheim etwas erwidern darf fällt anscheinend auch dem Publikum auf, das anscheinend etwas unruhig wird. So unruhig, dass sich bei 0:44:18 eine Ordnerin genötigt fühlt zu erklären, dass es eine „ErstrednerInnen-Quote“ gebe. Darum könne es etwas dauern, bis man noch einmal an der Reihe sei. Da im Endeffekt bis zum Ende der „Diskussion“ quasi niemand ein zweites Mal sprechen darf kann ich mir diesbezüglich vorstellen dass sich einige im Publikum am Ende ziemlich verarscht vorgekommen sein müssen.
Denn „ErstrednerInnen-Quote“ hört sich natürlich erstmal nach einer fairen Regelung für eine Diskussionsveranstaltung an. Doch da diese Regel das Entstehen einer Diskussion unter den gegebenen Umständen (Zeitlimit, viele ZuhörerInnen) de facto verunmöglicht muss man leider davon ausgehen dass diese Regelung vorsätzlich eingeführt wurde um genau das zu erreichen. Es wäre natürlich auch möglich dass die OrganisatorInnen der OM13 einfach nicht in der Lage waren eine wirkliche Diskussion zu planen. Dass sie nicht daran gedacht haben dass „Diskussion“ Schlagabtausch in Dialogform beinhalten muss. Dass bei einer Veranstaltung mit zeitlichem Limit keine Diskussion entstehen kann wenn jeder im Publikum „auch mal was sagen“ darf. Es könnte also wenig sorgfältige Planung der Grund für diese Nicht-Debatte sein, denn man soll nicht mit Bösartigkeit zu erklären versuchen was auch durch mangelnde Fähigkeit erklärt werden kann. Dennoch fällt es natürlich nach der Piratinnenkon mit ihren Diskussions-Unterdrückungs-Regeln zunehmend schwer zu glauben dass die Verhinderung einer wirklichen Diskussion bei diesem genderfeministischen Vortrag ein Zufall gewesen sein soll.

Der erste Gast

Der erste Gast stellt sich und Frau Dornheim zum Beispiel ab 0:22:58 die Frage wie man das Instrument „Quote“ überhaupt zielgerichtet nur an den wirklich notwendigen und gerechtfertigten Stellen einsetzen kann. Er mutmaßt, dass es vielleicht faktisch unmöglich sei ein Gesetz so zu formulieren dass es sowohl praktisch akzeptiert wird, als auch juristisch nicht angreifbar ist.
Frau Dornheim antwortet darauf mit mehreren Äußerungen, die auf die etwas unglückliche Metapher, in die der junge Mann seine Fragestellung gekleidet hat, einzugehen scheinen. Bei genauer Betrachtung aber haben ihre Einlassungen überhaupt nichts mit der Fragestellung zu tun.
Er sagt, zusammengefasst: Die Tatsache, dass manche Menschen depressiv sind (dass es in manchen Bereichen unterrepräsentierte Geschlechter gibt), kann kein Grund sein allen Psychopharmaka zu verschreiben (ist kein Grund überall eine Quote einzuführen). Man braucht also eine individuelle Therapie (Quoten nur in manchen Bereichen). Da Gesetze aber eine gewisse Allgemeingültigkeit haben müssen ist es aber vielleicht praktisch und juristisch nicht möglich Quoten so gezielt einzusetzen wie es notwendig wäre.
Sie antwortet darauf, zusammengefasst: Man kann ja nicht den Patienten überlassen ob sie ihre Tabletten nehmen wollen, der Patient hat zu nehmen was verordnet ist. Im Rahmen der Metapher bedeutet das: Die Leute haben sich an die verordnete Quote zu halten.
Damit geht sie auf die eigentliche Frage gar nicht ein. Die lautet nämlich ob ein Gesetz nicht immer viel zu wenig zielgenau sein muss um wirklich nur da Quoten einzuführen wo man sie braucht.
Das bedeutet: Sie versteht die Frage überhaupt nicht und sagt einfach irgendwas. Dass der Fragesteller verwirrt ist ob der Nicht-Antwort die er erhalten hat sieht man im Video sehr schön: Er verharrt noch längere Zeit in einer Geste des Überlegens.
Und das ist nicht der einzige Fall wo man gerne noch eine Nachfrage gehört hätte bzw. wo Frau Dornheims „Widerlegung“ völlig am Thema vorbei geht.

Abwarten ist Unrecht: Strohmannargumente für die sofortige Zwangsquote

Ab 0:25:25 fragt ein junger Mann, ob es denn überhaupt möglich sei, Gerechtigkeit herbeizuzwingen; ob es nicht besser wäre wenn Frauenanteile langsam und organisch wüchsen; ob nicht eine Quote eher Widerstand und Ablehnung hervorruft und die Möglichkeit verbaut dass ein höherer Frauenanteil als positiv wahrgenommen und wirklich akzeptiert wird.
An dieser Stelle ist zu erwähnen dass er der einzige ist der mit Frau Dornheim in einen Dialog treten kann – allerdings nur weil sie ihm bei 0:26:10 ins Wort fällt, noch bevor der Ordnungsdienst ihm das Mikrofon weggenommen hat.
Nachdem der Gast dann doch noch hat zuende reden dürfen, versucht Frau Dornheim ab 0:26:50 als erstes den Gast davon zu überzeugen, er habe eigentlich das Argument bringen wollen „Wenn wir eine Quote einführen vernächlässigen wir den kulturellen Wandel“; aber leider will der Gast nicht ganz zustimmen.

Ab 0:27:15 versucht Frau Dornheim dann zu argumentieren. Leider greift Sie dabei das Argument des Gastes wieder nicht auf. Sie legt nicht dar warum eine schnelle Einführung einer starren Quote die Akzeptanz von mehr Frauen und generell von Quoten nicht ernsthaft gefährden könne. Statt dessen argumentiert Sie, höhere Frauenanteile auf sanftere Weise durchzusetzen dauere zu lange, und eine mit Zwang durchgesetzte Quote sei besser als Ungerechtigkeit.

Diese Argumentation ist meiner Meinung nach eine Variante der Strohfrau-Argumentation.
Auf das vom Gast entworfene Alternativ-Szenario einer langsamen Förderung eines größeren Frauenanteils wird gar nicht eingegangen. Statt auszuführen warum das Szenario des Gastes abzulehnen sei wird hier ein angeblich äquivalentes Szenario aufgebaut, das aus dem bewährten feministischen Feindbild der weißen gebildeten Mittelschicht-Männer besteht die prinzipiell Frauen ablehnen.
Dann wird gegen den so aufgebauten Strohmann argumentiert: Es sei besser mit Zwang eine Quote durchzusetzen, als die Ungerechtigkeit des geringen Frauenanteils zu akzeptieren.
Frau Dornheim redet also wieder komplett am Argument vorbei, denn das Szenario der dauerhaften Ungerechtigkeit der Besetzung von Stellen durch weiße gebildete Mittelschichtmänner hat sie selbst als Strohmann aufgebaut; der Gast hat nicht argumentiert dass Ungerechtigkeit dauerhaft bestehen solle, er hat lediglich angezweifelt dass eine schlagartig eingeführte Quote der beste Weg zur Beseitigung der Ungerechtigkeit sei. Und Frau Dornheim bringt kein einziges Argument um die Befürchtung zu entkräften eine solche schnelle Quoteneinführung würde vielelicht eher zu Widerstand und gesellschaftlicher Ablehnung von Quoten (und, wegen der Demokratie, zur Abschaffung von Quoten allgemein) führen als zu einem höheren Frauenanteil.

Einschub: Wann sind Argumente Meinungen?

An dieser Stelle möchte ich Bezug nehmen auf Folie 15, ab 0:21:15. Hier stellt Frau Dornheim eine interessante Kategorisierung von Argumenten vor; eine Kategorie sind z.B. „Argumente, die eigentlich nur Meinungen sind“.
Dass manchmal Argumente nur Meinungen sind, ist eine kluge Erkenntnis, nur leider nicht weit genug gedacht. Argumente sind in den allermeisten Fällen logisch und zwingend – in dem Bezugsrahmen, in dem der Argumentierende denkt. Argumentationen bauen häufig auf Prämissen darüber auf wie „die Welt“ oder „der Mensch“ sei, oder welche Werte wichtiger oder weniger wichtig sind als andere Werte. Das bedeutet: Menschen haben Ansichten, also Meinungen, welche Werte wie zu gewichten seien, welche Dinge wahr seien und welche nicht. Ihre Argumente bauen dann auf ihrer jeweiligen Weltsicht auf und sind im Rahmen dieser Weltsicht, ihres Denksystems, basierend auf ihren Prämissen also, absolut logisch.

Oder anders gesagt: Frau Dornheim hat dann absolut recht mit ihrer Quotenforderung, wenn man voraussetzt, dass die Einführung der Quote keine Ungerechtigkeit gegenüber Männern ist, sondern die Quote lediglich die ungerechtfertigte Bevorzugung wieder ausgleicht, durch die die „überschüssigen“ Männer ihre Position überhaupt erst bekommen haben. Diese Sicht kann man nur dann einnehmen wenn man voraussetzt, dass eine Geschlechter-Quote, die von einer 50:50-Quote abweicht, zwingend ungerecht sei. Diese Sicht kann man nur dann haben wenn man voraussetzt dass Frauen und Männer natürlicherweise zwingend gleiche Interessen hätten. Und diese Sicht wiederum kann man nur dann haben wenn man nicht an biologische bedingte Unterschiede zwischen Männern und Frauen glaubt.
Wenn man allerdings an biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen glaubt, dann ergibt sich daraus dass Männer und Frauen unterschiedliche Interessen haben könnten und wahrscheinlich auch haben. Das bedeutet, dass unterschiedliche Verteilungen von Frauen und Männern der Regelfall sein könnten und wahrscheinlich auch sind. Das bedeutet, dass eine hohe Männer-/Frauen-Quote in einem Bereich nicht zwingend ein Indiz für Ungerechtigkeit sein muss. Und das bedeutet, dass die Einführung einer Quote ein Unrecht gegenüber dem dann wegen der Quote und seines Geschlechts zu benachteiligenden Individuum sein könnte.

Das bedeutet: Argumente sind häufig innerhalb ihres Bezugsrahmens logisch und zwingend; doch die Prämissen auf deren Grundlage zwei Menschen diskutieren können unterschiedlich sein. Dann argumentieren sie zwangsläufig aneinander vorbei. Es ist dann sinnlos auf dem Level der sich aus den Grundlagen ableitenden Argumente zu diskutieren; was eigentlich diskutiert werden muss ist die Validität der jeweiligen Prämissen, also der Meinungen die diese Prämissen bilden.
Wenn man mal die verschiedenen Systeme ansieht die ich kurz angerissen habe, also das differenzfeministische System wo Unterschiede zwischen Frauen und Männern möglich sind, und das gleichheits- bzw. genderfeministische System wo Unterschiede zwischen Frauen und Männern ausgeschlossen sind, sieht man dass das gleichheits- bzw. genderfeministische System „klarer“ zu sein scheint. Wo man als Differenzfeminist nie genau sagen kann ob in bestimmter Hinsicht im allgemeinen oder im besonderen ein Unterschied zwischen Frauen und Männern bestehen könnte oder nicht kann man das als Genderfeminist immer kategorisch ausschließen. Vielleicht macht diese Einfachheit und scheinbare Klarheit den Reiz des Genderfeminismus aus. Einfache Antworten auf schwierige Fragen sind und waren immer schon Attribute von Ideologien die gerade für junge Menschen mit dem Drang die Welt zu verstehen attraktiv sind.

Zum Glück gibt es viele wissenschaftliche Hinweise darauf, dass die Prämisse des Genderfeminismus, dass Frauen und Männer absolut gleich sind und gleiche Interessen haben, nicht stimmt. Das bedeutet, dass der Genderfeminismus wahrscheinlich auf falschen Annahmen basiert, ebenso wie die daraus abgeleitete Quotenforderung.

Aber jetzt weiter in der Diskussion:

Einzelschicksale bei der FZS

Ein weiteres Beispiel für die Qualität der „Widerlegung“ von Quotenkritik findet sich bei 0:42:48. Dort darf ein anscheinend politisch tendenziell links engagierter junger Mann die Erfahrung machen was es heißt den Versuch zu unternehmen von einem individuellen Standpunkt zu argumentieren und nicht genderfeministisch korrekt aus Gruppensicht.
Er berichtet, dass wegen der starren 50:50-Quote nur zwei Personen in den Vorstand des Freien Zusammenschlusses der Studierendenschaften (FZS) gewählt wurden, obwohl es drei Kandidat_Innen gab. Er führt nicht genau aus wo er das Problem sieht. Sein Argument gegen die „starre Quote, bei der Quote wichtiger als als Besetzung von Posten“ scheint aber zu sein, dass der Ausschluss von Menschen aufgrund ihres Geschlechts sowohl menschlich als auch von der Effizienz des Gremiums her kontraproduktiv sei.
Frau Dornheim geht aber nicht auf das Argument ein sondern wischt es vom Tisch, mit folgenden „Argumenten“: Erstens sei dieses Beispiel ein Einzelfall („Individualbeispiel“); zweitens sei der FZS selbst schuld, da er nicht hinreichend um genug Frauen geworben habe.
Das „Einzelfall-Argument“ ist aber kein Argument, sondern eine Marginalisierungs- und Kleinrede-Strategie, nach dem Motto „Wo gehobelt wird fallen Späne“ ((Normalerweise wird den sogenannten Maskulisten vorgeworfen solche Strategien zu nutzen.)). Und das „Selbst Schuld-Argument“ ist der Versuch, die Schuld an der ungünstigen Situation allein auf die Personen zu schieben die die starre, kontraproduktive Quotenregelung anwenden mussten, und den Anteil der Quotenregelung und der Personen die diese Regelung beschlossen haben an der ungünstigen Situation kleinzureden ((Man beachte die Analogie dieser Rhetorik zur Täter-Opfer-Umkehr)). Aus genderfeministischer Sicht ist diese Nicht-Argumentation paradoxerweise absolut schlüssig. Denn da die Quotenregelung in dieser Sicht das einzige Mittel der Beseitigung der Konditionierung von Menschen auf sozial konstruierte, vom Patriarchat vorgegebene Rollen ist, kann diese Regelung gar nicht falsch oder zu hinterfragen sein. Sie ist also richtig[tm], darum müssen damit in Zusammenhang stehende negative Effekte auf andere Faktoren, hier z.B. unfähige und unwillige Menschen, vor allem aber Männer, zurückzuführen sein ((Der Sozialismus ist ja auch nur an den unwilligen Menschen gescheitert, wird erzählt…)). Und darum merkt Frau Dornheim auch nicht dass sie mit ihrer Antwort die von einer verfehlten Quotenregelung Betroffenen für deren negative Effekte verantwortlich macht und als zu unengagiert verhöhnt.

Zusammenfassung

Mir als Piraten ist es langsam peinlich dass der Bundesvorstand wieder eine Veranstaltung gesponsert hat bei der von der „Mitmachpartei“ Piratenpartei wieder wenig zu spüren war. Eine Veranstaltung, wo eine wirkliche kritisch-konstruktive Auseinandersetzung des Publikums mit den Darbietungen, so will ich die Vorträge mal nennen, wieder nicht gewollt war.
Unsere Partei ist nicht so reich dass sie Geld für sinnlose Schaufensterveranstaltungen ohne politischen Mehrwert ausgeben sollte.
Ich hoffe dass ein zukünftiger Bundesvorstand darauf achten wird dass Parteiveranstaltungen in Zukunft dazu dienen dort politische Fragen zielorientiert, aber ergebnisoffen zu diskutieren.

Piratinnenkon: Das System „Genderfeminismus“ in Aktion

Also zuerst mal: Wie war’s denn so auf der Piratinnenkon? Das kann man nachlesen, in den Blogposts von „Mandelbrötchen“ (Tag1, Tag2), dem Bericht von Emmanuelle und Nicole, dem Bericht von Hadmut Danisch, dem Bericht von Cornelia, dem Bericht von Salomon (c) Zotter-Fairlag und dem Bericht von Tina.
Update 2 ((Update 1 ist weiter unten eingeflossen)): Und dann noch ein Bericht von Emmanuelle.
Die Meinungen gehen teilweise extrem auseinander, aber ich denke die Berichte ergeben alle zusammen ein gutes Gesamtbild.

Warum ich, der ich nicht da war, überhaupt einen Beitrag über die Piratinnenkon schreibe?
Weil es bisher keinen Artikel gibt der die Piratinnenkon analysiert und kritisch hinterfragt. Es gibt lobende Beiträge, es gibt verdammende Beiträge, aber eine Antwort auf die Frage ob die Piratinnenkon ein Vorbild für zukünftige Veranstaltungen der Piratenpartei zum Thema Gleichberechtigung ist oder ob das Thema in Zukunft ganz anders angegangen werden soll geben diese Beiträge nicht. Darum möchte ich die Piratinnenkon möglichst sachlich besprechen. Zentrales Thema bei der Piratinnenkon waren „Gender“ und „Feminismus“ (laut Einladung (finale Version)).

Die meisten von uns beschäftigen sich ja nicht unbedingt mit feministischen Strömungen. Darum möchte ich ganz kurz eine grobe Klassifikation des Feminismus vornehmen. Da gibt es einerseits die „Differenzfeministen“, die an einen biologischen Unterschied zwischen Frauen und Männern glauben, andererseits die „Gleichheitsfeministen“, die die Unterschiede zwischen den Geschlechtern bzw. Geschlechterrollen (auch soziales Geschlecht, Gender genannt) für rein sozial konstruiert halten. Die theoretischen Grundlagen beider Strömungen sind somit unvereinbar. Historisch gesehen teilt man die verschiedenen Phasen der Frauenbewegung in „Wellen“, wobei man extrem vereinfachend sagen kann dass die erste Welle grundlegende Bürgerrechte für Frauen erkämpft hat (Wahlrecht; Recht auf Eigentum), die zweite Welle weitere Rechte (Recht auf Verhütung/Abtreibung, weitergehende Gleichstellung vor dem Gesetz, Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt). Im Moment läuft quasi die dritte Welle.

Da die Piratinnenkon in der Beschreibung, im Konzept und in der Einladung oft das Wort „Gender“ benutzt liegt nahe dass es eine „genderfeministische“ Veranstaltung gewesen ist. Der Genderfeminismus, eine Variante des Gleichheitsfeminismus, ist – als gleichheitsfeministische Variante wenig überraschend – eine feministische Strömung die daran glaubt, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechterrollen (soziales Geschlecht, „Gender“) nur ein Konstrukt sei, also anerzogen bzw. erlernt.

Die These dass die Rollen- und Präferenzunterschiede anerzogen seien hat unzweifelhaft die Sozialwissenschaften und die Psychologie weitergebracht. Allerdings hat sich dabei gezeigt, dass ein Teil der Rollen- und Präferenzunterschiede doch biologisch determiniert ist, und dass die „Genderwissenschaftler“, die an der These festhalten dass die Geschlechterrollen nur soziales Konstrukt seien, falsch liegen.

Das Video von Harald Eia, The gender equality paradox zeigt das relativ plakativ. Zahlreiche Ergebnisse von Forschern auf der ganzen Welt belegen zudem, dass es angeborenes typisch weibliches und typisch männliches Verhalten gibt, und dass die jeweiligen Verhaltenspräferenzen von Menschen ganz wesentlich durch verschiedene medizinisch-biologische Faktoren wie die Gene, die Methylisierung von Gensequenzen, den Hormonspiegel des Säuglings während der Schwangerschaft sowie (damit zusammenhängend) die Gonadenentwicklung und -aktivität geprägt werden. Natürlich gibt es Überschneidungen, aber im Durchschnitt sind die Präferenz- und Verhaltens-Unterschiede zwischen den biologischen Geschlechtern recht eindeutig.

Warum ich das ausführe? Weil durch die Abweichung der theoretischen Grundlagen des Gleichheitsfeminismus vom aktuellen Kenntnisstand von Wissenschaft und Forschung massive Probleme induziert werden.
Die Ziele des Genderfeminismus sind zwar gut und richtig (Mehr Gleichstellung von Frauen auch im Berufsleben etc.), aber durch die Abweichung der theoretischen Grundlagen von der Realität weicht auch die Beurteilung der aktuellen Situation signifikant von einer objektiven Beurteilung ab, und in Folge dessen entwickelt der Genderfeminismus völlig falsche Handlungsansätze um die Situation zu ändern.

Wozu das führt und warum der Genderfeminismus darum keine Variante sein kann die die Piratenpartei unterstützt, werde ich am Beispiel der Piratinnenkon zeigen.
Zuerst aber müssen wir uns kurz mit den drei Thesen des Genderfeminismus beschäftigen, die die theoretische Grundlage der Weltsicht des Genderfeminismus bilden:

Diese lauten: ((Siehe auch „A blank slate“ von Steven Pinker)) (übersetzt aus dem Englischen ((The first is that the differences between men and women have nothing to do with biology but are socially constructed in their entirety. The second is that humans possess a single social motive – power – and that social life can be understood only in terms of how it is exercised. The third is that human interactions arise not from the motives of people dealing with each other as individuals but from the motives of groups dealing with other groups – in this case, the male gender dominating the female gender.)) ):

  1. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen haben nichts mit Biologie zu tun sondern sind sämtlich sozial konstruiert.
  2. Menschen besitzen eine einzige soziale Motivation, nämlich Macht(streben). Das soziale Leben kann allein unter dem Gesichtspunkt verstanden werden auf welche Weise diese Macht eingesetzt wird.
  3. Zwischenmenschliche Handlungen basieren nicht auf der Grundlage der Motive von Einzelpersonen, sondern auf den Motiven von Gruppen, in diesem Fall der Gruppe der Männer die die Gruppe der Frauen beherrscht.

Auf diesen Thesen (die leider allesamt falsch sind, siehe oben, siehe unten) basieren auch die Ideen des Genderfeminismus zur Befreiuung von Frauen und Männern vom „sozialen Konstrukt“ Geschlecht (These 1), vom einzigen Motivationsfaktor Macht (These 2) und von der Vorherrschaft der Männer (These 3), die, da sie auf falschen Thesen aufbauen, leider auch entsprechend wenig Sinn ergeben.
Mit diesem „Vorwissen“ lässt sich die Piratinnenkon als genderfeministische Veranstaltung erkennen, da man die „Logik“ des Genderfeminismus (d.h. die Logik innerhalb des auf den (axiomatischen) drei Thesen basierenden Kalküls, bzw. die Logik innerhalb des geschlossenen Weltbilds des Genderfeminismus) in den Geschehnissen bei/auf der Piratinnenkon in Aktion erkennen kann. Im folgenden Text werde ich an verschiedenen Stellen aufzeigen, dass bestimmtes Verhalten auf der Piratinnenkon mit der Anwendung einer auf den drei Thesen basierenden Logik erklärbar ist, und damit meine These untermauern, dass die Piratinnenkon eine genderfeministische Veranstaltung war.

Nun aber erstmal zu ein paar Kritikpunkten an der Piratinnenkon im allgemeinen:

Die Veranstaltung war eine Veranstaltung der Piratenpartei. Über diese heißt es in §1, Absatz 1 der Bundessatzung:

Sie vereinigt Piraten ohne Unterschied der Staatsangehörigkeit, des Standes, der Herkunft, der ethnischen Zugehörigkeit, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung und des Bekenntnisses, die beim Aufbau und Ausbau eines demokratischen Rechtsstaates und einer modernen freiheitlichen Gesellschaftsordnung geprägt vom Geiste sozialer Gerechtigkeit mitwirken wollen.

Die erste Version der Einladung ((aus der History des Wikis der Piratenpartei gelöscht. War wohl doch irgendwem peinlich. Transparenz kann ja auch belastend sein.)) hingegen machte Geschlecht und sexuelle Orientierung zu Einschlusskriterien, Zitat: An Tag 1 sind alle Frauen, Queermenschen und Feministen eingeladen, sich einzubringen.
Des weiteren bedeutet „Aufbau und Ausbau eines demokratischem Rechtsstaats“ im allgemeinen auch, dass die Partei selbst intern demokratisch und nach rechtsstaatlichen Prinzipien vorgeht. Demokratisch bedeutet insbesondere, dass eine demokratische Partei auf ihren Veranstaltungen politische Positionen demokratisch erarbeitet, und nicht vorschreibt. Die Piratinnenkon-Veranstalterinnen wollten aber eine bestimmte politische Position – nämlich ihre Variante von Feminismus – nur für heterosexuelle Männer zur Voraussetzung der Teilnahme machen, was zweifach gegen die Satzung verstoßen hat. Nur nach heftigen Protesten wurde zurückgerudert, und Regeln und Einladung wurden einigermaßen satzungskonform geändert. Die innere Einstellung der Veranstalterinnen aber ist durch die ersten Versionen von Einladung und Regeln ganz gut zum Ausdruck gekommen, und hat sich auch nach der Änderung von Einladung und Regeln nicht wesentlich geändert, wie sich auch im Verlauf der Konferenz gezeigt hat.

Mit Hilfe der restriktiven Regeln (Erste Version der Konferenz-Regeln), die zwar später umformuliert, praktisch aber wohl im Sinne der Erstversion angewandt wurden, wurden konträre Meinungen unterdrückt und „unerwünschte“ Personen ausgeschlossen und der Verlauf der Veranstaltung so gelenkt, dass bezüglich des Ziels der Konferenz die Themen Feminismus und Gender in der Piratenpartei zu fördern alles in die „richtige Richtung“ lief. Durch diese Lenkung war die Konferenz aber alles andere als ergebnisoffen, und hat daher mit innerparteilicher Meinungsbildung und Demokratie leider gar nicht viel zu tun gehabt. Es ist schade dass der Anschein entstanden ist der Bundesvorstand der Piratenpartei würde per Finanzierung Vertreter bestimmter kontroverser Strömungen in der Partei unterstützen und fördern und damit versuchen die Piratenpartei politisch in eine bestimmte, meiner Meinung nach radikale Richtung zu treiben. Insgesamt hat die Veranstaltung zur Unzeit weitere Gräben in der Piratenpartei aufgerissen und damit Aufmerksamkeit und Zeit von wichtigen Kernthemen der Partei abgezogen. Das ist im Wahljahr zumindest taktisch unklug.

An dieser Stelle können wir schon einmal eine Feststellung treffen: Die Variante von Feminismus auf der die Piratinnenkon basierte hat dazu geführt, dass das Publikum – je nach Version der Einladung mehr oder weniger offen – nach Geschlecht, sexueller Orientierung und politischer Meinung selektiert wurde – oder zumindest werden sollte – und dass merkwürdige Regeln in Kraft gesetzt wurden um die Debatte in eine bestimmte Richtung lenken zu können. Wie konnte es in einer demokratischen Partei die sich *eigentlich* Bürger- und Freiheitsrechte auf die Fahne geschrieben hat soweit kommen?

Hier drängt sich die Logik des Genderfeminismus als Erklärung geradezu auf. Also: Die Männer (allgemein, aber auch in der Piratenpartei) müssen von ihrer „fehlerhaften sozialen Programmierung“ namens „männliches Rollenverhalten“ (These 1) befreit werden. Dabei würden die Männer, die aufgrund ihrer Gruppenmotivation (These 3) programmiert sind Frauen zu beherrschen und dazu Macht einzusetzen (These 2) natürlich nur stören. Um die Männer daran zu hindern ihre eigene Befreiung von ihrer Rolle durch wohlmeinende Genderfeministinnen zu behindern ist es natürlich logisch Männer auszuschließen. Zumindest die armen, desorientierten, da nicht-genderfeministischen Männer die in der falschen Überzeugung leben es gäbe biologische Faktoren für ihr männliches Verhalten (These 1) und die sich einbilden sie handelten nicht nur aus einer Gruppen-Machtmotivation zur Unterdrückung der Frauen heraus (Thesen 2, 3).
Aus genderfeministischer Sicht ist der Ausschluss von „falsch programmierten“ (d.h. nicht genderfeministischen) Männern natürlich nur vorrübergehend und wird, nach dem Sieg des Genderfeminismus bzw. der De-Programmierung aller Männer nicht weiter notwendig sein. Das bedeutet dass der sexistische Ausschluss „falsch programmierter“ Männer nur aus der Sicht „falsch programmierter“ Männer falsch und sexistisch ist. Deren Meinung aber kann und darf man natürlich als GenderfeministIn nicht respektieren, denn diese sind ja falsch programmiert. Genderfeministische Männer hingegen sind richtig programmiert und außerdem der Beweis dafür dass der Genderfeminismus funktioniert und dürfen deswegen natürlich teilnehmen.

Die Thesen des Genderfeminismus erklären also sehr gut warum die ersten Versionen der Einladung und der Regeln so ausgefallen sind wie sie ausgefallen sind. Darum nehme ich diese ersten Versionen als starkes Indiz dass die Organisatorinnen – zumindest zum Großteil – an die drei Thesen des Genderfeminismus glauben und diese als Grundlage ihrer politischen Ideen verwenden. Und das ist ein Problem, denn eine politische Theorie die auf unsinnigen Thesen aufbaut kann natürlich auch zu beliebig unsinnigen politischen Ideen führen. Die diskriminierende Auswahl des Zielpublikums der Piratinnenkon mit Hilfe der Kategorien „sexuelle Orientierung“, „politische Überzeugung“ und „Geschlecht“ ist ein Beispiel dafür wohin eine Logik führen kann die auf falschen Axiomen basiert.

An dieser Stelle möchte ich kurz auf die zweite und dritte These des Genderfeminismus eingehen. Ist die einzige menschliche Motivation wirklich „Macht“ (These 2)? Meine Erfahrung sagt dass Menschen häufig auch aus Angst, Liebe oder Hass Dinge tun die ihnen absolut keinen Machtzuwachs bringen, zum Beispiel Versicherungen kaufen, sich zum Deppen machen oder Straftaten begehen, um mal die plakativsten Gegenbeispiele zu nennen. Die Idee dass Menschen allein aus einer Machtmotivation heraus handeln ist genau so simplifizierend wie die neoliberal-libertäre Idee dass Menschen sich in Modellen des Wirtschaftslebens als „homo oeconomicus“ modellieren lassen, also als eine Person die allein vom Gewinnstreben motiviert ist.

Auch für die dritte These, die eine „Gruppenmotivation“ der Männer behauptet die dazu führt dass diese als Gruppe die Gruppe der Frauen „beherrschen“ will gibt es keine Beweise. Jedenfalls konnte bisher niemand eine globale Synchronisierung der Männer belegen. Da man biologische Faktoren als Grund für das männliche Handeln (z.B. einen Trieb zur Frauenunterdrückung) ausgeschlossen hat, bleibt als einzig mögliche Begründung nur eine Tradierung der Frauenunterdrückung durch die „männlich geprägte Kultur“. Somit kann man die Entstehung des „Patriarchats“ in eine nicht zu untersuchende, vorgeschichtliche Zeit verschieben. Diese Hypothese zur Entstehung des Patriarchats ist extrem schwach, denn sie ist relativ offensichtlich auf Basis der anderen Thesen herbeikonstruiert. Weil es keine biologischen Unterschiede gibt und weil man die Zustände heute als „Männer-Herrschaft“ sieht und weil man „Macht“ als Hauptmotivation des Menschen sieht und weil man heute keinerlei globale Verschwörung der Männer beobachten kann *müssen* die Männer in ferner Vergangenheit die Macht übernommen und kulturell tradiert haben. Es ist schlicht die einzige Erklärung für die genderfeministische Sicht der heutigen Gesellschaft, die unter Berücksichtigung der These 1 einigermaßen plausibel ist. Darum *muss* man die Entstehung des Patriarchats sogar in die Vergangenheit verschieben, weil sonst auf den ersten Blick sichtbar wäre, dass man weder das Fortbestehen noch die Entstehung des Patriarchats plausibel erklären kann.
Was man übrigens dennoch nicht kann. Denn die „Entstehung der Patriarchats in ferner Vergangenheit“ erklärt nicht wie sich die angebliche „Kultur der Frauenunterdrückung“ in einer Zeit über die Kontinente verteilter und nicht miteinander in Kontakt stehender Kleingruppen global durchsetzen konnte. Gegen den Widerstand von ca. 50% der Bevölkerung. Und es erklärt auch nicht wie die Männer es schaffen die Tradierung dieser Kultur der Frauenunterdrückung durchzusetzen obwohl 95% der Kindererziehung von Frauen gemacht wird, und obwohl es durchaus auch „genus-freie“ Sprachen gibt. Ohne biologische Faktoren erklärt sich auch nicht wie die männliche Gruppenmotivation zur Frauenbeherrschung individuelle Motive überlagen sollte. Und schließlich und endlich widerspicht die These 3 sogar der Erreichbarkeit des Ziels des Genderfeminismus die Männer von dieser Gruppenmotivation zu befreien, denn wenn es nicht möglich ist die Motivation einzelner Männer zu ändern, dann könnte diese Änderung nur durch ein „globales Umschalten der Gruppenmotivation“ erfolgen, was schon als Idee endgültig absurd ist.

Jetzt aber wieder zur Piratinnenkon. Dort wurde durch eher restriktive Regeln eine Reglementierung der Kommunikation vorgenommen mit dem vorgeblichen Ziel eine (Zitat) „angenehme, konstruktive Gesprächskultur“ zu erreichen. Gerüchteweise in Anlehnung an die „Gewaltfreie Kommunikation“.

Natürlich ist es schön eine angenehme und konstruktive Gesprächskultur zu haben, aber dafür hätte man meiner Meinung nach besser beliebige Debating-Regeln gewählt, anstatt einen Regelsatz der eigentlich für den Zweck der Mediation erfunden wurde.
Regel Vier der (endgültigen) Regeln lautet z.B. „Wir stellen Fragen und hören aufmerksam zu ohne zu beurteilen oder zu diskutieren.“. Das bedeutet also dass die Regeln zwar angenehme Gespräche erlauben, aber im Endeffekt jede Debatte verbieten. Denn beurteilen und diskutieren ist verboten.
Da stellt sich für mich schon die Frage wie eine Veranstaltung die Diskussionen verbietet zur politischen Willensbildung beitragen soll. Wie ohne Diskussion das Ziel der Konferenz erreicht werden sollte (Zitat): „Ziel der Konferenz ist es, einen parteiinternen Klärungsprozess voranzutreiben, eine klarere Positionierung innerhalb der Partei zu erreichen und darauf aufbauend deutlicher nach außen zu wirken.“

Und da beginnt es interessant zu werden, denn auf der Piratinnenkon, so hat es allen Berichten nach den Anschein, wurden die Regeln tatsächlich vor allem eingesetzt um die Kontrolle über den Bezugsrahmen (Frame) der Diskussion zu behalten und Gegenmeinungen von möglicherweise nicht genderfeministischen Piraten zu unterdrücken.

Ich vermute dass die restriktiven Reglen auch das politisch-genderfeministische Ziel hatten durch eine „Normierung“ der Kommunikation auf eine einzige zulässige Form der Kommunikation die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu egalisieren und damit einen Beitrag zur Überwindung des „sozialen Konstrukts Geschlecht“ zu leisten.
Dass man als „Normkommunikation“ eine auf Konfliktfreiheit getrimmte Kommuniktationsvariante gewählt hat könnte der Versuch sein speziell „männliche“ Kommunikationsformen zu unterdrücken und dadurch die Macht der Männer zu brechen (These 2, 3).
Natürlich hätte man genau so gut eine konfliktreichere Kommunikationsform wählen können, denn das Geschlecht ist nur ein soziales Konstrukt und darum müsste es genau so gut möglich sein Frauen direkte, offene Kommunikation beizubringen; das wiederum nährt meinen Verdacht dass durch die Regeln primär Kontrolle über die (Nicht-)Diskussion erreicht werden sollte.

Allerdings gehört es in feministischen Kreisen anscheinend zum guten Ton psychisch eher labile Personen einzubinden, weswegen „safe spaces“ bereitgehalten werden. Auch das könnte also ein Grund sein warum der Versuch unternommen wurde Konflikte gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Wie auch immer: Der Genderfeminismus und seine Begleiteffekte sind eine gute Erklärung für die diskurs-unterbindenden Kommunikationsregeln.

Die aber dennoch auf einer politischen Veranstaltung meiner Überzeugung nach nicht hätten angewandt werden dürfen.

Erstens natürlich weil es absurd ist auf einer politischen Veranstaltung Regeln zu haben die es ermöglichen Leute wegen Diskutierens rauszuwerfen (Regel 4 & 10).
Dann, weil die damit beabsichtigte und umgesetzte Unterdrückung von abweichenden Meinungen oder generell Widerspruch/Konfrontation den sowieso bestehenden negativen Effekt von „Groupthink“ potenziert und damit zu schlechteren Gruppen-Entscheidungen führt, also das Debatten-Ergebnis verschlechtert.

Vor allem aber weil diese vordergründig besonders sanfte, konfliktfreie Reglementierung von Kommunikation selbst eine Form der Steuerung und Kontrolle der diesem Regelwerk unterworfenen Personen darstellt. Das stellt meiner Meinung nach einen Missbrauch der Idee der gewaltfreien Kommunikation dar, die, wenn ich das richtig verstanden habe, eben keine sophistisch-manipulative rhethorische Technik sein soll um eine Diskussion für sich zu entscheiden oder zu lenken.
Das Kommunikations-Regelwerk der Piratinnenkon selbst war aber eine Form von Machtausübung. Der soziale- und Gruppendruck der alle dazu bringen soll sich den in diesem Regelwerk verankerten Verhaltensnormen zu unterwerfen und nur innerhalb des vom Regelnwerk gesetzten Bezugs (Frames) zu diskutieren ist nur eine andere, subtilere Form von Gewalt, der die Individuen mit „Worten wie Watte in Harmonie ein[…]schweißt“ (Grönemeyer). Doch die Tatsache dass Kommunikation auch immer mit Macht zu tun hat – wenn man Kommunikation als „verbale Machtprojektion“ sieht – wird dadurch nicht negiert. Die Macht wird nur verlagert; durchsetzungsstarke Individuen werden durch die Regeln und Strukturen in ihrer Möglichkeit zur Machtausübung beschränkt, aber die Macht wird dadurch nicht etwa gerechter verteilt, nein: Die gesamte Macht fließt in die Hände derjenigen die die Regeln definieren und derjenigen die die Regeln durchsetzen.
Diese Machtkonzentration in den Händen einer Macht-Elite ist jedoch – so leid es mir tut – das Gegenteil von Demokratie und Emanzipation und birgt ein hohes Potential von Machtmissbrauch, vor allem wenn die Mächtigen und die Exekutive in keiner Weise demokratisch legitimiert sind oder abgewählt werden können, wie bei der Piratinnenkon der Fall, und wenn sie einer Ideologie wie dem Genderfeminismus anhängen.

Dass tatsächlich Machtmissbrauch stattgefunden hat lässt sich z.B. daran ablesen ein Pirat wegen einer vergleichsweise harmlosen Meinungsäußerung von der Veranstaltung ausgeschlossen wurde, während mehreren Berichten zufolge aggressiv auftretende, die Zeit überziehende, wertend agierende Piratinnen nicht herausgeworfen wurden. Und der Pirat Alexander M. (wohl ein „Buddy“ der Orga?) durfte in diesem Tweet pöbeln ((persönlich finde ich dass unspezifische Drohungen gegen unbestimmte Personen auf Twitter nicht justiziabel sein sollten… aber nach genderfeministischer Lesung müsste dieser Tweet mit den darin zum Ausdruck kommenden männlichen Dominanz-Strategien eine Todsünde sein)) ohne das irgendetwas passiert wäre, im Gegenteil, er wurde nachher von einer Organisatorin nochmal extra gelobt für die konstruktive Mitarbeit.

Es scheint also so als ob die Kommunikationsregeln der Piratinnenkon dortselbst eher selektiv zur Anwendung gebracht worden wären: Frauen und „Allies“ durften Regeln anscheinend sanktionsfrei übertreten (möglicherweise weil der genderfeministische Zweck die Mittel heiligt?), Gegner bzw. Männer wurden hingegen mundtot gemacht und nötigenfalls rausgeworfen.

Das sind meiner Meinung nach recht klare Anzeichen von Sexismus und Machtmissbrauch. So etwas sollte es auf einer Veranstaltung der Piratenpartei eigentlich nicht geben. Schon gar nicht auf einer Konferenz die der Bundesvorstand finanziert damit sie Positionen zu Gleichberechtigung etc. erarbeitet.

Die „Auslagerung“ der potentiellen Gewaltätigkeit an den Dienstleister Staat beim Rausschmiss eines „Querulanten“ von der „Privatparty“ nach der Piratinnenkon war übrigens meiner Meinung nach keine überzeugende Demonstration von Gewaltfreiheit, eher wohl ein Eingeständnis dass man Gewalt für eine Lösung hält solange diese die „richtigen Leute“ trifft. Vielleicht hätte man auch durch Mediation eine Lösung können die allen ohne Gesichtsverlust ermöglicht hätte den Konflikt – der ja, das muss man im Hinterkopf behalten, nur darin bestand dass jemand etwas gesagt hat was andere nicht hören wollten – aufzulösen.

Ich finde es vor allem auch traurig dass Einladungen für die Konferenz-Party vom „politischen Wohlverhalten“ während des offiziellen Teils der Parteiveranstaltung abhängig gemacht worden sein sollen. Ich habe noch von keiner anderen Partei oder Jugendorganisation einer Partei gehört dass auf einer Veranstaltung nicht ausnahmslos jeder zur Abendveranstaltung eingeladen gewesen wäre. Die Existenz einer „Türpolitik“ auf der Piratinnenkon-Privatparty ist damit für mich in meiner „Karriere“ als politisch engagierter Mensch ein absoluter Tiefpunkt.

Diese ganzen Geschehnisse, die Anti-Diskurs-Regeln, deren Handling, der Ausschluss bzw. Rausschmiss von der „Privat-„Party sind für mich völlig unverständlich bzw. sind nur als Phänomene des Wirkens von Genderfeministinnen erklärbar in deren geschlossenem Weltbild dieses Vorgehen „gut und richtig“ ist.

Aber nochmal: Die drei Thesen des Genderfeminismus sind Unsinn. Auf einer politischen Veranstaltung keine Debatte zuzulassen ist Unsinn. Teilnehmer nach Geschlecht, politischer Überzeugung und sexueller Orientierung auszuwählen ist Unsinn. Und wenn dieses Vorgehen gemäß Genderfeminismus zwingend und alternativlos ist, dann ist auch der Genderfeminismus Unsinn bzw. eine Ideologie, die aufgrund unzutreffender Thesen einen nicht zutreffend erfassten Ist-Zustand der Gesellschaft mit untauglichen, undemokratischen, diskriminierenden Mitteln in einen unerreichbaren Soll-Zustand transformieren will.

Dass wir anscheinend in der Piratenpartei, das hat meiner Meinung nach die Piratinnenkon eindeutig gezeigt, einen genderfeministischen Flügel haben ist daher ein echtes Problem.
Denn es wird keine Einigung zwischen Genderfeministinnen und Nicht-Genderfeministen geben. Wer an den Genderfeminismus glaubt ist mit seinen letzten Endes extremistischen, anti-demokratischen, totalitären, sexistischen und verfassungsfeindlichen Ideen nicht integrierbar in eine freiheitlich-demokratische Partei wie die Piratenpartei.

Denn die Piratenpartei ist – für mich jedenfalls – eine Partei die sich für die Werte unserer Verfassung, nämlich Gleichberechtigung, individuelle Freiheit und freie Entfaltung der Persönlichkeit einsetzt und nicht für Gleichschaltung, Gruppendruck und Gängelung im Namen einer schlecht konstruierten Einheitsgeschlechts-Ideologie wie die GenderfeministInnen.

Darum glaube ich nicht dass irgendwer in der Piratenpartei Interesse daran hat dass genderfeministische U-Boote in dieser Partei noch mehr Einfluss, Ämter und Positionen bekommen – Genderfeministen natürlich ausgenommen. Ich glaube daher dass wir in Zukunft darauf achten müssen dass ideologisch verblendete GenderfeministInnen in dieser Partei keine Mandate, Ämter und Posten mehr bekommen, damit sie unsere Partei nicht noch weiter runterziehen können.

Dann bleibt die Piratenpartei hoffentlich eine Partei für Eichhörnchen, Frauen und Männer die sich für individuelle Chancengerechtigkeit für alle Menschen einsetzen statt für die Durchsetzung einer Ideologie die, für Kernies, „defective by design“ ist.

Tja und wenn ich jetzt völlig falsch liegen sollte und das alles ganz anders war auf der Piratinnenkon, dann ist dieser Beitrag vielleicht nur ein Beleg der katastrophalen Außenwirkung der Aktionen der Piraten-Feministinnen und ein Beleg des Eindrucks den man als Außenstehender vom Feminismus in der Piratenpartei bekommt wenn man sich einmal zwei Wochen intensiv damit beschäftigt.

Er wirkt verkopft, lebensfern, männerfeindlich ((Laut Konzept, Tag 1, Punkt 7 sind Männerrechtler alle Feinde)), praxisuntauglich, inkonsequent, totalitär und in Folge dessen, weil das alles mit Rationalität und logischem Denken meiner Meinung nach nichts mehr zu tun hat, psychotisch. Man bekommt den Eindruck dass er auf der unsinnigen vielfach widerlegten genderfeministischen Theorie aufbaut.
Das ist übrigens nicht als Angriff aufzufassen, sondern als Schilderung meines Empfindens. Um gewaltfrei kommunizierte Antworten wird gebeten. Im Zweifel bitte die Ergebnisse der Piratinnenkon nicht vergessen und nicht provozieren lassen. Und danke für’s lesen.


Update 1: Nachdem ich den Artikel veröffentlicht hatte habe ich erstmals das komplette Video der Fishbowl-Diskussion gesehen. Am Anfang hat es in mir Zweifel hervorgerufen ob es richtig war die Piratinnenkon aufgrund der „Aktenlage“ zu einer quasi totalitären und anti-demokratischen Veranstaltung zu erklären. Aber dann hat das Video mich doch selbst wieder überzeugt, dass das richtig war. Denn die Aufnahme zeigt das Fehlen jeglicher Diskussion bei der Fishbowl-„Diskussion“ und bestätigt damit dass am ersten Tag der Piratinnenkon viel stattgefunden haben mag, aber nicht die behauptete „Klärung nach innen“.
Denn wo von vorneherein nur ein ausgesuchtes Publikum eingeladen ist, dem zudem nicht erlaubt ist zu diskutieren, kann man gar nichts klären. Auch nicht mit jeder Menge Prozess-Foo und Zuckerguss drumherum.
Das Video zeigt auch die Existenz einer speziellen Form von Sprachmanipulation, wenn nämlich ständig von der „Fishbowl-Diskussion“ geredet wird, in Wirklichkeit aber gar keine Diskussion stattfinden darf.
In der „Fishbowl-Diskussion“ genannten Reihe von Monologen äußern sich eher jede Menge Menschen was sie selbst schon falsch gemacht haben und äußern ihre guten Absichten in der Zukunft fairer und besser und konfliktfreier agieren zu wollen, und auch auf Gegner einzugehen etc. pp.. Das erinnert schon an Gebet, Fürbitte oder meinetwegen „Auditing“, Gruppentherapie und Seelenstriptease; dieser Eindruck klingt auch in den oben verlinkten Berichten einiger Teilnehmer in ähnlicher Form an.
Und tragikomischerweise erweisen sich alle diese Absichtserklärungen ab 1:05:35, bei Auftritt von Dennis P., als reine Lippenbekenntnisse, denn plötzlich ist „auf Gegner eingehen“, „Meinung respektieren“ oder „Andersartigkeit akzeptieren“ gar nicht mehr Thema. Statt dessen wird der gute Mann später rausgeworfen. Und das obwohl er sich sichtlich bemüht sich „korrekt“ auszudrücken und sich sogar mehrfach entschuldigt für seine Unfähigkeit statt Feststellungen „Gefühle“ und „Meinungen“ zu äußern. Bei seinem Auftritt hatte ich persönlich auch das Gefühl dass für ihn die Atmosphäre eher feindlich als gewaltfrei ist, darauf deutet die enorme Menge von „irgendwie“s und anderen Füllwörtern hin die er verwendet.
Von irgendwelchen Versuchen der Mediation und respektvollen Verstehens ist nichts bekannt, und der eigentlich recht kluge Beitrag bei 1:26:53, der berühmte Satz von Voltaire über die freie Meinungsäußerung, wird bei der Abmoderation nur mit einem verächtlich klingenden „Ähh, ja“ und einem ansatzweisen Lachen „gewürdigt“.
Und daher bestätigt mich das Video; wo Diskussionen auf einer Veranstaltung einer Partei nicht erlaubt sind und die geäußerten Meinungen uniform und teilweise nur Lippenbekenntnisse, da muss man Totalitarismus vermuten. Wenn von Diskussionen und Klärung die Rede ist wo weder Diskussion noch Klärung stattfinden hat das mit Demokratie nichts mehr zu tun.

Die Piratenpartei die ich meine

Für mich war die Piratenpartei die Partei, die evidenz-basierte Politik machen wollte. Die Partei mit den Kernthemen Datenschutz und digitale Freiheit.

Leider ist sie im Moment nicht in der besten Verfassung, und das hat IMHO folgende Gründe:

  1. „Themen statt Köpfe“ funktioniert nicht. Die Medien berichten über Köpfe, denn die Leute merken sich Köpfe tausend mal besser als Themen. Über Themen kann man keine Home-Stories schreiben, sie tragen keine Sandalen oder Kleider und man kann sie nicht als möglicherweise faule Beamte, irre Faulenzer oder durch eine Jugend in der Nähe vom Tschernobyl geschädigte Ladies darstellen. Alle die jetzt wissen auf wen ich anspiele sollten realisieren: Köpfe sind der Schlüssel zur Aufmerksamkeit. Themen sind zwar das eigentlich wichtige, aber die Menschen merken sich nur Köpfe. Darum bauen die „Altparteien“ gezielt Köpfe als „Experten für irgendwas“ auf; wer kennt z.B. den Gesundheitsexperten der SPD mit der Fliege nicht? Und wer kennt das SPD-Programm zur Gesundheitspolitik? Na? Also! Wenn wir evidenzbasierte Politik machen wollen müssen wir auch in Bezug auf die Art und Weise wie Politik funktioniert die Faktenlage anerkennen: Themen gehen nur mit Köpfen. Und Köpfe, man sieht es an Angela Merkels Popularität, gehen notfalls auch ohne Themen. Das Dogma „Themen statt Köpfe“ gehört sofort durch „Themen und Köpfe“ ersetzt.
  2. Basisdemokratie funktioniert nicht. Zumindest früher waren doch viele Piraten aus der IT. ITlern müsste doch einleuchten dass „divide & conquer“ bzw. Parallelsierung ein besserer Algorithmus ist als single-threaded alles linear durchzuarbeiten wie bei einem basisdemokratischen Bundesparteitag. Und darum müsste es auch einleuchten warum eine hierarchische parallele Struktur von Parteitagen wo Beschlüsse erst auf Bezirksebene, dann auf Landesebene und dann auf Bundesebene beschlossen werden bis sie Beschlusslage werden effizienter ist als eine Struktur wo jeder auf dem Bundesparteitag ohne nennenswerte Vorbereitung beliebige Anträge stellen kann. Denn bei der mehrstufigen Hierarchie werden die dämlichsten Anträge schon auf der Bezirksebene rausgefiltert und die guten Anträge schon auf Landesebene einigermaßen perfektioniert; auf dem Bundesparteitag bleibt dann Zeit für Finetuning; zumindest machen sich andere Parteien nicht lächerlich indem sie auf einem Bundesparteitag dreimal über den gleichen Antrag abstimmen und ihn dann wegen einer Formulierung ablehnen.
    Wenn wir die Partei sind die evidenzbasierte Politik macht, dann sollten wir nicht unsere Augen verschließen vor der Ineffizienz der Basisdemokratie und vor der Überlegenheit mehrstufiger parallelisierter Verfahren. Auch internetbasiertes Abstimmen beseitigt übrigens nicht das Problem mangelnder Parallelisierung. Auch im LQFB gibt es nur eine Ebene auf der zu viele Anträge auf einmal eingestellt werden als dass sie der durchschnittliche Basispirat alle angucken könnte, so dass nur noch Anträge Beachtung finden die von irgendwelchen „Elitepiraten“ per Twitter etc. gepusht werden. Und das bringt mich zum nächsten Punkt:
  3. Das Delegiertensystem ist nicht böse, sondern es führt dazu dass die wirklich Engagierten zu Delegierten bestimmt werden. Wir lügen uns in die eigene Tasche wenn wir glauben dass es bei uns Piraten im Moment anders liefe als bei anderen Parteien: Unsere „Funktionäre“ heißen zwar nicht so, aber es sind genau wie bei anderen Parteien diejenigen die am meisten von ihrer Lebenszeit in die Partei stecken. Auch bei uns gibt es eine Elite der Gewählten und der Bekannten die die Multiplikatoren und Meinungsführer sind. Wir haben zwar kein Delegiertensystem, aber dennoch haben wir nur ca. 5% hochaktiver Mitglieder, man sieht es im LQFB und bei den Stammtischen. Diese hochaktiven Mitglieder wären in einem Delegiertensytem die Delegierten und würden den Kurs der Partei genau so bestimmen wie sie es jetzt bereits tun. Die Ablehnung des Delegiertensytems entspringt dem nachvollziehbaren Wunsch nach „sozialer Durchlässigkeit“ der Parteistrukturen. Sie entspricht auch dem Unbehagen gegen das „Hochdienen“ in einer Parteihierarchie und dem Unbehagen gegen das Gefühl als Basismitglied weitgehend ohne Einfluss zu sein. Aber gegen die soziale Durchlässigkeit spricht auch der Wunsch der Parteibasis dass Führungspersönlichkeiten sich verlässlich für die Werte der Partei einsetzen sollen. Die Basis will – Köpfe statt Themen – die Menschen an der Spitze kennen und ihnen vertrauen können. Die Basis will die Schlömer-vs-Ponader-Show nicht noch einmal erleben, aber viele wollen sich auch die Illusion erhalten sei könnten – wenn sie sich die Zeit nähmen ein paar Emails zu schreiben – schon beim nächsten BPT der nächste Schlömer oder Ponader werden. Ich schreibe Illusion weil das natürlich keine realistische Vorstellung ist. Man wird in der realen Welt nicht einmal Kreisvorsitzender ohne sich lange und viel darauf vorzubereiten, mit Menschen zu reden und für sich selbst Werbung zu machen.Die Piratenpartei befindet sich meiner Meinung nach in dem schmerzhaften Prozess des Erwachsenwerdens in Zuge dessen man realisieren muss dass man im Leben nicht alles haben kann. Wenn wir als Partei erfolgreich sein wollen müssen wir uns von dem unrealistischen Wunsch verabschieden die Quadratur des Kreises der innerparteilichen Demokratie zu lösen. Akzeptieren wir doch die Lehren der Geschichte, dass nämlich Organsiationen die irgendetwas auf die Beine stellen wollen Hierarchien brauchen. In seltenen Fällen können basisdemokratische Vereinigungen irgendwelche Dinge durch Massenproteste (zeitweise) verhindern oder sogar Regime stürzen, aber konstruktiv etwas aufzubauen gelingt nur mit einer Hierarchie. Oder hat irgendwer nach der Wende in der DDR wieder etwas vom „Neuen Forum“ gehört, dessen heutiges inhaltliches Profil übrigens ungefähr genau so lautet wie die „progressiven Linken“ bei den Piraten die Piraten haben wollen?
  4. Wahlcomputer funktionieren nicht. Und mit LQFB sind manche Piraten im Begriff die Historie der Parteiendemokratie um einen weiteren Kardinalfehler zu bereichern. Ich weiß wirklich nicht warum vordergründig doch recht intelligente Menschen nicht einsehen wollen dass Wahlen per Computer entweder „nicht frei und geheim“ oder manipulierbar sind. Je mehr Aufwand getrieben wird um die Manipulierbarkeit zu verringern, desto größer wird sie paradoxerweise. Denn ohne die Analyse der „ultimativ sicheren Wahl-Blackbox“ und des „ultimativ sicheren asymmetrischen Verschlüsselungsverfahrens“ kann niemand garantieren dass nicht irgendjemand Kluges eine Möglichkeit gefunden hat bestimmte Eigenschaften auszunutzen um nur bestimmte Stimmen zu zählen oder ein Ergebnis einzuschleusen.
    Das analoge „Zettel, Stift, Urne“-Verfahren hingegen ist so einfach dass es jeder versteht. Es versteht sogar jeder die möglichen Schwachstellen, z.B. eine Verschwörung der Wahlkommission, oder die Ermittlung von Wählern über Fingerabdrücke oder DNS-Spuren. Und darum können diese Schwachstellen abgestellt werden, z.B. durch einen Wahlproporz durch den immer Leute aus entgegengesetzten Lagern und aus unterschiedlichen Gegenden in die Wahlkommission gewählt werden (Viele-Augen-Prinzip), und durch die Vernichtung der Stimmzettel nach der Wahl.
    Es gibt auch über die Geschäftsordnung die Möglichkeit eine namentliche Abstimmung zu fordern oder den Hammelsprung.
    Und darum ist das old-school-Verfahren Papierabstimmung den technokratischen Träumen von Online-Abstimmungen mit tausend Lagen Krypto-Foo die niemand versteht und die effektiv auf ein Keine-Augen-Prinzip herauslaufen jetzt und für absehbare Zeit weit weit überlegen.
    Dezentrale Abstimmungen sind natürlich auch super. Darum wäre ich auch für einen verteilten Bundesparteitag. Und zusätzlich für diese verteilten anderen Parteitage, die bei anderen Parteien Bezirks- und Landesparteitage heißen und hierarchisch aufeinander aufbauen.
  5. Vollprogramm funktioniert nicht (für uns, jetzt).
    Die Piratenpartei hat den Fehler gemacht sich einreden zu lassen ein Vollprogramm zu brauchen. Aber wir können nicht in wenigen Jahren (ohne beständige Parteistrukturen) aufholen was andere Parteien in Jahrzehnten an Programmatik aufgebaut haben. Andere Parteien deren Programme auch stetig in einem Wandel sind und der Zeit oftmals hinterherhinken.
    Natürlich war es nicht sehr souverän dass unsere Vertreter im Fernsehen allzu oft sagen mussten dass die Piraten zu irgendeiner Frage noch keine Position haben. Aber das ist kein Grund sich von den anderen Parteien vor sich hertreiben zu lassen. Wie aktuell sind denn die Programme der Mitbewerber? Und wie oft werden Programme nur für die Wahlwerbung geschrieben und dann überhaupt nicht umgesetzt? Das wären die Punkte gewesen die unsere Vertreter hätten ansprechen sollen. Ich finde wir sollten uns auf die Position stellen dass wir bei den Punkten wo wir kein eigenes Programm haben einfach dem Vorschlag der anderen Parteien zustimmen werden der am ehesten zu unserer Linie passt bzw. den unsere Abgeordneten am ehesten mit ihrem Gewissen vereinbaren können. In einem Land das eine der leistungsfähigsten Volkswirtschaften der Welt hat brauchen wir jetzt nicht wirklich die Notwendigkeit für „yet another wirtschaftspolitisches Programm“ zu konstatieren. Es wäre kein Schaden und kein Indiz für Ahnungslosigkeit wenn wir im Zweifel den Vorschlägen irgendeiner anderen Partei zustimmen würden. Ich dachte das wäre eine der Grundideen der Piraten: Nicht immer parteipolitisches Gegeneinander, sondern auch mal echte Auseinadersetzung mit den Themen, auch mal Kooperation mit anderen Parteien? Diese Idee hätte man anführen können um Vorwürfen von Konzeptlosigkeit und „zu wenig Programm“ entgehen zu wirken, aber das haben wir in den Sand gesetzt. Bisher.
    Mit dem Anspruch auf ein Vollprogramm kommt auch der unrealistische Anspruch überall kompetent zu sein, damit die Notwendigkeit dass einzelne Leute sich spezialisieren müssen, damit die Notwendigkeit dass manche Leute gar nicht mehr wissen worum es bei einem anderen Thema geht, und damit wiederum die Notwendigkeit eine Art „Fraktionszwang“ einzuführen damit „die Partei“ in der öffentlichen Wahrnehmung irgendeine klare Linie verfolgt.
    Wir sind – auf absehbare Zeit – eine Spartenpartei. Die Idee eines Vollprogramms hat uns außer erbitterten Grabenkämpfen um BGE und Feminismus, Waffen und Atomkraft, Gentechnik etc. nichts gebracht. Die Aufmerksamkeit für unsere Grabenkämpfe und parteiinterne Scherze wie „Ponytime“ oder „Zeitreisen“ hat die Aufmerksamkeit von unseren Kernthemen abgelenkt und viele Leute die nicht in unserer Gedankenwelt leben, aber uns hätten wählen können, verstört.
    Unsere innere Geschlossenheit und Schlagkraft hat durch die innere Spaltung in irgendwelche Lager mit irgendwelchen spezifischen Positionen zu allen möglichen Rand-Themen abgenommen. Unsere Glaubwürdigkeit als „neue politische Kraft“ ist geschädigt worden durch den Anspruch ebenso wie alle anderen Parteien zu jedem Thema alles zu wissen. Und mangels starker Parteistrukturen war auch niemand da der die fruchtlosen Debatten über Themen die nicht unsere Kernthemen sind hätte unterbinden können.
    Doch diese starken Strukturen hätten wir gebraucht. Die Leute wollen digitale Freiheit und Bürgerrechte und ein neues Urheberrecht und das Recht auf Mash-Ups und keine Überwachung, und sie hätten uns gewählt.
    Wenn sie jetzt mittlerweile nicht unsicher wären ob sie nicht mit diesen Themen auch das BGE wählen oder Frauenquoten oder die Drogenfreigabe oder Gesamtschulen oder sonstwas was wir Piraten angeblich intern diskutieren. Mit jedem Thema das wir auf unsere Agenda setzen riskieren wir Menschen abzuschrecken. Darum ist es notwendig die öffentliche Wahrnehmung gezielt auf die Themen zu lenken die man für Gewinnerthemen und Alleinstellungsmerkmale hält und die anderen Themen parteiintern und unter der Decke zu halten. Das bringt mich zum letzten Punkt:
  6. Transparenz funktioniert nur eingeschränkt.
    Es gibt dieses Hacker-Motto. Es lautet nicht „Jeder muss alles wissen“. Es lautet: „Öffentliche Daten öffentlich machen, private Daten schützen“. Und politische Diskussionen innerhalb einer politischen Partei sind nicht komplett öffentlich. Sie gehen nur die Parteiöffentlichkeit etwas an. Parteiöffentlichkeit braucht einen gewissen Schutzraum damit Themen offen diskutiert werden und nicht jeder primär damit beschäftigt ist seine Formulierungen so unangreifbar zu machen dass auch der bösartigste Journalist ihm daraus keinen Strick drehen könnte. Man stelle sich mal eine Diskussion über die Haltung der Piratenpartei zum Thema Sterbehilfe, Israelpolitik oder Pädophilie im Internet vor die live bei Phoenix übertragen würde. Die Zahl der Redner würde sich wahrscheinlich arg in Grenzen halten. Wer würde schon riskieren sich durch eine einzige unbedachte Äußerung als politischen Menschen für alle Zeit zu vernichten? Wenn Menschen in einem Prozess der Meinungsfindung in innerparteilichen Debatten keinen geschützten Raum vor-, sondern sich in einem Panoptikum wieder-finden dass sich jederzeit in einen Internet-Pranger verwandeln kann kann keine politische Debatte stattfinden. Niemand von uns ist ohne Irrungen und Wirrungen zu seinen eigenen Ansichten gekommen. Darum darf „Transparenz“ nicht bedeuten dass die Piraten ihr innerstes nach außen kehren und alles aufzeichnen und veröffentlichen. Erst auf einem bestimmten Level wo die Akteure soweit professionelle Politiker mit öffentlicher Bedeutung sind dass die Sphäre des Privaten verlassen wird dürfen Transparenzüberlegungen relevant werden. Das private aber muss privat bleiben.