Archiv der Kategorie: Piratenpartei

Schwächen des GO-Vorschlags 01 für den #aBPT

Leider keine Zeit für viel Nachdenken, darum meine Gedanken zum GO-Vorschlag 01 für den aBPT, http://wiki.piratenpartei.de/Bundesparteitag_2014.2/Gesch%C3%A4ftsordnung/Vorschlag_01#.C2.A7_17_Antr.C3.A4ge_zur_Gesch.C3.A4ftsordnung.

Vielleicht einfach in einem anderen Fenster öffnen und parallel zu diesem Post lesen.

Also… $1 (2): Akkreditiert wird durch „vom BuVo beauftragte Personen“… ist das eigentlich eine kluge Bestimmung? Wenn man sich ansieht, was die Piraten für einen BuVo haben? Wäre es nicht vielleicht besser, wenn die Akkreditierung durch ein anderes Gremium vorgenommen würde, dem z.B. auch der Bundesschatzmeister angehörte, damit ggf. definitiv geklärt werden kann, wer seinen Mitgliedsbeitrag gezahlt hat. Oder glaubt der LV Berlin, was der LV NRW sagt, und umgekehrt?

§9, Wahlleitung, Wahlhelfende… wie wer bestimmt, wer „Wahlhelfender“ wird, ist nicht geregelt. Die gefährdet ggf. das Vertrauen aller in die Manipulationsfreiheit der Wahl, die in „Altparteien“ normalerweise durch einen „Regionen-und-Flügel-Proporz“ gesichert wird, bei einem unübersichtlichen basisdemokratischen Riesenparteitag mit willkürlich ernannten „Wahlhelfenden“ aber natürlich nicht mehr gesichert sein kann.

$15, $16: In Altparteien gibt es soetwas wie erste, zweite und dritte Lesung und Änderungsanträge. Nicht so bei den Piraten. Da kann man Anträge laut diesem GO-Entwurf nur so beschließen wie eingereicht, oder stückweise. Das bedeutet, wenn in einem Antrag ein Wort nicht stimmt (oder jemand NATIONALE IDENTITÄT schlimm findet), dann kann man daran nichts mehr ändern und den Antrag nicht mehr korrigieren. Bullshit Galore! Piraten!

$16(7): Die Antragskommission entscheidet (…) über die Konkurrenz von Anträgen. Welche Antragskommission genau? Das Wort kommt im Text genau einmal vor. Ist also nirgendwo definiert. FAIL! ((Wenn die GO-Vorschläger wenigstens Ahnung von Requirement-Tracing oder technischer Dokumentation hätten…))

$17 (11): Die Versammlungsleitung behandelt GO-Anträge nach ihrer Dringlichkeit. Es wird aber nicht festgelegt, ob z.B. ein Antrag zur Änderung der GO ($17o) oder ein Antrag zur Neuwahl eines Versammlungsamtes (17b) oder zur Änderung der Tagesordnung (17n) Priorität hat. Oder ob z.B. die Zulassung von Gastrednern (17a) am wichtigsten ist. D.h. die Versammlungsleitung könnte ihre eigene Absetzung durch Zulassung von Gastrednern verzögern o.ä..

$20 ermächtigt die Versammlung, auf Antrag der Versammlungsleitung „durch Beschluss“ von der GO abzuweichen. D.h., die Versammlungsleitung wird ermächtigt, durch eine undefinierte Art von Beschluss (Einfache/absolute Mehrheit, Beschluss der Versammlungsleitung?) die GO außer Kraft zu setzen. Das habe ich so in den GOs anderer politischer Gruppen auch noch nicht gesehen.

Ergänzungen werden gern angenommen.

Parteipolitiker vs. Aktivisten?

In der Flaschenpost stellt Wilm Schumacher den Richtungsstreit in der Piratenpartei als Konflikt zwischen „Parteipolitikern“ und „Aktivisten“ dar..

Da ist auch etwas Wahres dran. Allerdings sind die linksradikalen Gate-Verursacher-PiratInnen meiner Meinung nach keine Aktivisten im eigentlichen Sinne, denn:

Aktivisten müssen das Ziel haben, durch ihre Aktionen positive Aufmerksamkeit für die eigenen Ziele zu schaffen und die Menschen dazu zu bringen, sich ebenfalls für diese Ziele einsetzen zu wollen. Denn sonst wären diese Aktionen sinnlos, und Aktivismus wäre ein Hobby für sehr gelangweilte Nihilisten.

Doch den Piraten-„AktivistInnen“ ist es — wie es in der Geschichte der linksradikal-anarchistischen Bewegungen anscheinend ständig passiert, siehe z.B. die Geschichte der sogenannten „Propaganda der Tat“ — bisher nicht gelungen, durch die durchgeführten Aktionen Menschen für die Ziele der Aktivisten zu begeistern; statt dessen hat man sogar Leute in der eigenen Partei abgeschreckt! Also Leute, die vergleichsweise einfach zu überzeugen gewesen sein sollten, da sie positiv voreingenommen gewesen sein müssten. Wie also will man auf diese Tour in der Bevölkerung irgendeine Unterstützung, geschweige denn Mehrheit, für die eigenen Ziele erreichen?

Dabei ist ein Aktivismus, der die Menschen „mitnimmt“ und motiviert, durchaus möglich. Greenpeace z.B. hat die Balance gefunden zwischen notwendiger Regel-Überschreitung und gebotener Zurückhaltung. Und zwar durch große, gute geplante Aktionen, die starke, positive Bilder erzeugen, aber keine großen Sach- oder Personenschäden verursachen, die als negative Bilder den positiven Eindruck beschädigen könnten.

Schlauchboot gegen schwimmende, stählerne Wal-Todes-Fabrik, Kletterer gegen Chemie-Gift-Schleuder, „David gegen Goliath“ — professioneller Aktivismus inszeniert Bilder, auf denen moderne Helden mutig gegen „das Böse“ kämpfen, so dass der Betrachter sich dem Sog, sich mit den Helden zu identifizieren, kaum entziehen kann, und auch Gegner der Aktion zumindest Respekt für die Entschlossenheit der Aktivisten empfinden müssen.

Doch die Piraten-„Aktivisten“ im Sinne von Wilm Schumacher sind leider offensichtlich so wenig informiert, dass sie nicht einmal genug Einsicht haben, um beurteilen zu können, wie mies ihre Aktionen im Vergleich mit gut gemachtem Aktivismus wirklich sind.

„Frau, die mit nackigem Oberkörper eine symbolische (da leere) Brandflasche in den leeren Vorgarten einer Botschaft in Berlin wirft“ ist ein Bild, das nicht für sich selbst spricht und nicht das Gefühl vermittelt, man würde selbst vielleicht auch gern jemand sein, der symbolische Brandflaschen in leere Vorgärten wirft.

Niemand, weder Mit-Piraten noch die Bevölkerung noch „die Arbeiterklasse“ wird durch so eine Aktion dazu gebracht, sich mit den Piraten oder der Pirantifa zu solidarisieren oder irgendetwas zu tun außer vielleicht, die vermummte, teil-nackige Werferin für verwirrt zu halten.

Und Bombergate? Auch eine Aktion ohne ein positives Bild; zwei Frauen mit menschenverachtendem Unsinn auf der Brust. Auch hier nichts episches im Bild, kein Gegner, kein Mut, keine Entschlossenheit, keine Aussage, die irgendjemand ohne größere Recherche verstehen könnte.

Und darum ist das, was diese Leute machen, meiner Meinung nach kein Aktivismus, der von irgendwem ernstgenommen werden könnte, sondern Aktionismus. Unüberlegter, unausgegorener, kontraproduktiver Aktionismus auf „Wir-dachten-es-wäre-irgendwie-cool“-Niveau, ohne Sinn und Verstand, Planung oder Folgenabschätzung.

Und darum verläuft die Spaltung in der Piratenpartei meiner Meinung nach auch nicht entlang der Linie „Parteipolitiker“ vs. „Aktivisten“, sondern entlang der Linie zwischen Realos, die arbeiten und vernünftige Politik machen wollen, und Utopisten-Aktionisten, die sich weitgehend von der Realität abgekoppelt haben und nichts wirklich Sinnvolles, Nachhaltiges auf die Reihe bekommen, sondern nur an sich, ihre unrealistischen Vorstellungen und ihre Peergroup denken.

Darum hoffe ich auf eine Piratenpartei, die „klar Schiff macht“ und alles gescheiterte, utopische über Bord wirft. LQFB, die schlechte e-Voting-Implementierung mit Überwachungspotential zum Beispiel, und den dysfuntionalen basisdemokratischen Bundesparteitag, der mit Rick Valkvinges Vorstellungen von Organisation übrigens überhaupt nicht zusammengeht und ebenso teuer wie ineffizient ist.

Check your privileges, Julia Reda

Julia Reda, die genderfeministische Spitzenkandidatin der Piratenpartei, ist ins Europaparlament gewählt worden.

Das freut mich für Sie, und ich hoffe, Sie kann in Sachen „Freiheit im Netz“ etwas erreichen. Schließlich hat sie ja irgendwann mal einen offenen Brief geschrieben, als sie aus der SPD ausgetreten ist. Und ist als frisch gebackene Magisterin der Publizistik und Politikwissenschaft bestimmt super geeignet, juristische und informationstechnische Aspekte des Internets qualifiziert zu diskutieren.

Auf jeden Fall gratuliere ich zum Aufstieg in ein öffentlich bezahltes Amt. Schade nur, dass damit das Klischee von der weitgehend qualifikationsfreien Feministin wieder erfüllt wird, die anderen Frauen MINT-Fächer und Karriere in der Industrie predigt, aber sich selbst an den Futtertrögen der öffentlichen Hand bedient.

Ich mache mir allerdings im Moment auch Sorgen um sie. Denn ich höre schon die Forderungen ihrer „Freunde“: „Hey Julia, Du bekommst doch jetzt tausende Euro im Monat, wo bleibt Dein Beitrag für die Refugees, die Rote Hilfe und die ‚Open Mind 14‘? Willst du nicht XYZ ((Student_*ix einer brotlosen Kunst und/oder Antifa-Prügeler und/oder testosteronstrotzender Pseudo-„Ally“)) als Büroleiter einstellen?“.

Das wird bestimmt nicht lustig.

Ich würde Frau Reda empfehlen, abzutauchen und sich in Brüssel einen Safe Space anzulegen. Und natürlich: Ihre Privilegien zu checken, die sie ja jetzt überreichlich hat.

Was heißt „Strukturelle Gewalt“?

Ein Pirat hat für den Landesparteitag der NRW-Piraten einen Antrag zum Beschluss eines Positionspapiers ((Okay, Positionspapiere sind im Zweifel folgenlos und damit die Bits nicht wert, mit denen sie gespeichert werden, aber egal…)) Feminismus und Geschlechtergerechtigkeit eingebracht, dessen erster Satz lautet: Wir stellen fest, dass Frauen noch immer benachteiligt sind und struktureller Gewalt unterliegen.

Okay. Dazu fallen mir zwei Fragen ein. Erstens: Inwiefern sind Frauen noch immer benachteiligt? Und zweitens: Was ist eigentlich „strukturelle Gewalt“ genau?

„Strukturelle Gewalt“ durch den Staat?

Fangen wir mit dem Begriff der „strukturellen Gewalt“ an: Die Wikipedia hat dazu natürlich einen Artikel parat. Dieser ist bezüglich der konkreten Bedeutung des Ausdrucks wenig erhellend, vermerkt aber im Abschnitt Kritik unter anderem: Der Staatsrechtler Josef Isensee sah in der „Lehre von struktureller Gewalt, die von der neomarxistischen Richtung der sog. Friedensforschung vertreten wird“, ein „Legitimationsschema zum Bürgerkrieg gegen das ‚kapitalistische‘ System“:
Das bedeutet: Der Ausdruck „strukturelle Gewalt“ ist kein neutraler Ausdruck, sondern ein Begriff, auf den sich in der Vergangenheit vor allem linksextreme Gruppen bezogen haben um „Gegen“-Gewalt zu rechtfertigen.
Das finde ich problematisch. Die Piratenpartei hat schon genug Probleme mit linksextremistischen Ideologen, die die Demokratie für eine Brückentechnologie halten und die freiheitlich demokratische Grundordnung überwinden wollen. Und dann fällt einem angeblich irgendwie auch liberalen Piraten nix besseres ein als einen schwammigen, linksextremistisch konnotierten Begriff ins Gleichberechtigungsprogramm der NRW-Piraten schreiben zu wollen? Ähh…. SRSLY? ((Ich habe damit natürlich keine Probleme, ich bin ja kein Pirat mehr. Viel Spaß noch da in der linksextremistischen Ecke…))

Und nun zu dem, was mit „strukturelle Gewalt“ gemeint sein könnte, nämlich eine „im System liegende“ Benachteiligung von Frauen. Kurz: Diese vermag ich nicht zu erkennen. Ich finde schlicht keine Hinweise für eine im staatlichen System angelegte Benachteiligung von Frauen. Frauen leben länger, stellen mehr Wähler, haben also die politische Übermacht; Frauen erleiden weniger Arbeitsunfälle, Frauen werden zu kürzeren Haftstrafen verurteilt. Frauen erhalten den gleichen Lohn für gleiche Arbeit (zumindest im Staatsdienst), Frauen bekommen häufiger Abitur oder einen Hochschulabschluss. Es gibt Frauenprofessuren, Frauenförderung etc.. Vom Effekt her und von Recht und Gesetz her scheinen Frauen also eher Vorteile als Nachteile zu haben durch die staatlichen Strukturen.

Also gibt es keine strukturelle Benachteiligung von Frauen, die man durch irgendwelche politischen Maßnahmen verändern könnte, deren Einfluss auf staatliches Handeln und die Gesetze beschränkt ist. Und also auch keine staatliche „strukturelle Gewalt“ gegen Frauen.

„Strukturelle Gewalt“ durch „die Gesellschaft“

Blieben also nur noch etwaige Benachteiligungen, die sich durch das Verhalten der Gesellschaft ergeben könnten, die man als „strukturelle Gewalt“ bezeichnen könnte.
Diese Gewalt ginge dann quasi von „der Gesellschaft“ aus, manifestiert in unzähligen kaum merkbar sexistischen Einzelhandlungen. Die Gesellschaft müsste dann als sexistischer Mob gesehen werden, aus dem heraus die nicht verortbare und darum hilfsweise „strukturell“ genannte „Gewalt“ hineinwirkt in das Leben von Frauen.

Nun ist es aber so: Die verfassungsmäßig garantierten Rechte schließen das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit mit ein, und das umfasst IMHO auch das Recht, ein Arschloch oder eine Spinnerin zu sein, solange das Verhalten nicht justiziabel ist; und Männer als Kindergärtner für ungeeignet zu halten oder Frauen als Konzernlenkerin ist vielleicht falsch, aber auch ((bisher)) kein (Hass-)Verbrechen.

Schwarmsexismus?

Und ich glaube, dass kann auch gar nicht anders sein. Es muss immer auch unangenehme Menschen geben. Denn: Ohne die weniger angenehmen Ränder der Gesellschaft gäbe es auch den sonst doch immer so hoch gehaltenen Pluralismus nicht. Ich finde es gut, dass wir nicht in einer Zukunft wie in „Demolition Man“ leben. Natürlich muss es Grenzen akzeptablen Verhaltens geben, aber diese kann man IMHO nicht so ziehen, dass man die Grenze schon bei dem Verhalten ziehen kann, dass hier als „Partikel“ der sogenannten „strukturellen Gewalt“ gewertet werden soll.
Eine scheinbar organisierte „strukturelle Gewalt“ in die Gesamtheit individuellen Einzelhandelns hineinzuinterpretieren finde ich deshalb unzulässig und falsch. Denn erstens geht es hier nicht um Gewalt, sondern um unpassendes Verhalten. Und zweitens hat eine Art „Schwarmsexismus“, wie man vielleicht passender sagen könnte, wenn man unbedingt Sexismus erkennen will, keine Struktur. „Strukturelle Gewalt“ wäre also eine irreführende Bezeichnung für etwas, was weder Struktur besitzt, noch im eigentlichen Sinne mit Gewalt zu tun hat.

Und auch wenn wir dem Drang nachgeben wollten ein gesellschaftliches Phänomen verbreiteten als unangenehm empfundenen Verhaltens zu „struktureller Gewalt“ zu erklären – was sollte das bringen? Was hat Politik damit zu tun? Was könnte Politik dagegen tun? Umerziehungslager für „geschlechterpolitisch unangepasste Menschen“ organisieren? Oder zehn Wochenstunden „Gender-Benimmunterricht“ in der Schule? Andere tolle Ideen?

Ich fasse zusammen: „Strukturelle Gewalt“ ist eine weitgehend irreführende, inhaltsleere Polit-Phrase, die nichts beschreibt, zumindest nichts, was man irgendwie politisch ändern könnte. Deshalb, und weil der Begriff mit linksextremistischer Gewalt konnotiert ist, würde ich empfehlen, ihn zu streichen.

Piraten? KORSAREN!

Kurz gesagt: Ich halte die Piratenpartei für verloren und plädiere für einen Fork.

Ich weiß, viele Piraten wollen keinen Fork. Aus der Hoffnung heraus, dass es doch noch klappt mit den Piraten, und aus der Angst davor, mit dem Fork könnte es niemals klappen. Allerdings sind Aussagen wie „Noch nie hat in der Vergangenheit (…)“ sinnlos, wie auch xkcd weiß, weil man aus der Vergangenheit nicht auf die Zukunft schließen kann. Eigentlich trivial. Und übrigens, die CDU ist eigentlich eine Art Fork der Zentrumspartei. Es gibt also keinen logischen Grund anzunehmen, ein Partei-Fork hätte aus irgendwelchen Gründen keine Chance. Nur Angst.

Es ist ja auch nicht so, als gäbe es keine Leute für so einen Fork. Seit Mitte 2012 bis Anfang 2014 hat die Piratenpartei mehr als 5.000 Mitglieder verloren, darunter auch viele Altpiraten. Damit kann man mehrere Parteien gründen; die Piratenpartei hatte Ende 2006 nur 360 Mitglieder und Mitte 2009 nur ca. 1000, 5.000 reichen also für knapp 15 Piratenparteien 2006 und ca. 5 Piratenparteien 2009. So … what?

Nun zur Hoffnung, es könnte noch etwas werden mit den Piraten, die einige bei den Piraten hält. Es werde ja bestimmt bald besser.
Hier kommen meiner Meinung nach verschiedene psychologische Effekte ins Spiel, die viele Piraten nicht bemerken lassen, wie sehr sich dieses „wir holen uns die Partei zurück“ und „es wird besser“ nach Durchhalteparolen anhört.
Erstens gibt es natürlich das rechtschaffene Gefühl der Loyalität für seine Partei. Es gehört einiges dazu, bis Menschen sich von einer Partei abwenden. Das ist auch gut so!
Dazu kommt dann allerdings etwas ähnliches wie der „Endowment-Effekt“ (Die Parteimitgliedschaft ist viel wert, WEIL ich dafür ja gezahlt und viel Zeit aufgebracht habe, und weil es deswegen MEINE Partei ist). Und die sogenannte psychologische Konsistenz bzw. kognitive Dissonanz sorgt für eine innere Abwehr des Gedankens, dass man Monate oder Jahre in etwas investiert hat, was sich nicht gelohnt hat. (Niemand, der klug ist, bleibt lange Mitglied in einer desorganisierten Partei die gar nicht seine politische Ideale vertritt. Ich bin klug. Darum KANN meine Partei keine desorganisierte Partei sein, die nicht meine politischen Ideale vertritt.)
Der gleiche Effekt führt auch dazu, dass Menschen Aktien, die gefallen sind, nicht rechtzeitig verkaufen, weil ein Verkauf das Eingeständnis bedeuten würde, ein schlechter Spekulant gewesen zu sein.
Auch Gedanken, dass die Partei ja in der Vergangenheit gute Umfragewerte hatte und darum bestimmt bald wieder haben könnte ((inverser Spieler-Fehlschluss)), oder dass es jetzt erst vielleicht noch etwas schlechter wird, aber dann wieder besser sind Fehlschlüsse. Denn wie gesagt – aus der Vergangenheit kann man nicht auf die Zukunft schließen, so sehr wir uns das auch Wünschen. Ich glaube, die Hoffnung auf eine baldige Rettung der Piratenpartei ist „wishful thinking“ und Selbstbetrug.

Aber denkt selbst! Wie schwer kann es sein, mit ein paar guten Leuten einen Partei-Fork zu machen, mit einer neuen, etwas verbesserten Satzung? Würde das nicht genug Aufmerksamkeit geben? Wie lange würde das dauern? Und wie lange würde es im Vergleich dauern, sämtliche Extremisten aus der Partei rauszuwerfen, die etlichen Fehler der Organisation und der Satzung auszubügeln, und wieviel Zeit und Geld würde das kosten, wieviele Burn-Outs?
Ich denke, die Neugründung einer neuen piratigeren Partei ist viel weniger illusorisch und auf jeden Fall finanziell, zeit-technisch und emotional günstiger als die Rückeroberung der Piratenpartei von fanatischen innerparteilichen Gegnern die keinen Fußbreit auf irgendwen zugehen werden der ihre Positionen nicht übernimmt.

Wer selbst denkt, der sollte sich immer gut überlegen, welche Kämpfe er führen will und welche Kämpfe er lieber auslässt. Wenn das Pferd tot ist, sollte man absteigen, heißt es; sinnvoller aber ist es schon abzusteigen wenn das Pferd sich ein oder zwei Beine gebrochen hat.
Wer sich weiter selbst in die Tasche lügen und mit seinem (metaphorischen) bösen siamesischen Zwilling um die Kontrolle über das verletzte Pferd kämpfen will: Nur zu! Wer aber begreift, dass man als Mensch immer die Möglichkeit hat einen Moment innezuhalten, einen Schritt zurückzutreten, sich selbst zu beobachten, sein eigenes Handeln neu zu bewerten; wer begreift, dass man immer die Möglichkeit hat, sich neu zu entscheiden, neu anzufangen; wer begreift, dass es gerade dieses neu-anfangen-können ist, das Wahlfreiheit und Selbstbestimmung ausmacht, der sollte sich jetzt ernsthaft überlegen warum er sich selbst in diesem bescheuerten innerparteilichen Konflikt mit absonderlichen Menschen aufreiben will anstatt zu sagen: Stopp! Ich suche mir jetzt eine neue Gruppe von Leuten, mit denen ich auf einer Wellenlänge bin, und mache mit denen etwas Neues auf, was wieder Spaß macht.

Nach diesem mehr oder weniger flammenden Appell ((Selbstironie ftw!)) jetzt nochmal zu den Gründen, warum ein Fork richtig ist:

Fünf Punkte, warum ein Fork Sinn ergibt

Nulltens ((für richtige IT-Nerd-Kernpiraten quasi)), weil man das so macht wenn sich ein Projekt zerstritten hat. Weil man es kann. Jedenfalls, wenn genug gute Leute mitziehen. Wofür ich werben möchte.

Erstens wegen des beschissenen Images, das die Piraten sich eingehandelt haben. Ich sagte es bereits in ähnlicher Form: Meiner Meinung nach kann man eine progressive Politik unter dem Label „Piratenpartei“ im Moment in Deutschland genau so gut verkaufen wie Aktien unter dem Namen „Prokon“ oder Last-Minute-Urlaubsreisen auf die Krim … ihr versteht, was ich meine.

Zweitens hat die Piratenpartei ein strukturelles Problem. Wie auch Rick Valkvinge, der Gründer der schwedischen Piratenpartei, in seinem Buch Swarmwise auf Seite 53ff. ausführt, kann eine Partei, die so organisiert ist wie die Piratenpartei, aufgrund des Kommunikationsoverheads nicht richtig funktionieren.
Der Schwarm — so führt Valkfinge aus ;&mdash muss in kleinere Gruppen aufgeteilt werden, damit Kommunikation möglich bleibt. Dieses Prinzip hat die Piratenpartei bei ihrem basisdemokratischen Bundesparteitag völlig in den Wind geschlagen, mit der Folge, dass dieser oft höchst ineffizient und unbefriedigend abgelaufen ist.
Und auch eine partei-globale SMV und ein bundesweites LQFB, wo jeder ständig und im Zusammenwirken mit allen über alles mitentscheiden soll, sind nicht zur Plattform „Mensch“ kompatibel. Menschen sind einfach nicht in der Lage in allzu großen Gruppen effizient zu kommunizieren und zu kooperieren. Der menschliche Geist skaliert nicht. Von daher sind diese Partei-globalen Systeme Ausdruck eines technokratischen Machbarkeitswahns, der nicht akzeptiert, dass Tools für Menschen gemacht sein müssen, sondern fordert, dass die Menschen sich an das Tool anpassen – egal wie kommunikationspsychologisch und HMI-mäßig blödsinnig und over-engineered das Tool auch ist. Und das ist Bullshit und ein Geburtsfehler der Piratenparte.

Ab einer gewissen Gruppengröße funktioniert nur noch „mitlaufen“ effizient — was interessanterweise durch die Idee der „Delegationen“ als Lösung für die praktische Unmöglichkeit der Beschäftigung aller mit allem auch gleich in der Software als Option angeboten wird —, und das ist ja nicht das, was wir uns unter einer Mitmach-Demokratie vorgestellt haben. Hoffe ich. Und daher muss eine piratige Partei die Zusammenarbeit der Mitglieder so organisieren, dass jeweils kleine Gruppen an abgegrenzten Aufgaben arbeiten und nicht jeder für alles und nichts zuständig ist. Alles andere führt zu Verwirrung und zum Gefühl von Kontrollverlust und damit zu schwindendem Engagement.
Wie man gesehen hat, ist auch eine schwache Führung, die eher „Hausmeisteraufgaben“ hat, in der Mediendemokratie eher wenig hilfreich, vor allem wenn die metaphorischen Hausmeister wegsehen, wenn im übertragenen Sinne randaliert und das Haus mit parteischädigenden Parolen beschmiert wird.

Wir brauchen also eine Partei, die vernünftig strukturiert ist und sich effiziente Strukturen gibt. Strukturen, die funktionieren, statt Strukturen, die das utopische Ideal einer Jeder-macht-Alles-Demokratie zu erreichen versuchen. Wir kennen es ja aus unserer arbeitsteiligen Gesellschaft: Du kannst eine super Ärztin sein oder ein super Fliesenleger oder ein großartiger Sänger oder eine klasse Verwaltungsangestellte: Aber alles gleichzeitig geht nicht. Wenn es gut werden soll geht immer nur eine Sache. Vielleicht zwei oder drei. Aber dann ist auch Schluss.

Drittens hat die Piratenpartei ein Problem mit den vielen kontroversen Themen, die teilweise nur knapp entschieden worden sind. BGE und SMV sind die zwei wichtigsten umstrittenen Themen, die die Partei gespalten haben. Bei der SMV existiert ganz klar das Problem, das die freie, geheime Wahl mit Wahlcomputern nicht funktioniert; das ist für Kernpiraten[tm] ein No-Go.
Und beim BGE ist immerhin umstritten, ob das funktionieren kann. Hier hätte man, um eine Spaltung zu verhindern, vielleicht statt einer Grundsatzentscheidung eine Entscheidung für eine Erprobung, möglicherweise zeitlich und räumlich beschränkt, fällen können. Das Zusammenleben in einer Partei erfordert auch immer eine gewisse Kompromissbereitschaft. Was nützt ein knapper programmatischer Sieg in einer winzigen Partei, wenn dieser innerparteiliche Sieg dazu führt, dass die Partei als ganzes geschwächt wird?

Viertens hat die Piratenpartei ein Problem mit, ‚tschuldigung, Fanatikern, als da wären:
– Westentaschen-Stalinisten, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung überwinden wollen. Denn die ist ja an allem Schuld!!!1!!! (Kann man sich nicht ausdenken, sowas)
– Genderfeminist*_Innen, die felsenfest an eine frauenunterdrückende Weltverschwörung[tm] glauben. Die daran glauben, dass heutige Frauen nicht selbständig und klug genug sind um selbst über ihren eigenen Lebensweg zu entscheiden, und darum durch eine wohlmeinende genderfeministische Bürokratie und Quoten sanft in die richtige Richtung gelenkt werden müssen, bis sie endlich genau so handeln wie Männer. Und die häufig irgendwas mit Medien machen((frauentypisch, jaja…)) und/oder im öffentlichen Dienst arbeiten, aber fordern, *andere* Frauen sollten doch gefälligst mehr MINT-Fächer studieren und in der Wirtschaft Karriere machen.
Und dann, zu guter letzt, gibt’s noch
– Extremistisch-libertäre Anarcho-Kapitalisten die der Meinung sind, wenn man alles privatisiere werde schon alles gut werden. Es wäre doch okay wenn Privatpersonen oder Firmen natürliche Ressourcen verwalten oder die Haftung für ein Atomkraftwerk übernehmen würden, denn welche Privatperson oder Firma würde schon einen Bach vergiften oder ein Atomkraftwerk schlecht warten? Natürlich niemand!!!!1!!!1! ((eXXon lässt grüßen. Und Tepco. Und die Mafia. Und …))
Diese Leute muss man alle loswerden. Und das geht mit PAVs so gut wie gar nicht, aber ziemlich einfach mit einem Fork: Man nimmt sie einfach nicht mehr in die neue Partei auf. Ganz einfache Sache.

Was genau schief gelaufen ist

Die Piratenpartei war mal eine Nerd-Partei, eine progressive Partei, eine im wahrsten Sinne des Wortes liberale Partei, eine tolerante Partei.
Eine Partei, die aufgrund ihrer Naivität, die sich z.B. im Motto „Themen statt Köpfe“ ausdrückte, ebenso sympathisch wie leider auch hilflos war.

Hilflos gegenüber der Unterwanderung durch Köpfe, die nur ihr eigenes Thema kennen. DogmatikerInnen, FanatikerInnen, IdeologInnen.

Leute, die unter anderem das auf individuelle Wahlfreiheit und Eigenverantwortung zielende Konzept des Post-Gender ersetzt haben durch die die Ideologie des Gender-Feminismus, der erstmal alle menschlichen Eigenschaften und alle Menschen in die Kategorien „männlich und weiblich konnotiert“ einordnet, auf diesen Kategorien basierend Quoten verhängen will und dann noch behauptet, die Kategorie „Geschlecht“ ja eigentlich überwinden zu wollen.

Leute, die Toleranz ersetzt haben durch die rücksichtslose Durchsetzung kleinlicher Sprachregelungen, die vorgeblich gegen Diskriminierung und jeglichen *ismus gerichtet sind, aber im Endeffekt alle diskriminieren, die diese Sprachregelungen nicht kennen oder verstehen.
Die angeblich gesellschaftliche Verhältnisse und Herrschaftswissen de-konstruieren wollen, aber selbst durch ihre Spezial-Sprache Herrschaftswissen konstruieren.
Leute, die für gewaltfreie und einfache Sprache werben, aber verbale Gewalt in Form komplexer Sprachkonstrukte gegen alle einsetzen, die sich (scheinbar) gegen sie stellen.

Der dogmatisch motivierten Rücksichtslosigkeit dieser „Awareness-Kämpfer“ fallen dann alle zu Opfer, die zu jung, zu wenig gebildet, zu unbedarft, zu nerdig oder zu beschäftigt sind um sich in den Elfenbeinturm-Slang dieser politischen Sprachpolizei hineinzudenken, die selbst jegliche Awareness dafür vermissen lässt, dass ihre ganzen sprachlichen Verrenkungen im Alltag völlig inpraktikabel sind.

Auf der Strecke bleibt der freie Gedankenaustausch, der Fluss der Ideen, und das konstruktive Arbeiten an Inhalten, weil die Fanatiker die Form des Gesagten über den Inhalt stellen, bzw. lieber bösartig mögliche Fehlinterpretationen suchen und anprangern als wohlmeinend den gemeinten Kern einer Aussage zu erschließen und zu bedenken.

Auf der Strecke bleiben auch wahre Toleranz und gegenseitiger Respekt, die sich eben nicht dadurch ausdrückt, dass man andere bekämpft und beschimpft, sondern darin, dass man andere Meinungen respektvoll anhört, seine eigene Meinung höflich darlegt, und sich gegebenenfalls ebenso beharrlich wie zurückhaltend abgrenzt wenn jemand totalen Bullshit erzählt; aber erst nachdem man mögliche Missverständnisse durch freundliche Nachfrage ausgeschlossen hat.

Wie auch immer, die politische Kultur in der Piratenpartei hat sich in Richtung von Krawall und Streit entwickelt, nicht in Richtung eines einigermaßen gepflegten Diskurses unter Ladies & Gentlemen.
Das liegt auch daran, dass die „Partei-Hausmeister“ nie klargemacht haben, dass auch an Bord eines Piratenschiffes ((nautische Metaphern ftw!)) gewisse Regeln gelten, und nicht frühzeitig und eindeutig genug ein paar Leute kielgeholt oder über die Planke geschickt haben.

Diese ganzen negativen Effekte möchte ich in einer piratigen Partei, hinter der ich mit gutem Gewissen und vollem Einsatz stehen kann, nicht haben.

Zurück in die Zukunft

Ich will aber die Idee einer Partei, die sich für individuelle Freiheit, Lebens-Chancen für alle, Transparenz in der öffentlichen Verwaltung, ein solidarisches Zusammenleben aller in Frieden, Freiheit, aber auch Wettbewerb einsetzt, nicht aufgeben. Dafür wird so eine Partei einfach zu dringend gebraucht!
Es sollte eine Partei sein, die pragmatisch nach politisch durchsetzbaren Lösungen sucht und diese Schritt für Schritt, nach Priorität und Machbarkeit, umzusetzen versucht, anstatt dutzende Baustellen gleichzeitig aufzureißen und darüber sogar die Deutungshoheit über die eigenen Kernthemen zu verlieren.

Ich will eine solide organisierte Partei mit funktionierenden Abwehr-Mechanismen gegen Extremisten, egal ob diese jetzt glücklich sind mit der Bezeichnung „Extremisten“ oder nicht, und egal ob sie ihre jeweilige total gut gemeinte / naive / irrationale / menschenverachtende Ideologie für rechts oder links oder progressiv oder anarchistisch oder wissenschaftlich fundiert oder gar Gottes Willen halten.
Wer die freiheitliche demokratische Grundordnung überwinden oder den Staat abschaffen und hunderte Jahre Evolution hin zu Gewaltenteilung, Rechtsstaat, Anti-Kartell-Gesetzgebung, Umweltschutz etc. in die Tonne kloppen will, mit dem möchte ich nicht in der selben Partei sein!

Und darum möchte ich eine neue, piratige Partei, die die Geburtsfehler der Piratenpartei vermeidet, Demokratie und Rechtsstaat konsequent verteidigt, die innerparteiliche Debatte frei, offen und respektvoll hält, und dazu persönliche Daten schützt.
Für die Verbesserung der Gesprächskultur und der Fairness innerhalb der Partei wünsche ich mir, dass Debatten eher partei-intern stattfinden und nicht jede Äußerung geloggt und gestreamt (und fehlinterpretiert und zerrissen und auf Popcornpiraten oder Pranger-Blogs veröffentlicht) wird.

Partei-Angelegenheiten sind für mich erstmal privat, und keine öffentlichen Angelegenheiten, denn Basis-Mitglieder haben keine Funktion, und werden nicht bezahlt. Erst auf einem Level, wo Politik professionell wird (z.B. in gewählten öffentlichen Gremien, wo Gehalt oder Aufwandsentschädigung gezahlt wird) halte ich es für richtig und sinnvoll, durch Veröffentlichung auch von Debatten für Transparenz zu sorgen.

Internet-Partei zu sein ist ein schöner Anspruch, aber das bedeutet meiner Meinung nach nicht, dass man sich auf die Nutzung von Diensten einlassen muss die weder designt noch geeignet sind um effizient verteilt Politik zu machen. Twitter und Facebook sind IMHO eher PR-Instrumente, keine Diskussionsplattformen. Und auch riesige Mailinglisten oder LQFBs mit tausenden Teilnehmern sind ineffiziente Kommunikationsmittel; Debatten müssen in kleineren Gruppen geführt werden (hier sei nochmal auf Rick Valkvinges Buch verwiesen, siehe oben), deren Ergebnisse dann systematisch aggregiert werden. Das es manchmal sinnvoll ist Aufgaben an eher kleine Gruppen zu geben hat ja sogar die Piratenpartei letztendlich eingesehen, indem sie die Themenbeauftragten eingeführt hat.

Ich will eine Partei, die vor allem auch funktioniert. Denn wenn etwas funktioniert, dann macht es auch Spaß daran mitzuwirken, und während meiner Mitgliedschaft in der Piratenpartei war der Spaßfaktor dann doch eher begrenzt.
Die Piratenpartei funktioniert auf so vielen Ebenen auf so viele Weisen nicht, und es sind schon so viele Pflöcke eingeschlagen und so viele Designfehler gemacht worden, dass man sehr vieles umbauen müsste.
Das aber werden diejenigen verhindern, die mit viel Mühe irgendwelche Positionen besetzt, Programmpunkte durchgesetzt und Siege errungen haben, die bei einem Neustart wieder zur Disposition stünden. Und darum glaube ich, dass wir eine neue, piratige Partei „from scratch“ aufbauen müssen. Die Piratenpartei war der Prototyp, jetzt könnten wir etwas ausgereiftes auf die Beine stellen, wenn es uns gelingt, genug von der Erfahrung der Piratenpartei, am besten in Form erfahrener Piraten, mitzunehmen.

Um dem Kind einen Namen zu geben will ich einfach mal von den „KORSAREN“ sprechen. Das klingt piratig und soll die Nähe zu den „wahren piratigen Werten“ symbolisieren, soll aber auch ausdrücken, dass diese Partei im Gegensatz zu den freidrehenden Rändern der Piratenpartei auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht, so wie Korsaren im Gegensatz zu Piraten immerhin eine Legitimation in Form eines Kaperbriefs besessen haben, und auf dem Boden des Völkerrechts standen. Abgesehen davon sind Korsaren schneller als Piraten.
In diesem Sinne: Es würde mich freuen wenn sich enttäuschte Ex-Piraten nicht in alle Winde zerstreuten, sondern zusammenrotteten, in einer piratigen Partei die auf wundersame Weise originaler ist als das „Original“.

Etwaige Emails oder Nachrichten werden vertraulich behandelt.

Die „Piratenpartei“ ist tot! Es lebe die Piratenpartei Partei der Piraten!

Die „Piratenpartei“ ist – meiner Meinung nach schon seit einiger Zeit, aber spätestens jetzt – als „Marke“ verbrannt. Auch die #mk14 hat außer Lippenbekenntnissen zu einer Satzung, an die sich niemand hält, nichts gebracht.

So wie auch andere Parteien wie z.B. die FDP ihre Marke durch Beliebigkeit, Inkonsequenz und taktische Spielereien ruiniert haben, hat auch die „Marke Piratenpartei“ durch die vielen Unglaublichkeiten der letzten Wochen, Monate und ggf. Jahre irreparabel Schaden genommen. Der Fisch stinkt — wie so oft — auch hier vom Kopf her, aber die vielen engagierten Piraten an der Basis können nicht ändern, dass das Image einer Partei von ihrem Spitzenpersonal her rührt, und das Spitzenpersonal der Piraten ist leider in den letzten Wochen, Monaten und Jahren nur spitze im Produzieren von #Gates bzw. peinlichen Medien-Pannen.

Die emanzipatorischen, bürgerrechtlichen, sozialen, liberalen, freiheitlichen Ideen für die das Label „Piratenpartei“ einst (2009?) stand, haben es schon schwer genug in Deutschland. Das bedeutet: Wer diese Ideen politisch durchsetzen will, kann sich keine zusätzliche Hypothek in Form des Namens „Piratenpartei“ mit den ganzen negativen Assoziationen die da mittlerweile dran kleben, leisten. Wann hast Du, lieber Leser, das letzte Mal Zustimmung erfahren, als Du mit Außenstehenden darüber gesprochen hast, dass Du Pirat bist?

Lohnt es sich wirklich, sich mit den Linksradikalen, die die Partei unterwandert haben, um eine zunehmend leere Hülle zu streiten? Nur wegen des mittlerweile wertlosen Namens „Piratenpartei“? Ein Name, der in den Ohren des normalen Wählers als Name für eine Partei mittlerweile so gut klingt wie z.B. Contergan für ein Schmerzmittel oder Lehman Brothers für eine Bank? Ich glaube nicht.

Es ist politisch sinnlos aus einer Art von Nostalgie heraus (wegen der guten alten Zeiten!) wehmütig an der „Piratenpartei“ festzuhalten, als hätte der Name irgendeine magische Bedeutung und müsste darum um jeden Preis für die „gute Sache“[tm] zurückerobert werden.

Diese positive, verteidigenswerte Bedeutung hat dieser Name nur noch in
den Köpfen weniger richtiger Kernpiraten[tm]. Auch wenn das ggf. unsere Köpfe sind müssen wir uns damit abfinden dass dieser Name gegen unseren Willen neu geprägt („re-framed“) worden ist und jetzt primär für inkonsistenten, widersinnigen, linksradikalen Bullshit steht. So wie z.B. auch das Wort „neoliberal“ mal eine positive Bedeutung hatte, die aber jetzt niemanden mehr interessiert. Weil es SPD und Die Linke gelungen ist das Wort so umzudeuten dass es jetzt quasi ein Synonym für Raubtier- und Manchester-Kapitalismus, Ausbeutung und Betrug ist.

Wir müssen die Worthülse „Piratenpartei“ mental loslassen und wieder an die Inhalte denken, die wir unter diesem vergifteten Namen in Deutschland zumindest in den nächsten, so entscheidenden Jahren, niemals würden durchsetzen können.

Ich halte es darum für klug den Linksradikalen das leckgeschlagene und brennende Schiff (nautische Metaphern ftw!) namens Piratenpartei zu überlassen (damit sie damit an den nächsten Klippen auf Grund laufen können) und selbst ein neues Schiff auf Kiel zu legen.

Denn: Wir haben schlicht keine Zeit, die Piratenpartei zu debuggen und alle Bugs zu patchen. Wir würden bis 2017 unter dem Sperrfeuer der innerparteilichen Gegner nie damit fertig! Wir müssen die erste Implementierung wegwerfen, die Architektur geradeziehen, und die Partei neu aufsetzen!
Wir brauchen eine funktionierende innerparteiliche Demokratie – ich schlage vor, ein Delegiertensystem mit der Möglichkeit von Urwahlen.
Wir brauchen funktionierende Abwehrmechanismen gegen Radikale U-Boote – ich plädiere für eine Mitgliedschaft auf Probe, reguläre Mitgliedschaft nur bei Aktivität, „Bewerber-Grillen“ statt „Kandidaten-Grillen“.
Wir brauchen eine verbindliche Kernthemen-Agenda, und feste Positionen oder eine Vereinbarung über die explizite Nicht-Behandlung in Bezug auf Streit-Themen die die Partei wieder spalten könnten.

Es ist sicher nicht an mir als unbekannter Basispirat dieses Vorhaben zu treiben, aber ich würde mich freuen ggf. zu helfen, denn auch wenn ich kein Pirat mehr bin liegen mir die liberalen piratigen Ideen, Schutz privater Daten, Transparenz öffentlicher Daten, „Fair Use“, sinnvolle Fristen und faire Beteiligung von Urhebern im Urheberrecht, ein verständliches und faires Rechts- und Patent-System sehr am Herzen.

Die Piratenpartei ist tot – es lebe die „Partei der Piraten“! :-)

p.s.: Für die, die das schon mal gelesen haben: Ich habe diesen Blogpost teilweise aus einer Mail abgeschrieben. Aus einer Mail von mir.

Piratenpartei Partei der Piraten!">

Bombergate reframed!

Eine Piratin ((ich nenne hier absichtlich den Namen nicht, um einer künftigen bürgerlichen Existenz der Frau nicht im Wege zu stehen, sollte es diese Seite im Suchmaschinen-Index nach oben spülen)) hat eingestanden, oberkörperfrei mit der Aufschrift „Thank you Bomber Harris“ am Jahrestag der Bombardierung von Dresden posiert zu haben.

Die Aktion selbst fanden inner- und außerhalb der Piratenpartei viele Menschen geschmacklos bis menschenverachtend. Denn der Luftangriff auf Dresden gilt als ein Angriff mit — nicht nur im Verhältnis zur militärischen Bedeutung der Stadt — unnötig vielen zivilen Opfern, bei dem zudem besonders schrecklich wirkende Brandbomben eingesetzt wurden.

Jetzt sind interessante Beiträge zur Erklärung dieser Aktion erschienen:

Im Magazin Carta erläutert Daniel Schwerd, man müsse diese Aktion im Kontext antifaschistischer Bemühungen zur Abwehr von Versuchen von Neonazis sehen, Geschichtsklitterung und Revisionismus zu betreiben. Und auch Fabio Reinhard schreibt in einem Blog-Post, es sei bei dieser Aktion darum gegangen ein faschistisches Re-Framing des Dresdner Bombenangriffs zu verhindern.

Wenn man diese ganzen Beiträge liest kann man fast den Eindruck bekommen, dass die Bombergate-Piratin unverschuldet nach einer zumindest sehr gut gemeinten antifaschistischen Aktion ins Kreuzfeuer der bösen Medien und natürlich der Faschisten geraten sei.

Ich denke, hier muss man ein paar Dinge gerade ziehen:

Es ist richtig, dass Nazis schon seit längerer Zeit versuchen die Luftangriffe auf Dresden zum „Bomben-Holocaust“ umzudeuten und damit gleichzeitig erstens den Holocaust zu verharmlosen und zweitens den Bombenangriff auf Dresden als schlimmstmögliches Kriegsverbrechen zu überhöhen.
Gegen diese Umdeutung des Bombenangriffs etwas zu unternehmen ist natürlich absolut legitim.

Aber die Bombergate-Piratin hat hier völlig untaugliche Mittel angewandt. Denn man verhindert das rechte Re-Framing — dem die Taktik zugrunde liegt, immer nur ein wenig rechts neben der Wahrheit zu sein, so dass Menschen diese neue Version der Geschichte leicht annehmen können — natürlich nicht, indem man einen Bombenangriff, der mittlerweile als Kriegsverbrechen gesehen wird, als eine Art Segen darstellt, für den man dankbar sein müsse.
Ganz im Gegenteil: Man erscheint als pietätlos, Opfer verhöhnend und sinnlos provozierend, wie die Reaktionen der Öffentlichkeit gezeigt haben.
Denn die Sicht auf Krieg und Gewalt hat sich glücklicherweise in Deutschland in den letzten 100 Jahren gewandelt, und Angriffe auf die Zivilbevölkerung gelten mittlerweile als grausam, unnötig und kriminell. Und das ist durchaus gut, weil das eine humanistische, pazifistische und nicht-militaristische Sicht ist. Und dass sich diese Sicht verbreitet, ist bestimmt nicht im Sinne der Rechtsextremen, die doch sonst („Todesstrafe für Kinderschänder!“) bei ihren Framing-Versuchen stets versuchen, eine bejahende Einstellung zu Gewalt, Ausgrenzung etc. zu vermitteln.
Und darum war es kontraproduktiv mit dem Spruch „Thank you Bomber Harris“ dieses richtige, empathische Empfinden der Menschen ebenso anzugreifen wie die Neonazis, die damit getroffen werden sollten. Stattdessen hätte man gezielt gegen die Holocaust-Relativierung oder den Versuch der Erweckung nationalitischer bzw. anti-britischer Ressentiments vorzugehen versuchen sollen.

Dass es den Leuten hinter dieser Aktion anscheinend schwer fällt wirklich zu verstehen warum ihre Aktion scheitern konnte zeigt leider nur, dass sie sich in ihrer Filterbubble schon so weit von der Weltsicht durchschnittlicher Menschen entfernt haben, dass es Ihnen nicht mehr möglich war den Effekt dieser Aktion richtig einzuschätzen.
Und das bedeutet wiederum, dass die Bombergate-Piratin keine geeignete Person ist, um irgendwen im Europaparlament zu vertreten.

Denn wer in Europa Verantwortung übernehmen will, der sollte für das eigene Handeln Verantwortung übernehmen, und das tut sie nicht.

Die Argumentation dazu (aus ihrem Umfeld) lautet, zusammengefasst, ungefähr so: Hätte die Presse sie nicht auf unverantwortliche Weise enttarnt, wäre gar nichts passiert. Und da sie nun nur wegen dieser Enttarnung Angriffen ausgesetzt sei, könne sie nicht zurücktreten, weil sonst die Angreifer triumphieren würden, was nicht passieren dürfe, da unter diesen Nazis seien, und Nazis nicht gewinnen dürften.

Diese Argumentation ist … interessant. Allerdings kann man dem Berliner Kurier bestimmt nicht vorwerfen, dass es einem Journalisten gelungen ist die Bombergate-Piratin zu identifizieren, und dass man aufgrund ihrer Rolle als Europaparlaments-Kandidation darüber berichtet hat.
Auch die nicht unbedingt als rechtes Kampfblatt bekannte „taz“ hat sich entschieden, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hier schwerer wiegt als das Interesse der Piratin von den Auswirkungen der von ihr selbst gesuchten Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit verschont zu bleiben. Darum erscheint die daraufhin verbreitete Theorie gewagt, der Berliner Kurier sei eine Nazi-Postille die durch diese „Enttarnung“ anti-antifaschistische Tendenzen gezeigt habe.

Wie es jemand anderes so schön formuliert hat: Wir stellen uns schützend vor die Bombergate-Piratin, so wie jeder Bürger es verdient dass die Zivilgesellschaft und der Rechtsstaat sich schützend vor ihn stellen, wenn er für die Ausübung seine Meinungsfreiheit auf kriminelle Art und Weise angegangen und bedroht wird. Sogar dann, wenn er diesen Rechtsstaat und die Meinungsfreiheit insgeheim verachtet.
Aber wir stehen in Bezug auf diese Aktion nicht hinter ihr, und wir können auch nicht zulassen dass sie sich selbst aus jeglicher Verantwortung für ihr eigenes Handeln und dessen Folgen herauswinden will, indem sie die Geschehnisse so umdeutet, dass aus der erfahrenen Antifaschistin und geplant besonders provokant und öffentlichkeitswirksam auftretenden Verursacherin eines parteischädigenden Skandals ein Opfer von rechten Medien und Nazis wird.

Denn sie ist eine erwachsene Frau und erfahrene Antifaschistin der man durchaus zumuten kann, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.
Wir sollten hier nicht auf diese Ausreden, diesen Exploit hereinfallen der das Geschlechterstereotyp auszunutzen versucht, dass Frauen für „weniger zu Verantwortung befähigt“ gehalten werden. Würden man einem Mann so eine Aktion ebenso leicht verzeihen wie manche nun der Bombergate-Piratin alles verzeihen wollen? Ich denke nicht.


Update 1: Die Bombergate-Piratin hat sich mittlerweile entschuldigt bzw. eher gerechtfertigt. Leider ohne Konsequenzen zu ziehen und zurückzutreten, und leider, so meinen manche, mit einem Statement voller Lügen:
Die Nackte, der Knipser und die Lügen
Legendenbildung über den 12. und 13. Februar 2014

Was man aus den Fehlern der Piratenpartei lernen kann. Für eine Piratenpartei 2.0

Die Piratenpartei hat sich – so sehe ich das – selbst zerlegt. Das ist schade, denn gerade jetzt bräuchte die Welt eine politische Kraft die sich der Übermacht der Unterhaltungs-, Medien- und Überwachungs-Industrie entgegenstellt. Darum möchte ich aufzeigen woran die Piratenpartei gescheitert ist und wie meiner Meinung nach „Politik-Hacken“ besser gehen könnte. Das möchte ich tun, indem ich bespreche, inwiefern die Piratenpartei ihre großen Ziele und hohen Ansprüche an sich selbst erfüllen konnte, und inwiefern in diesen Ansprüchen das Scheitern schon von Anfang an angelegt war.

Der Beitrag ist mal wieder lang geworden, daher vorweg das

tl;dr;:

Basisdemokratie, parteiinterner Pluralismus, Transparenz der Partei, Themen statt Köpfe, evidenzbasierte Politik: Das war alles gut gemeint, funktioniert aber nicht im Kontext einer politischen Partei im Wettbewerb um Zustimmung.
Leider.

Die Piratenpartei als zielorientiertes Projekt zum Politik-Hacken

Am Anfang hatte die Piratenpartei relativ klare Ziele. Bürgerrechte, Datenschutz Freiheit im Internet und Anpassung des Rechts an die Realität (bzgl. Urheberrechten, Linksetzung etc.), außerdem z.B. Kampf gegen Wahlcomputer. Das bedeutet, das Ziel der Piratenpartei war ziemlich klar und vor allem auch orthogonal zu den Zielen anderer Parteien. Darum war es auch möglich relativ trennscharf zu sagen wie ein „Politik-Hack“ für dieses Ziel auszusehen hätte. Dementsprechend einfach war es sich vorzustellen in welche Richtung das „Projekt Piratenpartei“ sich entwickeln sollte, und darum brauchte die Piratenpartei auch erstmal keine Führung – wozu auch, wenn das Ziel allen klar vor Augen liegt?

Aber die Piraten haben nicht so weitergemacht. Immer mehr Wünsche von immer mehr Neupiraten haben als eine Form von politischem „Feature-Creep“ das ganze Projekt „Politik Hacken“ überladen und damit faktisch zum Scheitern verurteilt. Denn mittlerweile stehen die Piraten auch für basisdemokratische Experimente mit Wahlcomputer-ähnlichen Systemen, für kostenlosen ÖPNV, für das BGE ((Laut Gegnern: Die totale soziale Hängematte für alle Zivilversager)), für „Fanrechte“ ((Laut Gegnern: Rechte für Krawallmacher, Krawall zu machen)), teilweise auch für völlig irre und einseitige parteifinanzierte Konferenzen, erratische Tweets und Auftritte von Sandalenträgern, Müllwerkerhosenfans und Prügel-Pirantifanten.
Das bedeutet: Das Projekt Piratenpartei hat seine Ziele aus den Augen verloren, bzw. die ursprünglichen, erreichbaren, wünschenswerten und sinnvollen Ziele durch ein Sammelsurium an teilweise widersprüchlichen und schon deshalb teilweise nicht erreichbaren Zielen ersetzt. Dadurch ist das Projekt in den Status eines Chaosprojekts abgeglitten, bei dem schon das politische Lastenheft nicht stimmig ist. Ein Projekt, bei dem das Projekt-Team in Grüppchen zerfallen ist, die nicht mehr zusammenarbeiten, sondern nur noch damit zu tun haben jegliche Verantwortung für das Scheitern des Projekts auf andere abzuwälzen.
Ein Projekt das noch dazu, wegen fehlender bzw. generell schwacher Führung, nicht mehr in der Lage ist sich zu reorganisieren, neue, konsistente Ziele zu definieren und wieder die gesamte Mannschaft darauf einzuschwören. Das bedeutet: Ein gutes Politik-Hacking-Projekt darf nicht zulassen, dass das Projekt durch Zusatz-Anforderungen und „Neben-Ziele“ den Fokus verliert und handlungsunfähig wird. Dazu bedarf es, und hier liegt meiner Meinung nach ein kapitaler Designfehler der Piratenpartei als Projektorganisation, auch einer starken Führung die auch gegen Vertreter von Partikularinteressen dafür sorgt, dass die Projektziele im Fokus des Projekts und außerdem immer überschaubar, konsistent und erreichbar bleiben.

Die Piratenpartei als Partei für „evidenzbasierte Politik“

In der Piratenpartei gab es mal die Idee der „evidenzbasierten Politik“. Diese Idee hatte etwas für sich, denn natürlich wäre es wünschenswert wenn Entscheidungen nicht aus dem Bauch heraus, sondern auf Basis von logischen Überlegungen getroffen würden.
Andererseits kann man – mit Evidenz – zeigen, dass die meisten Menschen zu den meisten Themen gar keine Evidenz-basierten Entscheidungen treffen können, weil einfach nicht jeder über alles Bescheid wissen oder recherchieren kann, in endlicher Zeit. Und darum sind häufig – evidenzbasiert – Bauchentscheidungen die besten.
Darum muss evidenzbasierte Politik meiner Meinung nach eine Politik sein, die anerkennt dass politische Entscheidungen der Wähler nicht evidenzbasiert, sondern emotional getroffen werden. Intern können wir versuchen evidenzbasiert Entscheidungen zu treffen, aber nach außen kommuniziert werden müssen Dinge mit „emotionaler Unterfütterung“; das ist IMHO auch der aktuelle Stand aller Politikwissenschaft.
Und darum ist auch das Motto „Themen statt Köpfe“ völliger Blödsinn. Denn es sind andere Menschen, also Köpfe, an die die Menschen sich erinnern und an die Menschen glauben und denen sie vertrauen, nicht irgendwelche Themen. Denn Themen sind keine Aktivitätsträger, Themen leben erst durch die Köpfe, die das Thema vorantreiben und umsetzen und denen Wähler vertrauen können.
Die Idee evidenzbasierter Politik ist an sich gut, man darf aber den Faktor der menschlichen Psychologie nicht vernachlässigen. Denn es ist evident, dass Menschen emotionale Wesen sind, die nicht primär logisch entscheiden. Da die Politik nur gehackt werden kann wenn es gelingt Wähler-Köpfe zu „hacken“ ist es darum evident, dass erfolgreiches Politik-Hacken dort ansetzen muss, wo Menschen, also potenzielle Wähler, auch tatsächlich „angreifbar“ sind. Und das ist – ganz klar bzw. evident – nicht mit Sachargumenten bzw. „Evidenz“, sondern auch und vor allem über die emotionale Schiene.
Ein Fehler vieler Piraten ist es nicht akzeptieren zu können, dass es – scheinbar paradoxerweise – Teil evidenzbasierten Politik-Hackings sein muss *nicht* auf Evidenz-basierte Themenpräsentation zu setzen wenn man Wähler für sich gewinnen will. Darauf zu hoffen dass der Wähler irgendwann auf evidenzbasierte Politik anspringt ist ungefähr so, wie darauf zu hoffen dass ein System sich so ändert dass der dafür mit viel Mühe entworfene, aber nicht funktionierende Exploit irgendwann doch funktioniert.

Piraten, Datenschutz, Wahlkampf, Öffentlickeitsarbeit und „Partei-Sein“.

Wenn ich mich richtig erinnere ist das Hacker-Motto zum Datenschutz „Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen“. Was soviel bedeutet wie: Private Daten sollen privat bleiben, aber was auf Staatskosten an Daten erzeugt wird hat öffentlich gemacht zu werden, sofern das irgend möglich ist ohne wiederum irgendwelche Rechte von Privatleuten zu verletzen.
Irgendwie haben einige Leute aus diesem Motto die absonderliche Idee einer transparenten Partei abgeleitet; also einer Partei, deren interne Prozesse und Entscheidungsfindung transparent ist.
Aber das ist kontraproduktiv, denn:
Eine Partei ist zuallererst „Partei“. Partei zu sein bedeutet Gegner oder vielleicht sogar Feinde zu haben. Darum muss jede Partei für Ihre Mitglieder ein geschütztes Umfeld bieten wo diese frei und offen ihre Gedanken austauschen können. Eine Partei muss den Kampf um die öffentliche Meinung führen. Dazu muss sie strategisch gegen Ihre Gegner vorgehen können, Politikfelder „besetzen“, die Deutungshoheit über Begriffe erringen.
Letzten Endes bedeutet das, dass Partei-Interna geheim bleiben müssen, weil nichts schlimmer ist als wenn Medien über interne Streitigkeiten berichten und damit Keile in die Partei treiben, oder wenn politische Gegner einem ein Thema „wegnehmen“, weil sie frühzeitig davon erfahren haben, dass die Partei vorhat, es zu besetzen.
Diese Geheimhaltung ist okay, denn Partei-Interna sind keine öffentlichen Daten. Der Steuerzahler hat nicht dafür bezahlt. Es sind private Daten die Menschen in der Partei nur für die Partei bestimmt haben und die das Kapital bzw. die Munition der Partei in der politischen Auseinandersetzung darstellen.
Dass in der Piratenpartei so oft so viel in Wikis, Pads, Twitter, Facebook und Blogs veröffentlicht wird ist darum leider nicht Beweis der Großartigkeit der Piratenpartei, sondern Beleg des Fehlens jeglicher ernstzunehmender Öffentlichkeitsarbeit. Denn je mehr eine Partei veröffentlicht, je mehr Funktionsträger der Partei unabgestimmt Interviews geben oder Homestories machen lassen, desto mehr Angriffsfläche bietet sie dem politischen Gegner und den Journalisten, die dem politischen Gegner nahestehen.
Zumindest gewählte Abgeordnete und Vorstände sollten unter Leitung von PR-Profis ein professionelles Informationsmanagement betreiben damit die Partei kontrollieren kann was wann und wie in ihrem Namen veröffentlicht wird. Denn nur dann kann die Partei gezielt selbst agieren und Informationen platzieren. Die Alternative dazu ist eine Öffentlichkeitsarbeit die nicht agiert, sondern nur reagieren kann, und meist damit beschäftigt ist irgendwelche PR-Desaster zu reparieren.
Die Piraten agieren hier wiederum nicht so wie Politik-Hacker agieren sollten. Denn Politik-Hacker würden die Realität und die Regeln der Mediendemokratie akzeptieren und begreifen und so verhindern, selbst Opfer von „Medien-Exploits“ und „Social Engineering“ der politischen Gegner zu werden. Dass einige Piraten sich dieser Realität verweigern ist deshalb extrem bedauerlich. Denn den Kampf im „System Medien“ kann man nicht gegen das System, sondern nur mit dem System gewinnen, indem man es versteht und die Möglichkeiten, die es bietet, zu seinem eigenen Vorteil einsetzt. Vielleicht kann man sich das etwas wie Medien-Judo vorstellen; man kann die Medien nicht (zer-)schlagen, aber man kann einen Teil ihrer Kraft für sich nutzen.

Die Piraten, die pluralistische, offene „Mitmachpartei“

Die Piraten behaupten gern, eine Mitmachpartei zu sein. Aber ganz unter uns, liebe Leute: Alle Parteien sich Mitmachparteien. Die allerwenigsten lehnen engagierte Mitglieder ab.
„Mitmachpartei“ ist nur ein Label, das wir uns selbst gegeben haben, ein Claim, reine PR. Die Piratenpartei wollte die Verknöcherung der Altparteien überwinden, die Partei-interne Nachwuchs-Inzucht, die Meritokratie, die Konzentration auf einige wenige führende Köpfe, wollte mit Basisdemokratie und Internetabstimmungen eine Art „Durchlässigkeit“ der Parteihierarchie erreichen, wollte sogar die Existenz einer Hierarchie negieren und alles die Basis entscheiden lassen.
Doch wie es scheint hat das alles nicht besonders gut funktioniert. Bei „Piratenpartei“ denken die Menschen an einige wenige bekannte Gesichter. Die Basisdemokratie funktioniert weder im Netz noch auf dem Bundesparteitag. Die Meritokratie mag einstweilen verhindert worden sein, aber nur deshalb, weil in der Piratenpartei die führenden Leute ständig verbrannt werden und hinschmeißen. Und mit der Meritokratie hat man leider auch jegliche Kontinuität in der Programmentwicklung und Öffentlichkeitsarbeit zerstört, denn in den ach-so-blöden Altparteien dienen die langjährigen Funktionäre nicht zuletzt als Gerüst, sozialer Kitt, und Knowledge-Management-System in einem. Die Piratenpartei aber ist ohne dieses Gerüst eine Art Golem, der immer erstmal zusammenfällt wenn jemand einen neuen Zettel in seinen Kopf steckt, was ungefähr jedes Jahr einmal passiert. Was durchaus kontraproduktiv ist. Wer würde in irgendeinem Projekt oder einer Firma ständig auf allen Ebenen das gesamte Personal auswechseln? Natürlich niemand.
Hacker-Gruppen sind übrigens, soweit mir das bekannt ist, auch meist Meritokratien. Wer nichts kann, der wird auch nichts. Der wird im Zweifel nicht einmal aufgenommen. Entsprechend sollte auch eine Politik-Hacker-Gruppe, also eine Parte, darauf achten nur fähige Leute aufzunehmen die sich auch mit allen wichtigen Gruppenzielen identifizieren.
Angesichts der Zahl der Parteiausschlussverfahren die in der Piratenpartei mittlerweile schon angestrengt wurden und angesichts der Vielzahl der Flügel und Splittergruppen die die Piratenpartei mittlerweile von innen ausgehöhlt haben ist offensichtlich, dass gerade die Piratenpartei wählerischer hätte sein sollen bei der Aufnahme von Neumitgliedern.

Denn eine „Mitmachpartei“ braucht Leute die tatsächlich „mit-machen“ wollen, keine Träumer oder gar Gegner in den eigenen Reihen. Eine „Partei“ braucht eine innere Geschlossenheit und ein gemeinsames Ziel. Denn: Was ist das für eine Partei, in der sich verschiedene Crews in Berlin gegenseitig bekämpfen weil die einen „linksextrem“ und die anderen „rechtsradikal“ sein sollen; in der die einen gegen Wahlcomputer sind, und andere für computerisierte Internetabstimmungen; in der mache Menschen für „Post-Gender“ sind, und andere Gender-Feministen; die einen Datenschützer, die anderen datenschutzkritische Spackeristen; und dann noch manche für Waffen, Atomkraft, und Privatisierung von allem. So eine Partei ist keine „Partei“. Es ist eher eine zufällige Anhäufung irgendwelcher Leute mit ganz gegensätzlichen Meinungen und Interessen, in der sich mehr oder weniger zufällig Mehrheiten für irgendwelche Dinge ergeben, je nachdem ob der alles entscheidene Parteitag in Hamburg oder München ist. So eine Anhäufung von Menschen ist für den Wähler nicht einzuordnen, und darum auch keine wählbare Partei. Denn wichtigstes Merkmal einer Partei ist, dass die Menschen (zu) wissen (glauben) wofür diese Partei steht.

Die Piraten, die Basisdemokratie

Die Piraten haben kein Delegiertensystem, sondern beschließen basisdemokratisch. Das bedeutet: Alle Piraten sind gleich. Zumindest theoretisch, denn natürlich bevorzugt die Offline-Basisdemokratie eine Zeit- und Geld-Elite, die es sich leisten kann anzureisen, und die (hypothetische) Online-Basisdemokratie bevorzugt die Zeit-Elite bzw. die Elite der, böse formuliert, internetsüchtigen virtuellen Sesselliberos der Politik, also diejenigen die sowieso den ganzen Tag vor einem Rechner hängen und dabei nicht einmal irgendetwas zu tun haben was wichtiger wäre als kräftig „Politik zu machen“.
Die Idee der Basisdemokratie, dass alle gleich sind und jeder mitwirken kann ist natürlich klasse. Aber wir leben in einer arbeitsteiligen Gesellschaft, in der sich das Wissen extrem schnell vermehrt. Daher ist es leider sowieso utopisch, dass jeder an allen Themen gleichzeitig kompetent mitarbeiten kann. Eine Spezialisierung von Menschen auf bestimmte Themengebiete ist absolut sinnvoll.
Zudem ist die Piratenpartei eine relativ große Partei, in der schon rein rechnerisch nicht jeder mit jedem kommunizieren kann. Denn wenn N Mitglieder einer Partei zu nur einem Thema ihre Meinung ausdiskutieren wollen, dann müssten theoretisch (N * (N – 1)) / 2 = (N² – N) / 2 Meinungsaustausche stattfinden. Das bedeutet, der Kommunikationsaufwand steigt quadratisch mit der Zahl der beteiligten Diskutanden, wird also recht schnell unüberschaubar groß (Für N = 10: 45; für N = 100: 4950; für N = 1.000: 499.500) . Dementsprechend ist das Dogma, dass sich in der Basisdemokratie jeder sinnvoll an Diskussionen zu jedem Thema beteiligen kann schon rechnerisch gesehen eine reine Wunschvorstellung. Denn da alle gleichberechtigt sind und die auch deshalb notwendigen (N * (N – 1)) / 2 Diskussionen praktisch nicht geführt werden können bleibt jeder Pirat von fast allen anderen Piraten ungehört, und alle reden mehr oder weniger aneinander vorbei, sowohl online, als auch auf den Bundesparteitagen.
Wegen dieses Kommunikationsoverheads in großen Gruppen der jegliche Arbeit zum Erliegen bringt ist die Partei-globale Basisdemokratie keine effiziente Organisationform. Sinnvoller wäre die Parallelisierung von Aufgaben und die Verhinderung von Überforderung durch eine Beschränkung der Größe der Gruppen die zusammen an einem Thema oder einer Aufgabe arbeiten.
Die hierarchisch organisierten Parteien mit ihren Delegiertensystemen machen genau das. In diesen Parteien werden Anträge auf Bezirks- und Landesebene perfektioniert und vorgefiltert bevor sich die Bundesebene damit beschäftigen muss. Also wird auf Landesebene 16-fach-parallel gearbeitet und auf Bezirksebene vielleicht 100-fach parallel, auf Kreisebene vieleicht 500-fach parallel. Wegen der kleineren Gruppengröße kann dabei tatsächlich sinnvoll diskutiert werden, und es können tatsächlich verschiedene Argumentationen entwickelt und ausgetauscht werden, von denen die überzeugendsten dann jeweils auf höherer Ebene weitergeführt werden können. Bei der Basisdemokratie hingegen besteht die Gefahr dass die gleichen Argumente zigfach von verschiedenen Leuten wiederholt werden die sich auch gern mal reden gehört hätten.
Wie auch immer; wer ernsthaft glaubt, die Single-Thread-Bundesparteitags-Basisdemokratie der Piraten wäre trotz der offensichtlichen hoffnungslosen Ineffizienz des Verfahrens irgendwie besser oder transparenter oder gerechter als ein klassisches hierarchisches Delegiertensystem, der lügt sich meiner Meinung nach in die eigene Tasche und verschließt die Augen vor der Realität.
Politik-Hacker jedenfalls sollten ergebnisorientiert denken und darum in der Lage sein das Scheitern des bisherigen Ansatzes einzugestehen. Nur wem die Ziele der Piraten-Partei eigentlich doch nicht so wichtig sind kann dafür plädieren endlos weiter mit Basisdemokratie rumzuexperimentieren, während andere Parteien weiter Fakten schaffen, gegen die Interessen die die Piraten zu vertreten behaupten. ((Okay, manche Leute arbeiten auch weiter am HURD-Kernel, obwohl Linux schon immer besser funktioniert hat, aber das sind möglicherweise auch wieder hoffnungslose Idealisten, und keine besonders guten Hacker…))
Form follows function, die Form folgt aus der Funktion, dieser Satz scheint auch für Parteien zu gelten. Die Parteiorganisation der erfolgreichen „Altparteien“ ist anscheinend Ergebnis einer parteiorganisatorischen Evolution, deren Ergebnisse man nicht so einfach toppen kann indem man aus verschiedenen Wunsch-Zutaten eine Partei zusammenbastelt. Denn das Ergebnis, wir sehen es, ist nicht die naiv erträumte Überpartei, sondern ein wankender Parteizombie.

Die Piraten als linke Partei

Irgendwie ist der Eindruck entstanden, die Piraten seien eine linke Partei. Vielleicht liegt das daran, dass die Piraten eine „neue“ Partei sein wollten und so eine Partei natürlich automatisch eher links sein muss, da sie nicht konservativ sein kann bzw. darf.
Vielleicht haben die Piraten versäumt sich hier ausreichend gegen eine links-rechts-Einordnung zu wehren. Post-ideologisch wäre vielleicht eine mögliche Einordnung gewesen, bevor die Piratenpartei dann tatsächlich von linken Ideologien durchsetzt worden ist.
Letztlich sind die Zusammenhänge in unserer Gesellschaft heute so komplex dass jegliche Politik eher eine Frage von Versuch und Irrtum ist als eine Frage von rechts oder links. Was heute als gute Idee erscheint kann morgen verpönt und übermorgen dann doch wieder richtig gewesen sein. Das Einwegpfand, HartzIV, Atomkraft, die Rente mit 67 oder die Frühverrentung mit 58, alle diese Dinge werden ständig neu gedeutet und bewertet. Rechts oder Links sind heute in der Politik kaum noch mehr als Buzz-Words, mehr Beschwörungsformel um sich abzugrenzen als wirkliches Unterscheidungsmerkmal zwischen den verschiedenen bürgerlichen Parteien deren Streit eigentlich nur noch darum kreist wie man die soziale Marktwirtschaft, die eigentlich niemand in Frage stellen will, genau feinjustieren sollte. Selbst bei den politischen Extremisten steht „rechts“ oder „links“ eigentlich nur dafür, aus welchen Gründen man sich jeweils berufen fühlt über dem Gesetz zu stehen, und ob die Kriterien, mit denen man jeweils andere Menschen zu Menschen zweiter Klasse und zu Feinden erklärt, eher einfach oder hyperkomplex strukturiert sind.
Ausnahmsweise glaube ich, dass Hacker an dieser Stelle genau so hilflos wären sich selbst in ein politisches Spektrum einzuordnen wie es die Piratenpartei gewesen ist. Das politische Spektrum muss man als Krücke sehen, als Hilfsmittel mit dem die überbordende Komplexität unserer Lebenswelt in ein ganz einfach zu verstehendes Schema gepresst werden kann. Dieses Hilfsmittel mag sinnlos sein, dennoch ist es eine politische Realität in dem realen politischen System das es zu hacken gilt. Entsprechend würden Politik-Hacker, nachdem sie diese Realität anerkannt haben, versuchen die ideale Position in diesem Spektrum zu erkennen und zu besetzen. Und das ist natürlich die Position mit der meisten Zustimmung, also in der Mitte. Dementsprechend müsste die Positionierung der Partei sozial-liberal ausfallen, mit einem Hauch Ökologie, Werteorientierung und Wirtschaftskompetenz. Was die Leute halt wählen. Das ist natürlich berechnend, aber es hat ja auch niemand gesagt das „Social Engineering“ oder Politik im allgemeinen was mit nett sein zu tun hat.

Schlussfolgerungen

Die Piraten haben verschiedene vermeidbare Politik-Anfänger-Fehler gemacht.
Die implementierte Basisdemokratie mit den absichtlich schwachen Führungsstrukturen, die daraus resultierenden geringen Möglichkeiten der Führung und die auch daraus resultierende Personalfluktuation in der Führung sind nicht geeignet um erfolgreich Parteipolitik zu betreiben.

Die unkritische Aufnahme immer neuer Mitglieder in der naiven Hoffnung dass ganz viele ganz unterschiedliche Menschen eine große Familie sein könnten hat dazu geführt dass immer neue Themen in die Partei eingebracht wurden. Das hat zu einer thematischen Zerfaserung geführt, die wiederum die innere Geschlossenheit zerstört hat.

Die Altparteien haben ihren Wahlkampf auf ein Thema fokussiert oder einen Personen-zentrierten Wahlkampf geführt, was eine bewährte, erfolgversprechende Methode ist Wahlkampf zu führen. Die Piraten hingegen haben das Motto „Themen statt Köpfe“ ausgegeben, also gegen jede Erfahrung gehandelt.
Da die Partei selbst keine Personen präsentiert hat, haben die Medien sich zudem selbst Personen ausgesucht die sie dann als „Oberpiraten“ oder „typische Piraten“ präsentiert bzw. vorgeführt haben. Warum auch immer die Piraten gedacht haben mögen ohne eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit auskommen zu können die die eigene Außendarstellung aktiv gestaltet – es hat einfach nicht funktioniert.
Auch die besten Einzel-Ideen konnten wegen der mangelnden Koordination und thematischen Einbindung den erratischen Wahlkampf 2013 ohne zentrales Thema oder zentrale Personen nicht retten, die Wahlschlappe muss die Partei auf die eigene Kappe nehmen.

Piratenpartei 2.0?

Eine Piratenpartei 2.0, oder eine andere Partei die sich „piratigen“ Themen verpflichtet fühlt, vielleicht eine Partei der Kernpiraten, sollte aus den Fehlern der Piratenpartei lernen. Das bedeutet sich von einigen idealistischen, aber unrealistisch-naiven Konzepten zu verabschieden. Vielleicht mit ein bis zwei weinenden Augen. Aber es muss sein. Folgendes sollte getan werden:

  • Um Mitglieder in die Partei zu bekommen und zu halten bedarf es einiger weniger zugkräftiger Themen, bei denen alle Mitglieder einer Meinung sein sollten. Je mehr Positionen es gibt, desto mehr Konfliktpotential gibt es. Bei N Forderungen denen man zustimmen oder die man ablehnen kann gibt es schon (2 hoch N) unterschiedliche Positionen zur gesamten Themenpalette. Je weniger Themen es gibt, desto weniger Potenzial besteht für innerparteiliche Streitigkeiten. Schon deshalb sollte die Zahl der (Kern-)Themen, zumindest im Wahlkampf, minimal gehalten werden, denn nur so kann die Partei eine maximale Mobilisierung und Identifikation ihrer Mitglieder erreichen.
  • Bei der Neuaufnahme von Mitgliedern muss — und das hat die Piratenpartei offensichtlich nicht gemacht — darauf geachtet werden, dass die Neumitglieder sich tatsächlich mit den Zielen der Partei identifizieren. Denn eine Partei ist ein Projekt zur Erreichung politischer Ziele, das mit seinen Kräften haushalten und effizient Wirkung entfalten muss, und kein Ort für Inklusion oder Integration von politischen Gegnern und Querulanten.
  • Gescheiterte Ansätze wie basisdemokratische Bundesparteitage müssen abgeschafft und durch funktionierende, hierarchisch-parallelisierte, nachvollziehbare und demokratische Lösungen ersetzt werden. Also nicht Systeme, die die NSA dazu einladen die Kontrolle über die deutsche Parteipolitik zu übernehmen, sondern klassische Delegiertensysteme die auf jeder Stufe die Qualität der Anträge verbessern und den Kommunikationsoverhead begrenzen um sinnvolle und produktive Debatten zu ermöglichen.
  • Die Haltung zu kontroversen Themen wie BGE, (Post-)Gender etc., die teilweise hochemotional diskutiert werden und Spaltungspotential haben sollten entweder von Anfang an (per Satzung?) geklärt sein oder innerparteilich ausgeklammert werden, oder ggf. nur in Form einer Urabstimmung und mit 2/3-Mehrheit beschlossen werden können, damit die Entscheidung dazu eindeutig und wirklich unter Beteiligung aller (und nicht nur derjenigen, die Zeit hatten für den BPT) fällt. Dazu müssten natürlich entsprechende innerparteiliche Mechanismen gefunden werden.

Ziel muss eine funktionierende, in sich geschlossene, von sich überzeugte und dadurch überzeugungsfähige Partei sein die in jedem Moment handlungsfähig und im Wettbewerb mit anderen Parteien auf Augenhöhe ist.
Denn „in Schönheit zu sterben“ ohne irgendeines der wichtigen Ziele der Piraten erreicht zu haben, dieses Schicksal hat die Piratenpartei, haben die Ziele der Piraten nicht verdient.

Jetzt wäre die Zeit für eine Bürgerrechtspartei die sich vor allem für Bürgerrechte und digitale Freiheit einsetzt und deren Kern-Themen nicht nur im Bundle mit Internetwahlcomputern, Religion, Veggie-Days, Genderfeminismus, der Ask Toolbar, Waffenfreaks, Gesamtschulen, Euro-Skeptik oder Linksextremismus wählbar sind.

Warum die linksextremen Flaggen auf dem #bpt141 keine so tolle Sache sind

Ich versuche es mal mit einer Art Meta-Argument.

Das Image von Sozialismus / Anarchismus und Antifa in weiten Teilen der Öffentlichkeit ist einfach scheiße. Wenn der politische Gegner uns Piraten mit diesen Organisationen/Zielen/Strömungen in Verbindung bringen kann sind wir politisch tot, weil wir dann für weite Teile der Bevölkerung unwählbar sind.

Durch die Präsentation dieser Flaggen durch die Piratenpartei auf dem BPT kann der politische Gegner die Piraten jetzt als linksextrem (unterwandert) stigmatisieren (was auch schon passiert) und alle möglichen negativen Assoziationen heraufbeschwören die 95% der Bevölkerung mit „linksextrem“ verbinden. Die Piraten brauchen aber alle Stimmen für digitale Freiheit und Bürgerrechte, und nicht nur die von einem Bruchteil von 5% der Bevölkerung. Darum ist es dringend notwendig dass sich die Piratenpartei sofort vom Linksextremismus distanziert, sonst ist die Partei tot.

Kann sein dass diese linksextremen Piraten, die Internet-Pranger einrichten, Gewalt befürworten etc. bedauerliche Einzelfälle sind. Kann sein dass der Anarchismus als Nicht-Herrschaft eine tolle Idee wäre. Kann sein dass die Antifa aus lauter netten Menschen besteht die Katzen streicheln. Und kann sein dass es nach der links-sozialistischen Revolution einen friedlichen Übergang zu einer schöneren Gesellschaft gäbe. Ganz ohne stalinsche Säuberungen bei denen noch eben kurz alle „Nazis“ ((Inklusive, aber nicht beschränkt auf Rassisten, Ableisten, Ageisten, Homophobe, Transphobe, Sexisten, Revanchisten, Imperialisten, Kolonialisten, Lookisten, alle anderen *isten und natürlich, nicht zu vergessen, richtigen Nazis)) beseitigt werden die diese schöne neue Gesellschaft gefährden könnten, wie es sie schon so häufig nach Revolutionen gab in den letzten hunderten von Jahren. ((Terrorherrschaft; Stalinsche Säuberungen))

Aber das glaubt keiner, nicht zuletzt weil irgendwelche Irren unbeteiligten SchuPos im Namen von Frieden und Freiheit Pflastersteine ins Gesicht kloppen. Genau so wie auch niemand mehr der FDP glaubt dass sie wirklich die Liberalen sind.

Und darum — wegen des Images des Linksextremismus in der Öffentlichkeit — ist es — ganz unabhängig davon ob vielleicht alle Vorurteile der Gesellschaft gegen den Linksextremismus völlig substanzlos sind oder einen wahren Kern haben — parteischädigend, dass diese Flaggen aufgehängt werden durften. Denn wenn die Piratenpartei von der Bevölkerung als linksextrem orientiert eingeordnet wird schwinden alle Chancen darauf jemals von einer relevanten Zahl von Wählern gewählt zu werden und politisch Wirkung zu entfalten.

Wenn Du einen Hammer hast sind alle Probleme Nägel

Mir ist gerade aufgefallen wie unglaublich… naja… einfach gestrickt wir Piraten doch wieder aussehen, wenn man mal ein Stück zurück tritt von der Szene und versucht, die Piratenpartei von außen zu betrachten.
Da haben wir manche ITler – noch dazu einige schlechte – die meinen, man bräuchte nur das richtige Tool für „das Internet“[tm] zu schreiben, um alle 82 Mio. Bundesbürger ganz locker basisdemokratisch in jede Entscheidung miteinzubeziehen zu können. Und die glauben, dass das alle[tm] wollen, und dass das außerdem alle Probleme lösen würde. Weil IT und das Internet der Hammer sind und alle Probleme nur Nägel, die wir dann schon irgendwie eingeschlagen bekommen, wenn wir nur genug Rechenpower und Krypto-Foo benutzen und im Notfall womöglich den berühmten IBM-Feenstaub[tm].

Da haben wir die Geisteswissenschaftler und Publizisten, die glauben, wir brauchen eine „neue Erzählung“ für unsere Partei, und „mehr Meta“. Die glauben, wenn man nur genug redet und erklärt und kommuniziert und – wenn man ganz böse ist – Dinge neu „framed“ oder – wenn man weniger böse ist – eine neue Erzählung bastelt, dann wird die Gesellschaft sich schon überzeugen lassen, dass die Piraten super sind. Dann werden die Leute vergessen primär an Auto, Wohnung, Essen, Gesundheit, Sex, Kinder, Fussball, Klamotten, Karriere und die ganzen Probleme und Wünsche zu denken die die meisten Menschen beschäftigen, dann reihen sich alle ein im langen Marsch in die bessere Gesellschaft, lauschen unserer neuen Erzählung, erfüllt von Meta-Gedanken. Die Mittel der Geisteswissenschaft sind der Hammer, und alle Probleme sind irgendwie Nägel, die sich damit einschlagen lassen müssen.

Und dann gibt es diese GenderwissenschaftlerInnen, die davon reden man müsse mehr Frauen in die Wirtschaft bringen und Frauen verdienten so wenig. Die aber dennoch kein Unternehmen gründen um billige Frauen zu beschäftigen, sondern doch lieber irgendwie Autorin/Publizistin/irgendwas mit Medien/Politikerin werden wollen. Und sich dann trotzdem wundern warum denn nicht zumindest irgendwelche anderen Frauen für sie ihre fixe Idee von einer 50:50-Quote erfüllen. Und die glauben ihr Thema würde alle Probleme lösen, und in der besseren durchgegenderten Gesellschaft würden sich ganz neue Potentiale eröffnen, und die Quote wäre so eine Art Hammer und alle Probleme Nägel die man damit einschlagen oder, wenn das schwierig sein sollte, zumindest bis zur Schwelle der Ignorierbarkeit dekonstruieren könnte.

Und allen gemeinsam ist dass sie irgendwie glauben die Generationen vor uns hätten komplett gefailed und man könnte mal eben alles besser machen.
Aber das ist natürlich Blödsinn. Man kann mit IT keine gesellschaftlichen Probleme lösen und mit Krypto-Foo kein Vertrauen gewinnen, und wenn man nicht wirklich ein Borg-Kollektiv aufspannen will wird es die totale Basisdemokratie nie geben. Ach ja: Sogar das Borg-Kollektiv ist hierarchisch organisiert.
Man kann sich nicht hinstellen und irgendwas von Gender erzählen und Quoten verlangen und davon wie toll erfolgreich doch Unternehmen mit mehr Frauen wären, aber das Risiko nicht eingehen wollen selbst eins zu gründen, sondern im Zweifel lieber im öffentlichen Dienst abhängen.
Und man braucht sich auch nicht einzubilden es wäre so einfach politisch erfolgreich zu sein und man müsste nur mal eben kurz eine neue Erzählung erfinden, mit viel Meta, und schon wäre alles super, denn der politische Gegner wird etwas anderes erzählen; und wie man an der FDP sieht funktioniert manchmal das gegnerische Framing bzw. die gegnerische Stigmatisierung besser als die eigene Erzählung von Freiheit etc..

Also… wenn man mal zurücktritt und die Partei aus ein wenig Entfernung betrachtet, dann sieht man einen Haufen unkoordinierter Einzelkämpfer die mit ihren jeweiligen Hämmerchen Problemchen hinterherlaufen die möglicherweise außer ihnen niemanden interessieren. Alle schön so mit Blickwinkelkonzentratoren auf, ohne über den Tellerrand zu schauen.
Sicher, manche Ideen sind nicht schlecht. Die Erzählung zum Beispiel, die man formen könnte. Oder das Nutzen von IT für bessere und schnellere Information für die, die sich interessieren. Oder die Idee dass es doch schön wäre wenn das Geschlecht wirklich keine Rolle spielen würde, und dass man das doch irgendwie herbeizwingen können müsste.
Aber diese verschiedenen Ideen passen nicht zusammen. Sie ergeben keine gemeinsame Melodie, kein Gesamtbild, keine Erzählung wenn man so will, und definieren kein gemeinsames Ziel. Darum kann auch niemand erkennen wieviele Schritte man in welche Richtung tun müsste um dieses imaginäre Ziel zu erreichen, und darum wollten die Wähler der Piratenpartei bei den Bundestagswahlen auch nicht folgen in das Irgendwo von dem auch bei den Piraten keiner genau weiß wo es liegt.