Wie die FDP zweistellig bleiben kann oder: Wechselwähler als dornige Chancen

Die FDP hat gewonnen, aber auch ein Problem.

Sie hat — höchstwahrscheinlich — sehr viele Protest- und Wechselwähler angezogen, denen die AfD zu extrem war, die CDU zu weit nach links gerückt, und die SPD generell zu schwach. Diese Wähler werden die FDP nicht noch einmal wählen, wenn diese jetzt die Hoffnungen enttäuscht, die man in sie gesetzt hat.

Aber wie sagt man in der Lindner-FDP: Diese Nicht-Kernwähler sind allesamt dornige Chancen.

Was die FDP darum meiner Meinung nach jetzt tun muss ist, konsequent die „sozialliberal-rechtsstaatliche Alternative“ zu CDU/CSU/SPD/Grünen weiterzuspielen. Irgendwie hart, aber fair oder auch herzlich, sozusagen. Schröder-SPD, Bürgerrechts-Piraten, und Buschkowsky-SPD in einem. Außerdem natürlich ein wenig grün. So wie in der Zeit der sozialliberalen Koalition, wo es die FDP war, die das Bundesumweltamt maßgeblich mitgegründet hat.

Mental die 70er zurückzuholen könnte generell lohnend sein. Da wurde noch hart gestritten und weniger politisch korrekt nichts gesagt. Christian Lindner könnte den modernen Helmut Schmidt geben. Weniger weichgespült als die Kanzlerin, hart in der Sache, gradlinig, meinungsstark.

Ich glaube, genau diese Qualitäten sind es, die viele ehemalige CDU und SPD-Wähler in der heutigen Politik vermissen. Jemanden, der Hartz-IV auch mal im Kern verteidigt. Der anspricht, dass ein dauerhaftes Bleiberecht nur bekommen darf, wer sich integriert hat und ein Auskommen vorweisen kann. Der das Narrativ vom 21%-Gender-Pay-Gap hinterfragt und aus einer Nicht-Gleichverteilung von Männern und Frauen im Bereich Autoscooter-Fahrkarten-Kontrolle keine Benachteiligung von Frauen herausinterpretiert.

Jemand, der die Herausforderungen einer Welt mit Putin, Trump, Erdogan und Jong-Un annimmt und statt zu moralisieren im Hier und Jetzt pragmatische Schritte geht, die einer Strategie folgen.

Liberale Werte, Gleichberechtigung und gesunder Menschenverstand sowie Verantwortungsethik müssen einfach wieder einen Platz haben in der politischen Debatte.

Die aktuellen FDP-Wähler sind nicht mehrheitlich Leih-Wähler von der CDU, die schwarz-gelb wollten. Es sind Wähler, die alles außer CDU wollten. Das eröffnet der FDP die Chance, mit ungekannter Härte ihre Ziele zu verfolgen. Nötigenfalls, indem man mit der Opposition stimmt oder die Koalition scheitern lässt. Das wichtigste ist jetzt ein eigenständiges Profil und Selbstbehauptung gegenüber der Union und anderen.

Dann könnte die FDP meiner Meinung nach auch baldigen Neuwahlen gelassen entgegensehen.