Öffentlich-rechtlicher Talk: Bunt, laut, regierungsnah?

Ich habe in den letzten Tagen „Anne Will“ und „Hart aber fair“ und „Maischberger“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesehen.

Zu Anne Will: Eine politische Diskussionssendung ist keine Reportage, und man erwartet dort auch keinen Enthüllungsjournalismus, sondern eine politische Diskussion.
Bei Anne Will hatte man aber einen dummen Facebook-Post der AfD-Politikerin von Storch ausgegraben, der in der Mitte der Sendung präsentiert wurde, offensichtlich, um von Storch verwirrt und paranoid aussehen zu lassen. Das wäre auch absolut okay gewesen, hätte man auch die Social-Media-Vergangenheit der anderen Debattenteilnehmer entsprechend kritisch betrachtet, oder z.B. den CDU-Mann auch mal mit den unterirdischen Tweets seiner Parteikollegin Erika Steinbach konfrontiert. Hat man aber nicht, und so blieb ein schaaler Beigeschmack der Parteilichkeit der ARD im Raum.

Bei „Hart aber fair“ hatte man sicherheitshalber gleich nur Vertreter der großen Koalition plus Christian Lindner von der FDP und Spiegel-Frau Melanie Amann als mehr oder weniger diversifizierende Elemente eingeladen. So waren Probleme mit Rändern des Parteienspektrums gleich ausgeschlossen.
Statt dumme Social-Media-Posts herauszusuchen, gab es hier als Provokation zur Mitte der Sendung ein Bild von Flüchtlingen an einem Grenzzaun in Ungarn, und Moderator Plasberg versuchte die Runde mit diesem Bild emotional zu erpressen. Man solle doch bitte zugeben, dass eine effektive Grenzsicherung inhuman sei, weil man dann ja mit Gewalt und Zäunen Menschen hindern müsste, nach Europa zu kommen.
Natürlich muss auch Plasberg klar gewesen sein, dass man Grenzen immer mit Absperrungen und nötigenfalls Gewalt sichern muss, so wie Menschen ihre Haustür absperren und natürlich auch das Recht haben, ein Eindringen Unbefugter mit Gewalt zu verhindern. Und natürlich muss man die EU-Außengrenzen nicht nur wegen Flüchtlingen, sondern auch wegen des sonst möglichen Schmuggels von Waffen, Drogen, Tieren und verbotenen Produkten sichern. Man stelle sich nur vor, Kinderspielzeug mit PCB oder BPA käme unkontrolliert ins Land…
Zum Glück konnte zumindest Christian Lindner diese alberne Provokation von Plasberg kontern.

Bilder lügen nicht, heißt es, aber Bilder sagen auch nicht die ganze Wahrheit. Das Bild mit Flüchtlingen am Zaun sagt zum Beispiel nicht, dass das wahrscheinlich Menschen sind, die viel Geld zahlen konnten um Schlepper zu zahlen. Das Bild sagt nicht, dass diese Menschen auch in einem Flüchtlingslager in der Türkei hätten bleiben können, oder nach Jordanien hätten gehen können. Das Bild zeigt nicht, ob es dort wirklich Gedränge gab, oder ob es ein Bildreporter gestellt hat. Und auf diesem Bild sind vor allem auch nicht die mehr als eine Milliarde Menschen, denen es auf der Welt noch viel schlechter geht. Wieviele Menschen in Zentralafrika könnte man mit dem Geld vor Tod und Krankheit retten, dass die Unterbringung eines Flüchtlings in Deutschland kostet? Zehn, oder hundert? Und warum tut man das dann nicht?
Es führt nur in moralische Dilemmata, emotional-manipulative Bilder in einer politischen Debatte für seine Zwecke einzusetzen, und daher ist es unredlich, dass die Redaktion dieses Bild vorbereitet hat, um auf diese billige Weise für Aufregung in der Sendung zu sorgen.
Unredlich ist auch der Versuch, Politiker in die Unmenschen-die-Mauern-Bauen-Ecke zu stellen, die Angela Merkels Politik der offenen Grenzen nicht für richtig halten. Um weiter zu provozieren fragte Plasberg auch, ob man vielleicht Hunde an der Grenze einsetzen sollte, als ob die EU einen Todesstreifen wie die DDR plane.

Diese alberne Polemik, von wegen „Schießbefehl an der EU-Außengrenze“, habe ich jetzt allerdings schon zu oft gehört, darum möchte ich hier Folgendes klarstellen: Die DDR hatte den Todesstreifen, weil sie unbedingt auf den letzten Metern verhindern wollte, dass jemand ihr Land verlässt und sich damit dem Zugriff ihrer Grenztruppen entzieht. Wer hingegen die Grenze der EU in Richtung EU überschreitet, begibt sich damit erst in den Einflussbereich der EU. Es besteht also kein Grund für hektische gewalttätige und sofort wirksame Maßnahmen.
Der „EU-Grenzverletzer“ flieht ja nicht vor der EU, sondern versucht vielmehr, auf dem Gebiet der EU zu bleiben.
Die EU-Grenztruppen haben also alle Zeit der Welt, können den Grenzverletzter ganz in Ruhe kommen lassen, verfolgen, verhaften, und ausweisen. Darum sind sämtliche Versuche, krude Vergleiche zwischen dem Grenzregime einer Diktatur und der Grenzsicherung der EU zu ziehen, um die EU-Grenzsicherung in ein schlechtes Licht zu rücken, sehr daneben.

Bei „Maischberger“ war wieder ähnlich wie „Anne Will“. Das Bemühen, Frauke Petry und den Mann von der SVP durch recherchierte Inhalte (bloß) zu stellen war sicher gut gemeint, wirkte aber bemüht und wird wieder als Beleg dafür herangezogen werden, dass die öffentlich-rechtlichen Medien agieren, als seien sie Schild und Schwert der Regierung, quasi wie in anderen, lupenrein demokratischen Staaten.

Das ist schade, und ich wünsche mir, dass es in Zukunft vielleicht auch mal zur Prime-Time Diskussions-Sendungen geben würde wie den „Presseclub“ von Phoenix, wo Menschen diskutieren, die nicht aktiv in die Politik verstrickt sind und daher freier reden können, und wo keine Redaktion nach der Hälfte irgendwelche Dinge einspielen lässt, um jegliche möglicherweise entstandene Sachdiskussion durch irgendwelche provokanten Inhalte wieder zu zerstören.

Und warum nicht einmal eine Talk-Sendung machen, wo so lange geredet wird, bis niemandem mehr etwas einfällt, quasi wie „Wetten, dass“ oder „Schlag den Raab“? Der öffentlich-rechtliche Rundfunk schwimmt im Geld, aber statt innovative, informative Sendungen zu machen, versucht er schlechtes Privatfernsehen zu imitieren oder die TV-Version des „Focus“ zu sein. Bunt, laut, kurz und sinnlos.

„Der heiße Stuhl“ bei RTL-Plus vor 20 Jahren war besser, informativer und interessanter als der auf Quote getrimmte Müll, den ARD und ZDF heute als moderne Talk-Sendung bezeichnen. „Das Duell“ auf n-tv und der Presseclub auf Phoenix sind meiner Meinung nach die einzigen Sendungen, die man sich ohne geistige Schäden in der Sparte Politik-Fernsehen ansehen kann.
Wirklich schade, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk den Presseclub wohl für zu intellektuell hält, um ihn dem Pöbel zuzumuten.

Und es ist alles zusammen sehr traurig. Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk wirklich Vertrauen und Boden zurückgewinnen und weiterhin behaupten will, als Grundversorgung mit neutraler Berichterstattung unverzichtbar zu sein, dann sollte er die bestehenden Talk-Formate schnellstens kippen und neue einführen, die weniger auf Krawall gebürstet sind und tatsächlich eine sachliche Auseinandersetzung mit politischen Positionen ermöglichen.

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