Genderfeministische GNTM-Kritik oder: Models sind scheiße.

In der Zeit ist vor ein paar Wochen ein Artikel mit dem Titel Frauen sind nur platzsparende Körper über Germany’s Next Topmodel erschienen.

Ich find’s ja super, dass die Kunst des Verrisses gepflegt wird; und dass GNTM nicht große Kultur ist: Geschenkt.
Aber ich frage mich, warum der Artikel ausgerechnet die Stoßrichtung haben muss, der Frauenberuf „Model“ sei irgendwie frauenfeindlich und anti-feministisch. Man ist schon fast auf der Argumentations-Schiene, die von feministischer Seite gegen Prostitution gefahren wird, nämlich, dass die Selbstbestimmung von Frauen da aufhört, wo nach Meinung von Feministinnen irgendeine hypothetische „Ehre“ der Frauen (als Gruppe) verletzt wird, die zu verteidigen zu müssen sich diese Feministinnen berufen fühlen.

Der Artikel führt aus: Germany’s Next Top Model bedient die altvertraute Logik: Frauen brauchen keine Bildung. Frauen brauchen kein Wahlrecht. Frauen sind doch nur Frauen. Körper, die nicht zu viel Platz beanspruchen sollen. Objekte. Fleisch.

Das hört sich erstmal superfeministisch korrekt an. Aber, wie man feststellt, wenn man kurz nachdenkt: Hier wird eine Sichtweise auf Frauen behauptet („altvertraute Logik“), die es so wahrscheinlich nie gegeben hat.

Denn: Eine allgemeine Schulpflicht auch für Mädchen gibt es in weiten Teilen Deutschlands seit ca. 1650. Dass Frauen keine Bildung bekommen sollten hält man also in Deutschland seit gut 350 Jahren für Blödsinn. Die Mär von der gezielten Dumm-Haltung von Frauen durch „das Patriarchat“ in den letzten tausenden von Jahren stimmt also einfach nicht.
Das allgemeine, gleiche Wahlrecht haben Frauen in Deutschland seit 1918. Männer hingegen… seit ca. 1871 ((im Schnitt)). Es gab also vor 97 Jahren eine Periode von ca. 47 Jahren Dauer, wo Männer das Wahlrecht hatten, und Frauen nicht. Was für die heutige Zeit keine Bedeutung mehr hat. Die im Artikel einfach schnell behauptete „altvertraute Logik“ der Frauenbenachteiligung ist weder eine Logik ((bzw. ein Kalkül)), noch basiert sie auf realen historischen Tatsachen. Es ist eine konstruierte Legende, ein Popanz des (Gender-)Feminismus.

Die weiteren Ausführungen, dass Frauen in „altvertrauter Logik“ nur Objekte, Fleisch, Körper seien, sind dann nur weiterer Unsinn, der der imaginären patriarchalen Gegenseite als „deren menschenverachtendes Gedankengut“ untergeschoben werden soll. Kurz: Dieser Absatz instanziiert lediglich die genderfeministische Erzählung von der jahrtausendelangen Frauenunterdrückung, damit sich etwaige gutgläubige LeserInnen mit etwas „rechtschaffener Empörung“ aufladen können.

Sehen wir uns mal ein paar weitere Absätze an:

Heute wird durch die Castingshow Germanys Next Topmodel eine ganze Generation zugrunde gerichtet. Der Traum, der ihnen samt vielen in der Fernsehsendung beworbenen Artikeln verkauft wird, besteht aus einer Welt, in der eine Frau nichts weiter erreichen sollte, als groß, dürr und gefällig zu sein. Sie muss sich in Pose werfen können, auf Knopfdruck „sexy“ sein, immerzu lächeln und währenddessen ihren Mund entspannen. Gern kann diese Traumfrau ein wenig dumm geraten.

Das Einzige, was junge Mädchen von Germany’s Next Topmodel lernen könnten, ist eine monotone, hetero-normative, kapitalistische Erotik nachzuahmen, ohne die Chance zu bekommen, eine eigene zu entwickeln.

Die Körper von Heidis Mädchen, denn es ist immer nur die Rede von Mädchen, niemals von Frauen, werden fetischisiert, vermessen, vorgeführt und verkauft. Sie werden ausschließlich durch den in den Filmwissenschaften breit besprochenen männlichen Blick gezeigt, der die Frauen zu Objekten degradiert und weder von Heidi Klum noch von ihrer Redaktion hinterfragt wird.

Hier wird behauptet, GNTM zeige die Kandidatinnen ausschließlich durch den in den Filmwissenschaften breit besprochenen männlichen Blick, und trainiere den Kandidatinnen eine monotone, hetero-normative, kapitalistische Erotik an.

Das klingt wieder super. Die bösen heterosexuellen Männer! Aber — es gibt in der GNTM-Welt, von Thomas Hajo abgesehen, gar keine heterosexuellen Männer.

Bestimmt ca. 90% der Produkte, die weibliche Models bewerben, richten sich an Frauen. Die Modebranche ist fest in der Hand schwuler Designer (z.B. Joop, Kretschmer — vermeintliche feministische LGBTI-Allies!) und Frauen (z.B. Anna Wintour, Megha Mittal). Es ist kein Mann da, der männliche Blicke aussenden könnte. Klar, es gibt heterosexuelle Fotografen, aber die entgültigen Bilder auswählen tun dann auch meist wieder Frauen. Wer als wird der „männlichen Blicke“ überhaupt angeklagt?

Es sind — Tataa! — die Frauen! Denn anscheinend hat es „das Patriarchat“ geschafft, Frauen so zu konditionieren, dass Frauen es erstrebenswert finden, angeblichen männlichen Idealen gerecht werden zu wollen, die laut Artikel sind: groß, dürr, gefällig sein, auf Knopfdruck lächelnd, gern ein wenig dumm. Und die Frauen kaufen ja auch die ganzen Zeitschriften, in denen Models zu sehen sind, und Produkte, für die Models werben.

Die ganze Mode-Branche ist eine Veranstaltung, die sich fast nur um Frauen dreht.
Männer interessieren sich eher wenig für Designerklamotten, abstrus hohe Pumps oder überteuerte Handtaschen.

Kritisiert werden hier also insgeheim alle Frauen, die sich für Mode und gutes Aussehen interessieren und von Models beworbene Produkte kaufen, alle Frauen, die sich am intrasexuellen Wettbewerb um die höchste Attraktivität beteiligen und mit Kleidung, Makeup und anderen Mitteln versuchen, möglichst gut auszusehen.
Denn wenn eine Frau an diesem Wettbewerb teilnimmt, so anscheinend die These der Autorin, sei sie keine „richtige“ Frau mehr, weil sie den angeblich „männlichen Blick“ auf Frauen übernommen habe.

Entsprechend der genderfeministischen Ideologie, das alle Frauen dumm und unselbständig und nicht selbstbestimmt sein müssen, die nicht nach genderfeministischen Maßstäben handeln und „korrekt“ weiblich denken (also ohne „männlichen Blick“), werden die GNTM-Kandidatinnen im weiteren Verlauf des Artikels weiter runtergeschrieben und der Beruf des Models verächtlich gemacht:

Die Körper von Heidis Mädchen (…) werden fetischisiert, vermessen, vorgeführt und verkauft.

Das klingt wieder toll, aber: Was bitte heißt „fetischisieren“ im Zusammenhang mit einem Model? Das Model hat den Job, Kleidung gut aussehen zu lassen, egal welche. Das kann auch Kleidung sein, die man als „Fetisch-Kleidung“ sehen könnte – so what? Hier kommt wieder die kleinkarierte Spießigkeit des Gender-Feminismus durch, die sich anmaßt, alles, was Frauen tun, was möglicherweise vielleicht auch Männer gut finden könnten, als anti-feministisch und Frauen-unterdrückend zu stigmatisieren und damit Frauen in ihrer Möglichkeit zur Selbstentfaltung zu beschränken. Nach dem Motto: Erst wenn alle Frauen gleich scheiße aussehen, kann die Befreiung vom Patriarchat gelingen. Oder auch: Jede Frau, die sich öffentlich so präsentiert, dass irgendein Mann sie sexuell attraktiv finden könnte, erniedrigt durch diese Tat sich selbst und alle anderen Frauen mit ihr.

Wahrscheinlich wissen die Kandidatinnen bei GNTM im Gegensatz zur Artikelautorin, dass es beim Modeln darum geht, vorzuführen und zu verkaufen, und dass es zum Präsentieren von Mode wichtig ist, dass man tatsächlich hineinpasst — und dabei ist es egal, ob man Size-Zero oder Übergrößen-Model ist, die Maße müssen stimmen! —, um mal auf die Vorwürfe bezüglich vermessen, vorgeführt und verkauft einzugehen, die im Bezug auf Models keine Vorwürfe sein können, weil sich-vermessen-lassen, vorführen und sich-verkaufen einfach Grundbestandteile des Berufs eines Models sind.
Man kann den Beruf blöd und hirnlos finden, aber wer glaubt, es wäre einfach ein Model zu sein, der glaubt wahrscheinlich auch, dass Baletttänzerinnen eigentlich nur etwas rumhüpfen und lächeln.
Ich finde es schade, dass angebliche Feministinnen mit so wenig Respekt über einen Beruf schreiben, der überwiegend von Frauen ausgeübt wird. Wenn man GNTM kritisieren will, dann könnte man doch dabei ansetzen, dass einem das Format mit seinen inszenierten bzw. zusammengeschnittenen „Model-Training-Stunden“, seinen teilweise extra induzierten und sorgfältig mit dutzenden Kameraus aufgenommenen Teenager-Zickereien, seinen „Entscheidungs-Walks“ und „Challenges“ etc. nicht gefällt. ((wobei GNTM harmloser ist als DSDS)); aber statt dessen wird „feministisch“ auf dem Beruf und der Tätigkeit von Models herumgehackt, als wenn das tatsächlich das größte Problem an der Sendung wäre, wenn man mal kurz voraussetzt, dass die doch eher harmlose Sendung überhaupt ein relevantes Problem ist.

Und noch ein letztes Mal zum Artikel und zum „männlichen Blick“:

Sie werden ausschließlich durch den in den Filmwissenschaften breit besprochenen männlichen Blick gezeigt, der die Frauen zu Objekten degradiert und weder von Heidi Klum noch von ihrer Redaktion hinterfragt wird.

Zum angeblichen männlichen Blick hatte ich mich schon ausgelassen. Was nun die Degradierung von Frauen zu Objekten angeht: Das ist nicht der Fall. Ein Model agiert, ist also ein Akteur, ein Subjekt, eine Person, sogar eine Persönlichkeit, die die präsentierten Dinge positiv und begehrenswert erscheinen lassen soll, die den Eindruck erwecken soll, ihre Bekleidung wäre der Grund dafür, dass sie so geheimnisvoll/sexy/tough erscheint; obwohl es natürlich das Model ist, dass durch seine Präsentation die Zuschauer dazu bringen soll, irgendwelche positiven Eigenschaften in die präsentierte Mode zu projezieren.
Auch die Kandidatinnen bei GNTM hat man nicht dazu gezwungen, an der Show teilzunehmen; und anscheinend — jedenfalls legen das zahlreiche „Rücktritte“ in den vergangenen Staffel nahe — kann jede auch jederzeit aussteigen.

Wie und warum Genderfeministinnen meinen, Models im Allgemeinen und die Kandidatinnen bei GNTM im Besonderen als „Objekt“ sehen zu müssen, warum der Genderfeminismus konstruiert, dass Models „nur Kleiderständer“ seien, willenlose Roboter, dumm und wertlos, und damit den Beruf des Models so abwertet und runterzieht, ist mir ein Rätsel.
Aber so paradox ist er halt, der Genderfeminismus. Da werden Frauen und Frauenberufe runtergemacht — im Namen des Feminismus.

Ein Gedanke zu „Genderfeministische GNTM-Kritik oder: Models sind scheiße.

  1. Graublau

    “ Oder auch: Jede Frau, die sich öffentlich so präsentiert, dass irgendein Mann sie sexuell attraktiv finden könnte, erniedrigt durch diese Tat sich selbst und alle anderen Frauen mit ihr. „

    Vergleiche dazu die „Familienehre“, die in zurückgebliebenen Gesellschaften dadurch „beschmutzt“ wird, dass eine Frau ein modernes Leben führt, den falschen Freund hat usw.

    Oder ein Zitat vom Jüngling: „Die Anklage, dass Frauen als Sexobjekte gesehen würden, kommt in der Regel von Frauen, die nicht das geringste Potential zum Sexobjekt mitbringen.“

Kommentare sind geschlossen.