Das alternative Gender-Feminismus 101, Teil 1: Die Grundlagen des Genderfeminismus

Der Feminismus hat Akzeptanz-Probleme. Der Grund dafür ist, dass die aktuell am stärksten wahrnehmbare Strömung des Feminismus, der „Gender-Feminismus“, sich vom klassischen Gleichberechtigungs-Feminismus sehr weit entfernt hat, so dass die meisten Menschen sie nicht mehr verstehen.

In diesem meinen Gender-Feminismus 101 will ich daher verschiedene Aspekte des Gender-Feminismus für „Nicht-Genderfeministen“ versuchen zu erklären. So objektiv ich es eben kann.

Aber erstmal zu einer kurzen Begriffsklärung. „Gender“ ist in den sozialwissenschaften der Begriff für das sogenannte „soziale Geschlecht“, also für ein „geschlechtsspezifisches Verhalten“. Dieses wird getrennt betrachtet vom biologischen Geschlecht (englisch „sex“). Diese getrennte Betrachtung ist durchaus sinnvoll, denn natürlich ist es wissenschaftlich interessant zu erforschen, welche Verhaltensweisen welchem Geschlecht zugeschrieben werden, oder umgekehrt, welches Geschlecht aufgrund von Verhaltensweisen vermutet wird. Und sich natürlich nicht jeder Menschen „typisch“ verhält, nicht jede Frau nur vorwiegend weibliche und jeder Mann nur vorwiegend männlichen Verhaltensweisen zeigt, sondern sich nur Männer und Frauen jeweils im Schnitt signifikant unterschiedlich verhalten, ist es eigentlich eine naheliegende Idee, das „Geschlecht laut Sozialverhalten“ mit einem eigenen Begriff zu bezeichnen.

Bis in die 70er Jahre hinein, würde ich mal behaupten, dominierten die sogenannen DifferenzfeministInnen den Feminismus. Die Differenzfeministinnen gehen von der Unterschiedlichkeit der Geschlechter aus, und fordern auf Basis diese Annahme Gleichberechtigung bzw. gleiche Recht für alle. Sie würden aber wahrscheinlich nicht behaupten, die geringe Zahl von Frauen im Vorstand von Kleintierzüchtervereinen sei ein Beweis für die Diskriminierung von Kleintierzüchterinnen. Denn Differenzfeministinnen könnten sich vorstellen, dass Kleintiere-Züchten aus irgendeinem Grund für Männer attraktiver ist als für Frauen, und würden es nicht für notwendig halten das zu hinterfragen.

Der Gender-Feminismus, im deutschen etwas verwirrenderweise auch „Gleichheits-Feminismus“ genannt, geht nun im Gegensatz zum Differenzfeminismus davon aus, dass das „soziale Geschlecht“, also das ganze geschlechtsspezifisch signifikant unterschiedliche Verhalten, das oft auch als „Rollenverhalten“ bezeichnet wird, nicht vom biologischen Geschlecht bedingt oder impliziert wird, sondern dass es lediglich anerzogen („sozial konditioniert“) wird.

Das ist DIE Grundannahme des Genderfeminismus. Wenn man diese als wahr annimmt, kann man die weiteren Aspekte des Genderfeminismus quasi „logisch folgern“. Und das ist wohl auch der Grund, warum GenderfeministInnen durchaus intelligente, zu logischem Denken fähige Menschen sein können.

Das Problem mit der Grundannahme des Genderfeminismus ist, dass sie nicht stimmt. Und das ist auch der Grund dafür, dass die Folgerungen, die man auf Grundlage dieser Prämisse ziehen kann, Außenstehenden als völlig wirr erscheinen müssen.

Nun ist es natürlich in manchen, seltenen Fällen so, dass Menschen aus verschiedenen Gründen nicht zu neuro- oder phäno-typischen Männern oder Frauen heranwachsen. Solche Gründe können zum Beispiel hormonelle Störungen während der Schwangerschaft sein, genetische Schäden, oder irgendwelche Entwicklungsbeeinträchtigungen. Und natürlich überlappen sich die Verhaltensweisen von Frauen und Männern auch sehr weit, nur im Schnitt gibt es eben signifikante Unterschiede.
Die Gender-FeministInnen leiten nun aus diesen Fällen und Fakten ab, dass es eine biologische Vorfestlegung des Verhaltens, eine neurologische Vorprägung des Gehirns, hormonell induzierte Verhaltensweisen, durch das Geschlecht vorbestimmte Verhaltenspräferenzen etc. generell nicht gebe, oder behaupten zumindest, das zu glauben.

Die offensichtlichen, schon relativ früh wahrnehmbaren Unterschiede bei der Entwicklung der überwiegenden Masse aller Kinder werden mit der bereits erwähnten „sozialen Konditionierung“ erklärt.

Diese Erklärung ist allerdings mehrfach widerlegt. Sogar bei Neugeborenen sind bereits unterschiedliche Interessen belegt. Und wer Kinder hat, dem wird aufgefallen sein, dass Geschlechterunterschiede bereits in einem Alter auftreten, in dem „soziale Konditionierung“ quasi unmöglich ist, weil die dazu notwendigen Mittel (verbale Kommunikation; Fähigkeit, sich selbst im Spiegel zu erkennen etc.) auf Seiten des Kindes nicht zur Verfügung stehen.

Wie auch immer – der Genderfeminismus, der für viele heute als „der“ Feminismus gilt, weil er am radikalsten und am lautesten ist, geht von dieser Grundannahme der Geschlechtergleichheit aus.

Und konstruiert auf dieser Grundlage ein Gedankensystem, ein in sich geschlossenes Weltmodell, dass die Widersprüche zwischen der Realität und dieser Annahme erklären soll.

Zum Beispiel ist es eine Tatsache, dass die Interessen von Frauen und Männern im Durchschnitt unterschiedlich sind, und dass Frauen eher zu sogenannten sozialen Berufen neigen, Männer eher zu technischen Berufen. Das hat nichts mit Diskriminierung zu tun, sondern mit geschlechtsspezifischen Präferenzen, Neigungen, Wünschen und Interessen die dazu führen, dass Frauen und Männer im Durchschnitt ein deutlich anderes Berufswahlverhalten zeigen.

Das aber darf im Genderfeminismus auf keinen Fall wahr sein, weil das Dogma der Geschlechtergleichheit verlangt, dass Frauen und Männer gleiche Präferenzen, Neigungen, Wünsche und Interessen haben müssten.

Als Erklärung für diese Unterschiede konstruiert der Genderfeminismus darum die „soziale Konditionierung“ und Diskriminierung, die sichtbar und unsichtbar Frauen und Männer in ((dann letztlich rein zufällig entstandene)) Geschlechterrollen quasi hineinzwingen soll.

Als „Beweis“ für diese Konditionierung wird dann z.B. herangezogen, dass Jungen und Mädchen unterschiedlich bekleidet werden, unterschiedliche Spielzeuge bekommen etc.; die ebenfalls naheliegende Erklärung, dass Jungen und Mädchen unterschiedliche Dinge tragen wollen, weil ihnen unterschiedliche Dinge gefallen, und die Bekleidungsindustrie dieses Bedürfnis einfach nur bedient, weil es ihren Umsatz steigert, wird kategorisch ausgeschlossen.
Aber der Genderfeminismus braucht sowieso keine Beweise für irgendetwas, denn man versteht sich dort auf die Kunst des Zirkelschlusses: Da (Dogma!) es keine Unterschiede gibt zwischen Männern und Frauen, aber bei Erwachsenen welche vorhanden sind, MUSS es die soziale Konditionierung geben. Unterschiedliche Kleidung und Spielzeuge sind Unterschiede in der Sozialisation. Die soziale Konditionierung ist die einzige Erklärung für die Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Also müssen unterschiedliche Kleidung und Spielzeuge Anteil haben an dieser Konditionierung. Und deshalb liegt es auf der Hand, dass es die soziale Konditionierung gibt. Und so weiter, immer im Kreis.

An dieser Stelle müssen wir eine weitere Annahme einführen, und zwar: Frauen werden benachteiligt.

Dass Männer und Frauen in verschiedenen Bereichen des Lebens ungleich verteilt sind, bedeutet ja erstmal gar nichts, könnte theoretisch auch Zufall sein.
Wenn man jedoch von der Annahme ausgeht, dass es neurobiologische Unterschiede gibt, die bei Frauen und Männern zu im Schnitt deutlich unterschiedlichen Präferenzen, Neigungen, Interessen, Talenten etc. führen, und wenn man davon ausgeht, dass Frauen und Männer gleichberechtigt und selbstbestimmt ihre Persönlichkeiten entfalten und die Berufe ergreifen, die ihnen am besten gefallen, dann sind die Ungleichverteilungen heute (zumindest in den liberalen rechtsstaatlichen demokratischen Gesellschaften) lediglich Folge der real existierenden durchschnittlichen Geschlechter-Präferenzunterschiede. Jedes Individuum verfolgt seine eigenen Interessen, und hinterher kommt eine Verteilung heraus, die entsprechend der geschlechtsspezifischen Präferenzunterschiede die unterschiedlichen getroffenen Wahlen abbildet.

Aber die genderfeministische Annahme Nr. 1 lautet, dass die Geschlechter gleich sind. Und daraus, wird gefolgert, dass die — unter dieser Annahme eigentlich unerklärlichen &mdash, Ungleichverteilungen und Präferenzunterschiede dadurch verursacht sein müssen, dass die Geschlechter dazu konditioniert oder manipuliert, quasi gezwungen werden, eigentlich unnatürlichen Geschlechterrollen gemäß zu handeln.

Aber auch die Annahme, dass die Geschlechter Rollen aufgezwungen bekämen hieße noch nicht, dass hier irgendeine der beiden Gruppen benachteiligt wird, denn es könnten ja auch beide Geschlechter zwar jeweils andere Rollen haben, aber dennoch im Mittel gleich gut gestellt sein. Und wenn ein Geschlecht durch die Rollenzuteilung schlechter gestellt sein sollte, dann müssten das nicht zwingend die Frauen sein. Es wäre auch denkbar, dass die Männer, die kürzer leben, häufiger tödliche Arbeitsunfälle haben, öfter Opfer von Gewaltkriminialität werden und früher auch öfter mal Soldat werden und für das Vaterland sterben durften die Arschkarte gezogen haben und die Frauen die weitaus bessere Rolle bekommen haben.

Aber der Genderfeminismus geht davon aus, dass die Frauen die schlechtere Rolle bekommen haben und daher benachteiligt sind. Ich kann das persönlich nicht nachvollziehen. ((Es scheint fast so, als fänden Genderfeministinnen die Dinge, die Männer im Schnitt machen, im Schnitt irgendwie cooler als die Dinge, die Frauen im Schnitt machen.))

Die beiden Annahmen

1) Vollkommende Gleicheit der Geschlechter (bei Geburt) und
2) Benachteiligung von Frauen (durch die [aufgezwungene] „Frauenrolle“)

sind die Dogmen des Genderfeminismus. Das erste Dogma ist wissenschaftlich widerlegt und auch aus der Anschauung heraus deutlich abwegig, das zweite Dogma steht auch auf tönernen Füßen, denn man kann für jedes Geschlecht ebenso viele angebliche Vor- wie Nachteile finden, und ob ein Aufrechnen irgendwelcher statistischer Daten wie Lebensdauer, Selbstmordrate, Zufriedenheit, Einkommen, Blutdruck und Lieblingsfarbe in Bezug auf eine geschlechtsspezische Bevor- oder Benachteiligung irgendwelche Aufschlüsse erlaubt erscheint mir zweifelhaft.

Da es sich aber um Dogmen handelt, diskutieren Genderfeministinnen grundsätzlich nicht über darüber. Daran kann man sie übrigens gut und schnell erkennen :-)

Denn es ist einem Genderfeministen nicht möglich, diese Dogmen in Zweifel zu ziehen. Wer einmal beschlossen hat, an diese Dogmen zu glauben, der wird immer stärker in das in sich geschlossene Glaubenssystem des Genderfeminismus hineingezogen, der baut auch sein Selbstbild auf die Gültigkeit dieser Dogmen auf, und der ist irgendwann überhaupt nicht mehr in der Lage die Grundlagen seiner Weltsicht in Zweifel zu ziehen.

Im nächsten Teil des alternativen Genderfeminismus 101 werde ich dann versuchen zu erläutern, wie der Genderfeminismus die angebliche Benachteiligung von Frauen und die angebliche, aber nicht nachweisbare Konditionierung von Frauen in ihre angeblich schlechtere Rolle mit der Existenz einer globalen Verschwörung namens „Patriarchat“ erklärt.

3 Gedanken zu „Das alternative Gender-Feminismus 101, Teil 1: Die Grundlagen des Genderfeminismus

  1. Catha

    „Es wäre auch denkbar, dass die Männer, die kürzer leben, häufiger tödliche Arbeitsunfälle haben, öfter Opfer von Gewaltkriminialität werden und früher auch öfter mal Soldat werden und für das Vaterland sterben durften die Arschkarte gezogen haben und die Frauen die weitaus bessere Rolle bekommen haben.“

    Hirschhausen sagte, dass Männer an 1. Stelle durch Unfälle sterben und dann durch Suizide – in der Reihenfolge, glaube ich.
    Und dann kommt natürlich noch das Problem der Gewalt von Männern gegen Männer dazu (warum machen Männer sowas?).

    Lustig ist das mit Sicherheit nicht, wobei man dazu auch sagen muss, dass gerade jüngere Männer risikobereiter sind und ich mich erinnere, dass Frauen sich oft den Mund fusselig reden, damit Mann mal zum Arzt geht.

    Wer sich die Hucke vollsäuft, raucht, ggf. Drogen nimmt und in so einem Zustand dann womöglich noch ein Fahrzeug bewegt… – was erwartet ein Mensch da, wie hoch seine Lebenserwartung dann ist?

    Wenn es Frau scheiße geht, geht sie zu ihrer Freundin quatschen. Wohin geht Mann? Wo kotzt Mann sich aus? Alles mit sich selbst ausmachen kann nach hinten losgehen – also Suizid.

    Und dann erlebe ich leider immer wieder, dass Männer Frauen nicht wirklich Glauben schenken und wenn sich dann herausstellt, dass Frau Recht hatte und Mann nicht, dann sucht Mann eine Ausrede, weil Mann es wohl blöd findet, wenn Frau Recht hatte. Mann kann sich das Leben auch selbst schwer machen.
    Oder liegt das so in der Natur der Männer?

    Männer sind auch sehr wohl in der Lage ein bisschen mehr auf sich selbst zu achten, und lieber einmal mehr als zu wenig zum Arzt zu gehen (Eigenverantwortung).
    Dass Männer eher bereit sind höhere Risiken einzugehen als Frauen – na ja, das liegt vermutlich auch in der Natur der Männer? Das kann man dann sicher niemanden zum Vorwurf machen – außer der Natur selbst vielleicht?

    Manchmal habe ich das Gefühl, dass so manche Gender-Feministen selbst nicht wirklich glauben können was sie da behaupten. Ich sah da mal eine Doku aus Norwegen? darüber, gerade die eine Dame, ihres Zeichens offenbar Gender-Feministin… – nein, sie glaubte es selbst nicht.

    Frauen und Männer sind definitiv nicht gleich.

  2. quellwerk

    Interessanter Artikel. Den erste Punkt: „Dogma der ursprünglichen Gleicheit der Geschlechter, die erst durch Konstruktion geteilt werden“, müsste man eigentlich näher beleuchten. Dieser Glaubenssatz wäre niemals im akademischen Bereich übernommen worden, wenn er nicht theoretisch unterlegt worden wäre. Das Dogma verschwindet nicht, indem man auf biologische Unterschiede hinweist. Es ist so hartnäckig, weil ein zweites Dogma, dasjenige der Konstruktion/Dekonstruktion dahintersteht. Im Zweifelsfall ist der Vorgang der Konstruktion aus feministischer Sicht sehr viel wirkungsmächtiger – der biologische Einfluss, vielleicht vorhanden, aber vernachlässigbar. Der Vorgang der Konstruktion ist theoretisch ausdifferenziert worden und in sich logisch – insofern ist der Kreisgedanke richtig. Hier liegt die Faszination und die Strahlkraft für Feministen, die zwar in jedem Fall für sich die subjektive Autonomie einer Amöbe annehmen, aber die intellektuelle Kapazität einer Qualle bei weitem übersteigen mögen.

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