Archiv für den Monat: Juli 2014

Ein Hoch auf die „progressive“ Plattform

Also, ganz ehrlich: Ich finde die Gründung der progressiven Plattform weiterhin super.

Endlich haben die linksextremen Piraten eine Gruppe, wo sie sich hin „auslagern“ können.
Manche lassen ihre Namen auf der Website der Plattform veröffentlichen, das ist super, denn so bekommen wir liberalen Piraten die Namen für mögliche Partei-Auschluss-Verfahren auf dem Silbertablett serviert.

Oder ist für einen Parteiausschluss mehr notwendig als die Ablehnung des Rechtsstaats und Gegnerschaft zu Grundrechten, die in den ersten 20 Paragraphen des Grundgesetzes kodifiziert sind? Stichwort Ablehnung des Rechts auf Eigentum, das Ziel der „Überwindung der Demokratie“?

Ich hoffe, dass die Plattform bis zum BPT142 ihr bisher lächerliches „Mission Statement“ konkretisiert, so dass das dann ggf. neu gewählte BSG gleich alle Mitglieder der Plattform auf einmal vor die Tür setzen kann, wegen Engagements in einer Organisation, die sich gegen die satzungsgemäßen Ziele der Piratenpartei und gegen die FDGO richtet.

Denn nachdem anscheinend „Bürgen“ notwendig sind, um Mitglied der Plattform zu werden, und quasi jedes Mitglied der Plattform die Aufnahme eines weiteren Mitglieds per „Veto“ blockieren kann, kann man sowieso kaum noch leugnen, wes Geistes Kind die Plattform-„Piraten“ sind.
Wenn Hörensagen, basierend auf Schnüffelei in der Vergangenheit von irgendwem, und ein auf der Interpretation dieses Hörensagens basierendes „Veto“, also quasi Willkür, über die Aufnahme von Neumitgliedern der Plattform entscheidet, dann kann man wohl mit Fug und Recht sagen, dass die „Plattform“ auch in der Praxis alle Werte ablehnt, die Grundlage von rechtsstaatlichem Handeln sind.

Gut an diesem Verfahren ist eigentlich nur, dass der Plattform mit jedem Veto ein neuer, enttäuschter Gegner erwächst, der die Plattform und ihr elitäres Alpha-Linken-Gehabe in Zukunft bekämpfen wird, und dass mit jedem Veto auch Spannungen zwischen den Veto-Gebern und den jeweiligen Bürgen auftreten werden, die durch das Veto düpiert werden, so dass die Plattform in kürzester Zeit innerlich völlig zerrissen sein wird.

Die Botschaft, dass am anarcho-syndikalistischen Wesen der Plattform die Welt genesen soll habe ich natürlich vernommen; aber wenn die Geburt dieser schönen neuen Welt von linksextremen Cliquen, die mit Tratsch, Schnüffelei und Ausgrenzung operieren, bewerkstelligt werden soll, kann ich auf diese neue Dystopie gern verzichten.

Wie man mit lauter lauten, testosteronstrotzenden „Alpha-Männchen“ im Plattform-ZK einen authentischen „FeminisMUSS“ leben will, frage ich mich natürlich auch.

„Feminismus“, der Frauen in den Rücken fällt

Das Blog „DieChefin.net“ hat einen interessanten Beitrag „Frauen werden ins Karriere-Aus gefördert“ veröffentlicht.

Interessant insofern, als dass der letzte Absatz darüber, was sich in Unternehmen ändern müsse, ein prototypisches Beispiel dafür ist, was meiner Meinung nach falsch läuft, zumindest bei der Diskussion um die Frauenförderung oder vielleicht auch bei der Frauenförderung selbst.

Ich zitiere den letzten Absatz, der beschreiben soll, was sich in Unternehmen ändern müsse:

„Gefragt seien ein ganzheitliches Denken und ein Wertewandel in den Unternehmen, den auch die junge Generation immer stärker einfordere. Es fehle eine “Just-Do-it”-Mentalität. Frauen müssten mehr Mut bei Bewerbungen zeigen und Unternehmen mehr Mut bei Stellenbesetzungen. Stattdessen gebe es noch eine zu starke Ausrichtung an Normen, Regeln und formalen Anforderungen. Somit würden es viele Frauen erst gar nicht ins Mittelmanagement schaffen. Doch fehlen sie hier, können sie sich auch nicht als Kandidatinnen fürs Topmanagement ins Spiel bringen. Dann heiße es: Es gibt keine geeigneten Frauen.“

Analysieren wir mal, was das überhaupt heißen soll.
Gefragt seien also ganzheitliches Denken und Wertewandel. Aber was ist überhaupt „ganzheitliches Denken“? Welche Werte sollen welche anderen ersetzen? Das bleibt phrasenhaft-unklar. Und auch wenn man oft über „die Jugend“ schimpft: Dass die „junge Generation“ so doof sein soll, etwas völlig Undefiniertes einzufordern, nehme ich dem Blog „DieChefin.net“ nicht ab. Eher scheint es mir, dass hier rhethorisch Druck aufgebaut werden soll, um Gegner einer Quotierung als „rückständig“ zu stigmatisieren.

Aber weiter, zur „Just-Do-it“-Mentalität. Was soll das sein, wenn nicht ein Euphemismus für „Scheißegal-Mentalität“, ein Plädoyer für einen blind Frauen-bevorzugenden Aktionismus?
Dass Frauen mehr Mut bei Bewerbungen zeigen sollen und Unternehmen mehr Mut bei Stellenbesetzungen ist wieder eine Phrase. ((Ich glaube, diese Allgemeinplätze kann heute eigentlich keine Frau und keine Personalabteilung mehr hören.))

Beides haut aber in die Kerbe, dass Frauen einzustellen quasi Selbstzweck sei. Einfach mal machen, wird schon gut gehen, nicht nachzudenken ist „mutig“.
Doch kann man auf diese Weise ein erfolgreiches Unternehmen führen? Mit einer Personalpolitik, die auf dem Prinzip „Hoffnung“ basiert? Ich glaube es nicht. Frauen sollten ebenso wie Männer aus Überzeugung eingestellt werden, und nicht mit einem Bauchgefühl, das „Mut“ erfordert. Das könnte man z.B. erreichen, indem man genau definiert, welche Anforderungen für einen Job wichtig sind, und welche nicht.

Aber wo wir gerade dabei sind, es geht ja noch weiter:
(Es) gebe (…) noch eine zu starke Ausrichtung an Normen, Regeln und formalen Anforderungen.. Anders gesagt: Es werde bei Einstellungen zuviel Wert auf (unnötige?) Normen, Regeln und formale Anforderungen gelegt. Darum schafften es nicht genug Frauen ins mittlere Management. Darum fehlten dann die Kandidatinnen für das Top-Management. Und dann hieße es, es gebe keine geeigneten Frauen.

Aber: Wenn nicht genug Frauen die formale Qualifikation für das mittlere Management haben bzw. die entsprechende Norm erfüllen, dann gibt es in der Tat keine geeigneten Frauen für das mittlere oder höhere Management.

Das kann man nicht wegdiskutieren. Was man diskutieren kann ist nur, ob diese Normen und formalen Qualifikationen überhaupt Sinn ergeben. Der Text suggeriert, dass die bei Einstellungen verwendeten Normen und verlangten formalen Qualifikationen meist unsinnig seien.

Wenn das aber so ist, dann sollte der Text fordern, die Einstellungsvoraussetzungen so zu ändern, dass sie wieder Sinn ergeben — bei Frauen und Männern — und nicht, bei Frauen auf formale Qualifikation und Erfüllung von Normen zu verzichten.
Denn wenn bei Frauen „mutig“ auf Qualifikationen verzichtet werden soll – „just do it!“ – die bei Männern notwendig bleiben, dann wird nur das Vorurteil gefördert, dass Frauen im Management Quotenfrauen seien.

Gerade in einem Artikel, der den Titel „Frauen werden ins Karriere-Aus gefördert“, hätte ich nicht erwartet, dass der Tenor „Einfach mal Frauen ranlassen“ lautet.
Denn wer scheinbar nur wegen seines Geschlechts befördert wird, der landet natürlich irgendwann im Karriere-Aus. Darum wäre es wichtig, das Unternehmen transparent machen, dass in der Personalpolitik bei Frauen und Männern die gleichen sinnvollen Maßstäbe angelegt werden, und dass Frauen ebenso qualifiziert sein müssen wie Männer, und eben keinen „Tittenbonus“ bekommen.

Ich finde den ganzen Artikel höchst kontraproduktiv für die Gleichberechtigung von Frauen am Arbeitsplatz. Wenn mit Phrasen wie „Wertewandel“, „Just-do-It“Mentalität, „ganzheitlichem Denken“ zumindest scheinbar gefordert wird, die Anforderungen für Management-Positionen für Frauen quasi auszusetzen, dann werden eher Ressentiments gegen Frauen im Management geschürt, als Frauen gestärkt.

Ich hoffe, der Artikel ist einfach nur sprachlich-handwerklich völlig verunglückt, und fordert nicht wirklich, dass bei Frauen Qualifikation zweitrangig sein soll. Denn dann müsste man die Frage stellen, inwiefern eine Personalpolitik, die bei Frauen auf die Überprüfung der fachlichen Qualifikation verzichtet, überhaupt sinnvoll sein kann, und ob diese Variante von „mutiger“ Frauenförderung nicht im Zweifel sogar mehr Frauen schadet als nutzt. Wenn eine Firma aufgrund einer weiblichen Niete in Nadelstreifen vor die Wand fährt, fallen schließlich nicht nur Jobs und Einkommen von Männern weg.

Eine ganzheitliche, verantwortungsvolle Firmenpolitik stelle ich mir jedenfalls so vor, dass der für die Jobsicherheit notwendige betriebswirtschaftliche Erfolg der Firma durch eine sinnvolle Personalpolitik gefördert wird, die die Eignung neuer MitarbeiterInnen für Ihre Position durch sinnvolle, überprüfbare Kriterien sicherstellt, die nötigenfalls auch formalen oder Norm-Charakter haben können.

Vielleicht habe ich natürlich auch nur einen verengten Blick auf die Wirklichkeit. Vielleicht gibt es Firmen, bei der im mittleren Management irgendwelche pseudo-relevanten Qualifikationen gefordert werden, die aus irgendeinem Grund Männer eher haben als Frauen, vielleicht eine langjährige Mitgliedschaft bei der freiwilligen Feuerwehr. Ich kann es mir aber in Zeiten von Fachkräftemangel, globalem Wettbewerb etc. nicht wirklich vorstellen. Von daher hätte ich mir irgendein Beispiel oder zumindest eine Andeutung gewünscht, welche nebulösen Normen, Regeln und formalen Anforderungen das sein sollen, die Frauen in Unternehmen behindern. (Vielleicht mag ja jemand kommentieren?)

Jedenfalls bringen uns Artikel, die — meiner Meinung nach — ein verzerrtes Bild der Realität zeichnen, und dann zweifelhafte Maßnahmen vorschlagen, um diese konstruierte Wirklichkeit in eine weitere, utopische Ideal-Wirklichkeit umzubauen, nicht weiter.

Die Frauen, die sich wirklich entschließen, in die Wirtschaft zu gehen, brauchen meiner Meinung nach keine feministischen ZuschauerInnen, die ihnen vom Streckenrand wenig hilfreiche Tipps zurufen und stellvertretend für sie wenig hilfreiche Forderungen nach Absenkung irgendwelcher Standards stellen, als wenn Frauen so etwas nötig hätten.

Kein Lotse and Bord bei den Piraten oder: Die progressiven Depublizierer

Nur ein kurzer Rant: Das #Listengate rund um einige Piraten, die — nach eigenen Angaben aus Selbstverteidigung — gegen Piraten der sogenannten „peergroup“ ein Archiv mit Tweet-Screenshots gebastelt haben, erregt im Moment die Piraten-Gemüter.

Paradoxerweise erregen sich jetzt die linksextremen Piraten, ebenso wie „Datenschutz“-Piraten darüber, dass einmal öffentlich publizierte Daten sich nunmal nur mehr schwer zurücknehmen lassen. Obwohl es im Usenet und in Foren und bei Mailinglisten seit Ewigkeiten so ist, dass einmal geschriebene Beiträge möglicherweise für die Ewigkeit gespeichert bleiben.

Das eigentlich Schlimme am Listengate aber ist, dass sich hier offenbart, dass die Piraten selbst kein schlüssiges, einheitliches Konzept für eines ihrer angeblichen Kernthemen haben, nämlich das Urheberrecht und das Recht im Internet im allgemeinen.

Was die „Progressiven“ mit ihrem Wettern gegen das Screenshot-Archiv tun ist nicht anderes, als ein Recht für Urheber auf Depublikation zu fordern, wo man sonst vom Recht auf Privatkopie und Remix fabuliert. Je nach Gusto, politischer Richtung oder Tagesform sind Teile der Piraten für oder gegen Kopien (hier: von Tweets), für oder gegen Urheberrecht, für oder gegen Depublikation, für oder gegen Persönlichkeitsrechte, für oder gegen Recht der Öffentlichkeit auf Information oder Recht des Einzelnen auf „Vergessen“ von dessen Fehlern.

Die Position der linkextremen Piraten (Daten von NAZIS ((im Sinne der Linksextremen: Alle, die nicht auch linksextrem sind)) speichern und publizieren, Daten von „Progressiven“ schützen und depublizieren) ist dabei womöglich noch nicht einmal die am wenigsten nachvollziehbare.

Es ist eine bittere Wahrheit: Auch in Bezug auf die Kernthemen herrscht bei den Piraten heilloses Chaos, die Positionen reichen von Aluhut-Datenschutz-Paranoikern bis hin zur datenschutzkritischen Spackeria.

Ich denke, es ist angesichts der „normativen Macht des Faktischen“ nicht möglich, Depublikation als Option für den Umgang mit einmal veröffentlichten Daten zu denken. Das einzige, was möglicherweise denkbar und sinnvoll wäre ist, die Menschen durch entsprechende Gesetze und Regelungen stärker zu unterstützen Dienste pseudonym zu nutzen, damit Menschen sich im Internet einfacher hinter Pseudonymen verstecken können. Ein Recht auf pseudonyme Nutzung von Diensten und Tools für die einfache Erstellung pseudonymer eMail-Adressen wäre hier vielleicht ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn z.B. eMail-Provider die Pseudonymitäts-Funktion des „ePerso“ unterstützen müssten, damit sich jeder Bürger beliebig viele pseudonyme eMail-Accounts erstellen kann, auch wenn das natürlich nicht im Interesse der eMail-Provider liegt, die mit den Daten der Kunden handeln und diese mit Werbung zuschütten wollen.

Aber wie auch immer: Aktuell haben die Piraten hier gar keine erkennbare Position. Das ist peinlich.

Konfliktlinien in der Piratenpartei

Die unvergleichliche Esmeralda schreibt in einem versöhnlichen Beitrag, es gelten die Konfliktlinien in der Piratenpartei zu benennen.

Also gut ich greife mal drei raus und erkläre, warum hier argumentieren nicht helfen wird:

  1. Atomkraft

    Hier gibt es zwei Meinungen. Die eine Seite hält die Atomkraft für technisch nicht beherrschbar, und den möglichen Schaden, den man als Produkt von Schadenshöhe und Schadenswahrscheinlichkeit berechnen kann, als größer als den wahrscheinlichen Nutzen.
    Die andere Seite glaubt, durch technische Verbesserungen könne man die Atomkraft beherrschbar machen und das Problem des Atommülls beseitigen, z.B. mit Reaktoren der vierten Generation, die aus Barium, Thorium etc. wieder Kernbrennstoff erbrüten können.
    Hier gibt es keine Kompromissmöglichkeit; ob man der Technik vertraut oder das Risiko fürchtet ist am Ende eine Bauchentscheidung und Glaubensfrage.

  2. Frauenquote/Gender

    Die Frage, ob man eine Frauenquote braucht, hängt letztlich davon ab, wie man Gerechtigkeit definiert und welche Metrik man nutzt, um „Gerechtigkeit“ zu messen.
    Die Gegner von Frauenquoten argumentieren, Frauen hätten andere Interessen als Männer, und schon allein daraus erklärten sich große Teile der Ungleichverteilungen in bestimmten Berufsgruppen. Außerdem könne man von Ungleichverteilungen nicht auf Ungerechtigkeit schließen, und wenn man eine Art „Gesamt-Geschlechter-Vereilungs-Gerechtigkeit“ betrachten wolle, müsste man nicht nur die Berufsgruppen betrachten, wo viele Männer gut bezahlte Jobs haben (Aufsichtsräte) und wo viele Frauen schlecht bezahlte Jobs haben (Kassiererin), sondern auch die Berufsgruppen wo viele Frauen gut bezahlte Jobs haben (Ärztin, Richterin) und wo viele Männer schlecht bezahlt Jobs haben (Paketzusteller).
    Die Befürworter der Frauenquoten argumentieren, Frauen hätten durchschnittlich schlechter bezahlte Jobs als Männer, und hätten noch immer weniger Zugang zu guten Jobs. Diese (behauptete) Tatsache sei ein Beleg für die Ungleichbehandlung der Geschlechter, denn es gebe keine neurobiologischen oder andere Unterschiede zwischen Männern und Frauen, die sonst als Erklärung für diese Ungleichheit dienen könnten.
    Hier gibt es also zwei unterschiedliche Weltsichten entlang der Grenze von Differenz- und Gleichheitsfeminismus. Wenn Frauen und Männer gleich sind, dann kann man aus der gruppenweisen Ungleichverteilung auf eine Ungleichbehandlung und Ungerechtigkeit schließen, und von einer ungerechten Gesellschaft ausgehen, die Frauen benachteiligt. Wenn aber Frauen und Männer verschieden sind und/oder man an die Eigenverantwortlichkeit von Individuen glaubt, dann sind Ungleichverteilungen möglicherweise Folge geschlechtsspezifischer und/oder individueller Präferenzen und Frauen und Männer mit schlechten Jobs vielleicht einfach individuell selbst verantwortlich für ihre Berufswahl.
    Hier kann es keinen Kompromiss geben, weil die Meinungen auf verschiedenen Prämissen über die Beschaffenheit von Frauen und Männern und/oder über das Wesen von Eigenverantwortlichkeit beruhen. Libertäre werden nie auf die Idee kommen, Frauen wären für ihre Berufswahl nicht verantwortlich. Differenzfeministen werden immer behaupten, Frauen würde von Natur aus lieber soziale Berufe ergreifen oder die Familie über die Karriere stellen. Und Gleichheitsfeministinnen setzen die Gleichheit der Geschlechter einfach voraus, und schließen von dieser Basis aus gesehen logischerweise aus Ungleichverteilungen auf Ungerechtigkiet.

  3. SMV/Online-Wahl

    Die Befürworter von ständiger Mitgliederversammlung oder Online-Wahl sehen viele Vorteile in der Möglichkeit, Online zu wählen. Dieses Mittel, dass ständige basisdemokratische Abstimmungen ermöglicht sehen sie als revolutionäre Innovation, die wirkliche Demokratie („Herrschaft des Volkes“) wieder möglich macht. Dass dabei die Möglichkeit bestünde, Datenbanken über Wahlentscheidungen anzulegen, sehen sie als nicht kritisch, ebenso wenig, dass eine Online-Wahl nie gleichzeitig frei, geheim und gleich sein kann.
    Die Gegner von Online-Wahlen argumentieren, eine ständige Wahl würde zu einer Art Wahlverdrossenheit führen; dass jeder immer sofort allein abstimmen könne, verhindere möglicherweise eine Auseinandersetzung mit Gegenargumenten; und das Problem von Datenschutz bzw. Wahlmanipulation sei so schwerwiegend, dass es nicht hinnehmbar sei.
    Die verschiedenen Positionen basieren auch hier wieder auf verschiedenen Menschenbildern. Das eher positive Bild des Bürgers, der sich infomiert und gern an allen Entscheidungen teilnimmt oder seine Stimme kompetent delegiert herrscht auf Seite der Befürworter vor. Außerdem geht man hier anscheinend von redlichen und neutralen Wahlauswertern aus, so dass Manipulationen oder Indiskretionen, wie von den Gegnern befürchtet, auszuschließen seien.
    Auf Seiten der Gegner das eher negative Bild des Menschen als träges, fehlerhaftes, egoistisches Wesen, dass durch Verfahren und Prozesse dazu gebracht werden muss, sich zu informieren und zu wählen, und gehindert werden muss, zu betrügen oder Daten zu missbrauchen.
    Auch hier kann man durch Diskussionen nichts erreichen: Entweder man vertraut auf das Gute im Menschen und dessen Willen und Fähigkeit zu politischer Mitwirkung, und glaubt an einen Erfolg einer SMV ohne Pannen, Skandale, Missbrauch, oder man ist eher skeptisch bezüglich der Eigenschaften von Menschen und will daher lieber ein System, dass Missbrauch ausschließt und durch das Verfahren eine Auseinandersetzung mit dem Thema vor der Abstimmung erzwingt. Hier sind wieder unterschiedliche Welt- bzw. Menschenbilder und Prämissen Grundlage der Konflikte, die man durch Diskussion nicht ändern kann.

Glaskugel: Entwicklung der Progressiven Plattform

Konstruktive Vorschläge für die Verbesserung der Strukturen der Piratenpartei habe ich in diesem Blog schon gemacht. Darum möchte ich niemanden mit den immer gleichen Ideen langweilen und nehme ich mir heute heraus, einen bösen Blick in die Glaskugel zu werfen und die Entwicklung der Progressiven Plattform in den Jahren 2014 bis 2016 zu beschreiben.
Denn ich glaube, die Geschichte der K-Gruppen könnte sich bei der progressiven Plattform durchaus wiederholen, so vielfältig wie auch dort die Vorstellungen zu sein scheinen.

Auf jeden Fall möchte ich noch eine Trigger-Warnung aussprechen und jed_ixs abraten, dieses Posting zu lesen.


Juli 2014: Die Progressive Plattform (PP) wird gegründet. Parallel dazu gründet sich die „Antifaschistische Plattform“, weil die „Progressive Plattform“ ein „Club labernder, konfliktscheuer Weicheier“ sei und nicht aktivistisch und militant genug.

August 2014: Die Progressive Plattform spaltet sich; die „Feministische Progressive Plattform“ (FPP) wird gegründet. Das 100% weiblich besetzte ZK der FPP wirft dem quotierten Vorstand der PP vor, den Kampf gegen das Patriarchat nicht eifrig genug zu führen und mit der 50%-Quote einen Safe Space für verkappte Machos zu bieten.

September 2014: Die Progressive Plattform zerfällt in die „Anarcholibertäre Plattform“ (ALP), die alle Staaten abschaffen will, und die „Solidarische Internationale Plattform“ (SIP), die alle Staaten zu einem Staat zusammenfassen will. Während die SIP der ALP vorwirft, die Welt in ein Paradies der Neocons verwandeln zu wollen, bezichtig die ALP die SIP, eine weltweite sozialistische Diktatur anzustreben.

Oktober 2014: Die Feministische Progressive Plattform spaltet sich in die „Radikale Feministische Plattform“ (RFP), in der nur Menschen erwünscht sind, die sich nicht als Mann definieren, und die „Töchter Gaias“ (TG), bei der Diskussionen mit Sachargumenten verboten sind, weil Sachargumente ein Menschen von der Stimme ihres Herzens abkoppelndes Unterdrückungs-Instrument des Patriarchats sind. Die „Universelle Feministische Plattform“ (UFP) spaltet sich ebenfalls ab und beginnt einen monatelangen Richtungsstreit, was „Universell“ überhaupt bedeutet.

Januar 2015: Auf dem vor dem BPT15.1 stattfindenden „Progressiven Kongress“ (ProKon!) kommt es zu einem Eklat auf dem Podium, als der Dachverband der vereinten feministischen Plattformen (DvFP) der antifaschistischen und der anarcholibertären Plattform vorwerfen, dass diese die Aufnahme von Asylsuchenden und Flüchtlingen nicht davon abhängig machen wollen, dass die Aufzunehmenden einen Test bestehen, der sicherstellen soll, dass die Aufgenommenen nicht aus einer „Rape Culture“ kommen und eine Gefahr für Frauen darstellen. Die „Töchter Gaias“ plädieren daraufhin für eine Aufnahme nur von Frauen, die „Radikale Feministische Plattform“ unterstützt dies oder die Kastration „potenzieller Gefährder“. Das ZK der „Antifaschistischen Plattform“ ruft daraufhin dazu auf, die Mitglieder_ixs dieser rassistischen Nazi-Gruppen „ins Meer zu treiben, damit die mal sehen, wie das ist“.

März 2015: Die verbliebenen Mitglieder der „Solidarischen Internationalen Plattform“ benennen sich in „Liberale Progressive Internationale Plattform für Solidarität“ (LiProVIPS) um, um sich von den anderen Plattformen abzugrenzen.

Mai 2015: Die „Anarcholibertäre Plattform“ veröffentlicht einen Flyer, warum bewaffnete Bürger, Feuerwerk in Fußballstadien und Atomkraft die Welt sicherer machen, und warum die gesetzliche Krankenversicherung abgeschafft gehört.

Juli 2016: Auf dem BPT 16.1 wird die Mitgliedschaft in jeder der oben genannten Plattform für unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der Piratenpartei erklärt, und 1.500 Mitgliedern der Plattformen wird die Mitgliedschaft abgesprochen.
August 2016: Die „Plattformen“ gründen eine neue Partei, können sich aber auf keinen Namen einigen.

2017: Die Piratenpartei erhält bei den Bundestagswahlen 7%. Die Plattform-Partei wird wegen eines Finanzskandals, bei dem führende Piraten aus einem Stadtstaat Gelder veruntreut haben sollen, nicht zur Wahl zugelassen. Darüber kommt es zum Zerwürfnis. Vertreter der antifaschistischen Plattform fordern uneingeschränkte Solidarität mit dem verurteilten Schatzmeister. Kurz darauf zerfällt die Plattform-Partei wieder in Splittergruppen.

Mumble der „Progressiven Plattform“

Bemerkenswert fand ich am Mumble, dass man einen Bürgen brauchte, um Reden zu dürfen.

Und, dass Ex-BuVo @InsideX sagte, die Piratenpartei brauche mehr „Sanktionsfähigkeit“. Auf Deutsch: Mehr Diszplin und mehr Kontrolle durch mehr Hierarchie.

Ich finde es schön, dass das sogar bei der sogenannten „Progressiven Plattform“ mal jemand sagt.

Jetzt sind sie ja fast schon so weit wie ich im Januar. Wenn das nicht progressiv ist.

Weiterhin keine Chance für die Piraten-Einheits-Partei

Heute morgen habe ich diesen Beitrag beim Blog auf mannheimer-salon.de gelesen.

Und darum glaube ich weiter, dass es nichts wird mit der Piraten-Einheits-Partei, ganz einfach, weil offensichtlich zwischen den verschiedenen Lagern unüberbrückbare Differenzen bei der Wahrnehmung der Realität und bezüglich der Werte bestehen.

(tl;dr; unten)

Z.B. wertet der Blogger „rechts“, „Netz-ÖDP“ und „Konservative“ als nicht-beleidigend, sondern als legitime politische Abgrenzung, aber “Linksextrem”, “Linksaußen” oder “Antideutsch” als diffamierend. Das verstehe ich nicht, und werde es womöglich auch nie verstehen, weil ich nicht wüsste, wie man extrem linke Linke sonst nennen sollte; hier muss irgendeine unterschiedliche Prägung vorliegen die mich und den Schreiber gedanklich inkompatibel macht.

Das aber nur am Rande; auch thematisch haben ich und der Blogger keine Übereinstimmung. Er möchte gern

  1. SMV — mit offenen Abstimmungen und ohne Diskussion um “Gesinnungsdatenbank”
  2. Antifaschismus — bei dem klare Kante wichtiger ist als Streit um unglücklich gewählte gewaltfreie Protestformen
  3. Feminismus — Für eine gerechte Chancenverteilung die die derzeitige Verteilung von Privilegien anerkennt

Hier kommen wir auch nicht zusammen, denn ich finde die Möglichkeit zu freien, gleichen und geheimen Wahlen wichtig, und möchte keine Gesinnungsdatenbank, mit deren Hilfe dann aus meiner Sicht völlig verwirrte linksextreme Freunde der „klaren Kante“ — die ihnen wichtiger ist als das Gewaltmonopol des Staates — Menschen als „Nazis“ identifizieren und im Zweifel von Teleskopschlagstöcke-schwingenden Terrorkommandos kaputtprügeln lassen können.
In Bezug auf Punkt 1 und 2 kommen wir also eher nicht auf einen gemeinsamen Nenner und ja, ich habe Angst vor Einschüchterungsversuchen von Menschen mit einer utiliaristischen Grundeinstellung zu Gewaltanwendung, und ja, ich möchte keinen always-on-Partei-Wahlcomputer, und ja, ich glaube, dieser würde eine Gesinnungsdatenbank aufbauen, nach der sich zumindest jeder Soziologe die Finger lecken würde.

Und auch in Bezug auf Punkt drei wird es keine Einigung geben.
Dazu ein Gedankenexperiment: 1000 geklonte Neutren (um die Kategorien Mann/Frau zu vermeiden) werden zufällig in die Gruppen „rot“ und „blau“ eingeteilt. Dann dürfen sich alle frei einen von 4 möglichen Jobs aussuchen. Wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass in allen Gruppen eine Quote von 50% blauen und 50% roten Neutren erreicht wird?
Ich kann es nicht ausrechnen, zumal die Präferenzen der Neutren nicht definiert sind, aber die Wahrscheinlichkeit ist durchaus eher gering. ((Mathematiker bitte melden, falls jemand Ahnung hat))

Das heißt also, wenn Frauen und Männer wirklich gleich wären, wie Gleichheitsfeministen behaupten, gleiche Präferenzen hätten und nur zufällig die Label „Frau“ und „Mann“ zugeteilt bekämen, dann würde trotzdem selten bis nie eine 50%-Quote erreicht werden, weil es dann einfach Zufall wäre, wie die Verteilungen
nachher aussehen, die von den zufälligen individuellen Präferenzen und dem zufälligen Geschlecht abhingen.

Meiner Meinung nach müsste sich bei noch mehr Job-Gruppen, die dann auch noch unterschiedlich groß sein könnten, eine Gauß’sche Normalverteilung von Gruppen über die Verhältnisse von 0:100 über 50:50 bis 100:0 ergeben. Natürlich wären viele Gruppen annähernd gleich besetzt, vor allem die Großen, es gäbe aber auch natürlicherweise einige Gruppen mit 60/40 und ganz wenige mit 90/10-Verteilung.

Das bedeutet, die Annahme, dass man aus einer Verteilung von Frauen und Männern Ungerechtigkeit herauslesen könne, ist eher zweifelhaft, und wird völlig absurd, wenn man annimmt, dass die Präferenzen von Frauen und Männern eben nicht gleich sind, und sich Abweichungen in der Verteilung auch dadurch ergeben können, ohne dass irgendwer benachteiligt oder behindert wird.

Und wenn jetzt jemand kommt mit einer speziell ausgesuchten Statistik, die nur eine einzige Verteilung enthält, in der Frauen – vielleicht ja zufällig, oder aufgrund von spezifisch weiblichen Präferenzen – doof dran sind, dann kann ich das einfach nicht ernst nehmen. Wenn man Geschlechtergerechtigkeit bewerten will darf man sich nicht willkürlich Teilaspekte raussuchen ((Cherry-Picking FTW!)), wie z.B. wie wenige Frauen Vorstands-Chefin sind und wie viele Kassiererin oder Friseurin, man muss auch mitbewerten, wieviele Männer Taxifahrer und Paketboten sind und wie doch auch bei Männern eher wenige Vorstand-Chef, und wieviele Frauen Juristin und Lehrerin sind, wenn man tatsächlich bewerten will, welches Geschlecht besser dran ist, und warum.

Auch hier haben also der Blogger und ich ganz unterschiedliche Ansichten, die womöglich aus ganz unterschiedlichen Herangehensweisen und einer ganz unterschiedlichen Sozialisation heraus entstanden sind.
Als Kind mit einer Elterngeneration, in der alle Frauen studiert haben und Architektin, Ärztin, Lehrerin etc. geworden sind ist die Idee, Frauen würden daran gehindert irgendwelche Dinge zu erreichen für mich ganz weit weg mit Tendenz zu völlig idiotisch, jedenfalls gehören die Frauen, die ich kenne, ziemlich durchgehend nicht zu denjenigen die sich vom Patriarchat die Butter vom Brot nehmen lassen.

Aber wie auch immer: Ich und der gute Mann können nie irgendeine gemeinsame politische Position finden. Wir gehören eher nicht in die gleiche Partei. Darum wird entschieden werden müssen, welche Partei die Piratenpartei sein will. Ein bestimmter Grundkonsens muss herrschen, und dahin kommen wir nur mit einer Positionsklärung, die unweigerlich ausgrenzende Wirkung haben wird auf alle, die mit der jeweiligen Positionen nicht leben können.

Und darum plädiere ich dafür, diese Positionsbestimmung für die dauerhaft schwelenden Streitpunkte bald vorzunehmen, auch wenn es weh tun wird, wem auch immer.

tl;dr;

Ich würde gerne wissen, ob wir wirklich „yet another Genderpartei“ werden, oder „Post-Gender“ bleiben.
Ob wir ein 24/7 laufendes innerparteiliches Gesinnungs-Datamining betreiben, das wir dann „SMV“ nennen und als tollen Fortschritt „framen“, oder für Freiheit statt Angst und für Atempausen auch im politischen Entscheidungsprozess.
Ob wir für Demokratie und Gewaltfreiheit stehen, oder für Anarchie und eine Der-Zweck-heiligt-die-Mittel-Logik.

Ob wir für oder gegen Atomkraft sind. Ob wir für oder gegen privaten Waffenbesitz sind. Oder anders: Ob wir soziale Liberale sind, die an die Begrenztheit der menschlichen Fähigkeit zur Übernahme von Verantwortung glauben, oder ob wir Libertäre sind, die das nicht tun.

Wir könnten natürlich auch wieder eine Kernthemen-Partei werden, aber da auch die früheren Kernthemen mittlerweise kontrovers zu sein scheinen glaube ich, der Zug dorthin zurück ist längst abgefahren.

Per Mertesacker entlarvt den Sportnationalismus

Ich habe gestern das erste Interview mit Per Mertesacker nach dem Viertelfinaleinzug bei der Fußball-WM gesehen.

Und irgendwie glaube ich, dass ich jetzt verstehe, warum manche Menschen Deutschland in WM-Zeiten für besonders unerträglich halten ((Die Antideutschen und Linksextremen, z.B.)). Denn ich habe mich auch gefragt was eigentlich die Fragen sollen, warum sich die DFB-Herren-Auswahl gegen Algerien so schwer getan hat.

Man darf nicht vergessen, dass Algerien anscheinend im Moment zu den 16 besten Fußballmannschaften der Welt gehört.

Warum also die blöden Fragen, warum Deutschland Algerien nicht einfach niedergemäht, überrannt oder wie ein gutgläubiges Kleinkind ausgetrickst und mit Ganz-Viel-zu-Null gewonnen hat?

Was für eine überhebliche Erwartungshaltung kommt in solchen Fragen zum Ausdruck, warum bitte die deutsche Mannschaft und die deutsche Taktik der anderen Mannschaft und deren Taktik nicht haushoch überlegen gewesen sind?

Da kann man schon den Eindruck bekommen, dass im Kopf von Sportreportern die Vorstellung von einem „deutschen Übermenschenteam“ existiert, dass die Teams irgendwelcher „geringeren“ Nationen, also quasi alle, jederzeit mühelos besiegen können müsste.
Wenn sich dann sogar noch ein Spieler live vor der Nation rechtfertigen soll, warum sein Team diesem anscheinend selbstverständlichen Anspruch deutscher Überlegenheit heute nicht wie gewünscht genügt hat, ist das doch etwas bedenklich und absurd. Wenn man darüber nachdenkt, drücken solche Fragen durchaus etwas aus, was man „Sportnationalismus“ nennen könnte. Und der ist womöglich gar nicht mal so gut.