Bombergate reframed!

Eine Piratin ((ich nenne hier absichtlich den Namen nicht, um einer künftigen bürgerlichen Existenz der Frau nicht im Wege zu stehen, sollte es diese Seite im Suchmaschinen-Index nach oben spülen)) hat eingestanden, oberkörperfrei mit der Aufschrift „Thank you Bomber Harris“ am Jahrestag der Bombardierung von Dresden posiert zu haben.

Die Aktion selbst fanden inner- und außerhalb der Piratenpartei viele Menschen geschmacklos bis menschenverachtend. Denn der Luftangriff auf Dresden gilt als ein Angriff mit — nicht nur im Verhältnis zur militärischen Bedeutung der Stadt — unnötig vielen zivilen Opfern, bei dem zudem besonders schrecklich wirkende Brandbomben eingesetzt wurden.

Jetzt sind interessante Beiträge zur Erklärung dieser Aktion erschienen:

Im Magazin Carta erläutert Daniel Schwerd, man müsse diese Aktion im Kontext antifaschistischer Bemühungen zur Abwehr von Versuchen von Neonazis sehen, Geschichtsklitterung und Revisionismus zu betreiben. Und auch Fabio Reinhard schreibt in einem Blog-Post, es sei bei dieser Aktion darum gegangen ein faschistisches Re-Framing des Dresdner Bombenangriffs zu verhindern.

Wenn man diese ganzen Beiträge liest kann man fast den Eindruck bekommen, dass die Bombergate-Piratin unverschuldet nach einer zumindest sehr gut gemeinten antifaschistischen Aktion ins Kreuzfeuer der bösen Medien und natürlich der Faschisten geraten sei.

Ich denke, hier muss man ein paar Dinge gerade ziehen:

Es ist richtig, dass Nazis schon seit längerer Zeit versuchen die Luftangriffe auf Dresden zum „Bomben-Holocaust“ umzudeuten und damit gleichzeitig erstens den Holocaust zu verharmlosen und zweitens den Bombenangriff auf Dresden als schlimmstmögliches Kriegsverbrechen zu überhöhen.
Gegen diese Umdeutung des Bombenangriffs etwas zu unternehmen ist natürlich absolut legitim.

Aber die Bombergate-Piratin hat hier völlig untaugliche Mittel angewandt. Denn man verhindert das rechte Re-Framing — dem die Taktik zugrunde liegt, immer nur ein wenig rechts neben der Wahrheit zu sein, so dass Menschen diese neue Version der Geschichte leicht annehmen können — natürlich nicht, indem man einen Bombenangriff, der mittlerweile als Kriegsverbrechen gesehen wird, als eine Art Segen darstellt, für den man dankbar sein müsse.
Ganz im Gegenteil: Man erscheint als pietätlos, Opfer verhöhnend und sinnlos provozierend, wie die Reaktionen der Öffentlichkeit gezeigt haben.
Denn die Sicht auf Krieg und Gewalt hat sich glücklicherweise in Deutschland in den letzten 100 Jahren gewandelt, und Angriffe auf die Zivilbevölkerung gelten mittlerweile als grausam, unnötig und kriminell. Und das ist durchaus gut, weil das eine humanistische, pazifistische und nicht-militaristische Sicht ist. Und dass sich diese Sicht verbreitet, ist bestimmt nicht im Sinne der Rechtsextremen, die doch sonst („Todesstrafe für Kinderschänder!“) bei ihren Framing-Versuchen stets versuchen, eine bejahende Einstellung zu Gewalt, Ausgrenzung etc. zu vermitteln.
Und darum war es kontraproduktiv mit dem Spruch „Thank you Bomber Harris“ dieses richtige, empathische Empfinden der Menschen ebenso anzugreifen wie die Neonazis, die damit getroffen werden sollten. Stattdessen hätte man gezielt gegen die Holocaust-Relativierung oder den Versuch der Erweckung nationalitischer bzw. anti-britischer Ressentiments vorzugehen versuchen sollen.

Dass es den Leuten hinter dieser Aktion anscheinend schwer fällt wirklich zu verstehen warum ihre Aktion scheitern konnte zeigt leider nur, dass sie sich in ihrer Filterbubble schon so weit von der Weltsicht durchschnittlicher Menschen entfernt haben, dass es Ihnen nicht mehr möglich war den Effekt dieser Aktion richtig einzuschätzen.
Und das bedeutet wiederum, dass die Bombergate-Piratin keine geeignete Person ist, um irgendwen im Europaparlament zu vertreten.

Denn wer in Europa Verantwortung übernehmen will, der sollte für das eigene Handeln Verantwortung übernehmen, und das tut sie nicht.

Die Argumentation dazu (aus ihrem Umfeld) lautet, zusammengefasst, ungefähr so: Hätte die Presse sie nicht auf unverantwortliche Weise enttarnt, wäre gar nichts passiert. Und da sie nun nur wegen dieser Enttarnung Angriffen ausgesetzt sei, könne sie nicht zurücktreten, weil sonst die Angreifer triumphieren würden, was nicht passieren dürfe, da unter diesen Nazis seien, und Nazis nicht gewinnen dürften.

Diese Argumentation ist … interessant. Allerdings kann man dem Berliner Kurier bestimmt nicht vorwerfen, dass es einem Journalisten gelungen ist die Bombergate-Piratin zu identifizieren, und dass man aufgrund ihrer Rolle als Europaparlaments-Kandidation darüber berichtet hat.
Auch die nicht unbedingt als rechtes Kampfblatt bekannte „taz“ hat sich entschieden, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hier schwerer wiegt als das Interesse der Piratin von den Auswirkungen der von ihr selbst gesuchten Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit verschont zu bleiben. Darum erscheint die daraufhin verbreitete Theorie gewagt, der Berliner Kurier sei eine Nazi-Postille die durch diese „Enttarnung“ anti-antifaschistische Tendenzen gezeigt habe.

Wie es jemand anderes so schön formuliert hat: Wir stellen uns schützend vor die Bombergate-Piratin, so wie jeder Bürger es verdient dass die Zivilgesellschaft und der Rechtsstaat sich schützend vor ihn stellen, wenn er für die Ausübung seine Meinungsfreiheit auf kriminelle Art und Weise angegangen und bedroht wird. Sogar dann, wenn er diesen Rechtsstaat und die Meinungsfreiheit insgeheim verachtet.
Aber wir stehen in Bezug auf diese Aktion nicht hinter ihr, und wir können auch nicht zulassen dass sie sich selbst aus jeglicher Verantwortung für ihr eigenes Handeln und dessen Folgen herauswinden will, indem sie die Geschehnisse so umdeutet, dass aus der erfahrenen Antifaschistin und geplant besonders provokant und öffentlichkeitswirksam auftretenden Verursacherin eines parteischädigenden Skandals ein Opfer von rechten Medien und Nazis wird.

Denn sie ist eine erwachsene Frau und erfahrene Antifaschistin der man durchaus zumuten kann, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.
Wir sollten hier nicht auf diese Ausreden, diesen Exploit hereinfallen der das Geschlechterstereotyp auszunutzen versucht, dass Frauen für „weniger zu Verantwortung befähigt“ gehalten werden. Würden man einem Mann so eine Aktion ebenso leicht verzeihen wie manche nun der Bombergate-Piratin alles verzeihen wollen? Ich denke nicht.


Update 1: Die Bombergate-Piratin hat sich mittlerweile entschuldigt bzw. eher gerechtfertigt. Leider ohne Konsequenzen zu ziehen und zurückzutreten, und leider, so meinen manche, mit einem Statement voller Lügen:
Die Nackte, der Knipser und die Lügen
Legendenbildung über den 12. und 13. Februar 2014

8 Gedanken zu „Bombergate reframed!

  1. ccj

    Helm & Co haben eigentlich gar keinen Rückzieher gemacht, stattdessen versuchen sie es offenbar jetzt mit massiver Einschüchterung und Diffamierung:

    http://deutschevolksseele.tumblr.com

    Da sind so ziemlich alle kritischen Beiträge gegen Helms Aktion, außer Pöbeleien und Drohungen auch sehr viele sachliche Beiträge, aufgeführt. Die Namen der Verfasser sind in Hashtags, ebenso sind die Beiträge mit Hashtags für verschiedene Feindkategorien gekennzeichnet. U.a. sind alle Beiträge, die eine Rechtmäßigkeit der Bombardierung bestreiten, als „#geschichtsrevisionismus“ getaggt.

    Offensichtlich soll hier Einschüchterung betrieben werden, dass jegliche Kritiker als Feinde erfasst, beobachtet und ggf. Ziel von Attacken werden. Und wer nur etwas von Antifa kennt, weiß, dass solche Feinddateien schon längst existieren. Wie gesagt, hier nur deshalb, weil Leute die Rechtmäßigkeit der Bombardierung nicht anerkennen.

    Ebenso gibt es Behauptungen, dass auf dieser Seite Zitate gefälscht oder bei missliebigen Kommentatoren diskreditierende Zusätze hinzu gefügt wurden:

    http://kettensaege771.wordpress.com/2014/02/25/kampfmittel/

  2. Peter

    Die „Danke Bomber Harris“ sollte also Nazis provozieren. Das ist in der Tat gelungen. Es ist wohl jedem hier bekannt, dass Neonazis das Bombardement von Dresden ideologisch verwursten, um ihrem Geschichtsrevisionismus medial zu transportieren.
    Die Antifa und Antideutschen scheinen mir ein echtes Identitätsproblem zu haben. Vor allem die Antifa braucht die Neonazis, definieren sie sich doch schon mit ihrer Namensgebung als die „Nichtnazis“. Das Ganze wirkt auf mich reichlich pubertär. Die pubertäre unreife Suche nach der eigenen Identität. Die Neonazis sind in diesem Spiel bloss das Objekt, an dem die pubertäre Auflehnung ausgelebt werden kann.

    Was die bornierte Intoleranz und den autoritären Stil der Neonazis und der Antifa anbelangt: In dieser Hinsicht sind sie sich ziemlich ähnlich. Sie schreien bloss andere Parolen. Vielleicht ist es ja gerade diese Ähnlichkeit, die nach permanenter Abgrenzung verlangt, eine Abgrenzung und Distanzierung, die sich schon in der Namensgebung manifestiert. Gut so, denn sonst könnte ich sie am Ende nicht mehr unterscheiden.

  3. Pingback: Was, wenn sich ein Mann das #bombergate geleistet hätte? | FreieWelt.net

  4. KSchlonz

    Ich persönlich danke Anne Helm für ihre Aktion. Zum einen hab ich selten so gelacht; zum andern weiss ich jetzt, was Antideutsche sind, dass Anne Helm eine ist, dass die Antideutschen die Piratenpartei übernommen haben, und dass Jungle World ihr Hauptorgan ist. Und dass Jungle World existiert.

    Und ausserdem hab ich jetzt schon ein paar Jahre auf die finale Linksradikalisierung der Piratenpartei gewartet, die jetzt passiert ist. Und ich mag es, wenn meine Vermutungen über die Zukunft eintreten.

  5. Stefan Staudenmaier

    Ich sage es klar und deutlich es gibt keinen Unterschied zwischen dem Mord an Unschuldigen und dem Mord an Unschuldigen (auch wenn man hier eine gut gemeinte Absicht einzubringen versucht).

    Militärisch war der Bombenkrieg und die Zerstörung der Städte ein Fehlschlag da er den Ausgang
    des Krieges um keinen Tag verkürzt hat – moralisch im Angesicht aller menschlichen Werte eine
    Bankrotterklärung.

    Gerade Dresden war eines der nutzlosesten Ziele einer Waffe die zu diesem Zeitpunkt
    des absehbar gewonnenen Krieges zunehmend nutzlos wieder zu Bewußtsein gebracht
    werden mußte.

    Allierte Kriegsverbrechen zu leugnen nur weil neofaschistische Gruppierungen damit
    eine Relavitivierung deutscher Verbrechen gegen die Menschlichkeit versuchen könnten
    scheint mir irgendwie zu kurz gedacht.
    Hier entscheidet dann die Staatszugehörigkeit des Opfers über die schwere der Tat ?
    Ist nur ein toter Indianer ein guter Indianer und kann bei Bedarf gegen Nazi, Vietcong
    oder Taliban ersetzt werden ?

    Werden auf Frauen mit nackten Brüsten irgendwann Männer mit entblösten Penisen folgen ?
    Warum nicht der Geschmacklosigkeit sind selten Grenzen gesetzt und ehemalige Diktatoren
    und Mordbuben gibt es immer noch zu Haufe oder ?

  6. Jockel

    Großartige Analyse , ihre weiteren Artikel auch. Haben sie mal eine führende Rolle bei den Piraten gespielt? Der BuVo bei mumble war die beste Comedy die ich seit längerem gehört habe. Frollein Helm gebührt ein Preis , ein dereinst so ambitioniert gestartetes Projekt mit einem Streich zerstört zu haben, davon erholt sich die Partei nicht mehr. Im übrigen hat sie damit für die Sache der NPD mehr getan, als diese jemals vermochten. Ich denke nur, sie wird es nicht begreifen. Die Frage ist nur: was nun, was tun?

  7. Juergen Schwaecke

    Die Frauen hatten ihre Gesichter vermummt. Femen wollen nicht nur demonstrieren, sie wollen auch provozieren. Trotzdem vermummen sie gewöhnlich ihre Gesichter nicht. Der Grund das diese Frauen sich vermummt haben ist offensichtlich, sie wussten das sie ein Sturm der Empörung auslösen würden, mehr als eine gewöhnliche Femen Aktion. Nun haben sie alles erreicht was sie erreichen wollten und die nationale Empörung ist da und Anne Helm kann damit nicht richtig umgehen. Dann beschimpft sie ihre Kritiker als Nazis, dann redet sie ihren Auftritt klein, bloß nicht dazu stehen. Das beste für sie wäre wenn sie sich einfach für ihren Auftritt entschuldigen würde. Sie traut sich nicht dazu zu stehen, was bleibt ihr eigentlich sonst noch übrig?

  8. Pingback: Menzin

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