„Feminismus“, der Frauen in den Rücken fällt

Das Blog „DieChefin.net“ hat einen interessanten Beitrag „Frauen werden ins Karriere-Aus gefördert“ veröffentlicht.

Interessant insofern, als dass der letzte Absatz darüber, was sich in Unternehmen ändern müsse, ein prototypisches Beispiel dafür ist, was meiner Meinung nach falsch läuft, zumindest bei der Diskussion um die Frauenförderung oder vielleicht auch bei der Frauenförderung selbst.

Ich zitiere den letzten Absatz, der beschreiben soll, was sich in Unternehmen ändern müsse:

„Gefragt seien ein ganzheitliches Denken und ein Wertewandel in den Unternehmen, den auch die junge Generation immer stärker einfordere. Es fehle eine “Just-Do-it”-Mentalität. Frauen müssten mehr Mut bei Bewerbungen zeigen und Unternehmen mehr Mut bei Stellenbesetzungen. Stattdessen gebe es noch eine zu starke Ausrichtung an Normen, Regeln und formalen Anforderungen. Somit würden es viele Frauen erst gar nicht ins Mittelmanagement schaffen. Doch fehlen sie hier, können sie sich auch nicht als Kandidatinnen fürs Topmanagement ins Spiel bringen. Dann heiße es: Es gibt keine geeigneten Frauen.“

Analysieren wir mal, was das überhaupt heißen soll.
Gefragt seien also ganzheitliches Denken und Wertewandel. Aber was ist überhaupt „ganzheitliches Denken“? Welche Werte sollen welche anderen ersetzen? Das bleibt phrasenhaft-unklar. Und auch wenn man oft über „die Jugend“ schimpft: Dass die „junge Generation“ so doof sein soll, etwas völlig Undefiniertes einzufordern, nehme ich dem Blog „DieChefin.net“ nicht ab. Eher scheint es mir, dass hier rhethorisch Druck aufgebaut werden soll, um Gegner einer Quotierung als „rückständig“ zu stigmatisieren.

Aber weiter, zur „Just-Do-it“-Mentalität. Was soll das sein, wenn nicht ein Euphemismus für „Scheißegal-Mentalität“, ein Plädoyer für einen blind Frauen-bevorzugenden Aktionismus?
Dass Frauen mehr Mut bei Bewerbungen zeigen sollen und Unternehmen mehr Mut bei Stellenbesetzungen ist wieder eine Phrase. ((Ich glaube, diese Allgemeinplätze kann heute eigentlich keine Frau und keine Personalabteilung mehr hören.))

Beides haut aber in die Kerbe, dass Frauen einzustellen quasi Selbstzweck sei. Einfach mal machen, wird schon gut gehen, nicht nachzudenken ist „mutig“.
Doch kann man auf diese Weise ein erfolgreiches Unternehmen führen? Mit einer Personalpolitik, die auf dem Prinzip „Hoffnung“ basiert? Ich glaube es nicht. Frauen sollten ebenso wie Männer aus Überzeugung eingestellt werden, und nicht mit einem Bauchgefühl, das „Mut“ erfordert. Das könnte man z.B. erreichen, indem man genau definiert, welche Anforderungen für einen Job wichtig sind, und welche nicht.

Aber wo wir gerade dabei sind, es geht ja noch weiter:
(Es) gebe (…) noch eine zu starke Ausrichtung an Normen, Regeln und formalen Anforderungen.. Anders gesagt: Es werde bei Einstellungen zuviel Wert auf (unnötige?) Normen, Regeln und formale Anforderungen gelegt. Darum schafften es nicht genug Frauen ins mittlere Management. Darum fehlten dann die Kandidatinnen für das Top-Management. Und dann hieße es, es gebe keine geeigneten Frauen.

Aber: Wenn nicht genug Frauen die formale Qualifikation für das mittlere Management haben bzw. die entsprechende Norm erfüllen, dann gibt es in der Tat keine geeigneten Frauen für das mittlere oder höhere Management.

Das kann man nicht wegdiskutieren. Was man diskutieren kann ist nur, ob diese Normen und formalen Qualifikationen überhaupt Sinn ergeben. Der Text suggeriert, dass die bei Einstellungen verwendeten Normen und verlangten formalen Qualifikationen meist unsinnig seien.

Wenn das aber so ist, dann sollte der Text fordern, die Einstellungsvoraussetzungen so zu ändern, dass sie wieder Sinn ergeben — bei Frauen und Männern — und nicht, bei Frauen auf formale Qualifikation und Erfüllung von Normen zu verzichten.
Denn wenn bei Frauen „mutig“ auf Qualifikationen verzichtet werden soll – „just do it!“ – die bei Männern notwendig bleiben, dann wird nur das Vorurteil gefördert, dass Frauen im Management Quotenfrauen seien.

Gerade in einem Artikel, der den Titel „Frauen werden ins Karriere-Aus gefördert“, hätte ich nicht erwartet, dass der Tenor „Einfach mal Frauen ranlassen“ lautet.
Denn wer scheinbar nur wegen seines Geschlechts befördert wird, der landet natürlich irgendwann im Karriere-Aus. Darum wäre es wichtig, das Unternehmen transparent machen, dass in der Personalpolitik bei Frauen und Männern die gleichen sinnvollen Maßstäbe angelegt werden, und dass Frauen ebenso qualifiziert sein müssen wie Männer, und eben keinen „Tittenbonus“ bekommen.

Ich finde den ganzen Artikel höchst kontraproduktiv für die Gleichberechtigung von Frauen am Arbeitsplatz. Wenn mit Phrasen wie „Wertewandel“, „Just-do-It“Mentalität, „ganzheitlichem Denken“ zumindest scheinbar gefordert wird, die Anforderungen für Management-Positionen für Frauen quasi auszusetzen, dann werden eher Ressentiments gegen Frauen im Management geschürt, als Frauen gestärkt.

Ich hoffe, der Artikel ist einfach nur sprachlich-handwerklich völlig verunglückt, und fordert nicht wirklich, dass bei Frauen Qualifikation zweitrangig sein soll. Denn dann müsste man die Frage stellen, inwiefern eine Personalpolitik, die bei Frauen auf die Überprüfung der fachlichen Qualifikation verzichtet, überhaupt sinnvoll sein kann, und ob diese Variante von „mutiger“ Frauenförderung nicht im Zweifel sogar mehr Frauen schadet als nutzt. Wenn eine Firma aufgrund einer weiblichen Niete in Nadelstreifen vor die Wand fährt, fallen schließlich nicht nur Jobs und Einkommen von Männern weg.

Eine ganzheitliche, verantwortungsvolle Firmenpolitik stelle ich mir jedenfalls so vor, dass der für die Jobsicherheit notwendige betriebswirtschaftliche Erfolg der Firma durch eine sinnvolle Personalpolitik gefördert wird, die die Eignung neuer MitarbeiterInnen für Ihre Position durch sinnvolle, überprüfbare Kriterien sicherstellt, die nötigenfalls auch formalen oder Norm-Charakter haben können.

Vielleicht habe ich natürlich auch nur einen verengten Blick auf die Wirklichkeit. Vielleicht gibt es Firmen, bei der im mittleren Management irgendwelche pseudo-relevanten Qualifikationen gefordert werden, die aus irgendeinem Grund Männer eher haben als Frauen, vielleicht eine langjährige Mitgliedschaft bei der freiwilligen Feuerwehr. Ich kann es mir aber in Zeiten von Fachkräftemangel, globalem Wettbewerb etc. nicht wirklich vorstellen. Von daher hätte ich mir irgendein Beispiel oder zumindest eine Andeutung gewünscht, welche nebulösen Normen, Regeln und formalen Anforderungen das sein sollen, die Frauen in Unternehmen behindern. (Vielleicht mag ja jemand kommentieren?)

Jedenfalls bringen uns Artikel, die — meiner Meinung nach — ein verzerrtes Bild der Realität zeichnen, und dann zweifelhafte Maßnahmen vorschlagen, um diese konstruierte Wirklichkeit in eine weitere, utopische Ideal-Wirklichkeit umzubauen, nicht weiter.

Die Frauen, die sich wirklich entschließen, in die Wirtschaft zu gehen, brauchen meiner Meinung nach keine feministischen ZuschauerInnen, die ihnen vom Streckenrand wenig hilfreiche Tipps zurufen und stellvertretend für sie wenig hilfreiche Forderungen nach Absenkung irgendwelcher Standards stellen, als wenn Frauen so etwas nötig hätten.

3 Gedanken zu „„Feminismus“, der Frauen in den Rücken fällt

  1. mitm

    „Es werde bei Einstellungen zuviel Wert auf Normen, Regeln und formale Anforderungen gelegt“

    Das scheint mir eine ganz wichtige neue Frontlinie zu sein, nicht nur bei Tina Groll, mit der Quoten durchgesetzt werden sollen.

    Bei Einstellungen will man ja normalerweise den besten Bewerber einstellen, und was am besten ist, wird durch meßbare Normen, Regeln und formale Anforderungen definiert – und das ist i.d.R. auch sachgerechter als Willkürentscheidungen aufgrund Gesichtsausdruck oder Geschlecht. Fatalerweise gewinnen in diesen Konkurrenzen meist die Männer. Eine Methode, dieses unerwünschte Resultat zu verhindern, besteht darin, die Meßgenauigkeit, mit der die Qualität der Bewerber gemessen wird, zu vergröbern und dann die verbreitete „weiche“ Frauenbevorzugung bei „gleicher Qualifikation“ anzuwenden.

    In diesem Zusammenhang ist das Rechtsgutachten von Hans-Jürgen Papier zu sehen, das die NRW-Regierung beauftragt hat und von ihr als Meilenstein gefeiert wird. Es soll offensichtlich Wege aufzeigen, wie man durch die Hintertür harte Quotenvorgaben, die eigentlich verfassungswidrig sind, durchsetzt. mehr Details hier.

    Groll: „Frauen müssten mehr Mut bei Bewerbungen zeigen“

    Na sowas. Steckt da etwa die implizite Aussage drin, daß Frauen statistisch gesehen risikoaverser sind als Männer (und daß sie ihr statistisches Verhalten bitte ändern sollen)? Die höhere Risikoaversion ist m.W. empirisch nachgewiesen, u.a. wegen Testosteronpegel und aus biologischen Gründen, steht aber leider in krassem Widerspruch zur genderfeministischen Grundannahme, wonach sich Männer und Frauen statistisch exakt gleich verhalten. Diese Grundannahme ist unverzichtbar, um Frauenquoten und damit zusammenhängende Diskriminierungen von Männern begründen zu können. Womit wir wieder mal beim zentralen inneren Widerspruch feministischer Theorien kommen, ob es geschlechterspezifische Dispositionen gibt oder nicht gibt.

  2. Novalis

    „Ich hoffe, der Artikel ist einfach nur sprachlich-handwerklich völlig verunglückt, und fordert nicht wirklich, dass bei Frauen Qualifikation zweitrangig sein soll.“
    Leider beides. Tina Groll besitzt ein Prädikatssiegel für schlechten Journalismus, denkt aber auch genau in die Richtung. Diese Art der Sprache hat Methode.

  3. Matze

    „Beides haut aber in die Kerbe, dass Frauen einzustellen quasi Selbstzweck sei. “

    Das scheint es für einige zu sein. Weiter wird nicht gedacht. Erstmal überall Frauen in den gutbezahlten Jobs unterbringen und dann wird schon alles gut.

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