Weiterhin keine Chance für die Piraten-Einheits-Partei

Heute morgen habe ich diesen Beitrag beim Blog auf mannheimer-salon.de gelesen.

Und darum glaube ich weiter, dass es nichts wird mit der Piraten-Einheits-Partei, ganz einfach, weil offensichtlich zwischen den verschiedenen Lagern unüberbrückbare Differenzen bei der Wahrnehmung der Realität und bezüglich der Werte bestehen.

(tl;dr; unten)

Z.B. wertet der Blogger „rechts“, „Netz-ÖDP“ und „Konservative“ als nicht-beleidigend, sondern als legitime politische Abgrenzung, aber “Linksextrem”, “Linksaußen” oder “Antideutsch” als diffamierend. Das verstehe ich nicht, und werde es womöglich auch nie verstehen, weil ich nicht wüsste, wie man extrem linke Linke sonst nennen sollte; hier muss irgendeine unterschiedliche Prägung vorliegen die mich und den Schreiber gedanklich inkompatibel macht.

Das aber nur am Rande; auch thematisch haben ich und der Blogger keine Übereinstimmung. Er möchte gern

  1. SMV — mit offenen Abstimmungen und ohne Diskussion um “Gesinnungsdatenbank”
  2. Antifaschismus — bei dem klare Kante wichtiger ist als Streit um unglücklich gewählte gewaltfreie Protestformen
  3. Feminismus — Für eine gerechte Chancenverteilung die die derzeitige Verteilung von Privilegien anerkennt

Hier kommen wir auch nicht zusammen, denn ich finde die Möglichkeit zu freien, gleichen und geheimen Wahlen wichtig, und möchte keine Gesinnungsdatenbank, mit deren Hilfe dann aus meiner Sicht völlig verwirrte linksextreme Freunde der „klaren Kante“ — die ihnen wichtiger ist als das Gewaltmonopol des Staates — Menschen als „Nazis“ identifizieren und im Zweifel von Teleskopschlagstöcke-schwingenden Terrorkommandos kaputtprügeln lassen können.
In Bezug auf Punkt 1 und 2 kommen wir also eher nicht auf einen gemeinsamen Nenner und ja, ich habe Angst vor Einschüchterungsversuchen von Menschen mit einer utiliaristischen Grundeinstellung zu Gewaltanwendung, und ja, ich möchte keinen always-on-Partei-Wahlcomputer, und ja, ich glaube, dieser würde eine Gesinnungsdatenbank aufbauen, nach der sich zumindest jeder Soziologe die Finger lecken würde.

Und auch in Bezug auf Punkt drei wird es keine Einigung geben.
Dazu ein Gedankenexperiment: 1000 geklonte Neutren (um die Kategorien Mann/Frau zu vermeiden) werden zufällig in die Gruppen „rot“ und „blau“ eingeteilt. Dann dürfen sich alle frei einen von 4 möglichen Jobs aussuchen. Wie groß ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass in allen Gruppen eine Quote von 50% blauen und 50% roten Neutren erreicht wird?
Ich kann es nicht ausrechnen, zumal die Präferenzen der Neutren nicht definiert sind, aber die Wahrscheinlichkeit ist durchaus eher gering. ((Mathematiker bitte melden, falls jemand Ahnung hat))

Das heißt also, wenn Frauen und Männer wirklich gleich wären, wie Gleichheitsfeministen behaupten, gleiche Präferenzen hätten und nur zufällig die Label „Frau“ und „Mann“ zugeteilt bekämen, dann würde trotzdem selten bis nie eine 50%-Quote erreicht werden, weil es dann einfach Zufall wäre, wie die Verteilungen
nachher aussehen, die von den zufälligen individuellen Präferenzen und dem zufälligen Geschlecht abhingen.

Meiner Meinung nach müsste sich bei noch mehr Job-Gruppen, die dann auch noch unterschiedlich groß sein könnten, eine Gauß’sche Normalverteilung von Gruppen über die Verhältnisse von 0:100 über 50:50 bis 100:0 ergeben. Natürlich wären viele Gruppen annähernd gleich besetzt, vor allem die Großen, es gäbe aber auch natürlicherweise einige Gruppen mit 60/40 und ganz wenige mit 90/10-Verteilung.

Das bedeutet, die Annahme, dass man aus einer Verteilung von Frauen und Männern Ungerechtigkeit herauslesen könne, ist eher zweifelhaft, und wird völlig absurd, wenn man annimmt, dass die Präferenzen von Frauen und Männern eben nicht gleich sind, und sich Abweichungen in der Verteilung auch dadurch ergeben können, ohne dass irgendwer benachteiligt oder behindert wird.

Und wenn jetzt jemand kommt mit einer speziell ausgesuchten Statistik, die nur eine einzige Verteilung enthält, in der Frauen – vielleicht ja zufällig, oder aufgrund von spezifisch weiblichen Präferenzen – doof dran sind, dann kann ich das einfach nicht ernst nehmen. Wenn man Geschlechtergerechtigkeit bewerten will darf man sich nicht willkürlich Teilaspekte raussuchen ((Cherry-Picking FTW!)), wie z.B. wie wenige Frauen Vorstands-Chefin sind und wie viele Kassiererin oder Friseurin, man muss auch mitbewerten, wieviele Männer Taxifahrer und Paketboten sind und wie doch auch bei Männern eher wenige Vorstand-Chef, und wieviele Frauen Juristin und Lehrerin sind, wenn man tatsächlich bewerten will, welches Geschlecht besser dran ist, und warum.

Auch hier haben also der Blogger und ich ganz unterschiedliche Ansichten, die womöglich aus ganz unterschiedlichen Herangehensweisen und einer ganz unterschiedlichen Sozialisation heraus entstanden sind.
Als Kind mit einer Elterngeneration, in der alle Frauen studiert haben und Architektin, Ärztin, Lehrerin etc. geworden sind ist die Idee, Frauen würden daran gehindert irgendwelche Dinge zu erreichen für mich ganz weit weg mit Tendenz zu völlig idiotisch, jedenfalls gehören die Frauen, die ich kenne, ziemlich durchgehend nicht zu denjenigen die sich vom Patriarchat die Butter vom Brot nehmen lassen.

Aber wie auch immer: Ich und der gute Mann können nie irgendeine gemeinsame politische Position finden. Wir gehören eher nicht in die gleiche Partei. Darum wird entschieden werden müssen, welche Partei die Piratenpartei sein will. Ein bestimmter Grundkonsens muss herrschen, und dahin kommen wir nur mit einer Positionsklärung, die unweigerlich ausgrenzende Wirkung haben wird auf alle, die mit der jeweiligen Positionen nicht leben können.

Und darum plädiere ich dafür, diese Positionsbestimmung für die dauerhaft schwelenden Streitpunkte bald vorzunehmen, auch wenn es weh tun wird, wem auch immer.

tl;dr;

Ich würde gerne wissen, ob wir wirklich „yet another Genderpartei“ werden, oder „Post-Gender“ bleiben.
Ob wir ein 24/7 laufendes innerparteiliches Gesinnungs-Datamining betreiben, das wir dann „SMV“ nennen und als tollen Fortschritt „framen“, oder für Freiheit statt Angst und für Atempausen auch im politischen Entscheidungsprozess.
Ob wir für Demokratie und Gewaltfreiheit stehen, oder für Anarchie und eine Der-Zweck-heiligt-die-Mittel-Logik.

Ob wir für oder gegen Atomkraft sind. Ob wir für oder gegen privaten Waffenbesitz sind. Oder anders: Ob wir soziale Liberale sind, die an die Begrenztheit der menschlichen Fähigkeit zur Übernahme von Verantwortung glauben, oder ob wir Libertäre sind, die das nicht tun.

Wir könnten natürlich auch wieder eine Kernthemen-Partei werden, aber da auch die früheren Kernthemen mittlerweise kontrovers zu sein scheinen glaube ich, der Zug dorthin zurück ist längst abgefahren.

4 Gedanken zu „Weiterhin keine Chance für die Piraten-Einheits-Partei

  1. tom174

    Ich habe das schon ein paar mal gesagt, die Piraten brauchen einen gemeinsamen und verbindlichern Wertekanon. Der kann gerne eingeschränkt sein und nicht vollständig, aber ich tue mich sehr schwer darin zu wissen, wofür die Piraten stehen.
    Als Liberaler habe ich mich natürlich über den Ausgang der Wahl gefreut, aber letztendlich wurde hier nur ein Vorstand gewählt und keine Richtung. Ich glaube beide Seiten wären besser bedient, wenn hier eine Trennung stattfände. Es gibt zu viele Positionen, die sich diametral entgegenstehen, da kommt man auf keinen Konsens. Ausklammern der Themen geht vielleicht noch, aber dauerhaft funktioniert das nicht wirklich.

  2. Jürgen Stemke

    Ich habe zwar nicht die Wahrscheinlichkeiten ausgerechnet, aber ich habe eine Tabelle erstellt, die das Rot/Blau-Problem mit Zufallsdaten nachrechnet. Die Streuung ist gar nicht so übermäßig groß. Es gibt also mit Sicherheit deutlich stärkere Einflußfaktoren neben dem Zufall, die auf die Quote der Besetzung Einfluss nehmen.

    (Hier war ein Link zu einem ODS-Sheet)

    1. peter Beitragsautor

      Ich glaube ja auch, dass die Präferenz von rot/blau gar nicht unabhängig von der Farbe ist. Es wäre also eine bedingte Wahrscheinlichkeit, und dann wären die Schwankungen wohl größer. Wenn wir z.B. davon ausgehen, dass Frauen lieber Grundschullehrerin werden und Männer lieber Polizist als umgekehrt, und wenn wir annehmen, dass das aus neurobiologischen Gründen so ist. Eine Annahme, die die Gleichheitsfeministen ablehnen, während Differenzfeministen und Evolutionsbiologen sie für gegeben halten, was wieder ein Punkt ist, wo ggf. keine Einigung möglich ist.
      Abgesehen natürlich auch davon, dass wir nicht wissen, wie zufällig der Zufallsgenerator führender Office-Distributionen wirklich ist, und wie viel Aussagekraft dein Experiment deshalb wirklich hat.
      Das ich übrigens nicht nachvollziehen kann, weil Deine Download-Seite, die ich jetzt gelöscht habe, mir laut Avast! Trojaner unterschieben will; zumindest aber einen EXE-Downloader.

  3. stefanolix

    Was mir in den letzten Tagen auffällt, scheint ein kalkuliertes und koordiniertes Vorgehen der Linksaußen zu sein. Sie bieten der Mehrheit keine konstruktive Zusammenarbeit, sondern sie fordern Unterwerfungsgesten. Beispiele:

    Die Forderung von @Kliehm nach einer gegenderten Satzung: Er besitzt noch die Dreistigkeit, diese Forderung in eine Geste des guten Willens der demokratischen Mehrheit umzudeuten.

    Die Dolchstoßlegenden: Busse mit Delegierten (als ob die Linksaußen das nicht könnten), Vorwurf der Parteilichkeit an die Versammlungsleitung etc. Solche Legenden kann die demokratische Mehrheit natürlich nicht akzeptieren.

    In dieses Schema passt auch der oben zitierte Beitrag, in dem unerfüllbare Forderungen und unhaltbare Behauptungen aufgestellt werden. Die Mehrheit darf sich jetzt nicht auf ihren Abstimmungserfolgen ausruhen. Sie muss der radikalen Minderheit die Grenzen zeigen. Die Piratenpartei kann in Zukunft nicht mit Regeln arbeiten, die von einer radikalen Minderheit durchgesetzt werden.

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