Was wir Piraten aus dem Ergebnis der Bundestagswahl 2013 lernen können

Machen wir uns nichts vor: Wir Piraten haben es verkackt.

FDP und Grüne haben zusammen über 12 Prozentpunkte Zustimmung verloren, und die Piraten haben von diesen Verlusten des – im weitesten Sinnen – liberalen, bürgerrechtspolitisch orientierten Lagers quasi nicht profitiert.
Nicht einmal die NSA-Affäre und unser engagierter Wahlkampf, der meiner Meinung nach trotz eher geringer finanzieller Möglichkeiten auf recht hohem Niveau stattgefunden hat, konnten verhindern dass die Piraten am Ende weniger als die Hälfte von 5% der Wählerstimmen auf sich vereinen konnten.

Eine der üblichen Reaktionen auf Wahlniederlagen ist das Wähler-Bashing: „Die Leute sind einfach zu doof für unsere total tolle und logische Politik – Mimimimi!“.
Aber das ist natürlich Bullshit. Wenn man ein – angenommenermaßen – überlegenes Produkt nicht los wird, dann liegt das am Marketing, nicht am Kunden.

Darum glaube ich: Wir Piraten haben uns von den etablierten Parteien und den Medien vorführen lassen.

Anstatt zu den Kernthemen zu stehen haben wir überstürzt versucht ein Vollprogramm zu verabschieden.
Dabei hätten wir sehr gut sagen können dass unsere Abgeordneten im Zweifel einfach den Vorschlägen der politischen Konkurrenz zustimmen würden die jeweils am vernünftigsten sind. Aber statt dessen sind wir über das Stöckchen gesprungen und haben versucht zu jedem Thema von Atomenergie bis Zweitwohnungssteuer eine Position zu finden. Mit dem „Erfolg“ das deswegen interne Grabenkämpfe ausgebrochen sind und der politische Gegner uns alle möglichen Dinge aus unserem Programm vorhalten konnte.

Das Vollprogramm hat auch zu einem logischen Bruch im Konzept der Piratenpartei geführt: Eine Partei die sich gegen den Fraktionszwang ausspricht kann nur bezüglich unstrittiger Kernthemen Wahlversprechen machen, weil nur bezüglich dieser Themen einigermaßen sicher ist dass alle Abgeordneten hier gemäß dem Wahlversprechen abstimmen würden.
Ohne einen Fraktionszwang der alle Abgeordneten zu einem einheitlichen Abstimmungsverhalten zwingt ist ein Wahlkampf mit einem Vollprogramm, das ja immer auch als Wahlversprechen aufgefasst wird, überhaupt nicht glaubwürdig.

Natürlich ist die Piratenpartei eine junge Partei die noch nicht wirklich zu sich selbst gefunden hat. Im Hype sind viele Leute eingetreten die sich von der Piratenpartei erhofft haben dort ihre Meinungen platzieren zu können die sie von anderen Parteien nicht richtig vertreten gesehen haben. Was ja auch legitim ist.
Und darum haben wir jetzt Schusswaffen-Freunde, Nuklearenergie-Befürworter, Gender-Fans, BGE-Gläubige und SMV-Vertreter in der Partei. Diese haben für jede Menge innere Unruhe und Außendarstellungsprobleme („Popcorn“) gesorgt, und unsere basisdemokratische Partei hat diese Probleme mangels innerer Geschlossenheit, Struktur und Führung nicht in den Griff bekommen.

Wir werden noch Jahre brauche um diese verschiedenen Themen intern auszudiskutieren.
Ich glaube aber dass wir aus der (auch näheren) Vergangenheit Folgendes lernen können:

1. Schlagkräftige Parteien nutzen die Effizienzvorteile eines hierarchischen Delegiertensystems. Dieses spart Kosten, schont menschliche Ressourcen und filtert auf Kreis-, Bezirks- und Landesebene Themen vor, so dass auf Bundesparteitagen effizient gearbeitet werden kann; basidemokratische Elemente müssen auf Mitgliederentscheide beschränkt bleiben, die eher die Ausnahme als die Regel sein sollten. Auch noch so politisch engagierte Menschen haben nur begrenzt Zeit und Lust sich in Themen einzuarbeiten. Daher sollten wir die Möglichkeiten der Parallelisierung und der Mehrstufigkeit nutzen die ein hierarchisches Delegiertensystem bietet.

2. Elektronische Wahlen, gesichert durch Krypto-Foo, sind wahrscheinlich manipulierbar und damit nicht demokratisch. Wenn wir uns auf Krypto-Foo verlassen das kaum jemand versteht und das vielleicht Hintertüren oder Schwächen hat wären Wahlmanipulationen Tür und Tor geöffnet. Die Old-School Papierwahl ist leider das einzige Verfahren das jeder versteht und nachvollziehen kann und wo es keinen „Single Point of Failure“ gibt wo ggf. eine Hacker-Attacke möglich ist.

3. Der Wähler interessiert sich für Gesundheit, Geld, gutes Leben. Das Motto „Freiheit statt Angst“ verfängt nicht bei denen die gar keine Angst haben vor informationstechnischer Ausspähung. Sondern eher vor Atomkraft, Islamisten und Altersarmut. Wir Piraten können als Kleinpartei keine Themen setzen. Wir müssen für die Probleme die in der Diskussion sind überzeugende Lösungen bieten oder taktisch die Klappe halten.

Es mag gut sein dass diese drei Punkte in der Piratenpartei keine Mehrheit finden würden. Das ist okay. Dann brauchen wir eben einen Fork.
Einen Fork möglicherweise, dessen Namen man nicht erst erklären muss (Damals, in Schweden… bla bla… ).
Einen Fork, der nicht der genderfeministischen Blödsinnsideologie anhängt die die offensichtlich vorhandenen biologisch-hormonellen, neurologischen und psychosozialen Unterschiede zwischen Männern und Frauen durch gesellschaftliche Umerziehung „wegkonditionieren“ zu können und zu müssen glaubt.
Einen sozial-liberalen Fork, der „den Markt“ nicht animistisch personifiziert und zum Heilsbringer verklärt, sondern „den Markt“ als Summe der Interaktionen von Marktteilnehmern innerhalb der gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen begreift. Rahmenbedingungen, die es stetig behutsam zu aktualisieren gilt um eine Regelungs-Wirkung zu entfalten die zu einer Maximierung des Gemeinwohls führt und nicht primär zur Maximierung des Gewinns von Spekulanten, Subventions-Betrügern und Spesenrittern.
Einen Fork, der nicht glaubt die Weisheit gepachtet zu haben sondern auch einsieht, dass manche Dinge nur durch „Ausprobieren“ geklärt werden können. Bedingungsloses Grundeinkommen, gut oder schlecht? Wollen Menschen arbeiten, oder sind Menschen faul und sitzen am liebsten stoned und kopulierend vor der Glotze? Vielleicht stimmt ja beides, möglicherweise liegt das ideale Sozialsystem irgendwo zwischen BGE und Hartz IV, probieren wir es aus, verabschieden wir zeitlich begrenzt gültige Gesetze!
Und natürlich einen Fork, der rechten und linken Ideologien keine Bühne bietet, wo keine prügelfreudigen Rote-Hilfe-Mitglieder im Parlamentsfernsehen herumpöbeln oder Ex-NPD-Mitglieder Kreisverbände übernehmen, wo keine Leute mit selbst-erfundenen Berufsbezeichnungen und Laberfach-Ausbildung sich selbst inszenieren, wo weder Gender-Konferenzen veranstaltet noch Prangerseiten eingerichtet oder Wortklauberei betrieben wird.

Wichtig ist, dass wir aufhören uns Illusionen zu machen. Politik ist ein schwieriges Geschäft. Die Welt hat nicht auf uns gewartet. Die Generationen vor uns waren nicht zu doof um auf die ganzen klugen Dinge zu kommen die wir uns ausgedacht haben, sondern manche Dinge funktionieren einfach nicht. Auch wenn wir es uns noch so sehr wünschen. Es ist Zeit, als Partei erwachsen zu werden.