Eingefrorene Eizellen oder: Die (Un-)Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Machen wir uns nichts vor. Es gibt keine „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass man gleichzeitig voll für seine Familie da sein und mit ganzer Kraft an einer Karriere arbeiten kann.

Man kann seine Kraft zwischen Beruf und Familie verteilen. Workaholics und Vollzeit-Eltern bilden dabei die Extreme; dazwischen gibt es alle möglichen anderen Modelle der Verteilung der eigenen Kraft auf Beruf oder Familie.

Aber wie auch immer man seine Kraft verteilt: Natürlich kann man nicht gleichzeitig seinen Kindern die ideale Kindheit mit anwesenden und aktiven Elternteilen bieten und nebenher Karriere machen, mit Überstunden, Stresszeiten, Weiterbildungen, Jobwechseln. Eltern machen weniger, langsamer oder überhaupt nicht Karriere, entweder beide, oder der Elternteil, der sich stärker für die Familie als für den Job entscheidet. Das ist bei Männern genau so wie bei Frauen.

Dass uns, dass Frauen und Männern dennoch von Politik und irgendwelchen Nachrichtenmagazinen bzw. Frauenzeitschriften stetig eingeredet wird, eine tolle Karriere sei ebenso Pflicht wie eine glückliche Familie ist meiner Meinung nach eine Irreführung, auf die wir nicht hereinfallen sollten, weil wir sonst nur unglücklich werden können mit unserer nicht-perfekten Familie und unserer nicht-perfekten Karriere und der scheinbaren Ungerechtigkeit, dass man einfach keine zwei Dinge gleichzeitig tun kann.

tl;dr;:Die „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ im Sinne von Beides-haben-Können ist eine Lüge, die wir glauben, weil wir sie so gern glauben wollen, obwohl wir es besser wissen sollten.

Das Angebot von Silicon-Valley-Unternehmen, Frauen das Einfrieren von Eizellen zu finanzieren, empfinde ich in diesem Zusammenhang als weitere groteske Ausbaustufe des offensichtlich unhaltbaren Versprechens, in seiner begrenzten Lebenszeit doch irgendwie alles haben zu können, tolle Karriere, Selbstverwirklichung, Haus, Nestbau, Familie, Barbequeue mit den Enkeln in der Vorstadt…

Dieses Angebot soll helfen, die Familiengründung (ad infinitum?) zu verschieben, zumindest aber aus dem Zeitraum der höchsten Leistungsfähigkeit heraus. Entsprechend der verbreiteten Vorstellung davon, in welchen Phasen ein „erfolgreiches Leben“ ablaufen sollte.

Ich halte die Entwicklung unserer Vorstellungen von so einem Leben allerdings für eine krasse Fehlentwicklung.

Die Vorstellung vom „erfolgreichen“ Leben sieht meiner Meinung nach so aus: Nach der glücklichen Kindheit kommt die erfolgreiche Schulzeit, dann Ausbildung/Studium, dann die berufliche Karriere. Dabei findet man dann den Traumpartner, und dann wird die Familie gegründet, natürlich nicht, bevor genug Geld für das geräumige Passiv-Haus im Grünen und den SUV einer süddeutschen Automarke beiseite gelegt worden ist…

In Wirklichkeit ist es aber so, dass jüngere Menschen sich natürlich leichter tun, Kinder zu bekommen und aufzuziehen, weswegen frühes Kinder-Kriegen günstig wäre. Wer mit dreißig — aus heutiger Sicht: schon — die ersten Kinder bekommt muss einsehen, dass es eigentlich doch schon etwas spät ist, weil man mit 20 die durchgeschrieenen Nächte mit Säuglingen oder kranken Kleinkindern leichter weggesteckt hätte. Und auch unter dem Aspekt der Fruchtbarkeit oder dem Aspekt der Verfügbarkeit fitter Großeltern zur Kinderbetreuung wäre eine frühe Familiengründung günstig. Es gilt nur irgendwie als falsch oder gar asozial Kinder in die Welt zu setzen, wenn man keine Ausbildung oder kein Studium oder noch keine relevante Karriere vorweisen kann. Obwohl man sich natürlich viel schwerer tut, nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensstandards und einer bestimmten Karrierestufe diese Dinge aufzugeben um kleine, zeitraubende, teure Monster in die Welt zu setzen, was Kinder einfach manchmal sein können.

Wenn unsere Gesellschaft tatsächlich ein „lebenslanges Lernen“ ermöglichen würde, wenn es tatsächlich jedem jederzeit möglich wäre eine Ausbildung oder ein Studium neu aufzunehmen oder fortzusetzen, wenn die Menschen keine Angst hätten bzw. haben müssten, nach einer frühen Familiengründung unqualifiziert und ohne gute weitere Bildungsmöglichkeiten sozial abzurutschen, dann könnte man die „Ideal-Reihenfolge“ von Schule-Ausbildung/Studium-Karriere-Familie ggf. durchbrechen.
Dann würden Eltern ihren Kindern nicht gut zureden (müssen), „erstmal die Ausbildung/das Studium“ fertigzumachen oder „erstmal Karriere zu machen“, „erstmal etwas zu sparen“, vielleicht sogar „erstmal ein Haus zu bauen“, etc..
Und wenn wir aufhören würden uns einzureden, es gäbe eine Art von „Vereinbarkeit von Beruf und Karriere“, die jedem alles ermöglicht, dann könnten wir vielleicht entspannter an das Thema Familiengründung herangehen und aufhören, auf „den idealen Zeitpunkt“ für die Familiengründung zu warten, der natürlich niemals kommt, weil es ihn nicht gibt; zumal es immer großartig ist, ein Kind zu bekommen.

Vielleicht könnten wir den Trend zu einer immer späteren Familiengründung umkehren, und vielleicht könnten wir dann einfach über Firmen lachen, die ihren Mitarbeiterinnen durch Eizellen-Einfrier-Angebot „helfen“, ihre naive Wunschvorstellung von der Machbarkeit eines zweihundertprozentigen Lebens mit 100% Karriere und 100% Familienglück weiterzuleben, bis es vielleicht für eine Familie doch zu spät ist.

Ein Gedanke zu „Eingefrorene Eizellen oder: Die (Un-)Vereinbarkeit von Beruf und Familie

  1. anonym

    einer bestimmten Karrierestufe diese Dinge aufzugeben um kleine, zeitraubende, teure Monster in die Welt zu setzen, was Kinder einfach manchmal sein können.

    :-)

    der ist Gut

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